Amtsgerich Pfaffenhofen a.d. Ilm, Urteil vom 09.09.2021, Az. 2 C 133/21

Abteilung 2 | REWIS RS 2021, 2735

DATENSCHUTZ SCHADENSERSATZ SCHMERZENSGELD DSGVO

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Gegenstand

Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen der unberechtigten Nutzung einer anwaltlichen E-Mailadresse.


Tenor

Endurteil

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 300,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.05.2021 zu zahlen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
  4. Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.600,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Verletzung von Datenschutzvorschriften.

Der Kläger nutzt die E-Mail Adresse [xxx]@gmx.de für [xxx].

Er behauptete, die Adresse sei nicht allgemein zugänglich. Er trug weiter - insoweit unstreitig - vor, die Adresse der Beklagten nicht mitgeteilt zu haben und es bestünden keine geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen zwischen den Parteien.

Am 25.01.2021 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Werbe-E-Mail, unstreitig ohne dass er zuvor eine Anfrage an die Beklagte gerichtet hatte. Die E-Mail ist überschrieben mit „Ihre Anfrage zu Kinder [X.]“ und bewarb ein „Vorteilspaket [X.] Masken für Kinder und Erwachsene“.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den als Anlage [X.] vorgelegten Ausdruck der E-Mail Bezug genommen. Der Kläger bat daraufhin mit [X.] die Beklagte um Mitteilung, wann sie seine Adresse gespeichert habe und woher sie sie erhalten
habe, und um Übersendung einer Unterlassungserklärung verbunden mit einem [X.].

Es kam zu weiterer Kommunikation der Parteien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung auf Seite 2 und 3 der Klageschrift Bezug genommen.

Zur Herkunft der Adresse teilte die Beklagte mit Email vom 06.02.2021 mit, sie habe sich bezüglich einer Rechtsberatung im Heimatort umgesehen und darunter die Dienstleistung bzw. Kontaktdaten des [X.] entdeckt; da sich die Fragestellungen klären konnten, habe es keinen weiteren Bedarf für eine Kontaktaufnahme gegeben.

Die [X.] habe ausschließlich auf Kontaktdaten basiert, die manuell erfasst wurden.

Die Beklagte gab die vom Kläger erbetene Unterlassungsverpflichtung ab.

Der Kläger machte geltend, es bedürfe einer gerichtlichen Klärung, da der Kläger ein besonderes Interesse habe, dass die anwaltlich genutzte Adresse nicht missbräuchlich angesprochen werde, da diese unter anderem für den Kontakt mit [X.] verwendet werde und alle eingehenden E-Mails mit besonderer Sorgfalt zu bearbeiten seien.

Mit der Klageschrift forderte der Kläger die Beklagte desweiteren auf, ein Schmerzensgeld zu zahlen, 300,00 € nicht unterschreitend.

Der Kläger erhob daher zunächst Klage mit dem Antrag:

die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Herkunft der E-Mail Adresse des [X.] und über den Zeitpunkt der Speicherung durch die Beklagte.

Der Kläger trug sodann vor, die Adresse sei zwischenzeitlich mit weiteren Angeboten bespamt worden mit ähnlichen Produkten und es sei nicht nachzuvollziehen woher der Absender die
Adresse erhalten habe.

Es sei nicht zutreffend, dass die Beklagte ihn angerufen habe und es könne sein, dass mit dem Hinweis auf die angeblich gesuchte Rechtsberatung mit einer falschen Ausrede zufrieden gestellt werde haben sollen. Die Beklagte habe, was sie im Prozess mitteilte, auch auf die vorgerichtliche Bitte mitteilen können. Zunächst machte der Kläger geltend, es sei immer noch nicht mitgeteilt wann die Beklagte die Adresse verarbeitet habe. Mit Schriftsatz vom 23.04.2021 erklärte der Kläger die Hauptsache sodann hinsichtlich der ursprünglichen Ziffer 1. insgesamt für erledigt und erweiterte gleichzeitig die Klage hinsichtlich eines Schmerzensgeldbetrags.

Der Kläger führt insofern raus, es sei gemäß Art. 82 [X.] immaterieller Schadenersatz zu zahlen.

Der Kläger meint, dass der Vortrag datenschutzwidriger Verwendung ohne Einwilligung als ausreichend anzusehen sei. Die Werbung der Beklagten sei eindeutig ein rechtswidriger Eingriff gewesen. Die Beklagte habe auch gegen Art. 14 [X.] verstoßen.

Durch die rechtswidrige Werbung auf die [X.] habe sich der Kläger nicht nur mit der Frage der Abwehr der Werbung auseinander setzen müssen, sondern auch damit wie die Beklagte an die Adresse kam. Die [X.] sei daher nicht nur lästig oder ärgerlich gewesen sondern habe den Kläger beschäftigt und belastet, auch die Nichterteilung der Auskünfte sei ein Verstoß gegen den Datenschutz, insbesondere Art. 15 [X.].

Dies sei ausreichend für die Festsetzung eines Schmerzensgeldes. Berücksichtigt sei, dass die Beklagte sich vorsätzlich zumindest aber grob fahrlässig über die DS-GVO hinweg gesetzt habe.

Der Kläger beantragt daher zuletzt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Geldentschädigung zum
Ausgleich des immateriellen Schadens des [X.] zu zahlen, dessen Höhe den Betrag
von 100,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte machte zunächst geltend, die Klage bezüglich der Auskunft sei unter Berücksichtigung der bereits übermittelten Angaben nicht nachvollziehbar. Eine Unterlassungserklärung sowie Erläuterung über die Datenherkunft sei wie gefordert erklärt abgegeben worden. Die Nichterfüllung der Erklärung über die Datenherkunft sei nicht weiter
spezifiziert worden, sodass die Erwartungshaltung nicht zu erfüllen gewesen sei. Die Beklagte habe mehrfach versucht den Sachverhalt telefonisch mit dem Kläger zu klären, dies sei jedoch ohne Erfolg geblieben, da kein Telefonat bzw. Rückruf stattgefunden habe. Die Beklagte macht geltend, die Adresse sei frei zugänglich gewesen, und nennt als Beispiele zwei Ergebnisse über die [X.]seite [X.], wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 8 der Akte Bezug genommen. Die Erwartungshaltung des [X.] sei erst mit der Klageerhebung weiter spezifiziert worden und es sei ihr daher nicht möglich gewesen den Kläger zufrieden zu stellen. Als ehemaliger Betreuungsrichter habe ihr der Kläger als geeignet erschienen für ihren damaligen Bedarf bezüglich einer Rechtsberatung. Mit Ausübung eines solchen Amtes sei die Sichtbarkeit im [X.] heutzutage beinahe nicht auszuschließen. Die Ermittlung/Notierung der Kontaktdaten sei im Zeitraum 25.12. - 28.12.2020 erfolgt (insoweit unbestritten).

Hinsichtlich des weiteren Spamangebots fehle der Zusammenhang zum Vorfall.

Die Unternehmung sei von ihr gestartet worden, um die Mitmenschen mit ausreichenden Schutzartikeln zu versorgen. Sie habe zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, jemandem zu schaden.

Die Parteien haben zuletzt einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß §128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Als dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechender Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, wurde der 23.08.2021 bestimmt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und  Streitstands und des [X.] wird ergänzend auf den Inhalt der Akten, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.

1

Die zulässige [X.]age ist, soweit über diese nach übereinstimmender Teilerledigterklärung noch zu entscheiden war, begründet.

2

Dem [X.]äger steht gem. Art. 82 [X.] ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens zu, den das Gericht wie tenoriert bemisst.

3

Die [X.] hat gegen Bestimmungen der DS-GVO verstoßen, die Verstöße haben nach dem - insoweit auch unwidersprochen gebliebenen und damit zugestandenen (§ 138 Abs. 3 ZPO) Vorbringen des [X.]ägers kausal zu einem immateriellen Schaden geführt.

4

Die [X.] hat zum einen die Email-Adresse des [X.]ägers ohne Rechtfertigung iSd Art. 6 [X.] verarbeitet, zum anderen dem [X.]äger verspätet bzw. zunächst nicht vollständig Auskunft erteilt.

a.

5

Die [X.] hat unstreitig iSd Art. 4 DS-GVO die Email-Adresse des [X.]ägers verarbeitet (erhoben, erfasst und gespeichert, und durch ihr Anschreiben weiter verwendet).

6

Hierfür - jedenfalls für die Speicherung und Verwendung wie erfolgt - konnte die [X.] keinen rechtfertigenden Tatbestand iSd Art. 6 Abs. 1 DS-GVO darlegen. Die [X.] behauptet insbesondere schon selbst nicht (geschweige denn belegt dies), dass der [X.]äger hierin eingewilligt hätte. Sie behauptet im Prozess schon selbst nicht, dass der [X.]äger ihr etwa seine Email-Adresse (und dies mit entsprechender Einwilligung) mitgeteilt hätte oder (auch wenn dies in der streitgegenständlichen Email so angegeben gewesen war) der [X.]äger eine Anfrage an die [X.] gesandt hätte (Fall der Nachfragewerbung, vgl.
[X.] in Auer-Reinsdorff/[X.], Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 3. Aufl., § 25 b) [X.]. 82 m.[X.]., zit. nach [X.]) oder etwa ein Fall des § 7 Abs. 3 UWG vorgelegen hätte (dies würde u.a. voraussetzen, dass ein Unternehmer - hier die [X.] - im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von einem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat; dies war unstreitig ebenfalls nicht der Fall). Die [X.] trug vielmehr vor, die Email-Adresse des [X.]ägers aus frei zugänglicher Quelle im [X.] gefunden zu haben, bei der Suche nach einer Rechtsberatung. Sie hat die Email-Adresse jedoch - selbst wenn die ursprüngliche Erfassung zu einem berechtigten Zweck erfolgt sein sollte, wie die [X.] wohl behauptet - unstreitig nicht hierfür gespeichert und verwendet, sondern (als auch nach ihrem eigenen Vorbringen der ursprüngliche Zweck längst entfallen gewesen wäre) zum Zwecke der Werbung, die jedoch mangels vorheriger Einwilligung des [X.]ägers gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und Art. 6 Abs. 1 S. 1 verstieß.

7

Die Werbung mittels E-Mail-Marketing setzt für ihre Zulässigkeit außerhalb der Fälle des § 7 Abs. 3 UWG eine - vorherige und ausdrückliche - Einwilligung voraus, mithin eine Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt (vgl. [X.] a.a.O. [X.]. 86 m.[X.].). Eine solche wird schon durch die [X.] - welche insoweit darlegungs- und beweisbelastet wäre - nicht im Ansatz behauptet oder vorgetragen.

8

Ebensowenig ist aus dem Vorbringen einer - auch nur z.B. konkludent - erteilte Einwilligung iSd Art. 6 Abs. 1 S. 1 [X.] a. [X.] zu entnehmen. Auch keiner der weiteren Fälle der Vorschrift ist zu erkennen, insbesondere auch nicht ein Fall des Art. 6 Abs. 1 S. 1 [X.]. f. [X.] m(überwiegende berechtigte Interessen des Verwantwortlichen oder eines [X.]). [X.]. Erwägungsgrund 47 ist im Rahmen der Interessenabwägung nach [X.]. f zu prüfen, „ob eine betroffene Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftigerweise absehen kann, dass möglicherweise eine Verarbeitung
für diesen Zweck erfolgen wird“(vgl. [X.][X.], 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 6 Rn. 61). Im Rahmen der Interessenabwägung ist zunächst der vom Datenverarbeiter verfolgte Zweck mit der Art, dem Inhalt sowie der Aussagekraft der Daten gegenüberzustellen; zu berücksichtigen sind sodann insbesondere die vernünftige Erwartungshaltung der betroffenen
Person bzw. die Absehbarkeit (Branchenüblichkeit) der Verarbeitung sowie ihre Beziehung zu dem Verantwortlichen (BeckOK
DatenschutzR/[X.]/[X.], 36. Ed. [X.], DS-GVO Art. 6 Rn. 53). Vorliegend führt bereits vor diesem Hintergrund die Abwägung hier zu dem Ergebnis, dass die schutzwürdigen Interessen des [X.]ägers - welcher unstreitig in keinerlei vorheriger Beziehung zur [X.]n gestanden und auch sonst nicht nachweisbar seine Email-Adresse selbst in einer Weise, die
solche Verwendung absehbar gemacht hätte, mitgeteilt oder veröffentlich hatte - die Interessen der [X.]n an einer Werbemaßnahme für von ihr vertriebene Masken überwogen. Zudem spricht viel dafür, auch insoweit die Maßstäbe des § 7 Abs. 2 UWG zu berücksichtigen. Das [X.] ([X.]. 16.02.2021, 2 A 355/19, NJW 2021, 2225) führte in einem Fall der unerlaubten Telefonwerbung hierzu aus „dass die Bewertungsmaßstäbe des § 7 II Nr. 2 UWG, welcher der Umsetzung [X.] 2002/58/[X.] dient, auch im Rahmen des Art. 6 I Buchst. f [X.] zu berücksichtigen wären. Es ist zwar zutreffend, dass auch die Verarbeitung personenbezogener Daten für Direktwerbung ein berechtigtes Interesse nach dem Erwägungsgrund 47 DS-GVO darstellen kann. Aber auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Ziele, die mit der Verarbeitung verfolgt werden, unionrechtskonform sein müssen. Daher gilt auch in diesem Zusammenhang die Wertung des § 7 II Nr. 2 UWG Geltung beanspruchen, mit der Folge, dass sich die [X.]. nicht auf ein „berechtigtes“ Interesse berufen kann. Für dieses
Ergebnis spricht im Übrigen auch die Forderung, für die Auslegung des Art. 6 I Buchst. f [X.] als Ausgangspunkt konkret gefasste Erlaubnistatbestände aus dem nationalen Recht heranzuziehen, um dem allgemeinen Erlaubnistatbestand Konturen zu verleihen und Rechtssicherheit herzustellen
“. Diese Ausführungen überzeugen und gelten ebenso für den hier vorliegenden Fall der Direktwerbung per Email, der ebenfalls von Art. 13 der Richtlinie 2002/58/[X.] erfasst und in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG konkret geregelt ist.

9

Zudem hat die [X.] auch gegen Art. 14 sowie 15 DS-GVO verstoßen. [X.]äß Art. 14 [X.] hat der Verantwortliche in dem Fall, dass die Erhebung der Daten nicht bei der betroffenen Person selbst erfolgt ist - was hier unstrittig der Fall war - eine Informationspflicht gegenüber dem Betroffenen über die in Art. 14 Abs. 1, 2 genannten Einzelheiten, welche gem. Art. 14 Abs. 3 [X.], a, b [X.] unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung der personenbezogenen Daten innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats, bzw.
falls die personenbezogenen Daten zur Kommunikation mit der betroffenen Person verwendet werden sollen, spätestens zum Zeitpunkt der ersten Mitteilung an sie (auch in diesem Fall jedoch spätestens innerhalb eines Monats, vgl. [X.]/[X.]/Bäcker, 3. Aufl. 2020, [X.] Art. 14 Rn. 33; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 14 Rn. 34) zu erfüllen ist. Eine Erfüllung dieser Pflicht - insbesondere innerhalb der Frist (die [X.] speicherte die Daten ihrer eigenen Einlassung nach bereits ab 25.12.2020) - wurde nicht ersichtlich.

10

Desweiteren hat der Betroffene gem. Art 15 [X.] ein Auskunftsrecht bzgl. der personenbezogenen Daten sowie über

a) die Verarbeitungszwecke;

b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in [X.] oder bei internationalen Organisationen;

d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;

f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

11

Jedenfalls hinsichtlich der Herkunft (oben [X.]. g) hat die [X.] auf entsprechende Aufforderung des [X.]ägers außergerichtlich keine Auskunft erteilt. Der [X.]äger hatte hinreichend präzise danach gefragt, woher die [X.] seine Email-Adresse erhalten habe; die [X.] teilte hierzu zunächst nur mit, es habe sich um „manuell erfasste“ Daten gehandelt, und sie habe sich wegen einer Rechtsberatung in ihrem Heimatort umgesehen und darunter seine „Kontaktdaten entdeckt“; eine Angabe, wo sie diese denn „entdeckt“ oder erhalten hat, um diese dann manuell zu erfassen, fehlt völlig, war jedoch ohne weiteres erkennbar das, wonach der [X.]äger gefragt hatte. Erst im Prozess mit der [X.]ageerwiderung vom 30.03.21 (somit über 3 Monate nach der Datenerhebung und v.a. erst 2 Monate nach der Aufforderung des [X.]ägers) ließ die [X.] erkennen, dass sie offenbar - so ist ihr Vorbringen zu verstehen - öffentlich zugängliche [X.]seiten als Quelle verwendet hatte.

b.

12

Desweiteren kann dahinstehen, ob eine Haftung gem. Art. 82 [X.] von vornherein als verschuldensunabhängig zu sehen ist oder von einer Verschuldensvermutung oder Beweislastumkehr auszugehen ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Art. 82 DS-GVO, [X.]. 6 m.[X.].); vorliegend ist jedenfalls schon nichts vorgetragen oder ersichtlich, was gegen ein Verschulden der [X.]n spräche.

c.

13

Die genannten Verstöße haben unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens - welches insoweit nicht bestritten wurde - zu einem immateriellen Schaden des [X.]ägers geführt (welcher entgegen der Ansicht des [X.]ägers allerdings nicht in dem Verstoß allein als solchem liegt, sondern der Verstoß muss - dies auch kausal - zu einem Schaden geführt haben; Gegenteiliges ist auch der Entscheidung des [X.] nicht zu entnehmen, dort wurde letztlich beanstandet, dass die Vorinstanz auf eine „Erheblichkeit“ abgestellt hatte, jedoch nicht vorgegeben, dass ein kausaler Schaden als solcher gar nicht mehr vorliegen bzw. festgestellt werden müsste). Auf eine „Erheblichkeitsschwelle“ kommt es insofern nicht an, da eine solche in der [X.] nicht erkennbar wird und für einen weiten Schadensbegriff auch die Zielsetzung der [X.] spricht; Verstöße müssen wirksam sanktioniert werden, damit die [X.] wirken kann (vgl. [X.] a.a.O. [X.]. 10). Die Schwere des immateriellen Schadens ist daher zutreffend für die Begründung der Haftung nach Art. 82 Abs. 1 [X.] irrelevant und wirkt sich nur noch bei der Höhe des Anspruchs aus (vgl. [X.]. v. 5.3.2020 – 9 Ca 6557/18, BeckRS 2020, 11910, [X.]. 84, m.w.[X.].).

14

Der Schaden kann auch bereits etwa in dem unguten Gefühl liegen, dass personenbezogene Daten [X.] bekannt geworden sind, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die Daten unbefugt weiterverwendet werden, auch bereits in der Ungewissheit, ob personenbezogene Daten an Unbefugte gelangt sind. Unbefugte Datenverarbeitungen können zu einem Gefühl des Beobachtetwerdens und der Hilfslosigkeit führen, was die betroffenen Personen letztlich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert. Den Kontrollverlust nennt [X.] 75 ausdrücklich als „insbesondere“ zu erwartenden Schaden. Desweiteren kommen etwa Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht. (vgl. [X.]/[X.]/Bergt, 3. Aufl. 2020, [X.] Art. 82 Rn. 18b)

15

Die Höhe des Anspruchs ist dabei nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der inhaltlichen Schwere und Dauer der Rechtsverletzung zu beurteilen, unter Berücksichtigung des Kontexts, der Umstände eines Verstoßes. [X.] können bei der Bezifferung eine Rolle spielen. Einerseits darf die Höhe des Schadensersatzes keine Strafwirkung entfalten. Andererseits reicht ein künstlich niedrig bezifferter Betrag mit symbolischer Wirkung nicht aus, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 12a).

16

So sprach etwa das [X.] (U.v. 05.10.2020, 43 [X.]/19, [X.], 384) 800,00 € zu in einem Fall, in dem auf einem wiederaufbereiteten und weiterveräußerten [X.] private Daten des ursprünglichen Besitzers noch vorhanden und somit an den [X.] gelangt waren.

17

Das [X.] ( Urteil vom 14.7.2020 – [X.]/19, [X.], 275) etwa sprach 1.000,00 € zu in einem Fall eines rechtswidrigen [X.].

18

Vorliegend berücksichtigt das Gericht, dass der [X.]äger (der selbst zunächst von der [X.]n 300,00 € gefordert hatte, im Rahmen der prozessualen Geltendmachung dann einen Bereich von nicht unter 100,00 € für angemessen hielt) nicht nur von einem, sondern von mehreren Verstößen der [X.]n gegen Vorschriften der [X.] betroffen war (s.o.). Andererseits blieben die Auswirkungen für den [X.]äger - anders als etwa in den beiden o.g. Fällen des [X.] und des [X.] im „eigenen Bereich“ des [X.]ägers, es wurde von den Verstößen kein Bereich tangiert (jedenfalls wurde derartiges nicht erkennbar), der Beziehungen des [X.]ägers zu anderen [X.] betraf, etwa (auch nur potentiell) die Gefahr einer Schädigung seines Ansehens, seiner Kreditwürdigkeit o.ä. bot. Die erkennbaren Auswirkungen lagen vielmehr darin, dass der [X.]äger sich - wie er unwidersprochen vortrug - sich mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung und der Herkunft der Daten auseinandersetzen musste. Gerade letzteres - zumal unter Berücksichtigung der Dauer des Verstoßes und der zunächst nicht ansatzweise zielführend erfolgten Auskunftserteilung - ist geeignet, zu einem durchaus belastenden Eindruck des Kontrollverlusts zu führen, zumal dies auch die Auseinandersetzung mit dem Verstoß und auch die Abwehr ggf. drohender anderweitiger Verstöße erschwert (die Quelle der Daten kann ja - und wird erfahrungsgemäß - auch die Quelle für andere sein, die ggf. unter Verstoß gegen die [X.] diese Daten verarbeiten). Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die bestenfalls als zögerlich zu bezeichnende Information durch die [X.] (die insoweit auch im Prozess recht vage blieb, wenn auch der [X.]äger dies nicht mehr weiter verfolgte) im Interesse einer effektiven Abschreckung als schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Soweit die [X.] mit ihrem letzten Vorbringen möglicherweise behaupten will, nur zur Versorgung ihrer Mitmenschen agiert zu haben (quasi altruistisch) erscheint dies im Übrigen wenig lebensnah. Nicht zu berücksichtigen war dagegen, dass der [X.]äger zwischenzeitlich weitere unerwünschte Emails erhalten haben mag; eine Verantwortung der [X.]n hierfür wird schon nicht behauptet oder ersichtlich.

19

[X.] erachtet - auch im Vergleich mit den o.g. Entscheidungen, denen noch deutlich gravierendere (zumindest potentielle) Auswirkungen zugrundelagen - vorliegend im Ergebnis eine Entschädigung von 300,00 € für angemessen.

d.

20

Die Ansprüche auf Verzinsung beruhen auf § 291 BGB.

II.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO; soweit der Rechtsstreit (hinsichtlich des Auskunftsverlangens) unwidersprochen für erledigt erklärt wurde, waren gem. § 91a ZPO der [X.]n nach Billigkeit ebenfalls die Kosten aufzuerlegen, da diese - wie oben näher ausgeführt - jedenfalls vorgerichtlich das Auskunftsverlangen nicht erfüllt hatte, somit ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich im Rechtsstreit auch insoweit unterlegen wäre. Dass - etwa aufgrund der behaupteten Anrufe, die jedoch bestritten wurden - die [X.] keine [X.]ageveranlassung gegeben hatte, hat die insoweit beweisbelastete [X.] nicht nachgewiesen; der Rechtsgedanke des § 93 ZPO kam daher nicht zur Anwendung.

III.

22

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.

23

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der sich stellenden Rechtsfragen beruht auf § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 ZPO.

24

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

gez.
[xxx]

Richterin am Amtsgericht

Verkündet am 09.09.2021

Zur besseren Lesbarkeit wurden ggf. Tippfehler entfernt oder Formatierungen angepasst.

Meta

2 C 133/21

09.09.2021

Amtsgerich Pfaffenhofen a.d. Ilm Abteilung 2

Urteil

Sachgebiet: C

Art. 82 DSGVO

Zitier­vorschlag: Amtsgerich Pfaffenhofen a.d. Ilm, Urteil vom 09.09.2021, Az. 2 C 133/21 (REWIS RS 2021, 2735)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2735

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 U 21/20

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9 O 145/19

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