Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2011, Az. VII ZB 118/09

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4752

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 118/09

vom

14. Juli 2011

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 775 Nr. 1; [X.] § 308 Abs. 1
Eine Zwangsvollstreckung aus einem bereits vorhandenen Titel kann nicht
allein deshalb nach § 775 Nr. 1 ZPO eingestellt werden, weil ein festgestellter Schulden-bereinigungsplan vorliegt.
[X.], Beschluss vom 14. Juli 2011 -
VII ZB 118/09
-
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat
am 14.
Juli
2011 durch den
Vor-sitzenden
Richter Prof.
Dr.
[X.], [X.] Kuffer, [X.], die Richterin [X.] und [X.]
Eick
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der
Gläubigerin
werden der Beschluss der 1.
Zivilkammer des
Landgerichts [X.] vom 24.
November
2009 aufgehoben und der Beschluss des [X.] vom 27.
Oktober
2009 abgeändert.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Durchführung des Vollstreckungsauftrages der
Gläubigerin
vom 8.
Juli
2009 nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen oder die Zwangsvollstre-ckung aus diesen Gründen einzustellen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner
zu tragen.
[X.]: bis 2.500

Gründe:
I.
Die Gläubigerin hat den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung aus ei-nem [X.] beauftragt. Der Gerichtsvollzieher hat die Vollstre-ckung nicht durchgeführt und die Zwangsvollstreckung eingestellt, weil die [X.]
-
3
-
lierte Forderung in einen gerichtlich bestätigten Schuldenbereinigungsplan ge-mäß §
308 Abs.
1 [X.] eingegangen sei.
Die Gläubigerin hat wegen [X.] Zahlungen des Schuldners den Rücktritt vom Schuldenbereinigungsplan erklärt. Sie meint, damit wieder aus dem [X.] vollstrecken zu können.
Gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers, die Zwangsvollstreckung durchzuführen, hat sie Erinnerung eingelegt, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.
Oktober
2009 zurückgewiesen hat. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelasse-nen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag weiter, den [X.] anzuweisen, den [X.] zu erledigen.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1
Satz 1 Nr.
2, Abs.
3 Satz 2, §
575 ZPO
statthaf-te und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Anweisung an den [X.], den Vollstreckungsauftrag nicht mit der bisherigen Begründung abzulehnen bzw. die Zwangsvollstreckung einzustellen.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, der Gerichtsvollzieher habe nicht vollstrecken dürfen, solange der im Verfahren nach §
308 Abs.
1 [X.] zustande gekommene und durch gerichtlichen Beschluss bestätigte [X.] bestehe. Dieser stelle
einen Vergleich im Sinne des §
794 Abs.
1 Nr.
1 ZPO dar, der die Zwangsvollstreckung aus der mit Vollstreckungsbe-scheid titulierten Forderung, die in den Vergleich eingegangen sei, nach §
775 Nr.
1 ZPO ausschließe.
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5
-
4
-
Dem Gerichtsvollzieher müsse, damit er aus dem ursprünglichen Titel vollstrecken könne, nachgewiesen werden, dass der Vergleich nicht mehr be-stehe. Er könne und müsse dies nicht selbst prüfen. Der Nachweis könne nicht durch eine bloße Anfechtungs-
oder Rücktrittserklärung, sondern nur durch eine gerichtliche Entscheidung geführt werden. Eine solche könne auch im Erinne-rungs-
oder Beschwerdeverfahren, in dem nur die Zulässigkeit der [X.] geprüft werde, nicht erlangt werden. Der Gläubiger müsse entweder das zugrunde
liegende Verbraucherinsolvenzverfahren wieder aufnehmen oder Feststellungsklage vor dem Streitgericht erheben, um die Wirksamkeit des [X.] zu beseitigen. Der Schuldner müsse nicht seinerseits [X.] gegen die Vollstreckung aus dem ursprünglichen Titel erheben, [X.] er sich auf den Vergleich berufen könne.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Gerichtsvollzieher hat die Zwangsvollstreckung zu Unrecht mit der Begründung eingestellt, es liege ein Schuldenbereinigungsplan vor, der die Forderung erfasse.
§
775 Nr.
1 ZPO ordnet die Einstellung oder Beschränkung der Zwangs-vollstreckung durch das Vollstreckungsorgan an, wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung ange-ordnet ist.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Dem Schuldenbereinigungsplan kommt nicht die Wirkung der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu, die zur Unzulässigkeit der [X.] führen würde, §
89 [X.]. [X.] fingiert der Beschluss des Insolvenzgerichts nach §
308 Abs.
1 Satz
1 6
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9
10
-
5
-
[X.], mit dem die Annahme des [X.] festgestellt wird, die Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, §
308 Abs.
2 [X.].
b) Der
Schuldenbereinigungsplan selbst stellt keine gerichtliche Ent-scheidung im Sinne des §
775 Nr.
1 ZPO dar. Hierunter fallen nur Urteile und Beschlüsse. Der vom Schuldner vorgelegte und von den Gläubigern [X.] hat materiell-rechtlich die Wirkung eines [X.] im Sinne des §
779 BGB. In ihm wird
über die Zwangsvollstreckung aus dem ursprünglichen Titel keine vollstreckbare Entscheidung getroffen.
c) Auch der Beschluss des Insolvenzgerichts nach §
308 Abs.
1 Satz
1 [X.], in dem dieses die Annahme des [X.] durch die Gläubiger bestätigt, enthält inhaltlich keine Entscheidung im Sinne des §
775 Nr.
1 ZPO. Es handelt sich lediglich um einen klarstellenden Beschluss, dem Insolvenzgericht kommt darüber hinaus keine materiell-rechtliche Prüfungs-kompetenz zu.

d) Aus dem
Umstand, dass der Auszug aus dem [X.], dessen Annahme durch die Gläubiger durch Beschluss nach §
308 Abs.
1 Satz
1 [X.] bestätigt worden ist, die Wirkung eines [X.]s nach §
794 Abs.
1 Nr.
1 ZPO hat, §
308 Abs.
1 Satz
2 [X.], ergibt
sich nichts Gegen-teiliges.
[X.]) Nach ganz allgemeiner Meinung kann ein [X.] nicht unmittelbar zur Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen führen, da es sich bei einem [X.] nicht um eine gerichtliche Entscheidung im Sinne von §
775
Nr.
1 ZPO handelt (BayObLG, NJW-RR 1999, 506; [X.], NJW
1988, 1988; [X.], [X.] §
888 ZPO 2002 Nr.
8; [X.], [X.] 2006, 205; [X.]/Stöber, ZPO, 28.
Aufl., §
775 Rn.
4a; Musielak/
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14
-
6
-
Lackmann, ZPO, 8.
Aufl., §
775 Rn.
3; PG/Scheuch, ZPO, §
775 Rn.
5;
MünchKommZPO/[X.], 3.
Aufl., §
775 Rn.
10; vgl. auch [X.], Beschluss vom 23.
August
2007 -
VII
ZB
115/06, [X.], 1934 = NZBau 2007, 706; Beschluss vom 16.
Juli
2004 -
IXa
ZB
326/03, NJW-RR 2004, 1718).
bb) Für den Schuldenbereinigungsplan gilt nichts anderes. Er stellt in gleicher Weise wie
der gerichtliche Vergleich nach §
794 Abs.
1 Nr.
1 ZPO [X.] gerichtliche Entscheidung im Sinne des §
775 Nr.
1 ZPO dar, auch wenn das Insolvenzgericht nach §
308 Abs.
1 Satz
1 [X.] die Annahme des Schuldenbe-reinigungsplans durch die Gläubiger oder deren Ersetzung durch Beschluss feststellt
und insoweit ein Vollstreckungstitel geschaffen wird.
Aus dem Schuldenbereinigungsplan ist die Vollstreckung zulässig, soweit er einen vollstreckbaren Inhalt hat. Ob daneben auch noch die Vollstreckung aus dem ursprünglichen Titel -
gegebenenfalls beschränkt auf den Betrag, dem der Gläubiger im Schuldenbereinigungsplan zugestimmt hat
-
möglich ist, ist Sache der Vereinbarungen der Parteien im Schuldenbereinigungsplan. [X.] erwirkte Titel oder Pfändungspfandrechte können aufrechterhalten, modifiziert, beschränkt oder beendet bzw. aufgehoben werden (vgl. [X.], [X.], 405). Insbesondere bei bereits begonnener Vollstreckung kann we-gen der rangwahrenden
Wirkung von [X.] hierfür ein Be-dürfnis bestehen. Das ist von den Parteien frei vereinbar und
gegebenenfalls durch Auslegung
zu ermitteln (FK-[X.]/Kohte, 5.
Aufl., §
308 Rn.
1). Der [X.] hat daher nicht generell und in jedem Fall die Wirkung der Aufhebung oder Beschränkung eines früher ergangenen Titels über eine einbe-zogene Forderung oder der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus die-sem Titel.
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-
7
-
Der Schuldenbereinigungsplan ist daher -
wie auch die [X.] ([X.], Beschluss vom 25.
September
2008 -
IX
ZB 205/06, [X.], 3640)
-
keine vollstreckbare Entscheidung, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. Eine entsprechende Anwendung des
§
775 Nr.
1 ZPO scheidet aus. Die Aufzählung in §
775 ZPO ist erschöp-fend ([X.], Beschluss vom 25.
September
2008 -
IX
ZB
205/06, [X.]O;
[X.], 4.
Aufl.,
§
775 Rn.
1; Musielak/Lackmann, ZPO,
8.
Aufl.,
§
775 Rn.
1; [X.]/Stöber, ZPO, 28.
Aufl., §
775 Rn.
3). Es ist nicht Aufgabe des Voll-streckungsorgans,
im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren zu entscheiden, ob
die Parteien im Schuldenbereinigungsplan den ursprünglichen Titel aufrechterhalten oder aufgehoben haben oder die Zwangsvollstreckung aus ihm beschränkt oder eingestellt haben. Dies ist dem Prozessgericht im Ver-fahren nach §
767 ZPO vorbehalten, da es sich insoweit um materiell-rechtliche Einwendungen aus dem Vergleich, § 779 BGB, handelt
(vgl. [X.], [X.], 13.
Aufl., §
308 Rn.
13; Buck in [X.], [X.], 2.
Aufl., §
308 Rn.
8; [X.], [X.], §
308 Rn.
7; Nerlich/[X.], [X.], 21.
Erg., §
308 Rn.
16; Vallender, [X.] 1997, 97, 101).

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8
-
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
91
Abs.
1 ZPO.

[X.]
Kuffer
[X.]

[X.]

Eick
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
M 2088/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 24.11.2009 -
1 T 526/09 Bm -

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Meta

VII ZB 118/09

14.07.2011

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2011, Az. VII ZB 118/09 (REWIS RS 2011, 4752)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4752

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