Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2011, Az. LwZR 6/11

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2011, 1046

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Landpacht zur Milcherzeugung: Bereicherungsanspruch des nichterzeugenden Verpächters bei weiterer Vermarktung der auf ihn übergegangenen Milchreferenzmenge durch den Pächter bei Pachtende


Leitsatz

1. Der subventionsähnliche Vorteil aus der Milchreferenzmenge, abgabenfrei Milch zu erzeugen und vermarkten zu können, steht einem Verpächter, der nicht Erzeuger ist und die auf ihn bei Beendigung des Pachtverhältnisses übergehende Referenzmenge nur durch Veräußerung verwerten kann, nicht zu.

2. Ein solcher Verpächter hat gegen den Pächter keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, wenn dieser die auf den Verpächter übergegangene Referenzmenge weiter zur Milchvermarktung nutzt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] des [X.] in [X.] vom 12. April 2011 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verpachtete 1991 ca. 14 ha Grünland an den Vater des Beklagten. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses Ende Oktober 2000 sollte der Pächter die auf ihn übergegangene Milch-Referenzmenge auf den Verpächter zurückübertragen.

2

1998 übernahm der Beklagte den Hof seines Vaters einschließlich der zugepachteten Flächen und trat in den Vertrag mit dem Kläger ein. Das zuständige Amt bescheinigte dem Beklagten eine Milch-Referenzmenge des übernommenen Betriebs von insgesamt 569.380 kg.

3

Das Pachtverhältnis endete Ende Oktober 2003. Die Flächen gab der Beklagte Anfang März 2004 zurück. Der Kläger, der nicht Milcherzeuger ist, beantragte bei dem zuständigen Amt, die auf ihn übergegangene Referenzmenge festzustellen, um sie auf der Milchbörse anbieten zu können.

4

Das Amt bescheinigte ihm eine auf die [X.] entfallende Referenzmenge von 52.405 kg, von der - nach Abzug eines Drittels zugunsten der [X.] - 35.111 kg auf ihn übergegangen sei. Dagegen legte der Beklagte Widerspruch ein und beschritt den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Der Streit endete damit, dass die Referenzmenge nur noch 26.202 kg und der auf den Kläger übergegangene Teil 17.555 kg betrug.

5

Diese Referenzmenge veräußerte der Kläger. Von dem Beklagten verlangt er Zahlung von 5.445,66 Euro [X.] Zinsen; zuvörderst hat er dies mit der Begründung unternommen, um diesen Betrag hätte er die Referenzmenge teurer verkaufen können, wenn dies im Jahre 2004 hätte erfolgen können und nicht durch Widerspruch und Anfechtungsklage von dem Beklagten verzögert worden wäre. Ferner hat er die Klage darauf gestützt, dass der Beklagte durch die verzögerte Rückgabe noch Subventionen vereinnahmt habe, die eigentlich ihm, dem Kläger zustünden. Von dem [X.] von 9.362 Euro macht er den [X.] als Teilbetrag geltend.

6

Die Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen [X.] weiter, nunmehr nur noch gestützt auf die zweite Begründung.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion). Zwar habe der Beklagte [X.] einen geldwerten Vorteil dadurch erlangt, dass er in der [X.] zwischen der Rückgabe der [X.] bis zum Eintritt der Bestandskraft der berichtigten Übertragungsbescheinigung im Umfang der auf den Kläger übergegangenen Referenzmenge weiterhin abgabenfrei Milch bei der Molkerei habe anliefern können. Diesen Vermögensvorteil habe er aber nicht auf Kosten des [X.] erlangt. Denn da der Kläger kein Milcherzeuger sei, habe er die auf ihn zurückzugebende [X.] nicht zur abgabenfreien Anlieferung von Milch verwenden können, sondern nur zur Veräußerung an der Milchbörse verwerten dürfen. Der Subventionsvorteil, den der Beklagte erzielt habe, habe also nicht dem Kläger gebührt.

II.

8

Die Revision hat keinen Erfolg.

9

1. Der Beklagte hat allerdings dadurch, dass er Milch auch im Umfange der auf die Pachtfläche entfallenden Referenzmenge vermarkten konnte, "etwas" im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB erlangt. Unter diesem Begriff ist jeder Vorteil zu verstehen, der das wirtschaftliche Vermögen des Begünstigten irgendwie vermehrt ([X.], Urteil vom 7. Oktober 1994 - [X.], NJW 1995, 53, 54).

a) Der Vorteil aus der Nutzung eines [X.] kann Gegenstand eines Herausgabeanspruchs des Verpächters nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB sein. Die [X.] ist eine subventionsähnliche, abgabenrechtliche Bevorzugung; sie gewährt ihrem Inhaber die öffentlich-rechtliche Befugnis, im Rahmen der ihm zugeteilten Quote abgabenfrei Milch zu vermarkten (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 1991 - [X.], [X.]Z 114, 277, 280; Senatsurteil vom 19. Juli 1991 - [X.] 3/90, [X.]Z 115, 162, 167). Der geldwerte Vorteil aus der Ausnutzung eines [X.] besteht in dem aus der abgabenfreien Vermarktung erzielten Ertrag (vgl. Senat, Beschluss 18. November 2003 - [X.] 12/03, NVwZ-RR 2004, 232).

b) Der Vorteil des Beklagten ergibt sich daraus, dass dieser von der Rückgabe der [X.] bis zum Eintritt der Bestandskraft des endgültigen Übertragungsbescheids Milch abgabenfrei an die Molkerei liefern konnte. Eine darin liegende Bereicherung ist nicht - wie die Revisionserwiderung meint - deshalb zu verneinen, weil die Referenzmenge kraft Gesetzes bereits mit Rückgabe der [X.] und nicht erst mit dem Eintritt der Bestandskraft des Übertragungsbescheids auf den Kläger übergegangen war.

aa) Zwar ist es richtig, dass der Übergang der Referenzmenge nicht durch die Bescheinigung der Behörde, sondern unabhängig von dieser erfolgt (vgl. [X.], [X.], 137, 138 und [X.], 166, 167 mwN). Nach den - hier anzuwendenden - [X.]. 7, 8 der Verordnung ([X.]) Nr. 3590/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzangabe für den Milchsektor ([X.]. [X.] Nr. L 405 S. 1) in der Fassung der Änderungsverordnung ([X.]) Nr. 1256/99 des Rates vom 17. Mai 1999 ([X.]. [X.] Nr. L 160 S. 73) und § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung ([X.]) vom 12. Januar 2000 ([X.] I S. 27) ging die Referenzmenge mit der Rückgabe der Flächen unmittelbar kraft Gesetzes auf den Kläger über; nur der [X.] zugunsten der staatlichen Reserve (§ 12 Abs. 2 [X.]) musste durch Verwaltungsakt verfügt werden (vgl. [X.], [X.], 166, 167).

bb) Dies ändert aber nichts daran, dass dem Beklagten ein Vermögensvorteil verblieb, weil er bis zum Eintritt der Bestandskraft des Übertragungsbescheids der Molkerei Milch entsprechend der ihm 1998 - anlässlich der Hofübernahme - bescheinigten Referenzmenge abgabenfrei vermarkten konnte. Die frühere, nach § 9 [X.] von der zuständigen [X.]behörde ausgestellte Bescheinigung war für die Molkerei und die Behörden bindend (vgl. [X.], [X.], 278, 279). Sie wurde durch den Übergang der Referenzmenge mit der Rückgabe der [X.] zwar materiell-rechtlich unrichtig; die Parteien, die Molkerei und die Behörden waren aber gehindert, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen, solange die die Referenzmenge feststellende Bescheinigung nicht korrigiert worden war (vgl. [X.], aaO; [X.], Urteil vom 7. Januar 2004 - 8 A 10866/03, [X.]. 37, juris).

2. Die Bereicherung des Beklagten durch Ausnutzung der Referenzmenge nach der Rückgabe der [X.] erfolgte jedoch nicht auf Kosten des [X.].

a) Eine Bereicherung in sonstiger Weise auf Kosten des Benachteiligten setzt voraus, dass der [X.] einen Vermögensvorteil erlangt hat, der nach dem maßgeblichen Zuweisungsgehalt der einschlägigen Rechtsordnung dem Bereicherungsgläubiger gebührt ([X.], Urteil vom 30. Januar 1987 - [X.], [X.]Z 99, 385, 387). Es bedarf also eines Eingriffs in eine Rechtsposition, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Kondiktionsgläubiger vorbehalten ist (vgl. [X.], Urteile vom 9. März 1989 - [X.], [X.]Z 107, 117, 120 und vom 26. September 2006 - [X.], [X.], 216).

b) Daran fehlt es hier.

aa) Die auf öffentlichem Recht beruhende Referenzmenge ist weder Inhalt noch Bestandteil des verpachteten Eigentums (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 1991- [X.], [X.]Z 114, 277, 281; [X.], [X.] 2001, 4, 7; [X.] in [X.]/Hötzel/[X.], [X.], 3. Aufl., 2. Teil, Landpacht- und Milchmarktordnungsrecht, Rn. 11). Daran ändern auch die Tatsachen nichts, dass das Milchkontingent Voraussetzung für eine ordnungsmäßiger Bewirtschaftung eines als Milcherzeugungsfläche im Sinne des Art. 7 Abs. 1 VO ([X.]) 3950/92 verwendeten [X.] ist (vgl. Senatsurteile vom 5. Juni 1992 - [X.] 11/91, [X.]Z 118, 351, 353 und vom 25. April 1997 - [X.] 4/96, [X.]Z 135, 284, 287) und der mit der Rückgabe der [X.] erfolgende Übergang der [X.] sich als ein Annex der Verpflichtung des Pächters zur Rückgabe der [X.] in einem fortgesetzter ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entsprechenden Zustand (§ 596 Abs. 1 BGB) darstellt.

Die Verfügungsrechte und die [X.] aus der [X.], die mit der Rückgabe der [X.] auf ihn übergegangen ist, werden nicht vom Bürgerlichen Recht, sondern durch das im Gemeinschaftsrecht und in nationalen Ausführungsvorschriften geregelte Milchmarktordnungsrecht festgelegt. Da der Zuweisungsgehalt der [X.] sich nicht nach den aus dem Eigentumsrecht fließenden Befugnissen bestimmt, wäre es - entgegen der Ansicht der Revision - bereits im Ansatz verfehlt, die Inanspruchnahme einer übergegangenen Referenzmenge einer weiteren Nutzung der zurückübertragenen Fläche gleichzustellen, die den Pächter nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe des tatsächlich gezogenen Werts seiner Nutzungen verpflichtet.

bb) Nach dem Milchmarktordnungsrecht stehen die sich aus der Referenzmenge ergebenden Vorteile bei der Vermarktung von Milch allein den Erzeugern von Milch nach Art. 9 Buchstabe e der Verordnung ([X.]) Nr. 1950/92 zu.

Eine Übertragung von [X.]n auf Personen, die nicht Erzeuger sind, ist grundsätzlich unzulässig, eine abweichende Vereinbarung nach § 134 Abs. 1 BGB nichtig ([X.], Urteil vom 11. Juli 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 210, 211). Das Gemeinschaftsrecht will mit der Bestimmung, dass die [X.] eines Betriebs nur mit diesem auf einen den Betrieb übernehmenden Erzeuger gemäß den von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Vorschriften übertragen werden kann (Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1950/92 in der Fassung durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1256/99), verhindern, dass [X.] nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet werden, unter Ausnutzung ihres Marktwerts finanzielle Vorteile zu ziehen ([X.], Urteile vom 20. Juni 2002, [X.]. [X.]/99, [X.]. 2002, [X.], Rn. 39 - [X.], [X.] 2002, 283, 284 und [X.]. [X.]/99, [X.]. [X.], Rn. 30 - [X.], juris).

Das Verbot, [X.] auf Nichterzeuger zu übertragen, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind Regelungen, die einen vorübergehenden Übergang der [X.] auf nicht Milch erzeugende Verpächter vorsehen, wenn der zwischenzeitliche Erwerb zur Übertragung der Referenzmenge auf einen anderen Milcherzeuger erforderlich und nur von kurzer Dauer ist ([X.], Urteil vom 20. Juni 2002, [X.]. [X.]/99, [X.]. 2002, [X.], Rn. 43 - [X.], aaO). Nach diesem Grundsatz ist der in § 12 Abs. 2 [X.] (jetzt § 12 Abs. 2 [X.]) bestimmte Übergang der [X.] bei den vor dem 31. März 2000 abgeschlossenen Pachtverträgen - abzüglich des an die Reserve des [X.] abzuführenden Drittels - auch auf solche Verpächter, die nicht Erzeuger sind, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Ein kurzfristiger Zwischenerwerb bis zur Veräußerung über die Verkaufsstelle in dem Verfahren nach §§ 8 bis 11 [X.] (jetzt MilchAbGV) widerspricht nicht dem Hauptziel des Art. 7 der Verordnung ([X.]) Nr. 1950/92 in der Fassung durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1256/99 zu verhindern, dass [X.] solchen Personen zugeteilt werden, die daraus einen rein finanziellen Vorteil ziehen möchten ([X.], Urteil vom 7. Juni 2007 - [X.]. [X.]/06, [X.]. 2007, [X.], Rn. 38, 39 - [X.], NVwZ-RR 2007, 520, 521).

Vor diesem Hintergrund stellt der Vorteil, den ein früherer Pächter aus der abgabenfreien Anlieferung von Milch durch einen materiell-unrichtig gewordenen, jedoch fortwirkenden Bescheid erzielt, dann keinen Eingriff in den Zuweisungsgehalt der auf den Verpächter kraft Gesetzes übergegangenen Referenzmenge dar, wenn dieser, da er nicht Erzeuger von Milch ist, die Referenzmenge nur zum Zwecke eines kurzfristigen Zwischenerwerbs erlangen kann (vgl. § 12 Abs. 2 Sätze 2 und 3 [X.]). Er kann zwar den in der Referenzmenge (auch) verkörperten [X.] in dem Verfahren nach §§ 8 bis 11 [X.] (jetzt [X.]) realisieren - abzüglich des an die Reserve abzuführenden [X.]. Der subventionsähnliche Vorteil aus der Referenzmenge, abgabenfrei Milch erzeugen und vermarkten zu können, wird ihm jedoch nicht zugewiesen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                                   Lemke                                               [X.]

Meta

LwZR 6/11

25.11.2011

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 12. April 2011, Az: 2 L U 15/10, Urteil

§ 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, Art 7 Abs 1 EWGV 3950/92, Art 8 EWGV 3950/92, Art 7 Abs 1 EWGV 1950/92, Art 9 Buchst e EWGV 1950/92

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2011, Az. LwZR 6/11 (REWIS RS 2011, 1046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1046

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

LwZR 6/11 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 98/05 (Bundesgerichtshof)


LwZR 6/06 (Bundesgerichtshof)


LwZR 1/06 (Bundesgerichtshof)


VII R 12/09 (Bundesfinanzhof)

Nachträglicher Hinzuerwerb einer Milchquote durch den Verkäufer eines Milchwirtschaftsbetriebs


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.