Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.06.2012, Az. 26 W (pat) 540/11

26. Senat | REWIS RS 2012, 5821

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Bacchuskeller" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 058 734.2

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 6. Juni 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.] und Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 18. Juli 2011 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für [X.] des [X.] hat die Anmeldung der nach einer Einschränkung des ursprünglichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses noch für die Waren

2

„Klasse 32: Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke;

3

 [X.]: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Wein, Schaumwein, Sekt“

4

bestimmten Marke

5

[X.]keller

6

mit Beschluss vom 18. Juli 2011 teilweise für die in der [X.] beanspruchten Waren zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für diese Waren jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Marke sei [X.] aus den Begriffen „[X.]“, der Bezeichnung für eine weiße Rebsorte, und [X.]", der üblichen Bezeichnung für eine Weinherstellungsstätte und zugleich einem Synonym für den Begriff "Weinkeller" gebildet und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres als beschreibender Hinweis auf eine Herstellungsstätte für alkoholische Getränke wie Wein, Schaumwein und Sekt verstanden, die aus der [X.]-Traube hergestellt seien. Bei einem solchen Verständnis der angemeldeten Marke liege es für den Durchschnittsverbraucher fern, in dieser einen Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen zu sehen. Auch wenn die angemeldete Marke die versagten Waren nicht unmittelbar beschreiben, bestehe doch eine enger beschreibender Bezug zu diesen Waren, so dass der Verkehr dieser insoweit keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen werde.

7

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie macht geltend, das Wort "[X.]“ sei in erster Linie die [X.] Bezeichnung des [X.] Weingottes. Die von der Markenstelle zum Gegenstand der Zurückweisung gemachte Rebsorte "[X.]“ sei dagegen in [X.] wenig bekannt, weil sie auf weniger als 1 % der inländischen Rebfläche angebaut werde. Auch der weitere Markenteil [X.]" sei keine ohne weiteres verständliche Bezeichnung für eine [X.]. Eine solche werde vielmehr mit dem Wort [X.]ei" bezeichnet. Innerhalb der Wortverbindung "[X.]keller“ werde der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher alkoholischer Getränke, dem die Rebsorte "[X.]“ im Allgemeinen nicht bekannt sei, diesen Markenteil als Bezeichnung des allgemein bekannten [X.] Weingottes verstehen, weil es im Inland bereits zahlreiche [X.] mit dem Namen "[X.]keller“ gebe. Dagegen sei das von der Markenstelle der Zurückweisung Gründe gelegte Verständnis der angemeldeten Marke im Sinne einer Weinkellerei, die ausschließlich Weine aus der „[X.]“-Traube erzeuge, fernliegend, weil es praktisch keine Kellerei gebe, die ausschließlich eine einzige Traubensorte anbaue und nur Weine aus einer einzigen Traubensorte erzeuge und anbiete.

8

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 18. Juli 2011 aufzuheben.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung stehen der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren der [X.] weder das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (  8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) noch sonstige Schutzhindernisse entgegen.

Die Fähigkeit, eine betriebliche Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion für Waren und Dienstleistungen auszuüben, fehlt – wie die Markenstelle im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend festgestellt hat – in erster Linie solchen Zeichen und Angaben, die diese Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Merkmale beschreiben können. Sie fehlt darüber hinaus auch solchen Zeichen und Angaben, die die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar beschreiben, die sich jedoch auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu diesen Waren und Dienstleistungen hergestellt wird ([X.], 417, 419 – [X.]; GRUR 2009, 949 – [X.]). Ob ein Zeichen oder eine Angabe einen engen beschreibenden Bezug in diesem Sinne aufweist, ist nicht absolut und generalisierend festzustellen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, nämlich von dem Bedeutungsgehalt der angemeldeten Marke und den jeweils beanspruchten waren und Dienstleistungen. Maßgeblich ist dabei, ob die beteiligten Verkehrskreise den sachbezogenen Begriffsgehalt einer Angabe als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassen und deshalb in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die betriebliche Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen sehen ([X.] – [X.]). Je bekannter ein solcher sachbezogener Begriffsgehalt ist, desto eher wird der Verkehr ihn auch als solchen und damit nicht als Herkunftshinweis verstehen, wenn ihm die Angabe im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen entgegentritt ([X.], 850 – [X.]). Umgekehrt spricht eine geringere Bekanntheit der Angabe eher gegen die Annahme eines die Unterscheidungskraft ausschließenden engen beschreibenden Bezugs ([X.] – [X.]).

Bei einer aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Marke kommt es auch nicht auf die Schutzfähigkeit der einzelnen Markenteile, sondern auf die Schutzfähigkeit er Marke in ihrer Gesamtheit an. Deshalb darf aus dem beschreibenden Charakter und der fehlenden Unterscheidungskraft der einzelnen Markenteile auch nicht ohne weiteres für die [X.] ein Schutzhindernis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] hergeleitet werden ([X.] GRUR 2008, 608 – [X.]; [X.], 534 – PRANAHAUS).

Bei Zugrundelegung dieses [X.] kann der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren der [X.] nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Zwar ist der Markenstelle im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass das in der angemeldeten Marke enthaltene Wort „[X.]“ auch der Name einer im Inland angebauten Rebsorte ist und dass das in der angemeldeten Marke weiterhin enthaltene Wort [X.]" bei einer Verwendung im Zusammenhang mit Weinen eine Weinlagerstätte bezeichnen kann. Demgegenüber weist die Anmelderin aber zu Recht darauf hin, dass der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher von alkoholischen Getränken und insbesondere von Weinen das Wort "[X.]“ in weit geringerem Umfang als Bezeichnung einer Reb- und Weinsorte denn als Name des [X.] Weingottes kennt und insbesondere in der angemeldeten Wortverbindung „[X.]keller“ in diesem Sinne verstehen wird, weil es im Inland seit langem bereits eine große Anzahl von [X.]n gibt, die unter diesem Namen betrieben werden, und in deren Namen der Begriff „[X.]“ nicht für eine bestimmte Weinsorte, sondern für den Weingott „[X.]“, einem Synonym für Fröhlichkeit und Weinseligkeit steht. Bei dieser Sachlage ist zu erwarten, dass sowohl der Fachverkehr als auch die Endverbraucher alkoholischer Getränke, darunter auch solche von Weinen, in der angemeldeten Marke bei einer Verwendung für diese Waren keinen beschreibenden Hinweis auf eine Erzeugungsstätte oder ein Lager von aus der Rebsorte "[X.]“ hergestellten Weinen, sondern vielmehr – auch in Kenntnis entsprechender Weinstubenkennzeichnungen – eine Fantasiebezeichnung sehen und ihr einen – mehr oder weniger fantasievollen – betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen werden. Da es sich bei der angemeldeten Marke auch nicht um eine übliche Verkaufsstättenbezeichnung für Weine und andere alkoholische Getränke oder sonst um eine im Verkehr oder in der Werbung für diese Waren übliche Sachbezeichnung oder anpreisende Angabe handelt, an deren Freihaltung für Weine oder andere alkoholische Getränke ein Allgemeininteresse bestehen könnte, kann der angemeldeten Marke für diese Waren nach derzeitiger Sachlage bei Anlegung des gebotenen großzügigen [X.] (BGH [X.], 935 – [X.]) nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren der [X.] steht auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht entgegen, weil es sich bei dem Wort „[X.]keller“ nicht um eine Angabe handelt, die zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren selbst dienen kann. Andere Schutzhindernisse hat weder die Markenstelle selbst festgestellt noch sind solche für den Senat ersichtlich. Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.

Meta

26 W (pat) 540/11

06.06.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.06.2012, Az. 26 W (pat) 540/11 (REWIS RS 2012, 5821)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5821

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