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Zwangsversteigerungsverfahren: Zuschlagsversagungsantrag bei einem Meistgebot eines von mehreren gleichrangigen Grundschuldgläubigern
§ 74b ZVG ist auch anwendbar, wenn das Grundstück mit mehreren gleichrangigen Grundschulden belastet ist und einer dieser Gläubiger Meistbietender bleibt; die Höhe seines nach dieser Bestimmung maßgeblichen Ausfallbetrags errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Nominalwert seiner Grundschuld und dem auf ihn entfallenden Anteil an dem bereinigten Erlös (Ergänzung des Senatsurteils vom 14. Oktober 1966, V ZR 206/63, BGHZ 46, 107 ff.).
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des [X.] vom 23. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt für die Gerichtskosten 9.590.000 € und für die anwaltliche Vertretung der Gläubiger 13.700.000 €.
I.
Die Beteiligte zu 2 ist Eigentümerin der im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücke. In Abteilung III des Grundbuchs sind für die die Zwangsversteigerung betreibenden Beteiligten zu 1 und 3 gleichrangige Grundschulden eingetragen, deren Nominalwerte sich auf eine Gesamtsumme von rund 342 Mio. € belaufen. Davon entfallen ca. 179 Mio. € (= 52 %) auf die Beteiligte zu 1 und ca. 163 Mio. € (= 48 %) auf die Beteiligte zu 3. Der Verkehrswert der Grundstücke wurde auf 13,7 Mio. € festgesetzt. Der Wert der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte beläuft sich auf insgesamt 51.250 €. In dem Versteigerungstermin blieb die Beteiligte zu 3 mit einem Gebot von ca. 6,8 Mio. € Meistbietende.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2011 hat das Vollstreckungsgericht der Beteiligten zu 3 den Zuschlag erteilt. Den auf § 74a Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützten Antrag der Beteiligten zu 1 auf Versagung des Zuschlags hat es zurückgewiesen; ihre sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 3 beantragt, verfolgt die Beteiligte zu 1 weiterhin das Ziel der Zuschlagsversagung.
II.
Nach Auffassung des [X.] kann die Beteiligte zu 1 die Versagung des Zuschlags nicht verlangen. Zwar erreiche das [X.] der Beteiligten zu 3 einschließlich des [X.] der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte nicht die in § 74a Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehene 7/10-Grenze. Weil sich aber unter Hinzurechnung ihres [X.]s ein weit höherer Wert ergebe, sei die Versagung des Zuschlags nach § 74b [X.] ausgeschlossen. Der [X.] bestimme sich zwar nicht nach der vollen Differenz zwischen den Forderungen der Beteiligten zu 3 und dem auf sie entfallenden Anteil an dem bereinigten Erlös (ca. 163 Mio. € abzüglich ca. 3 Mio. € = rund 160 Mio. €). Vielmehr sei diese Deckungslücke nur in Höhe der Quote zu berücksichtigen, mit der die Beteiligte zu 3 unter Berücksichtigung der gleichrangigen Forderungen der Beteiligten zu 1 an der Teilungsmasse beteiligt wäre (also 48 % von 160 Mio. € = rund 77 Mio. €). Auch mit dieser Maßgabe ergebe sich aber unter Hinzurechnung des [X.]s und des [X.] der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte ein Betrag, der 83 Mio. € übersteige und damit weit über der 7/10-Grenze liege. Es sei allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass § 74b [X.] zu einer nicht ohne weiteres gerechtfertigten Benachteiligung des nicht mitbietenden gleichrangigen Grundpfandgläubigers führe, wenn der [X.] - wie hier - den Verkehrswert des Grundstücks um ein Vielfaches übersteige.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Beteiligte zu 1 kann sie zwar gemäß § 100 Abs. 1, § 83 Nr. 5 [X.] auf eine behauptete Verletzung von §§ 74a und 74b [X.] stützen. Die Anwendung dieser Bestimmungen durch das Beschwerdegericht hält aber im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Sowohl das Beschwerdegericht als auch die Rechtsbeschwerde gehen zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen für einen Antrag der Beteiligten zu 1 auf Versagung des Zuschlags gemäß § 74a Abs. 1 Satz 1 [X.] erfüllt sind. Ihrem Antrag steht nicht entgegen, dass sie selbst die Zwangsversteigerung betreibt (vgl. [X.], Urteil vom 14. Oktober 1966 - [X.], [X.], 107, 109 f. mwN). Auch liegt das [X.] der Beteiligten zu 3 einschließlich des [X.] der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte unter 7 Mio. € und erreicht damit nicht die in § 74a Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehene 7/10-Grenze in Höhe von 9,6 Mio. €. Schließlich erhält der Anteil der Beteiligten zu 1 an der [X.] durch das [X.] eine geringere Deckung als bei einem Gebot in Höhe der 7/10-Grenze.
2. Rechtsfehlerfrei sieht das Beschwerdegericht die Anwendung von § 74a [X.] gemäß § 74b [X.] als ausgeschlossen an. Dieser Vorschrift zufolge findet § 74a [X.] unter bestimmten Voraussetzungen keine Anwendung. Erstens muss das [X.] - wie hier - von einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten abgegeben worden sein. Zweitens muss das Gebot (unter Einschluss des [X.] der bestehen bleibenden Rechte) zusammen mit dem Betrag, mit dem der Meistbietende bei der Verteilung des Erlöses ausfallen würde, 7/10 des [X.] erreichen, und drittens muss dieser Betrag im Rang unmittelbar hinter dem letzten Betrag stehen, der durch das Gebot noch gedeckt ist. Sämtliche Voraussetzungen sind erfüllt.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde regelt § 74b [X.] auch das Verhältnis zwischen gleichrangigen Gläubigern. Zwar soll die Norm einer vereinzelt vertretenen Ansicht zufolge nur auf nachrangige Rechte anwendbar sein (so jedenfalls im Ergebnis [X.], [X.] 2011, 274, 277; [X.], Mitteilungen des [X.] 1932, 255 f. zu der Vorgängernorm des § 2 der [X.]Notverordnung vom 26. Mai 1933). Im Gegensatz dazu hat der [X.] bereits in seinem Urteil vom 14. Oktober 1966 ([X.], [X.], 107, 110) den entscheidenden Anwendungsbereich der Vorschrift gerade in der Regelung des Verhältnisses zwischen gleichrangigen Gläubigern gesehen; dies steht im Einklang mit der ganz überwiegenden Ansicht ([X.], [X.], 5. Aufl., § 74b Rn. 1; [X.], [X.] und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., § 17 III 2; [X.] in [X.]/Schiffbauer/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 74b [X.] Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 83 Rn. 13 unter [X.]. 10 d) β); [X.]/[X.], [X.], 16. Aufl., § 74b [X.] [X.]. 1 [X.]; [X.] in [X.], [X.], § 74b [X.] Rn. 4; [X.], [X.], 9. Aufl., § 74b [X.] Rn. 3, 9; [X.], [X.], 19. Aufl., § 74b Rn. 1). An dieser Auffassung hält der [X.] fest. Sie entspricht dem Wortlaut des § 74b [X.], der nicht zwischen gleich- und nachrangigen Rechten unterscheidet. Insbesondere lässt sich der dritten Voraussetzung, nach der der [X.] im Rang unmittelbar hinter dem letzten noch gedeckten Betrag stehen muss, keine Beschränkung auf nachrangige Rechte entnehmen. Denn auch gleichrangige Rechte stehen (nebeneinander) unmittelbar hinter dem letzten noch gedeckten Betrag. Soweit der [X.] in seinem Urteil vom 14. Oktober 1966 ausgeführt hat, unmittelbar hinter dem letzten Betrag, der durch das Gebot noch gedeckt sei, stehe nicht der ganze [X.] des meistbietenden Gläubigers, sondern nur ein Bruchteil hiervon, da der andere Bruchteil den nicht bietenden gleichrangigen Gläubigern zustehe ([X.], aaO, [X.]), ist dies missverständlich; der [X.] hält daran nicht fest. Die dritte Voraussetzung des § 74b [X.] ist deshalb gegeben.
b) Im Ergebnis zutreffend sieht das Beschwerdegericht auch die zweite Voraussetzung des § 74b [X.] als erfüllt an. Unter Hinzurechnung des [X.]s der Beteiligten zu 3 ist die 7/10-Grenze erreicht. Allerdings ist umstritten, wie der Ausfall eines gleichrangigen Gläubigers im Sinne von § 74b [X.] zu ermitteln ist.
aa) Der [X.] hat bislang nur entschieden, dass jedenfalls der Ausfall der anderen gleichrangigen Gläubiger nicht hinzugerechnet werden darf ([X.], aaO, [X.]). Dem lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Ausfall des meistbietenden Gläubigers nicht genügte, um die 7/10-Grenze zu erreichen; der Zuschlag war aus diesem Grund zu versagen. Anders liegen die Dinge hier. Der Ausfall der Beteiligten zu 3 übersteigt für sich genommen die 7/10-Grenze um ein Vielfaches, ohne dass es auf die Höhe der Forderungen der Beteiligten zu 1 ankäme.
bb) Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, nur der Anteil des Meistbietenden an der Differenz zwischen dem tatsächlichen [X.] und einem fiktiven Gebot in Höhe der 7/10-Grenze sei maßgeblich. Weil der Differenzbetrag den gleichrangigen Gläubigern jeweils ihren Bruchteilen entsprechend zustehe, müsse der Meistbietende als logische Folge stets die 7/10-Grenze ausbieten, um einen Zuschlag in dem ersten Termin zu erreichen. Dies lasse sich aus teleologischen Erwägungen rechtfertigen. § 74b [X.] sei eine reine Gläubigerschutzvorschrift; der Schuldner werde durch § 114a [X.] geschützt. Es sei ungerecht, dass der nicht bietende Gläubiger ein Unterschreiten der 7/10-Grenze schon im ersten Termin hinnehmen müsse, obwohl er an dem [X.] des Meistbietenden nicht partizipiere; § 74b [X.] könne sogar dazu führen, dass ein gleichrangiger Gläubiger vollständig ausfalle ([X.], aaO, 276; [X.], aaO, 256; im Ergebnis wohl auch [X.], Rpfleger 1979, 365, 367). Danach wäre der Zuschlag zu versagen. Dagegen meint das Beschwerdegericht, maßgeblich sei die auf die Beteiligte zu 3 entfallende Quote an ihrer Deckungslücke, die sich aus dem Wert ihrer dinglichen Forderung nach Abzug ihrer Zuteilung aus der [X.] ergebe (48 % von 160 Mio. € = rund 77 Mio. €). Die ganz überwiegende Ansicht sieht nicht nur eine Quote, sondern die gesamte Deckungslücke des Meistbietenden als maßgeblich an (davon gehen ausweislich der jeweiligen Zahlenbeispiele aus: [X.], aaO, § 17 III 2; [X.], aaO, § 74b [X.] Rn. 8 ff. Beispiel 3; [X.]/[X.], aaO, § 74b [X.] [X.]. 2 d; [X.]/Wenz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 6. Aufl., zu § 2 der [X.]Notverordnung vom 26. Mai 1933, [X.]. 3, [X.]; [X.] in [X.], [X.], § 74b [X.] Rn. 4 Beispiel 2; [X.], aaO, § 74b [X.] Rn. 16). Danach betrüge der [X.] 160 Mio. € und läge weit über der 7/10-Grenze.
cc) Der [X.] teilt die zuletzt genannte Auffassung. Maßgeblich ist bei der Grundschuld die Differenz zwischen ihrem Nominalwert (Kapital nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen, vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2004 - [X.], [X.]Z 158, 159, 161) und dem auf den Meistbietenden entfallenden Anteil an dem bereinigten Erlös. Für eine einschränkende Auslegung bietet der Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte. Die Gesetzesbegründung ist unergiebig. Mit der Regelung der §§ 74a und 74b [X.] sollten Schuldner, Grundstückseigentümer und schlechterrangig dinglich Berechtigte vor einer Verschleuderung von Immobilien geschützt werden (BT-Drucks. I/3668, [X.]). Zu gleichrangigen Gläubigern äußert sich die Begründung nicht. Die zuerst genannte Auffassung lässt sich durch teleologische Erwägungen nicht rechtfertigen. Sie führt nämlich dazu, dass § 74b [X.] der Sache nach keinen Anwendungsbereich hat. Denn bei nachrangigen Rechten ist die Vorschrift bedeutungslos. Einen über eine Klarstellung hinausgehenden Regelungsgehalt kann sie nur bei gleichrangigen Rechten entfalten. Wenn nämlich "die 7/10-Grenze durch das Recht des Meistbietenden geht" und weitere Gläubiger nachrangig sind, ist neben dem Meistbietenden kein anderer nach § 74a [X.] Antragsberechtigter vorhanden ([X.], aaO, [X.]; [X.], aaO, § 74b Rn. 1.2). Schließlich darf die Auslegung der Norm nicht alleine von dem Schutz des nicht mitbietenden Gläubigers geleitet werden. §§ 74a und 74b [X.] dienen zwar vornehmlich, aber nicht ausschließlich dem Schutz der Gläubiger; auch der Schuldner wird durch die Einhaltung der 7/10-Grenze mittelbar geschützt ([X.], aaO, § 17 III 1; [X.], aaO, § 74a Rn. 1). Denn der Meistbietende gilt in Höhe des [X.]s gemäß § 114a [X.] materiell-rechtlich - also auch hinsichtlich seiner persönlichen Forderung - als befriedigt; er muss sich so behandeln lassen, als hätte er ein Gebot abgegeben, das 7/10 des [X.] erreicht ([X.], Urteil vom 13. November 1986 - [X.], [X.]Z 99, 110, 113 f.). Dabei sind [X.] - wie das der Beteiligten zu 1 - nicht zu berücksichtigen (§ 114a Satz 2 [X.]). Für den Vorteil, die 7/10-Grenze nicht ausbieten zu müssen, muss der meistbietende Gläubiger die Erfüllung seiner persönlichen Forderung in Höhe der Differenz zwischen dem [X.] und der 7/10-Grenze hinnehmen. Dies erklärt zugleich, warum die Ansicht des [X.] nicht zutrifft, wonach bei mehreren gleichrangigen Gläubigern (nur) die auf den Meistbietenden entfallende Quote an seiner Deckungslücke maßgeblich ist.
IV.
1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Denn die Beteiligten stehen sich in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber ([X.], Beschluss vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 378 Rn. 7 mwN).
2. Der Gegenstandswert ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen. Dieser bemisst sich nach dem Gebot unter Einschluss des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte zuzüglich des Betrags, in dessen Höhe der Ersteher nach § 114a [X.] als aus dem Grundstück befriedigt gilt. Der Wert der anwaltlichen Vertretung der Gläubiger richtet sich gemäß § 26 Nr. 1 RVG nach dem Verkehrswert des Grundstücks.
[X.] Schmidt-Räntsch
Brückner Weinland
Meta
02.02.2012
Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend LG Berlin, 23. Mai 2011, Az: 82 T 202/11
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2012, Az. V ZB 159/11 (REWIS RS 2012, 9536)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 9536
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
V ZB 159/11 (Bundesgerichtshof)
V ZB 83/06 (Bundesgerichtshof)
V ZB 192/09 (Bundesgerichtshof)
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