Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2006, Az. IX ZR 187/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3447

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 187/04 Verkündet am: 18. Mai 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 256 Abs. 1, § 700 Abs. 1; [X.] §§ 184, 302 Nr. 1; StGB § 266a a) Widerspricht der Schuldner der rechtlichen Einordnung einer als "Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zur Tabelle angemeldeten, bereits durch einen [X.] rechtskräftig titulierten Forderung, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung des [X.] erheben. b) Ein rechtskräftiger [X.] bindet das Gericht des Feststellungs-prozesses auch dann nicht, wenn er auf eine Anspruchsgrundlage Bezug nimmt, die eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt. [X.], [X.]eil vom 18. Mai 2006 - [X.][X.]
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2006 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil der 16. Zivilkammer des [X.] vom 19. August 2004 aufgehoben. [X.] wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Am 25. Februar 2002 erwirkte die Klägerin einen [X.] gegen den Beklagten über einen Betrag von 1.357,08 Euro nebst Zinsen und Kosten. Der Anspruch wurde wie folgt bezeichnet: 1 "Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB i.V.m § 266a Abs. 1 und 14 Abs. 1 StGB wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerantei-len zur Gesamtsozialversicherung für ehem. Arbeitnehmer der Firma [X.] für die Monate Januar 2000 bis April 2000 lt. Schreiben vom 06.11.2001 (DM-Angaben siehe Anlage)". - 3 - In der Folgezeit wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 26. November 2002 meldete die Klägerin den titulier-ten Anspruch zur Tabelle an. Die Forderung wurde zur Tabelle festgestellt. Der Schuldner widersprach jedoch ihrer Einordnung als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. 2 Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie gegen den Beklagten einen Anspruch in Höhe von 1.357,08 Euro nebst Zin-sen und Kosten in Höhe von insgesamt 81,41 Euro aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen der Vorenthaltung von [X.] zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Monate Januar bis April 2000 hat. Der Beklagte ist dem Anspruch mit der Begründung entgegengetreten, er sei in der GmbH nur "Strohmann" und für die Abführung der [X.] nicht verantwortlich gewesen. Das Amtsgericht hat den Beklagten [X.] verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] die Klage wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewie-sen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ih-ren Feststellungsantrag weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 4 - 4 - [X.] 5 Das [X.] hat ausgeführt: Der Klägerin fehle ein berechtigtes Inte-resse an der begehrten Feststellung. Sie sei bereits Inhaberin eines Titels, aus dem sich deutlich ergebe, dass ihr gegen den Beklagten ein Anspruch aus vor-sätzlich begangener unerlaubter Handlung zustehe. Die Feststellung zur Tabel-le und der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund "vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung" ändere daran nichts. Der [X.] werde durch die Feststellung zur Tabelle nur insoweit "aufgezehrt", als er sich mit der Feststellung decke. Hinsichtlich des [X.] sei dies nicht der Fall. I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 6 1. Das Berufungsurteil genügt gerade noch den Mindestanforderungen des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zwar fehlt die Wiedergabe der [X.], die von der Verweisung auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzli-chen [X.]eils nicht erfasst sein können. Die Entscheidungsgründe lassen jedoch erkennen, dass der Beklagte und Berufungskläger weiterhin die Abweisung der Klage betrieben und die Klägerin und [X.] an ihrem schon in [X.] Instanz gestellten Feststellungsantrag festgehalten hat. Das kann im Rah-men des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausreichen (vgl. [X.] 154, 99; [X.], [X.]. v. 11. März 2004 - [X.] ZR 178/03, [X.], 2216, 2217; v. 1. Dezember 2005 - [X.] ZR 95/04, [X.], 628, 629). 7 - 5 - 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein Rechtsschutz-bedürfnis der Klägerin nicht verneint werden. 8 9 a) Im rechtlichen Ausgangspunkt trifft das Berufungsurteil zu. Auch der-jenige Gläubiger, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits einen Titel gegen den späteren Insolvenzschuldner erwirkt hatte, muss seine Forderung zur Tabelle anmelden, wenn er am Insolvenzverfahren teilnehmen will. Wird kein Widerspruch erhoben, gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 [X.]). Durch den Auszug aus der Tabelle, aus dem nach Aufhebung des [X.] die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 201 Abs. 2 [X.]), wird der frühere Titel "aufgezehrt" (vgl. [X.], [X.]. v. 14. Mai 1998 - [X.] ZR 256/96, [X.], 2364, 2365 unter 3.; [X.], 297, 300; 132, 113, 115; [X.]/[X.], KO 8. Aufl. § 164 [X.]. 6). Das gilt jedoch nicht, wenn der Schuldner der Feststellung widersprochen hat. Ein Widerspruch des Schuldners steht zwar der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Aus dem [X.] kann jedoch dann, wenn der er-hobene Widerspruch nicht beseitigt ist, die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden (§ 201 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]). Insoweit kann der Gläubiger auf den vorab erwirkten Titel zurückgreifen ([X.], [X.]. v. 14. Mai 1998, aaO; [X.], [X.] 12. Aufl. § 302 Rn. 23; Graf-Schlicker/[X.] NZI 2001, 569, 572). b) Die Existenz eines solchen Titels allein lässt das Rechtsschutzbedürf-nis der Klägerin für die jetzige Feststellungsklage jedoch nicht entfallen (vgl. OLG Hamm Z[X.] 2005, 1329, 1330; [X.] Z[X.] 2004, 988, 989; [X.] Z[X.] 2005, 192, 193; [X.], aaO Rn. 24; Graf-Schlicker/[X.] aaO). Die Klägerin will ihre titulierte Forderung spätestens nach Ende der Wohlverhaltensperiode durchsetzen, und zwar auch dann, wenn 10 - 6 - dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt worden sein sollte. Der Widerspruch des Schuldners gegen die Einordnung der Forderung als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung macht deutlich, dass dieser eine - nach § 302 Nr. 1 [X.] grundsätzlich zulässige - Zwangsvollstreckung wegen der Forderung nicht hinzunehmen bereit ist. Sein Verhalten lässt eine Vollstre-ckungsgegenklage (§ 767 ZPO) erwarten, sobald die Klägerin nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus ihrem Titel vorgeht. Wenn aufgrund konkreter [X.] damit zu rechnen ist, dass gegen einen vollstreckbaren Titel Voll-streckungsgegenklage erhoben werden wird, hat der [X.] in ständiger Rechtsprechung ergänzende Feststellungsklagen zugelassen (z.B. [X.] 98, 127, 128; [X.], [X.]. v. 22. September 1994 - [X.] ZR 165/93, NJW 1994, 3225, 3227). So liegt auch der vorliegende Fall. Der Widerspruch des Schuldners stellt einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem [X.] kommen wird (vgl. Nerlich/[X.]/[X.], [X.] § 184 Rn. 12). Es besteht kein sachlicher Grund dafür, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz des Widerspruchs des Schuldners zur Tabelle festgestellten Forderung auf die [X.] nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also dem Rechtsstreit über eine vom Schuldner zu erhebende [X.] zu überlassen. Die Klärung dieser Frage möglichst noch vor der Entscheidung über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 [X.]) dürfte regelmäßig im Interesse sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners liegen (BT-Drucks. 14/5680, S. 27; vgl. auch [X.] 2004, 46, 48; OLG Rostock Z[X.] 2005, 1175, 1176; [X.], [X.], 636, 638 mit weiteren Nachwei-sen). Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig. - 7 - II[X.] 11 [X.] ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 ZPO). Sie muss [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dazu weist der [X.] rechtlichen Gesichtspunkt hin:
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zusteht, ist das Berufungsgericht nicht an den [X.] vom 25. Februar 2002 gebunden. Wie der [X.] zu § 850f Abs. 2 ZPO bereits entschie-den hat ([X.]. v. 5. April 2005 - [X.], [X.], 1326), ist der auf einem Mahnbescheid beruhende [X.] nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten Anspruchs festzulegen. Der Mahnbescheid beruht auf den einseitigen, vom Gericht nicht materiell-rechtlich geprüften Angaben des Gläubigers. Das entspricht dem Sinn und Zweck des Mahnverfahrens, das wegen eines Anspruchs auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme eingeleitet wird (§ 688 Abs. 1 ZPO) und dem [X.] schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel verhelfen soll. [X.] der Gläubiger nicht nur vollstrecken, sondern weitergehend das [X.] des § 850f Abs. 2 ZPO in Anspruch nehmen, muss er ein Feststel-lungsurteil erwirken, das im ordentlichen Verfahren ergeht und mindestens eine [X.] durch [X.] voraussetzt (vgl. [X.], [X.]. v. 5. April 2005, aaO S. 1327). Die Anwendung der Vorschrift des § 302 Nr. 1 [X.], nach der Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Hand-lung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt werden, wird den Schuldner oft härter treffen als eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850f Abs. 2 ZPO. Für sie kann daher nichts anderes gelten. 12 - 8 - Dass im [X.] ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a Abs. 1, § 14 StGB tituliert ist, ändert im Ergebnis nichts (entgegen OLG Hamm Z[X.] 2005, 1329, 1330 f). Wird ein Geschäftsführer persönlich wegen nicht an den Sozialversicherungsträger [X.] in Anspruch genommen, kommt zwar ein anderer Rechtsgrund als derjenige einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht in [X.]. Für den Schuldner stellt sich im Mahnverfahren also nicht die Frage, ob er Widerspruch oder Einspruch nur deshalb einlegen soll, um eine Abänderung der rechtlichen Einordnung der Forderung zu erreichen (vgl. [X.], [X.]. v. 5. April 2005, aaO). Die Folgen, welche die Titulierung einer derartigen Forde-rung in einem späteren Restschuldbefreiungsverfahren nach sich zieht, wird der Schuldner in der Regel jedoch nicht überblicken. Für eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 [X.] besteht im Mahnverfahren noch kein Anlass. Der Schuldner könnte deshalb aus Nachlässigkeit oder auch in der Erwartung eines ihm be-vorstehenden Insolvenzverfahrens einen [X.] rechtskräftig werden lassen, ohne dessen Folgen - die bei Annahme einer Bindungswirkung wegen § 302 Nr. 1 [X.] insoweit nicht eintretende Restschuldbefreiung - zu überblicken. Entgegen [X.] ([X.], 636, 640) verlangt Art. 103 Abs. 1 GG zwar nicht die Unwirksamkeit jeglicher Titel, die ein Gläubiger wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit ohne eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 13 - 9 - [X.] erwirkt hat. Titel, die ohne eine richterliche [X.] aufgrund einseitiger Angaben des Gläubigers ergangen sind, vermögen die weit reichen-den Folgen des § 302 Nr. 1 [X.] jedoch nicht zu rechtfertigen. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.12.2003 - 5 C 284/03 - [X.], Entscheidung vom 19.08.2004 - 16 S 3/04 -

Meta

IX ZR 187/04

18.05.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2006, Az. IX ZR 187/04 (REWIS RS 2006, 3447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3447

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