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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 75/15
vom
17. Juni
2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
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2
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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
17. Juni 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] Prof.
Dr. Sander
als Vorsitzender,
[X.]in Dr. [X.],
[X.] Dölp,
[X.] Bellay,
[X.] Dr. Feilcke
als beisitzende [X.],
Bundesanwalt
als Vertreter der [X.],
Rechtsanwalt T.
,
Rechtsanwalt [X.]
als Verteidiger
des Angeklagten [X.]
,
Rechtsanwalt Sc.
als Verteidiger der Angeklagten S.
,
Rechtsanwältin W.
als Neben-
und Adhäsionsklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
1.
Auf die Revision der Angeklagten S.
wird das Urteil des [X.] vom 11. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenommen sind diejenigen
zum objektiven Tatgeschehen, die bestehen bleiben; insoweit wird die Revision verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.]s
zurückverwiesen.
2.
Die Revision des Angeklagten [X.]
gegen das vorge-nannte Urteil wird
verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmit-tels und die dadurch den [X.] und dem [X.] entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorge-nannte Urteil wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten [X.]
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
-
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]
unter Freispruch im Übri-gen
wegen Mordes durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohle-nen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die Angeklagte S.
hat es wegen Mordes durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es [X.] zu Lasten des Angeklagten [X.]
getroffen. Gegen dieses Urteil haben die beiden Angeklagten umfassend Revision eingelegt und diese jeweils auf die Sachrüge gestützt. Die Staatsanwaltschaft hat
ebenfalls gestützt auf die Sachrüge
Revision zu
Ungunsten des Angeklagten [X.]
eingelegt und diese
in der Revisionshauptverhandlung
auf den Strafausspruch wegen [X.] durch Unterlassen sowie den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe beschränkt. Während die Revisionen des Angeklagten [X.]
und der [X.] unbegründet sind, hat die Revision der Angeklagten S.
teilweise Erfolg.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Die zur Tatzeit 25 Jahre alte Angeklagte S.
lebte seit [X.] 2010 mit ihren drei Kindern, dem im August 2007 geborenen [X.] L.
sowie den im April 2009 geborenen Zwillingen Z.
und F.
, bei dem zur Tatzeit 24 Jahre alten Angeklagten [X.]
. Sie und ihre Kinder erhielten Famili-enhilfe, in deren Rahmen die Familie regelmäßig von zwei Mitarbeiterinnen ei-nes vom Jugendamt beauftragten Trägers besucht wurde. Alle drei Kinder [X.] von beiden Angeklagten wiederholt misshandelt und wiesen gravierende 1
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[X.]
, der in seinem bisherigen Leben überwiegend eine Opferrolle eingenommen hatte und nun in der Familie und gegenüber der ihm intellektuell deutlich unterlegenen Angeklagten S.
erstmals etwas zu sagen hatte, führte ein rigides ,
auch gegenüber den professionellen Helferinnen das Bild eines harmonischen und gewaltfreien Familienlebens aufrechtzuerhalten.
Am Nachmittag des 28. Januar 2012, einem Samstag, übernahm es der Angeklagte [X.]
wie bereits des Öfteren
,
die drei Kinder nacheinander in der Badewanne seiner Wohnung abzuduschen, während sich die Angeklagte S.
in einem anderen Raum aufhielt. Aus nicht aufklärbaren Gründen geriet er dabei über das Verhalten der knapp drei Jahre
alten Z.
in Wut. [X.] schlug er dem
in
der Badewanne stehenden
Mädchen mit der Faust kräf-tig in den Bauch oder er trat es
mit dem Fuß in den Bauch. Das Kind wurde durch die Wucht des Schlages oder [X.] mit dem Rücken gegen die Wand der Badewanne oder des
Badezimmers gedrückt, die als Widerlager fungierte, so dass durch die Gewalteinwirkung der Dünndarm gequetscht und
durch die Lendenwirbelsäule perforiert wurde. Mit
dem
Schlag oder Tritt wollte der Ange-klagte dem Kleinkind aus gefühlloser Gesinnung Schmerzen zufügen. Dabei war für ihn aber nicht vorhersehbar, dass der Schlag oder Tritt eine zum Tode des Kindes führende Verletzung verursachen würde. Auch Z.
s Zwillingsbruder F.
erregte durch sein Verhalten den Zorn des Angeklagten, der dem Kind mit [X.] den Arm verdrehte. F.
erlitt dabei einen äußerst schmerzhaften Spiralbruch des rechten [X.]. Aufgrund dieses Bruches schwoll der Arm an und schmerzte heftig mit der Folge, dass F.
eine Schonhaltung einnahm und nur noch den linken Arm benutzte. Demgegenüber ging es Z.
in den Stunden nach dem Vorfall im Badezimmer zunächst noch gut. Bereits am 4
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Sonntag, den 29. Januar 2012, verschlechterte sich der Zustand des Mädchens aber,
und spätestens ab dem Morgen des 30. Januar 2012 begann es, sich zu übergeben.
An diesem Tag erschienen mittags
wie angekündigt
die beiden Fami-lienhelferinnen. Ihnen fiel die Verletzung von F.
auf. Außerdem übergab sich Z.
in ihrem Beisein wiederholt;
im Übrigen lag sie in ihrem Kinderbett und wirkte sehr schwach. Die Familienhelferinnen und die Angeklagten kamen überein, dass die Angeklagten mit F.
und Z.
den Kinderarzt aufsuchen soll-ten. Die Familienhelferinnen und die Angeklagten verließen gemeinsam mit den Kindern das Haus. Das Angebot der Familienhelferinnen,
sie in der [X.] sie bereits zu diesem Zeitpunkt,
gar keinen Arzt aufzusuchen,
und verließen das Haus nur zum Schein
oder sie kamen auf dem Weg überein, die Zwillinge nicht dem Kin
12).
Obwohl ihnen bewusst war, dass die Kinder dringend ärztlicher Hilfe bedurften, unterließen die Angeklagten
einen
Arztbesuch aus Angst, der Kinderarzt werde bei der Untersuchung Misshand-lungsspuren
feststellen. Als am Nachmittag der [X.] des Angeklagten [X.]
erschien, lag Z.
schwerkrank reglos in ihrem Bett. Dem [X.] gegenüber gaben die Angeklagten an, sie seien mit Z.
beim Arzt gewesen, wo sie im überfüllten Wartezimmer sehr lange hätten warten müssen; aus Ärger hierüber seien sie unverrichteter
Dinge wieder nach Hause gegangen. Der Wahrheit zuwider behaupteten sie, Z.
gehe
es aber bereits etwas besser, ob-wohl ihnen spätestens ab diesem Zeitpunkt bewusst war, dass sich der Zustand des Kindes kontinuierlich gravierend
verschlechterte und sich nicht mehr mit einem Magen-Darm-Infekt oder einer Kinderkrankheit erklären ließ. Nachdem die Angeklagte S.
abends zu Bett gegangen war, sah der [X.] [X.]
zwischen 2:00 und 3:00 Uhr
nach Z.
, die sich in diesem Zeitpunkt 5
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wahrscheinlich bereits in einem Schockzustand befand. Als er gegen 4:00 Uhr noch einmal nach Z.
schaute, lag sie regungslos in [X.] und atmete nicht mehr. Der Angeklagte wählte daraufhin den Notruf und versuchte auf [X.] Anweisung hin, Z.
wiederzubeleben. Die Rettungssanitäter und die Notärztin bemühten sich, das Kind zu reanimieren. Ihre an den Angeklagten [X.]
gerichtete Frage, ob es Krankheitsanzeichen wie Erbrechen oder Ähnli-ches gegeben habe, verneinte dieser
der Wahrheit zuwider. Nach etwa einer halben Stunde wurden die Reanimationsmaßnahmen abgebrochen;
die Notärz-tin stellte um 4:55 Uhr den Tod des Kindes fest, das zu diesem Zeitpunkt einen deutlich aufgeblähten Bauch aufwies. [X.] war eine fortgeschrittene aktuell schwere Bauchfellentzündung, verursacht durch eine fokale Perforation des oberen Dünndarms mit Austritt von Darminhalt und reichlich freier Luftan-sammlung im Bauchraum.
2. Das [X.] hat nach Vernehmung von drei (gerichts-)
medizinischen Sachverständigen beweiswürdigend andere Ursachen als den Schlag oder Tritt in den Bauch des Kindes durch den Angeklagten [X.]
für die Darmverletzung des Mädchens
ausgeschlossen. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass für beide Angeklagte spätestens ab den Nachmittagsstunden des 30. Januar 2012 erkennbar war, dass Z.
schwer krank war. Dennoch holten beide keine ärztliche Hilfe, weil sie die Feststellung von Misshandlungsspuren
befürchteten. Dabei nahmen sie
nunmehr auch
billigend in Kauf, dass sich der Zustand des Kindes weiter verschlechterte und dass es sterben könnte. Wegen der Misshandlung der Kinder Z.
und F.
hat die Strafkammer den [X.]n [X.]
jeweils gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das letztlich todesursächliche Unter-lassen des Hinzuziehens ärztlicher Hilfe trotz gravierender Verschlechterung des Zustandes von Z.
hat das [X.] unter Annahme von [X.]
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absicht als Mord durch Unterlassen gewertet. Bei der Strafzumessung hat es eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2 StGB vorgenommen und für den Angeklagten [X.]
eine Einsatzfreiheitsstrafe von zehn Jahren, für die Angeklagte S.
eine Freiheitsstrafe von acht Jahren für angemessen erachtet.
II.
1. Während die Revision des Angeklagten [X.]
aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet ist, führt die Revision der Angeklagten S.
zur Aufhebung des Schuldspruchs und der ihn tragenden Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Tatge-schehen.
Das [X.] hat den bedingten Tötungsvorsatz der beiden einen sol-chen bestreitenden Angeklagten ersichtlich aus den objektiven Tatumständen gefolgert, insbesondere aus dem von allen Sachverständigen geschilderten schwerwiegenden und für Laien erkennbaren länger dauernden Leidenszustand des Kindes, der offenkundig
nach ärztlicher Hilfe verlangte. Diese vom [X.] nicht weiter begründete Annahme hält im Falle des Angeklagten [X.]
, der die Ursache für
den desolaten Zustand des Kindes gesetzt und trotz weite-rer von ihm erkannter Verschlechterung in der Nacht zum 31. Januar 2012 die Feuerwehr erst angerufen hatte, als das Kind reglos in [X.] lag und nicht mehr atmete, der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Hinsichtlich der Angeklagten S.
hätte sich das [X.]
abgesehen davon, dass die Billigung der Verursachung des Todes
des eigenen [X.] die Überschreitung höchster Hemmschwellen voraussetzt
mit vorsatzkri-tischen Umständen auseinandersetzen müssen. So
ist nicht festgestellt, dass 7
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auch die Angeklagte S.
von dem Faustschlag oder Tritt des Ange-klagten [X.]
in den Bauch des Kindes wusste. Die Angeklagte hatte demnach nicht die Gefährlichkeit einer Gewalthandlung, sondern einen sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Krankheitsprozess zu beurteilen und sein mögliches Ende geistig vorwegzunehmen und zu billigen (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Dezember 1997
3
StR 569/97, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz,
[X.] 50).
Angesichts dessen hätte das [X.] insbesondere
mit Blick auf die Persönlichkeitsbesonderheiten der Angeklagten (UA S.
54 f.) prüfen müssen, ob sie begründet darauf
hoffte, der
von ihr erkannte Leidenszustand
Z.
s
werde nicht zu ihrem
Tode führen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft zulasten des Angeklagten [X.]
bleibt ohne Erfolg.
a) Die Strafrahmenverschiebung nach §
13 Abs. 2 StGB
ist revisionsge-richtlich nicht zu beanstanden.
Die Frage, ob eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geboten ist, muss das Tatgericht in einer wertenden Gesamtwürdigung der [X.], also nicht nur
unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte prüfen
(vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 1998
1 [X.], NJW
1998, 3068). Einzubezie-hen
sind daher auch die konkreten Tatumstände und alle in subjektiver Hinsicht für die Bewertung des [X.] der Unterlassung maßgebenden Um-stände (vgl. [X.], Urteil vom 3. November 1981
1 [X.], NJW 1982, 393).
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Gemessen hieran ist die Strafrahmenwahl des [X.]s nicht zu [X.]. Es hat einerseits
den besonders bedeutsamen Gesichtspunkt (vgl. [X.], Beschluss vom 1. April 1987
2 [X.], [X.]R StGB § 13 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1)
gewürdigt
die gebotene Handlung in einem ,
und daher von dem [X.] [X.]
nicht mehr verlangt hätte als den normalen Einsatz rechts-treuen Willens. Andererseits hat es das junge
Alter des bislang unbestraften und mit der häuslichen Situation überforderten Angeklagten berücksichtigt [X.] den Umstand, dass er nicht völlig untätig blieb,
sondern durch verschiedene
wenn auch untaugliche
Maßnahmen versuchte, den Zustand des Kindes zu verbessern. Von der Staatsanwaltschaft in den Mittelpunkt ihrer Erwägungen g-lich zum Schein auf den Vorschlag der beiden Familienhelferinnen eingegangen sei,
einen Arzt aufzusuchen (RB S. 4),
hat das [X.] nicht feststellen können. Vielmehr hat es die Möglichkeit offen
gelassen, dass die Angeklagten erst auf dem Weg zum Kinderarzt dahin übereinkamen, die Zwillinge dort nicht vorzustellen (vgl. [X.]). Gegenüber seinem [X.] hat der Ange-klagte [X.]
insoweit wahrheitsgemäß
angegeben, dass sie das Kind nicht dem Arzt vorgestellt hätten, auch wenn er über den Grund dafür getäuscht hat. Es ist lediglich festgestellt, dass die Angeklagten dem Zeugen
s-ser. Dass sie mit dieser Lüge den Zeugen, der das Kind reglos in seinem Bett-chen
hatte liegen sehen, von [X.] abgehalten hätten oder ihn davon hätten abhalten
wollen, ist nicht festgestellt.
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b) Die strafmildernde Berücksichtigung der Untersuchungshaft im Rah-men der konkreten Strafzumessung nimmt der Senat hin. Das [X.] hat insoweit auf besonders belastende Umstände, nämlich
deren lange Dauer bei dem unbestraften
Angeklagten,
abgestellt.
Sander
[X.]
Dölp
Bellay
Feilcke
13
Meta
17.06.2015
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. 5 StR 75/15 (REWIS RS 2015, 9615)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 9615
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
5 StR 75/15 (Bundesgerichtshof)
Verdeckungsmord durch Unterlassen: Bedingter Vorsatz der Mutter des getöteten Kindes
5 StR 222/15 (Bundesgerichtshof)
5 StR 79/06 (Bundesgerichtshof)
2 StR 165/09 (Bundesgerichtshof)
4 StR 197/12 (Bundesgerichtshof)