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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2016:111116B1BGS125.16.0
Bundesgerichtshof
Ermittlungsrichter
I
1 BGs 125/16
1 ARs 1/16
BESCHLUSS
vom
11. November
2016
In dem Verfahren
gemäß § 17 Abs. 4 PUAG
M.
R.
und Dr. K.
N.
als Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des 1. Untersuchungsausschus-ses der 18.
Wahlperiode des Deutschen Bundestages,
Antragsteller,
gegen
1. Untersuchungsausschuss der 18.
Wahlperiode des Deutschen Bundestages, vertreten durch den Vorsitzenden, Prof. Dr. P.
S.
Antragsgegner
-
2
-
hat der Ermittlungsrichter I des Bundesgerichtshofs am 11. November
2016
beschlossen:
Der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deut-schen Bundestages hat nochmals über Ziffern II.1.a) und b) des von den Antragstellern am 8. Oktober 2015 gestellten Antrags,
die Bundesregierung zu ersuchen, unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass-
und ausländerrechtliche Ermögli-chung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dem Ausschuss mitzuteilen, zu wel-chem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann (Ausschussdrucksache 423),
abzustimmen und ihm -
sollte er weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses un-terstützt werden -
zu Ziffern II. 1.a) und b)
-
zumindest mehrheit-lich
-
zuzustimmen.
Gründe:
I.
Das Begehren der Antragsteller richtet
sich gegen die Ablehnung eines im 1. Untersuchungsausschuss
der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundesta-ges gestellten Antrags auf Schaffung der Voraussetzungen für den Vollzug ei-nes Beweisbeschlusses.
1.
Der 1. Untersuchungsausschuss der 18.
Wahlperiode des Deutschen Bundestags wurde am 20.
März 2014 eingesetzt,
um u.a. zu klären, "ob, in wel-1
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cher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes"
(der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinig-ten Königsreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge"
..., "deren Inhalte sowie sonstige Daten-verarbeitungsvorgänge"
... "von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher auf öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder pri-vate Dritte erfasste Daten erfolgte bzw. erfolgt und inwieweit Stellen des Bun-des, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundes-amt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten und gegebenenfalls Nut-zen daraus zogen."
(B I der BT-Drucks.
18/843) und ferner zu klären, "ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte"
... "von Mit-gliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter I. genannten Staaten nach-richtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden."
(B II BT-Drucks.
18/843).
Aufgrund eines Beschlusses der Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 10.
April 2014
nahm die Bundesregierung zu einer möglichen Vernehmung des E.
S.
als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss mit Schreiben vom 2.
Mai 2014 Stellung. Einleitend stellte die Bundesregierung dabei klar, dass eine Prüfung und Stellungnahme nur in allgemeiner Form erfolgen könne, sofern Erkenntnisse zum tatsächlichen Sachverhalt nicht gesichert oder über-haupt nicht vorliegen. Vertiefend führte
sie aus, dass im Hinblick auf ihre
Unter-stützungspflicht gegenüber dem Untersuchungsausschuss im Rahmen der ge-botenen Abwägung auch zu berücksichtigen sei, ob E.
S.
als Zeu-ge im Ausland vernommen werden könne und deshalb ihre Weigerung, ihn nach Deutschland einreisen zu lassen, voraussichtlich nicht zur Folge hätte, dass das Beweismittel nicht zur Verfügung stünde. Auch wies die Bundesregie-3
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-
rung
darauf hin, dass im Falle einer Vernehmung des Zeugen in Deutschland mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Be-ziehungen und eine Beeinträchtigung der Kooperation mit US-Sicherheits-behörden zu rechnen sei. Nachdem die rechtliche Prüfung ergeben habe, dass E.
S.
-
vorbehaltlich der Zustimmung der Behörden des Aufent-haltsstaates
-
auch im Ausland vernommen werden könne, dürften die außen-
und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung E. S.
s in Deutschland überwiegen.
Am 8.
Mai 2014 beschloss der Untersuchungsausschuss aufgrund des Beweisantrages der Antragsteller vom 2.
April 2014 einstimmig, zu dem Unter-suchungsauftrag Beweis zu erheben durch Vernehmung des E.
S.
als Zeugen.
Betreffend den Vollzug des Beweisbeschlusses besteht im
Untersu-chungsausschuss Uneinigkeit
darüber, ob E.
S.
in Deutschland
vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge aussagen soll bzw. dieser an seinem derzeitigen Aufenthaltshort in Russland
vernommen werden kann. In diesem Zusammenhang nahm die Bundesregierung
auf Fragen des Untersuchungs-ausschusses in einem weiteren Bericht vom 2.
Juni 2014 ergänzend dahinge-hend Stellung, dass sie weiterhin eine Zeugenvernehmung im Ausland für mög-lich halte und zur Prüfung der Bewilligung einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten noch weitere Fragen an das U.S. Department of Justice gerichtet wor-den seien, mithin das Bestehen eines Auslieferungshindernisses auf der Grund-lage des bislang mitgeteilten Sachverhaltes noch nicht abschließend beurteilt werden könne.
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-
5
-
Bereits mit
Schreiben vom 19.
Mai 2014 hatte der anwaltliche Vertreter E.
S.
s auf Frage dem Untersuchungsausschuss mitgeteilt, dass er seinem Mandanten davon abrate, sich "von Moskau aus zu äußern".
Schließlich stellten die Antragsteller am 5.
Juni
2014 den Antrag, der Ausschuss möge beschließen, den anwaltlichen Vertreter des Zeugen S.
zu ersuchen, mitzuteilen, ob sein Mandant nur für eine Vernehmung in Deutsch-land zur Verfügung stehe, bejahendenfalls den Zeugen für den 4. Juli 2014 nach Berlin zu laden und die Bundesregierung zu ersuchen, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtung unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland zu diesem Termin zu schaf-fen. Mit Beschluss vom selben Tage wurde dieser Antrag abgelehnt und be-schlossen, E.
S.
zu ersuchen mitzuteilen, ob er für ein (informelles) Gespräch mit dem Vorsitzenden und den Obleuten
des Untersuchungsaus-schusses an seinem momentanen Aufenthaltsort zur Verfügung stehe. Dies wurde durch den anwaltlichen Vertreter des Zeugen unter dem 19. Juni 2014 verneint.
Am 25. Juni 2014 wiederholten die Antragsteller unter anderem ihren An-trag auf Vernehmung des Zeugen in Berlin und Ersuchen der Bundesregierung um Amtshilfe. Dieser
Antrag wurde durch Beschluss vom 26.
Juni 2014 abge-lehnt.
Der Untersuchungsausschuss beschloss am selben Tag vielmehr,
den Zeugen E.
S.
am 11.
September 2014 mittels audiovisueller Zeu-genvernehmung entsprechend §
247a StPO durch Übertragung von seinem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Aufenthaltsort in die öffentliche Ausschusssitzung in Berlin zu befragen.
Mit Schreiben vom 8.
Juli 2014 teilte der anwaltliche Vertre-ter des Zeugen S.
abermals mit, sein Mandant stehe trotz grundsätzli-cher Aussagebereitschaft für die avisierte Videovernehmung in Moskau nicht zur Verfügung.
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6
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Unter Berufung auf §
17 Abs.
3 Satz
2 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG)
erhoben die Antragsteller gegen die Ablehnung ihrer Anträge vom 25.
Juni 2014 Widerspruch und beantragten am
21.
Juli 2014 erneut die Ver-nehmung des Zeugen S.
in Berlin sowie ein entsprechendes Amtshil-feersuchen an
die Bundesregierung.
Auch dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 11.
September 2014 abge-lehnt.
Daraufhin wandten sich die Antragsteller an das Bundesverfassungsge-richt
mit dem Rechtsschutzbegehren, festzustellen, dass sie durch die Weige-rung der Bundesregierung, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung E.
S.
s in Berlin zu schaffen
(Antrag zu
1.),
sowie aufgrund der Ablehnung der Beweisanträge gerichtet auf Verneh-mung
des Zeugen
in Berlin
(Antrag zu 2.)
in ihrem Recht aus Art.
44 Abs.
1 GG verletzt seien.
Mit Beschluss vom 4.
Dezember 2014 (BVerfGE 138, 45 ff.) verwarf
das Bundesverfassungsgericht die Anträge.
Der Antrag zu 1. beziehe sich nicht auf einen tauglichen
Angriffsgegenstand, denn die Schreiben der Bundesregierung vom 2.
Mai 2014 und 2.
Juni 2014 stellten keine rechtserheblichen Maßnahmen im Sinne des §
64 Abs.
1 BVerfGG dar. Die Einschätzungen der Bundesregie-rung in den genannten
Schreiben seien lediglich vorläufiger Natur, das Schrei-ben
vom 2.
Mai 2014 beinhalte nur
eine unverbindliche Stellungnahme. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Behandlung eines Amtshilfeersu-chens, die Rechte der Antragsteller oder des Antragsgegners berühren könnte, entfalte das Vorgehen der Bundesregierung keine rechtlich relevante Außen-wirkung.
Auch soweit sich die Antragsteller generell gegen die Weigerung der Bundesregierung wandten, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen 9
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für eine Zeugenvernehmung des E.
S.
in Deutschland zu schaffen, sei der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig. Solange weder eine Ladung E.
S.
s zur Zeugenvernehmung nach Deutschland vor-liege, noch ein konkretes Amtshilfeersuchen des Antragsgegners abgelehnt worden sei, verdichteten sich die Stellungnahmen der Bundesregierung mit dem Ziel einer bloßen Unterrichtung noch nicht zu einem rechtserheblichen Un-terlassen (vgl. BVerfG aaO Rn.
18 bis 33). Hinsichtlich des Antrages zu 2. sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet. Der Antrag sei dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller die Feststellung begehrten, dass der Antragsgegner die Antragsteller
mit der Ablehnung von Verfahrensan-trägen vom 25.
Juni 2014 und 21.
Juli 2014 in ihren Rechten aus Art.
44 Abs.
1 GG verletzt habe. Zwar griffen die Antragsteller im Organstreitverfahren die Ab-lehnung von Beweisanträgen an, jedoch handle es sich bei den streitgegen-ständlichen Anträgen vom 25.
Juni 2014 und 21.
Juli 2014 nicht um Beweisan-träge, sondern lediglich um Verfahrensanträge zur Ausgestaltung der weiteren Arbeit des Untersuchungsausschusses. Die Zuständigkeit des Bundesverfas-sungsgerichts ergebe sich weder aus dem
Untersuchungsausschussgesetz, noch könne es
im Wege des Organstreits angerufen werden, denn
Gegenstand des Antrags sei nicht die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Grundgesetz.
Die Antragsteller hätten geltend gemacht, ihnen stehe ein Anspruch auf Be-stimmung des Zeitpunkts und des Ortes der Zeugenvernehmung zu. Damit machten sie kein in Art.
44 Abs.
1 GG wurzelndes Recht der Ausschussminder-heit
gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend. Nicht in
Streit stehe das aus Art.
44 Abs.
1 GG abzuleitende Beweiserzwingungs-
und Beweisdurchset-zungsrecht der qualifizierten Mehrheit im Ausschuss. Die Bestimmung des Ver-nehmungsortes und des Zeitpunktes der Vernehmung betreffe vielmehr die Modalitäten des Vollzugs eines bereits ergangenen Beweisbeschlusses. Über -
8
-
derartige Verfahrensabläufe entscheide grundsätzlich die jeweilige Ausschuss-mehrheit nach Maßgabe der §§
17 ff. PUAG und der sinngemäß anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung. Nachdem dem Antrag der Antragsteller auf Zeugenvernehmung E.
S.
s seitens des Antraggegners durch Erlass des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 entsprochen worden sei, sei auch das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Beteiligung nicht streitgegenständlich
(BVerfG aaO Rn.
34 bis 41).
Am 8.
Oktober 2015
beantragten die Antragsteller im Untersuchungs-ausschuss u.a. folgendes (vgl. Ausschussdrucks. 423):
"Der 1. Untersuchungsausschuss möge
beschließen:"
...
II.
"1.
Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich
a) die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass-
und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksa-men Auslieferungsschutzes)
b) dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann und
c) im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung dieses Ersu-chens (spätestens bis zum 4.
November 2015) die jeweils maßgeblichen Gründe dem Ausschuss schriftlich darzulegen und mitzuteilen."
Entsprechend dem Antrag der Ausschussmehrheit (Ausschussdrucks. 425) beschloss der Ausschuss
am 15.
Oktober 2015, die Bundesregierung zu ersuchen, ihm
bis zum 2.
November 2015 mitzuteilen, ob zu den Feststellun-13
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gen, die sie in den dem Ausschuss mit Schreiben vom 2.
Mai 2014 und 2.
Juni 2014 übermittelten Stellungnahmen getroffen hat, Änderungen eingetreten sind und gegebenenfalls worin diese bestehen.
Ferner beschloss der Ausschuss am 5.
November 2015 im Kern eine Videovernehmung des Zeugen S.
in Moskau am 12.
November 2015. Diese Vernehmung konnte nicht durchgeführt werden, da der Zeuge S.
bei seiner Haltung, für eine umfassende Ver-nehmung als Zeuge in Moskau nicht
zur Verfügung zu stehen, blieb
(vgl. dazu die Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 10. November 2015 und
26.
Mai 2016, Anlagen 7 und 8).
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 (Anlage 9) teilte
die Bundesregie-rung mit, dass sich gegenüber ihren Stellungnahmen vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 keine Änderungen ergeben haben. Mit Email vom 6. Juni 2016 (An-lage 10) teilte die Bundesregierung mit, der an das US Department of Justice zur Entscheidung über das Ersuchen der US-Behörden auf vorläufige Inhaft-nahme des E.
S.
gerichtete Fragenkatalog sei bislang nicht beantwortet.
2. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Ablehnung des beschlussge-genständlichen Antrags durch den Antragsgegner verstoße gegen §
17 Abs.
2 PUAG, da der Antragsgegner zu Unrecht den Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8.
Mai 2014 verweigere. Der durch den Ausschuss getroffene Beweisbe-schluss sei wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt. Die Rechtsschutz-möglichkeit des §
17 Abs.
4 PUAG sei auch dann gegeben, wenn die Aus-schussmehrheit den Vollzug einer
bereits beschlossenen Beweiserhebung
ver-weigere. Dies sei vorliegend gegeben. Inmitten stehe hier nicht nur die Art und Weise des Vollzugs des Beweisbeschlusses. Eine Beweisaufnahme durch Ver-nehmung des Zeugen E.
S.
sei aufgrund dessen mehrmals geäu-ßerter eindeutiger Haltung, für eine Vernehmung in Moskau nicht zur Verfügung 15
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zu stehen, nur noch in Deutschland möglich. Bei dem durch die Antragsteller begehrten Ersuchen an die Bundesregierung handele
es sich daher um keinen Antrag betreffend die
Art und Weise des Vollzuges des Beweisbeschlusses, sondern um die
Schaffung der unabdingbaren Voraussetzungen für die Durch-setzung der Beweiserhebung. Dem stehe auch die Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts vom 4.
Dezember 2014 (BVerfGE 138, 45 ff.) nicht entge-gen. Tragend für die Verneinung seiner Zuständigkeit
sei lediglich die Feststel-lung,
dass ein "Anspruch auf Bestimmung des Zeitpunktes und des Ortes der Zeugenvernehmung"
nicht als in der "Verfassung wurzelndes Recht"
der Min-derheit gelten könne. Keine tragenden Gründe seien die weiteren Bemerkungen des Bundesverfassungsgerichts, nach denen
u.a.
"über derartige Verfahrensab-läufe"
... "grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§
17 ff. PUAG und der sinngemäß anwendbaren Vorschriften der Strafpro-zessordnung"
entscheide.
Versagungsgründe nach §
17 Abs.
2 PUAG i.V.m. der sinngemäß anzu-wendenden Strafprozessordnung lägen nicht vor. Die Beweisaufnahme sei er-sichtlich nicht unzulässig, das Beweismittel nach jetzigem Sachstand auch nicht unerreichbar. Vielmehr solle gerade durch das begehrte Verhalten des Aus-schusses der Zeuge verfügbar gemacht werden. Eine informelle Befragung des Zeugen anstelle einer förmlichen Zeugenvernehmung sei gegen den Willen der Minderheit zum einen nicht zulässig, zum anderen habe der Zeuge S.
erklärt, dass er zu umfassenden Aussagen in Moskau -
auch im Rahmen einer informellen Befragung -
nicht bereit sei.
Demgemäß komme auch eine audiovi-suelle Vernehmung des Zeugen in Moskau
nicht in Betracht.
Die Antragsteller beantragen daher zu beschließen:
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Der 1.
Untersuchungsausschuss der 18.
Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat nochmals über II. 1. a und b des am
8.
Oktober 2015 gestell-ten Antrages (Ausschussdrucks. 423) abzustimmen und ihm -
zumindest mehr-heitlich
-
zuzustimmen.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Antrag sei bereits unzulässig. Er erweise sich als unstatthaft, zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis. §
17 Abs.
4 PUAG gewährleiste keinen umfassenden Rechtsschutz jeder Minderheit in nicht verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen über die Beweiserhe-bung, sondern ergänze den verfassungsrechtlichen Rechtsschutz im Organ-streit lediglich punktuell. Rechtsschutz sei nur dann gewährleistet, wenn der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise ablehne, bzw. beantragte Zwangsmittel nicht anwende. Zwar vermittle § 17 Abs. 2 PUAG auch einen Vollzugsanspruch, diesem
Vollzugsanspruch korrespondiere jedoch kein Rechtsschutzverfahren. Eine erweiternde Auslegung des § 17 Abs. 4 PUAG auf Vollzugsmodalitäten sei aufgrund des numerus clausus der Rechtsbehelfe als Konsequenz des Vorbehalts des Gesetzes für wesentliche prozessuale Wei-chenstellungen weder
zulässig noch geboten. Selbst wenn man davon ausgin-ge, ein Antrag nach § 17 Abs. 4 PUAG sei statthaft, sofern ein Beweisbeschluss missbräuchlich nicht vollzogen würde, würde dies vorliegend dem Antrag nicht zur Zulässigkeit verhelfen. Der Ausschuss habe sich aktiv um einen Vollzug des Beweisbeschlusses durch eine Vernehmung des Zeugen in Moskau bemüht. Den Antragstellern gehe es folglich nur um die Durchsetzung bestimmter Voll-zugsmodalitäten. Hierfür stelle jedoch das PUAG keinen selbständigen Rechts-schutz
zur Verfügung. Dem Antrag fehle überdies das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag erweise sich als missbräuchlich, weil die Antragsteller ihr materielles Aufklärungsinteresse zwar frühzeitig artikuliert, sich insoweit aber auf eine Zu-rückstellung der Zeugenladung bis zu einer Klärung der relevanten Rechtsfra-gen eingelassen hätten. Es erweise sich als treuwidrig, über 20 Monate nach 19
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einer prozessualen Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht überra-schend dasselbe Rechtsschutzziel nochmals vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs weiterzuverfolgen. Nach so langer Zeit des zumindest dul-denden Abwartens hätte der Antragsgegner nicht mehr damit rechnen müssen, dass ein alter -
vom Ausschuss vornehmlich aufgrund der Unsicherheit der Rechtslage zurückgestellter -
Antrag zum wiederholten Male zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht würde. Zwar kenne das PUAG keine spezifischen Regelungen zu Antragsfristen. Da es sich bei dem Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG jedoch um einen -
einfach gesetzlich verwurzelten -
Organ-streit handele, sei die Frist des § 64 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) entsprechend heranzuziehen. Nach diesen Maßstäben sei der An-trag verfristet. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle auch deshalb, weil
das vorlie-gende Verfahren ein untaugliches Mittel sei, die eigentlichen Rechtsschutzziele der Antragsteller zu erreichen. Die Antragsteller hätten selbst angegeben, mit dem vorliegenden Verfahren lediglich das Zwischenziel zu verfolgen, durch Konkretisierung eines Amtshilfeersuchens behauptete Minderheitenrechte aus Art. 44 Abs. 1 GG gegenüber der Bundesregierung geltend zu machen. Inso-weit gehe der Antrag jedoch ins Leere, weil den Antragstellern keine Minderhei-tenrechte aus Art. 44 GG zustünden. Denn die Antragsteller seien keine einset-zungsberechtigte Minderheit, sondern nur eine Minderheit im Ausschuss, die als solche nicht unmittelbar Trägerin von verfassungsrechtlichen Rechtspositio-nen ist, die das Grundgesetz nur einsetzungsberechtigten Plenumsminderhei-ten nach Art. 44 Abs. 1 GG zuweise. Damit würde der Antrag selbst im Erfolgs-fall nicht dazu führen, dass sich qua
Konkretisierung eines Amtshilfeersuchens verfassungsrechtliche Minderheitenrechte aktualisieren, die dann in konkreti-sierter Form geltend gemacht werden könnten. Mangels entsprechender Min-derheitenrechte wäre die Bundesregierung von vornherein nicht verpflichtet, einem Amtshilfeersuchen nachzukommen, das von der Mehrheit des Aus--
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schusses nicht mitgetragen werde. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Die bisherige
Zurückstellung des Begehrens durch die Ausschussmehrheit erweise sich als rechtmäßig. Bei der Frage, ob ein Zeuge in Deutschland oder im Aus-land zu vernehmen sei, handele es sich um eine bloße Frage der Verfahrens-gestaltung, die zur Verfahrensherrschaft der jeweiligen Ausschussmehrheit ge-höre. Hinsichtlich der Modalitäten des Vollzuges komme der Mehrheit im Unter-suchungsausschuss ein breiter Beurteilungsspielraum zu. Selbst wenn man mit den Antragstellern einen grundsätzlichen Anspruch auf Vollzug von wirksamen Beweisbeschlüssen annehmen würde, wäre dieser Anspruch nicht verletzt, weil sich vorliegend aus § 17 Abs. 2 PUAG und § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO i.V.m. Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG Gründe ergäben, die ein Absehen von der Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland rechtfertigten. Entgegen der Ansicht der Antragsteller könnten Einwände gegen ein konkretes Beweismittel nach § 17 Abs. 2 PUAG auch gegen den Vollzug eines bereits erlassenen Beweisbe-schlusses vorgebracht werden. Der Zeuge S.
sei als unerreichbar anzu-sehen. Die Zeugenvernehmung hänge zum einen von einer rechtlich nicht ge-bundenen politischen Vorentscheidung der Bundesregierung ab. Die Schaffung der Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung in Deutschland beinhalte auch die Zusage, dass die Bundesrepublik Deutschland Zusicherungen abge-be, den Zeugen nicht an die Vereinigten Staaten auszuliefern. Eine derartige Zusage sei völkerrechtswidrig. Der Ausschuss sei nicht verpflichtet, die Bundes-regierung zu einem Verhalten zu bewegen, das voraussichtlich den Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages zur Folge hätte. Der Ausschuss sei im Rahmen et-waiger Amtshilfeersuchen für die Rechtmäßigkeit des ersuchten Exekutivhan-dels mitverantwortlich, jedenfalls nicht verpflichtet, ein Ersuchen zu stellen,
be-vor geklärt sei, ob rechtliche Hindernisse einer entsprechenden Zusicherung entgegenstünden. Der Ausschuss sei auch nicht verpflichtet, daran mitzuwir-ken,
dem anderweitig nicht zur Verfügung stehenden Zeugen seine Aussagebe--
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reitschaft durch Zusicherung einer nicht erfolgenden Auslieferung
"abzukaufen". Nachdem die Gründe für das Absehen von einer Beweisaufnahme
in § 17 Abs.
2 PUAG nicht abschließend geregelt seien, sei vorliegend die Ausnahme-regel des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO, wonach die Ladung eines Zeugen im Aus-land unterbleiben könne, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen des Ge-richts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, anwendbar. Der Aus-schuss sei kein politisch neutralisiertes Strafgericht, sondern ungeachtet seines objektiven Aufklärungsauftrages ein Instrument der politischen Auseinanderset-zung, in deren Rahmen dann auch politische Erwägungen, die der Deutsche Bundestag treffen kann, Eingang finden dürften. Der Ausschuss dürfe außenpo-litische Erwägungen auch ohne vorherige Konsultation der Bundesregierung anstellen. Er sei zumindest berechtigt, Vorsicht walten zu lassen, um mögliche außenpolitische Schäden oder Rechtsverletzungen zu vermeiden. In diesen Fällen könne er entweder auf eine kritische Beweisaufnahme verzichten, wenn nachteilige außenpolitische Folgen wahrscheinlich seien, oder eine Prüfung durch die Regierung abwarten. Die Bundesregierung habe vorliegend bereits eine außenpolitische Einschätzung abgegeben, wonach im Falle einer Verneh-mung des Zeugen S.
in Deutschland mit erheblichen negativen Auswir-kungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu rechnen sei und ins-besondere absehbar die -
angesichts der derzeitigen terroristischen Bedro-hungslagen unverzichtbare -
bilaterale Kooperation der Nachrichtendienste
er-heblich leiden würde. Insoweit bestehe bislang die außenpolitische prekäre La-ge fort, in deren Rahmen eine bewusst provokante Zeugenladung in Deutsch-land nach vertretbarer Bewertung durch die Bundesregierung, der sich der Aus-schuss aus Gründen der Vorsicht anschließen könne, erheblichen Schaden anrichten würde, der
in keinem Verhältnis zu den absehbar begrenzten Mehrer-trägen im Hinblick auf den Aufklärungsauftrag stünden.
-
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Der Antragsgegner beantragt daher, den Antrag als unzulässig, hilfswei-se unbegründet zu verwerfen.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbe-teiligten wird auf die Antragsschrift vom 18.
August 2016 nebst Anlagen und die Erwiderung des Vertreters des Antragsgegners vom 7. Oktober
2016 Bezug genommen.
II.
Das Begehren der Antragsteller hat Erfolg. Der Antragsgegner ist ver-pflichtet, sich nochmals mit Ziffer II. 1. a) und b) des im Tenor genannten An-trags der Antragsteller vom 8. Oktober 2015 zu befassen und ihm -
sollte er weiterhin von einem Viertel der
Mitglieder des Ausschusses unterstützt wer-den
-
in
Ziffern II. 1.a) und b) (zumindest) mehrheitlich im Sinne des § 9 Abs.
4 Satz 1 PUAG zuzustimmen.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er statthaft. Ein
Rechts-schutzbedürfnis der Antragsteller ist gegeben.
a)
Der Antrag ist statthaft.
Nach § 17 Abs. 2 PUAG ist auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses Beweis zu erheben, wenn dies von (mindestens) einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt wurde und weder die Be-weiserhebung unzulässig noch das Beweismittel unerreichbar ist. Lehnt der Untersuchungsausschuss die Beweiserhebung ab, kann (mindestens) ein Vier-tel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Ermittlungsrichter des 21
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Bundesgerichtshofs
mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Be-weiserhebung festzustellen, anrufen, § 17 Abs. 4 PUAG.
Die Antragsteller repräsentieren ein Viertel der Mitglieder des Ausschus-ses.
Die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 4 PUAG besteht nicht ledig-lich, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch wenn ein Beweisbeschluss nicht vollzogen wird
(Gärditz in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 33; Brocker in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentari-schen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., § 17 PUAG Rn. 25; vgl. auch BayVerfGH, BayVBl 2007, 171, 172; anders wohl Lenz, NJW 2005, 2495, 2496).
Der Gesetzgeber verwendet in § 17 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 PUAG die Formulierung "Beweiserhebung". Beweiserhebung bedeutet die Beschaffung von Beweisen (vgl. BayVerfGH, aaO, S. 172). Schon aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich daher, dass nicht nur die Entscheidung, bestimmte Beweise zu erheben, sondern auch der tatsächliche Vollzug der beschlossenen Beweiser-hebung durch die Rechtschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des
Bundes-gerichtshofs
sichergestellt werden soll.
Auch die Gesetzessystematik, hier die Regelung der Rechte der Aus-schussminderheit und die insoweit gegebene Rechtsschutzmöglichkeit in einer Norm sowie die Verwendung des Begriffes "Beweiserhebung"
sowohl in §
17 Abs. 2 PUAG als auch in § 17 Abs. 4 PUAG spricht gegen die Argumentation des Antragsgegners, einem Vollzugsanspruch der Ausschussminderheit aus §
17 Abs. 2 PUAG stünde keine Rechtsschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrich-ter des Bundesgerichtshofs gegenüber.
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Diese Auslegung
entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Mit dem Recht der Minderheit des Ausschusses auf Erhebung von Beweisen aus §
17 Abs. 2 PUAG und der damit korrespondierenden
Rechtsschutzmöglichkeit nach §
17 Abs.
4 PUAG sollte sichergestellt werden, dass das der Minderheit in Art.
44 Abs. 1 Satz 1 GG eingeräumte Recht, die Einsetzung eines Untersu-chungsausschusses zu verlangen, nicht leerläuft (vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, Stand: Juli 2016, Art. 44,
Rn. 197/198). Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 8. April 2002 (BVerfGE 105, 197) der Einsetzungsminderheit einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Beweisan-träge
und
grundsätzlich auch des Vollzuges derselben eingeräumt (BVerfGE 105, 197, juris Rn. 102 ff., insbesondere Rn. 109). Mit § 17 Abs. 2 und 4 PUAG hat der Gesetzgeber das, was das Bundesverfassungsgericht für verfassungs-rechtlich geboten hält, weitgehend auf einfachgesetzlicher Ebene umgesetzt, hat
jedoch über die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinaus die genannten Rechte einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses eingeräumt, gleichgültig, wie sich diese Minderheit zusammensetzt, mithin auch der Minderheit, die als solche eine einsetzungsberechtige Minderheit nicht repräsentiert (vgl. Maunz/Dürig/Klein, aaO Rn. 201).
In diesen Fällen sind die Minderheitenrechte nur gesetzlicher, nicht verfassungsrechtlicher Natur und daher nicht im Organ-streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzbar. Der Gesetz-geber hat deshalb zur Sicherstellung der Rechte die Rechtschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
eröffnet (vgl. Maunz/Dürig/
Klein, aaO Rn. 201). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen des einfachrechtlich gewährleisteten Schutzes der nicht einsetzungsberechtig-ten Minderheit in Abkehr zu dem umfassenderen verfassungsrechtlichen Schut-zes der Rechte der einsetzungsberechtigen Minderheit nur die Beschlussfas-sung der Beweiserhebung, nicht auch den Vollzug derselben durch die Rechts-31
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schutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sicherstellen wollte, sind nicht ersichtlich.
Zweck
der Rechtsschutzmöglichkeit aus § 17 Abs. 4 PUAG ist es -
wie vorstehend ausgeführt
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die Rechte der Ausschussminderheit auf Beweiserhe-bung sicherzustellen. Eine Auslegung dahingehend, dass nur die Ablehnung der Beschließung einer von der Ausschussminderheit begehrten Beweiserhe-bung der Überprüfung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, nicht auch die Ablehnung des Vollzuges derselben, unterliegt, würde diesem Zweck zuwider laufen. Könnte das Unterlassen des Vollzuges einer auf Antrag der Ausschussminderheit beschlossenen Beweiserhebung keiner gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, würden
das
Antragsrecht
der Ausschussminder-heit und die diesbezügliche Rechtsschutzmöglichkeit
faktisch leerlaufen.
Das durch die Antragsteller erstrebte Rechtsschutzziel, die Durchsetzung eines Amtshilfeersuchens an die Bundesregierung, die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland zu schaffen, betrifft die Frage, ob
der Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses vom 8. Mai 2014 vollzogen wird, nicht wie
er vollzogen wird
(vgl. dazu auch Roßbach, JZ 2014, 975, 978). Denn zu Recht führen die Antragsteller aus, dass angesichts der unter I. dargestellten mehrmaligen Weigerung des Zeugen trotz grundsätz-lich bestehender Aussagebereitschaft, für eine Vernehmung oder informelle Befragung -
in welcher Form auch immer -
an seinem derzeitigen Aufenthaltsort zur Verfügung zu stehen, der Vollzug des Beweisbeschlusses nur durch eine Vernehmung des Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland möglich ist. Auf sämtliche durch den Untersuchungsausschuss angefragten
Va-rianten der Vernehmung beziehungsweise Befragung an seinem derzeitigen Aufenthaltsort hat der Zeuge ablehnend reagiert, zuletzt mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 10. November 2015 und 26. Mai 2016 im Hinblick 32
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auf die durch den Ausschuss intendierte Videovernehmung. Die Antragsgegner haben nicht vorgetragen, dass der Zeuge zwischenzeitlich seine Haltung geän-dert hätte. Eine Erzwingung der Vernehmung oder informellen Befragung des Zeugen an seinem derzeitigen Aufenthaltsort ist rechtlich nicht möglich.
Dieser Bewertung durch das erkennende Gericht stehen keine binden-den Feststellungen aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4.
Dezember 2014 (BVerfGE 138, 45) gegenüber. Vor dem Bundesverfas-sungsgericht haben
die Antragsteller geltend
gemacht, der Antragsgegner
ver-stieße durch die Ablehnung seiner Beweisanträge auf Vernehmung des Zeugen S.
in Berlin gegen die Rechte der Antragsteller aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, nachdem
Ausfluss des verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts aus Art.
44 Abs. 1 Satz 1 GG auch die Bestimmung von Ort und Zeit einer bereits beschlossenen Zeugenvernehmung sei (BVerfG, aaO,
juris Rn. 17, 21).
Das Bundesverfassungsgericht verwarf den diesbezüglichen Antrag der Antragstel-ler als unzulässig, da diese kein in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend machten. Die Bestimmung von Zeit und Ort der Vernehmung eines Zeugen be-träfe die Modalitäten des Vollzuges eines Beweisbeschlusses (BVerfG, aaO, juris Rn. 41).
Gegenstand des Rechtsstreits der Parteien vor dem Bundesverfas-sungsgericht war damit ein anderer als in dem vorliegenden Verfahren, in dem die Durchsetzung eines Ersuchens an die Bundesregierung zur Ermöglichung der Aussage des Zeugen S.
vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin als einzig verbliebene Möglichkeit zum Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8.
Mai 2014 erstrebt wird.
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Ein ernsthaftes Bemühen des Ausschusses um eine Vernehmung des Zeugen in Moskau kann unterstellt werden. Inwieweit dies für die Zulässigkeit des Antrages von Belang sein könnte, wurde weder näher dargetan, noch ist dies ersichtlich.
b) Auch ein
Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller ist gegeben.
aa) Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht im Hinblick auf den Zeitablauf von annähernd 20 Monaten seit der Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts im Dezember 2014 entfallen.
(1)
Eine Frist für die gerichtliche Geltendmachung des Minderheiten-rechts aus § 17 Abs. 2 PUAG sieht das Parlamentarische Untersuchungsaus-schussgesetztes nicht vor. Die Übertragung einer Fristenregelung aus einem anderen Gesetz, hier das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, würde die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 3 PUAG in unzulässiger Weise be-schränken. §
64 BVerfGG spricht im Einzelnen verschiedene Aspekte des Or-ganstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht an, die hauptsächlich auf der Linie von Prozess-
oder Sachurteilsvoraussetzungen, also von Zuläs-sigkeitsvoraussetzungen, liegen (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bun-desverfassungsgerichtsgesetz, Stand: Februar 2016, § 64 Rn. 1), während die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anrufung des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof nach dem Parlamentarischen Untersuchungsausschussge-setz dort in § 17 Abs. 4 geregelt sind. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antrags zum Ermittlungsrichter sind dabei insgesamt weniger restriktiv als die Voraussetzungen des § 64 BVerfGG. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers darf nicht durch die isolierte Übertragung der Fristenregelung
des § 64 Abs. Abs. 3 BVerfGG umgangen werden.
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(2)
Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses
ergibt sich auch nicht aus dem durch den Antragsgegner eingewandten
Rechtsgedanken der Verwirkung.
Eine Verwirkung prozessualer Befugnisse kommt grundsätzlich
auch im Strafrecht in Betracht (BVerfG, BVerfGE 32, 305, juris Rn. 21). Nicht erörtert werden muss daher an dieser Stelle, inwieweit mit Blick auf Art. 44 Abs. 2 Satz
1 GG hier die strafprozessualen Grundsätze Anwendung finden (zur Prob-lematik der normativen Festlegung durch das Parlamentarische Untersu-chungsausschussgesetz, was unter sinngemäßer Anwendung der strafpro-zessualen Grundsätze gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG zu verstehen ist vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, Stand: Juli 2016, Art. 44, Rn.
28/29).
Eine Verwirkung materieller Rechte oder prozessualer Befugnisse kann dann vorliegen, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt. Die Tatsache, dass der Berechtigte sich verspätet auf sein Recht beruft, mithin der Zeitablauf für sich betrachtet, führt jedoch al-leine noch nicht zur Verwirkung. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Be-rechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise et-was zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich ein-stellen und einrichten darf
(BVerfG, aaO, juris Rn. 18).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt keine Verwirkung des Antrags-rechts gemäß § 17 Abs. 4 PUAG vor.
Die Antragsteller haben auch nach Dezember 2014 durch entsprechende Handlungen klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ihr Ziel des Vollzuges des Beweisbeschlusses vom 8.
Mai 2014 (durch Vernehmung des Zeugen in Deutschland)
weiterverfolgen. Beginnend mit ihrem Antrag vom 8.
Oktober 2015 und ihrer weiteren Haltung im Rahmen der Behandlung des Antrages im 40
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Ausschuss haben die Antragsteller dies fortlaufend deutlich zum Ausdruck ge-bracht.
Unter dem 26. Mai 2016 hat sich der anwaltliche Vertreter des Zeugen letztmals ablehnend zu einer Vernehmung desselben in Moskau geäußert, die letzte Äußerung der Bundesregierung zu einer Vernehmung in Deutschland
datiert vom 6. Juni 2016. Zeitnah nach diesen Stellungnahmen, nämlich am 24.
August 2016 ging der Antrag gemäß § 17 Abs. 4
PUAG beim Bundesge-richtshof ein. Der Antragsgegner konnte daher klar erkennen, dass die Antrag-steller ihr Ziel,
den
Beweisbeschluss
vom 8. Mai 2014
(durch Vernehmung des Zeugen in Deutschland) zu vollziehen, weiterverfolgen.
bb) Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller fehlt auch nicht des-halb, weil diese durch eine positive Entscheidung des Gerichts ihr Rechts-schutzziel nicht erreichen können.
Ziel der Antragsteller ist es, eine Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland und damit die einzige Möglichkeit des Vollzuges des Beweisbe-schlusses vom 8. Mai 2014 durch
zu
setzten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Mitwirkung der Bundesregierung erforderlich. Diese hat diesbezüglich auf entsprechende Anfragen des Ausschusses zwar bereits unverbindliche Stel-lungnahmen abgeben, mangels eines förmlichen Amtshilfeersuchens jedoch keine definitive Entscheidung kommuniziert. Wie diese Entscheidung ausfallen wird, ist offen und weder durch die Antragsteller, noch durch das Gericht antizi-pierbar. Ob gegen eine gegebenenfalls negative Entscheidung der Bundesre-gierung die Antragsteller weiteren Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungs-gericht suchen können, kann dahingestellt bleiben. Denn diese Argumentation würde eine negative Entscheidung der Bundesregierung auf das durch die An-tragsteller begehrte Amtshilfeersuchen des Ausschusses bereits voraussetzten. Nicht ersichtlich ist ferner, inwieweit der Inhalt der Entscheidung der Bundesre-gierung davon abhängig sein soll, ob der Antrag von einer einsetzungsberech-45
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tigten Minderheit mit der Möglichkeit der Überprüfung der Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht oder von einer
nicht mit den Rechten des Art.
44 GG ausgestatteten Minderheit gestellt wird.
2. Der Antrag hat in der Sache Erfolg.
Der Beweisbeschluss des Ausschusses vom 8. Mai 2014 kann -
wie un-ter II.1.a) näher dargelegt -
nur durch eine Vernehmung des Zeugen S.
in Deutschland vollzogen werden. Das durch die Antragsteller mit dem Antrag nach § 17 Abs. 4 PUAG erstrebte Ersuchen des Ausschusses an die Bundes-regierung, die Voraussetzungen für die Vernehmung des Zeugen in Deutsch-land zu schaffen, ist erforderlich, um den Beweisbeschluss vollziehen zu kön-nen.
Gründe, die ein Absehen von dem Vollzug des Beweisbeschlusses recht-fertigen würden,
liegen nicht vor. Dahingestellt bleiben kann daher, ob die Aus-nahmeregelungen des § 17 Abs. 2 PUAG, wonach Beweise dann nicht zu er-heben sind, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder das Beweismittel auch nach Anwendung der in dem Parlamentarischen Untersuchungsausschussge-setz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar ist, nur für den Erlass des Be-weisbeschlusses oder auch den Vollzug desselben gelten
(vgl. dazu Gärditz in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 7).
Im Einzelnen:
a)
Der Zeuge S.
ist nach derzeitigem Sachstand nicht unerreich-bar im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG.
aa) Die Unerreichbarkeit des Zeugen ergibt sich nicht bereits daraus, dass dessen
Vernehmung in Deutschland u.a. von der Mitwirkung der Bundes-regierung abhängt, denn eine definitive Entscheidung über diese Mitwirkungs-47
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handlung soll durch das mit dem vorliegend begehrten Amtshilfeersuchen gera-de bewirkt werden. Auch die fehlende rechtliche Pflicht des Zeugen, zu seiner Aussage nach Deutschland einzureisen, macht das Beweismittel nach derzeiti-gem Sachstand nicht unerreichbar, denn der Zeuge hat bislang bei grundsätzli-cher Aussagebereitschaft lediglich eine Vernehmung in Moskau abgelehnt.
bb) Auch die durch den Zeugen für den Fall seiner Einreise begehrte Zu-sicherung der
Bundesregierung, ihn nicht an die Vereinigten Staaten
auszulie-fern, führt derzeit nicht zur Unerreichbarkeit des Beweismittels. Denn die Frage, ob dieses Hindernis überwunden werden kann, ist gerade Gegenstand des An-trages. Die Entscheidung, ob von einer Auslieferung abgesehen werden kann, oder diese rechtlich geboten ist, obliegt
der Bundesregierung, nicht dem Aus-schuss. Eine definitive Klärung im Sinne einer verbindlichen Aussage der Bun-desregierung ist gerade Ziel der
durch die Antragsteller erstrebten Entschei-dung.
Zwar entbindet die gesetzliche Ausgestaltung der Beweiserhebung als Minderheitenrecht nach § 17 Abs. 2 PUAG den Ausschuss nicht von der Beach-tung verfassungsrechtlicher Grundprinzipien, insbesondere der Grundrechte (Brocker in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersu-chungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., Kap. 27 Rn. 10; vgl. auch BVerfG, NVwZ 2002, 1499, juris Rn. 34). So hat der Ausschuss etwa bei der Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, §
28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 PUAG die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Be-troffenen zu beachten (vgl. BVerfG, aaO, juris Rn. 34) und darf über seinen Un-tersuchungsauftrag nicht hinausgehen (vgl. Brocker, aaO, Kap. 27 Rn. 10). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Ausschuss a priori von einem Amtshilfeersu-chen absehen muss, bei dem die Möglichkeit besteht, dass die ersuchte Stelle die Amtshilfe aus Rechtsgründen ablehnen könnte und insoweit eine vollständi-53
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ge Vorabprüfung vornehmen muss. Eine Pflicht des Ausschusses, von einem Amtshilfeersuchen abzusehen, könnte allenfalls dann bestehen, wenn der Ge-genstand desselben eine Handlung darstellte, die augenscheinlich rechtswidrig ist, ohne dass es hierzu auf eine weitere Prüfung oder Einschätzung der er-suchten Stelle ankommt. So verhält es sich vorliegend jedoch nicht. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Antragsteller hat die Bundesre-gierung bislang nur vorläufige Bewertungen abgegeben. So wird in der Stel-lungnahme vom 2. Mai 2014 ausgeführt, dass die Möglichkeit bestehen könnte, dass der Zeuge S.
für den Fall seiner Einreise in die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden muss. In dem Bericht vom 2. Juni 2014 wird dargelegt, dass zur Prüfung der Bewilligung einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten noch weitere Fragen an das Department of Justice gerichtet worden seien und das Bestehen eines Auslieferungshindernisses auf der Grundlage des bislang mitgeteilten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden könne. Hieraus ergibt sich, dass die Bundesregierung selbst das Vorliegen eines Ausliefe-rungshindernisses
nicht von vorneherein für ausgeschlossen erachtet. Aus den Mitteilungen der Bundesregierung vom 28. Oktober 2015 (Anlage 9) und 6. Juni 2016 (Anlage 10) ergibt sich nichts anderes. Eine augenscheinliche Rechtswid-rigkeit der zu ersuchenden Handlung liegt damit nicht vor.
Gleiches gilt auch für die Frage, ob auf den durch den Zeugen angebo-tenen "Deal"
eingegangen werden muss.
Der Untersuchungsausschuss ist ein spezifisches Instrument parlamen-tarischer Kontrolle und der
Selbstinformation des Parlaments. Zur Erfüllung die-ser Aufgabe ist er berechtigt (und auf Antrag der Ausschussminderheit auch verpflichtet, § 17 Abs. 2 PUAG) in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise zu erheben und dabei nach den Regeln über den Strafprozess zu ver-fahren, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 GG (Wiefelspütz, Das Untersu-55
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chungsausschussgesetz, S. 28, 29). Im Strafprozess gilt für die Vernehmung von Zeugen der Unmittelbarkeitsgrundsatz, § 250 StPO. Lediglich in Ausnah-mefällen kann hiervon abgewichen werden, §§ 251 ff. StPO. Auch im Untersu-chungsausschuss ist die Vernehmung des persönlich anwesenden Zeugen das "Leitbild"
der Zeugenvernehmung (Brocker, NVwZ 2015, 410, 411; Roßbach, JZ 2014, 975). Warum vor diesem Hintergrund eingedenk des Umstandes, dass faktisch vorliegend ohnehin ausschließlich eine Vernehmung des Zeugen vor dem Ausschuss in Deutschland in Betracht kommt, kein Recht der Minderheit bestehen soll, den Vollzug des Beweisbeschlusses dadurch sicher zu stellen, dass dem Zeugen eine für ihn betreffend die Frage der Auslieferung an die Vereinigten Staaten risikolose Einreise ermöglicht wird, ist nicht ersichtlich.
b)
Von der
Beweiserhebung kann auch nicht gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO, wonach die Ladung eines Zeugen im Ausland unterbleiben kann, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahr-heit nicht erforderlich ist, abgesehen werden.
Dahingestellt bleiben kann
dabei, ob
die Gründe
für das Absehen von einer Beweisaufnahme in § 17 Abs. 2 PUAG abschließend geregelt
sind,
beziehungsweise die Ausnahmegründe des § 244 StPO ergänzend greifen
(vgl. dazu (Gärditz in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 18; Brocker in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., § 17 PUAG Rn. 18).
Denn der Antragsgegner hat schon nicht plausibel dargetan, warum die Aussa-ge des Zeugen S.
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offenbar entgegen der ursprünglich bei Entschei-dung über die Erhebung des Beweises getroffenen Einschätzung der Beweis-bedeutung der Vernehmung des Zeugen -
zur Klärung des Untersuchungsauf-trages nicht mehr erforderlich sein soll. Allein der Hinweis darauf, dass der Zeuge nicht selbst an der nachrichtendienstlichen Aufklärung gegen Deutsch-land mitgewirkt hat, ist hierfür nicht ausreichend. Auf die vom Antragsgegner angestellten außenpolitischen Erwägungen und die Frage, ob diese durch den 57
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Ausschuss im Rahmen der Beweiserhebung berücksichtigt werden dürfen, kommt es von daher nicht mehr an. Überdies fehlt eine detaillierte Abwägung unter Darstellung des Untersuchungsauftrages, des von dem bereits beschlos-senen Zeugenbeweis erwarteten Erkenntnisgewinns und der angestellten au-ßenpolitischen Erwägungen.
Das durch die Antragsteller begehrte Ersuchen an die Bundesregierung kann der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht ersetzen, da er an-dernfalls -
weil sein Ersuchen nicht Gegenstand oder Grundlage eines Organ-streitverfahrens sein kann -
dieses einem solchen verfassungsgerichtlichen Ver-fahren entziehen würde (vgl. BGH [Ermittlungsrichter]
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2 BGs 20/2009 -
juris Rn. 48). Ob dies auch dann gilt, wenn sich die Mehrheit des Untersuchungs-ausschusses trotz einer sie zur Zustimmung verpflichtenden gerichtlichen Ent-scheidung weigert, den Beschluss, ein entsprechendes Ersuchen zu stellen, zu erlassen, bedarf hier keiner Entscheidung.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Ein Gebührentatbestand bezüglich der Gerichtskosten ist weder im Un-tersuchungsausschussgesetz noch in oder für die hier sinngemäß anzuwen-dende Strafprozessordnung (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG) gegeben; zudem wür-den solche Gebühren nicht erhoben (§ 2 GKG). Auch für die Überbürdung der
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Kosten und Auslagen des Antragsgegners mangelt es an einer Rechtsgrundla-ge (vgl. zudem § 35 PUAG).
Wimmer
Richterin am Bundesgerichthof
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann der Antragsgegner
Beschwerde einlegen (§
36 Abs. 3 PUAG). Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll bei dem Gericht einzureichen, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat, also beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs. Sie ist an keine Frist gebun-den. Auch besteht für die Einlegung der Beschwerde sowie ihre Begründung kein "Anwaltszwang", Verfahrensbeteiligte können das Rechtsmittel also auch durch ein selbst verfasstes Schreiben einlegen und begründen.
Meta
11.11.2016
Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter
Sachgebiet: BGs
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2016, Az. 1 BGs 125/16 (REWIS RS 2016, 2527)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 2527
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 BGs 125/16 (Bundesgerichtshof)
NSA-Untersuchungsausschuss: Rechtsbehelf der Ausschussminderheit gegen die Ablehnung eines Amtshilfeersuchens an die Bundesregierung hinsichtlich der Vernehmung …
2 BvE 3/14 (Bundesverfassungsgericht)
Verwerfung (A-limine-Abweisung) von Anträgen im Organstreitverfahren wegen Unzulässigkeit - Beweiserhebung im "NSA-Untersuchungsausschuss" durch Vernehmung Edward …
3 ARs 20/16 (Bundesgerichtshof)
Antragsbefugnis der Minderheit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Beweiserhebungsverfahren
3 ARs 20/16 (Bundesgerichtshof)
3 ARs 6/09 (Bundesgerichtshof)