Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2003, Az. XII ZR 186/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4795

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:22. Januar 2003Breskic,[X.] Geschäftsstellein der [X.]:jaBGHZ: neinBGB §§ 1577 Abs. 2, 1578; ZPO § 323a)Bei der Berechnung des eheangemessenen [X.] gemäß § 1578BGB nach der sogenannten Additions- bzw. Differenzmethode ist ein vom Unter-haltsberechtigten überobligationsmäßig erzielter Einkommensanteil nicht einzube-ziehen.Bei der Feststellung des Unterhaltsanspruchs ist in einem weiteren Schritt unterBilligkeitsgesichtspunkten (§ 1577 Abs. 2 BGB) zu prüfen, ob und gegebenenfallsin welchem Umfang der vom Unterhaltsberechtigten überobligationsmäßig erzielteEinkommensanteil als ebenfalls bedarfsdeckend anzurechnen ist (im Anschluß [X.], 105 [X.])Eine rückwirkende Abänderung eines [X.], der noch auf der Anwen-dung der sogenannten [X.] zur Bemessung des nachehelichenUnterhalts beruhte, kommt nicht in Betracht (im Anschluß an Senatsurteil BGHZ148, 368 ff.).BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - [X.]/01 - [X.]/[X.] 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 22. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] fürFamiliensachen des [X.] [X.] in [X.] vom 12. Juni 2001 im Kostenpunkt und insoweitaufgehoben, als die Berufung der Beklagen gegen die Abände-rung des Unterhalts für die [X.] ab 1. Juli 2001 zurückgewiesenworden ist.Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die seit dem 1. September 1998 geschiedenen Parteien streiten um denUmfang der Abänderung eines [X.] über nachehelichen Unterhalt.Aus der Ehe sind der im September 1980 geborene Sohn [X.], der [X.] 2000 seinen Wehrersatzdienst angetreten hat, und der im [X.] 3 -1987 geborene Sohn [X.], der noch das Gymnasium besucht, hervorge-gangen.Die 1955 geborene Beklagte hatte 1981 ihr Diplom als [X.]. Sie arbeitete zeitweise in den Jahren 1984 bis 1987 als wissen-schaftliche Mitarbeiterin der [X.]und [X.] oder 1992 ein zusätzliches Lehramtsstudium, das sie im Frühjahr 1996abbrach. In den Jahren 1995 bis 1998 befand sie sich wiederholt in psychiatri-scher Behandlung. Von Ende September 1997 bis Ende 1998 war sie nach ih-ren Angaben als freie Mitarbeiterin der "[X.]" tätig, absolvierte 1998 ei-nen Eignungstest für [X.] Berufe sowie eine Fortbildung als Admini-stratorin für Datenkommunikationsnetze, trat ein Praktikum bei der Firma [X.] im Unternehmensbereich [X.] und ist seit dem 1. Januar 2000 bei einer Wochenarbeitszeit von 30 Stundenbei einer Software-Beratungsfirma angestellt. Dort erzielte sie seitdem ein nachAbzug von Fahrtkosten verbleibendes Nettoeinkommen von [X.] 1956 geborene Kläger ist Fachhochschulprofessor der [X.] 2.Im Scheidungsverfahren schlossen die Parteien am 7. Juli 1998 einenProzeßvergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte abRechtskraft der Scheidung einen Elementarunterhalt von 1.492 [X.] monatlichsowie einen [X.] von 216 [X.] monatlich zu zahlen; letzte-rer wird unstreitig seit dem 1. Januar 2000 nicht mehr geschuldet.Der Berechnung des im Vergleich festgelegten nachehelichen Unterhaltslag allein das vom Kläger zuletzt erzielte Nettoeinkommen zugrunde, [X.] 4 -vorab noch um den Kindesunterhalt und den [X.] für [X.] bereinigt wurde.Auf die Abänderungsklage des [X.] änderte das Familiengericht denProzeßvergleich der Parteien dahingehend ab, daß der Kläger der Beklagtenseit dem 1. Januar 2000 keinen Unterhalt mehr schulde, weil diese ihren an denehelichen Lebensverhältnissen zu orientierenden Bedarf inzwischen durch ei-genes Einkommen decken könne. Die Berufung der Beklagten, mit der sie sichgegen eine Reduzierung des Unterhalts auf unter 530 [X.] für die [X.] bis [X.], auf unter 910 [X.] für die Monate bis Dezember 2000 und auf unter675 [X.] für die [X.] ab 1.Januar 2001 wehrt, blieb ohne Erfolg. Mit der [X.] die Beklagte dieses Begehren weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision hat teilweise Erfolg.[X.] Berufungsgericht, das die Revision im Hinblick auf die von ihm an-gewandte sogenannte [X.] zugelassen hat, geht davon aus,daß die für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts maßgeblichen eheli-chen Lebensverhältnisse der Parteien ausschließlich durch das bis zur Auflö-sung der Ehe nachhaltig erzielte Einkommen des [X.] geprägt worden [X.] 5 -Anhand des für Januar bis Juli 2000 unter Berücksichtigung des tatsäch-lich gezahlten Kindesunterhalts mit rund 2.600 [X.] festgestellten bereinigtenMonatsnettoeinkommens des [X.], dessen Berechnung die Revision nichtangreift, bemißt das Berufungsgericht den monatlichen Bedarf der Beklagtenbis einschließlich Juli 2000 mit 2.600 [X.] : 2 = 1.300 [X.] und für die [X.] danach- wegen des Wegfalls der Unterhaltspflicht des [X.] für den Sohn [X.] fürdie [X.] des von diesem abgeleisteten Zivildienstes - mit 1.675 [X.].Diesen Bedarf sieht es als durch das von der Beklagten ab Anfang 2000erzielte Einkommen als gedeckt an, und zwar auch unter Berücksichtigung [X.], daß dieses mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stundenerzielte Einkommen angesichts der Betreuung des [X.] erst 12-jähri-gen Sohnes [X.] zu einem Drittel auf überobligatorischer Erwerbstätigkeitberuhe. Denn selbst wenn man den auf überobligatorischer Arbeit beruhendenTeil des Einkommens der Beklagten völlig außer Betracht lasse, ergebe ihr umein Drittel von 61.800 [X.] auf 41.200 [X.] verringertes Bruttoeinkommen nachAbzug der im einzelnen errechneten Steuern, Sozialabgaben und Fahrtkostenein Monatseinkommen von 2.000 [X.], das auch nach Abzug eines Erwerbstäti-genbonus von 20 % den Bedarf bis Juli 2000 vollständig und ab August 2000bis auf einen Betrag von 75 [X.] abdecke. Es sei jedenfalls nicht unbillig, [X.] hinsichtlich dieses relativ geringen [X.] auf den Einsatz ihresüberobligatorisch erzielten Mehreinkommens zu verweisen.- 6 -I[X.] hält der rechtlichen Prüfung nur hinsichtlich des [X.]sbis Juni 2001 einschließlich stand, nicht aber für die [X.] danach.1. Zutreffend ist der - von den Parteien geteilte - Ausgangspunkt des Be-rufungsgerichts, daß die von der Beklagten seit Anfang 2000 ausgeübte [X.] eine Änderung in den Verhältnissen der Parteien darstellt, diegemäß § 323 Abs. 4 ZPO i.V. mit § 794 Abs. 1 ZPO a.F. die Anpassung des[X.] rechtfertigt.Das Berufungsgericht ist ferner ersichtlich davon ausgegangen, daß [X.] bei Abschluß des [X.] keine bestimmte Art der Unter-haltsberechnung (hier: die sogenannte [X.]) vereinbart ha-ben, an die sie nunmehr auch im Rahmen einer begehrten Abänderung gebun-den wären, denn andernfalls hätte es der Zulassung der Revision wegen derAnwendung dieser Methode nicht bedurft. Auch dies hält der rechtlichen [X.] stand:Da die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in [X.] 1988 bis 1999 kein Einkommen erzielte, stellte sich für die Parteien [X.] des Vergleichs am 7. Juli 1998 die Frage einer Berücksichtigung ei-nes - auch fiktiven - Einkommens der Beklagten nicht. Aus den gleichen Grün-den kam es für die Bemessung der Unterhaltspflicht des [X.] zum damali-gen [X.]punkt auch nicht darauf an, ob allein dessen nachhaltig erzieltes Ein-kommen die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hatte. Die Parteien [X.] so gesehen haben; es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,daß sie diese Beurteilung vertraglich bindend festgeschrieben hätten. [X.] auch nicht der von der Revisionserwiderung zitierte Schriftsatz der [X.] vom 12. Mai 1998 im Scheidungsverfahren entgegen, mit dem sie [X.] 7 -auf hingewiesen hatte, sie bemühe sich derzeit, die Voraussetzungen für [X.] in das Erwerbsleben und damit für eine langfristige, merklicheEntlastung des [X.] von seiner Unterhaltspflicht zu schaffen. Denn auchdann, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse nicht allein vom Einkommen [X.] geprägt wurden, führt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durchden Unterhaltsberechtigten regelmäßig zu einer spürbaren Entlastung des [X.].Die Frage, ob eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dieBindung der Parteien eines [X.] an eine bestimmte Art der Unter-haltsberechnung entfallen lassen kann (vgl. Senatsurteil vom [X.] [X.], 368, 377 f.), stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht.2. Das angefochtene Urteil kann indes keinen Bestand haben, soweit [X.] ab 1. Juli 2001 betroffen ist, weil es insoweit mit der geän-derten Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der sogenannten Anrech-nungsmethode (Senatsurteil vom 13. Juni 2001, [X.], 105 ff.) nicht ver-einbar [X.]) In Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte - wie hier - sei-ne Arbeitsfähigkeit während der Ehe ganz oder zum Teil in den Dienst der Fa-milie gestellt, den Haushalt geführt und erst nach der Scheidung eine [X.] aufgenommen oder ausgeweitet hat und das daraus erzielte [X.] gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigenHaushaltstätigkeit angesehen werden kann, ist dieses Einkommen in die Be-rechnung des nach § 1578 BGB zu bemessenden [X.] nicht mehrnach der sogenannten [X.], sondern nach der [X.] oder der zu gleichen Ergebnissen führenden Additionsmethode einzube-ziehen (vgl. Senatsurteil aa0 120), jedenfalls dann, wenn es auf einem nicht- 8 -ungewöhnlichen Verlauf der beruflichen Entwicklung des unterhaltsberechtigtenEhegatten beruht. Letzteres ist hier - auch nach der Auffassung der Revisions-erwiderung - der Fall, zumal die Parteien nach den Feststellungen des [X.] schon während der Ehe die Vorstellung hatten, daß die Beklagtezu einem späteren [X.]punkt wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen werde.b) Entsprechend der Auffassung der Revisionserwiderung ist die geän-derte Rechtsprechung des Senats im Rahmen des vorliegenden [X.] nur für den [X.] zu berücksichtigen, der der Verkün-dung des die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Urteils des Senats folgt.Für die [X.] davor verbleibt es hinsichtlich der Unterhaltsbemessung (unter Be-rücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der [X.]) bei der früheren Rechtslage, die die Parteien ihremVergleich zugrunde gelegt haben (vgl. [X.] aaO 377, 379 f. m.w.[X.] der (hier: weitere) [X.] der geänderten höchstrichterlichenRechtsprechung, der nunmehr zur Anwendung der sogenannten [X.] führt, trat erst mit Verkündung des [X.] vom 13. Juni 2001 aaOein und kann daher - wie eine erst zu diesem [X.]punkt in [X.] tretende Geset-zesänderung - erst für die darauf folgende [X.] berücksichtigt werden. Der [X.] mit der bisherigen Rechtsprechung auf der Anwendung dersogenannten [X.] beruhende Prozeßvergleich stellt nämlicheinen Vertrauenstatbestand für beide Parteien dar, in den die Änderung derhöchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht rückwirkend zu [X.] Unterhaltspflichtigen eingreifen darf, zumal erst sie zu einer die Abände-rung rechtfertigenden Äquivalenzstörung führt.c) Das angefochtene Urteil kann für den [X.] ab 1. [X.] keinen Bestand haben, da bei Anwendung der Differenzmethode dem dieehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommen des [X.] der wirt-- 9 -schaftliche Wert der Haushaltstätigkeit der Beklagten hinzuzurechnen ist, undzwar in Höhe des von ihr nicht überobligationsmäßig erzielten (und nur insoweitprägenden, vgl. Senatsurteil vom 24. November 1982 - [X.]/81 - [X.], 146, 149) bereinigten Nettoeinkommens abzüglich Erwerbstätigenbonus.Allein daraus würde sich (jedenfalls auf der Grundlage der vom [X.] festgestellten jeweiligen Einkommen der Parteien [X.])ein Unterhaltsbedarf der Beklagten ergeben, der durch den als bedarfsdeckendzu berücksichtigenden (nicht überobligationsmäßig erzielten) Teil ihres eigenenEinkommens abzüglich Erwerbstätigenbonus nicht gedeckt wäre, so daß ihr [X.] auf Aufstockungsunterhalt verbliebe.Eine abschließende Entscheidung ist dem Revisionsgericht jedoch ver-wehrt, weil sich zumindest das Einkommen der Beklagten nach ihrem eigenenVortrag ab 1. Januar 2001 erhöht hat, ohne daß das Berufungsgericht - ausseiner Sicht folgerichtig - insoweit Feststellungen zur Höhe getroffen hätte.Das Berufungsgericht wird diese Feststellungen nachzuholen und [X.] vor einer erneuten Entscheidung gegebenenfalls auch Gelegenheit zugeben haben, ergänzend zu der Frage vorzutragen, in welchem Umfang [X.] seinem inzwischen nicht mehr wehrersatzpflichtigen Sohn [X.] unddem inzwischen in eine höhere Altersgruppe der [X.] Tabelle aufge-rückten Sohn [X.] Unterhalt gewährt, und welchen Einfluß die der [X.] gegenüber am 28. September 2002 ausgesprochene fristlose Kündigungdes Arbeitsverhältnisses auf deren laufenden Unterhaltsanspruch hat.Soweit auch unter Berücksichtigung der möglicherweise veränderten tat-sächlichen Verhältnisse ein Anspruch der Beklagten auf Aufstockungsunterhaltin Betracht kommt, wird das Berufungsgericht weiter unter Billigkeitsgesichts-punkten (§ 1577 Abs. 2 BGB) zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in [X.] -chem Umfang der von der Beklagten überobligationsmäßig erzielte Teil [X.] ebenfalls als bedarfsdeckend anzurechnen ist.HahneSprick[X.][X.]Ahlt

Meta

XII ZR 186/01

22.01.2003

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2003, Az. XII ZR 186/01 (REWIS RS 2003, 4795)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4795

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