Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2019, Az. 1 StR 434/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2425

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Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Verschlechterungsverbot für Einzelstrafen und Einziehungsentscheidung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]    wird das Urteil des [X.] vom 15. Mai 2019

a) im Strafausspruch dahin geändert, dass er

aa) im Fall D.I[X.] der Urteilsgründe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie

bb) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren

verurteilt wird;

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, auch soweit es die Nichtrevidentin D.    betrifft, dahin geändert, dass lediglich ein Betrag von 33.205 Euro der gesamtschuldnerischen Einziehung unterliegt.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hatte den Angeklagten in einem ersten Rechtsgang wegen sieben Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hatte es sichergestelltes Bargeld und den Wert von [X.]n eingezogen. Dieses Urteil hat der Senat auf Revision des Angeklagten – auch zugunsten der Nichtrevidentin D.    – mit den zugehörigen Feststellungen in drei Fällen im Schuldspruch, im gesamten Strafausspruch sowie in den gesamtschuldnerischen Einziehungsanordnungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen (Beschluss vom 20. September 2018 – 1 [X.]). Im zweiten Rechtsgang hat das [X.] nunmehr eine Tat nach § 154 Abs. 2 [X.] eingestellt und den Angeklagten über den rechtskräftigen Schuldspruch hinaus wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt. Zudem hat es alle Einzelstrafen neu zugemessen, eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten gebildet und die Einziehung des Wertes von [X.]n angeordnet.

2

Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]); im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

II.

3

1. Das [X.] hat gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, indem es im Fall [X.]. der Urteilsgründe (vormals Fall B.7.) eine Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt hat. Im ersten Rechtsgang hatte die [X.] für diese Tat eine Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten festgesetzt. Das Verschlechterungsverbot gilt auch für die Einzelstrafen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02 Rn. 21, [X.]R [X.] § 358 Abs. 2 Nachteil 12; [X.], 8. Aufl., § 331 Rn. 3 [X.]). Daher war – wie auch vom [X.] beantragt – der Strafausspruch im Fall [X.]. der Urteilsgründe aufzuheben. Der Senat hat die Freiheitsstrafe indes nicht auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Jahr (§ 29a Abs. 1 BtMG), sondern entsprechend § 354 Abs. 1 [X.] auf zwei Jahre und sechs Monate herabgesetzt. Denn das [X.] hätte ohne den Rechtsfehler nicht auf eine niedrigere als die in dem früheren Urteil verhängte Einzelstrafe erkannt.

4

Um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, hat der Senat die vom [X.] verhängte Gesamtfreiheitsstrafe um das geminderte Maß der Einzelstrafe, also um drei Monate herabgesetzt (vgl. zu dieser Verfahrensweise [X.], Beschluss vom 10. Mai 2001 – 4 [X.] Rn. 4).

5

2. Das [X.] hat mit seiner Einziehungsentscheidung ebenso wenig das Verschlechterungsverbot beachtet.

6

a) Das erste Tatgericht hatte 44.295 Euro Bargeld sowie dem Wert nach 63.205 Euro als [X.] eingezogen. Den Gesamtbetrag in Höhe von 107.500 Euro hat das [X.] zwar formal unterschritten, indem es allein die Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 68.000 Euro angeordnet hat. Diese Anordnung verstößt hier aber gleichwohl gegen § 358 Abs. 2 Satz 1 [X.], auch wenn bei der Prüfung eine Gesamtschau der jeweils verhängten Rechtsfolgen geboten ist (vgl. zu Letzterem [X.], Beschluss vom 11. November 1970 – 4 [X.], [X.]St 24, 11, 14; [X.], 8. Aufl., § 331 Rn. 4; [X.]/Gössel, [X.], 26. Aufl., § 331 Rn. 32). Der Angeklagte und die mit ihm als Gesamtschuldnerin haftende Nichtrevidentin D.    hatten in der ersten Hauptverhandlung auf die Herausgabe des Bargelds verzichtet. Dessen Einziehung im früheren Urteil nach § 73 Abs. 1 StGB war daher zumindest entbehrlich (vgl. näher [X.], Urteil vom 13. Dezember 2018 – 3 [X.], [X.]St 63, 314 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 20. März 2019 – 3 StR 67/19 Rn. 6 ff. [X.]). Infolge ihres unwiderruflichen Verzichts erhalten der Angeklagte und die Nichtrevidentin D.    das Bargeld – mag es den neuen Feststellungen zufolge auch nicht durch die angeklagten Taten erlangt sein – nicht zurück (vgl. auch [X.] f.). Die wirtschaftliche Belastung verbleibt ihnen also selbst ohne förmliche Einziehung des Bargelds. Deren Anordnung im früheren Urteil ist deshalb beim Vergleich der Rechtsfolgen hinwegzudenken. Maßgeblich ist allein die ursprünglich geringere Einziehung des Wertes von [X.]n (§ 73c Satz 1 StGB; vgl. auch [X.], Beschluss vom 24. Januar 2019 – 1 [X.] Rn. 13).

7

Der damit verbundene Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot entfällt nicht durch dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltene Anordnungen (vgl. [X.]/Gössel, [X.], 26. Aufl., § 331 Rn. 36), wie sie hier nach § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] in Betracht kommen.

8

b) Der Betrag, den das erste Tatgericht als den Wert von [X.]n eingezogen hatte (63.205 Euro), ist zudem um weitere 30.000 Euro zu mindern. Ein solcher Abzug entspricht dem damals festgestellten Wert der [X.] im aufgehobenen Fall [X.] der ersten Urteilsgründe. Diese Tat hat das [X.] nach § 154 Abs. 2 [X.] eingestellt. Insoweit war eine Einziehung im hiesigen Verfahren nicht mehr möglich (vgl. [X.], Beschluss vom 1. August 2018 – 1 [X.] Rn. 7) und ist auch nicht erfolgt (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 [X.]; [X.]). Der nach § 358 Abs. 2 [X.] zulässige Einziehungsbetrag bei den verbliebenen Taten, an denen das – tatbezogene (vgl. [X.]/Gössel, [X.], 26. Aufl., § 358 Rn. 11 [X.]) – Verschlechterungsverbot zu messen ist, verringert sich indes um jene 30.000 Euro, die im ersten Rechtsgang noch auf die eingestellte Tat entfallen waren. Dafür spricht auch, dass insoweit die selbständige Einziehung vorgesehen ist, die einem etwaigen eigenen Verfahren vorbehalten ist (§ 76a Abs. 3 StGB, § 435 [X.]). Diese Regelungen schränken das Verschlechterungsverbot nicht etwa ihrerseits ein (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 2019 – 5 [X.], [X.]St 64, 48 Rn. 18 ff. [X.]).

9

c) Der Senat hat entsprechend § 354 Abs. 1 [X.] den Einziehungsausspruch auf den zulässigen Höchstbetrag von 33.205 Euro reduziert. Eine solche Korrektur ist auch bei der Nichtrevidentin D.    veranlasst. Sie ist ebenso wie der Angeklagte von dem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot betroffen, der in den Anwendungsbereich von § 357 Satz 1 [X.] fällt (vgl. [X.], Beschluss vom 23. August 2000 – 2 [X.] Rn. 7 [X.]).

Raum     

      

Jäger     

      

Bellay

      

Leplow     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 434/19

22.10.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 15. Mai 2019, Az: 355 Js 10023/17 - 1 KLs

§ 331 StPO, § 358 Abs 2 S 1 StPO, § 73 Abs 1 StGB, § 29a Abs 1 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2019, Az. 1 StR 434/19 (REWIS RS 2019, 2425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2425

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