Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2011, Az. VIII ZR 108/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1938

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Gegenstand

Wasserlieferungsvertrag: Kündigung des Versorgungsvertrags durch den Grundstückseigentümer anlässlich der Vermietung des Grundstücks


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2010 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 9 des [X.] vom 20. November 2008 abgeändert, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die durch die Streithilfe verursachten Kosten trägt die Streithelferin.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks T.-Strasse in [X.] Auf dem Miteigentumsanteil der Beklagten zu 2 lastet ein Nießbrauchsrecht, das zugunsten der Beklagten zu 1 und ihres Ehemanns im Grundbuch eingetragen ist. Die Klägerin versorgt das Grundstück mit Trinkwasser und entsorgt das dort anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser.

2

Mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 teilten die Beklagte zu 1 und deren Ehemann der Klägerin mit, dass das Grundstück ab dem 1. November 1999 an die [X.] vermietet und eine der Klägerin erteilte [X.] gegenüber der kontoführenden Bank "somit beendet" sei. Mit Schreiben vom 30. November 1999 bestätigte die Klägerin der Beklagten zu 1, dass sie die fällig werdenden Rechnungen künftig der [X.] zusenden werde. Weiter enthält das Schreiben folgenden Text:

"Vorsorglich möchten wir Sie darauf hinweisen, daß Sie uns als Eigentümerin des Grundstücks auch nach wie vor für alle entstehenden Forderungen verpflichtet bleiben. Sollte aus irgendwelchen Gründen der Ausgleich unserer Rechnungen nicht erfolgen, müssten wir Sie in Anspruch nehmen…"

3

Die Klägerin nahm zum 31. Oktober 1999 eine Verbrauchsabgrenzung vor und ordnete der [X.] eine eigene Vertragskontonummer zu. Die in der Folgezeit entstandenen [X.] stellte sie der [X.] in Rechnung; so auch mit Schreiben vom 7. Februar 2005 die Leistungsentgelte für den Zeitraum 25. April 2002 bis 2. April 2004 (146.578,55 €) und für den Zeitraum 3. April 2004 bis 16. November 2004 (39.238,70 €). Die im Zusammenhang mit den Versorgungsleistungen stehende Korrespondenz führte die Klägerin mit der [X.].

4

Auf dem Grundstück war es zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zu einem Leitungsschaden gekommen, so dass Trinkwasser in nicht mehr feststellbarer Menge im Erdreich versickerte. Die Klägerin erteilte der [X.] daher eine Gutschrift für die [X.] in Höhe von 92.484,85 €. Die [X.] zahlte auf die genannten Rechnungen 10.764,80 €; weitere Zahlungen lehnte sie ab.

5

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung des für die genannten Abrechnungszeiträume noch offenen Betrags in Höhe von 82.564,90 € nebst Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat die Beklagten als Gesamtschuldner antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil nur hinsichtlich eines Teils des [X.] zugunsten der Beklagten zu 2 abgeändert und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Beklagten seien der Klägerin aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versorgungsvertrag zur Zahlung verpflichtet. Die Beklagten seien als Eigentümer des versorgten Grundstücks Vertragspartner der Klägerin geworden.

9

Grundsätzlich sei in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten [X.] zum Abschluss eines Versorgungsvertrags zu sehen, das von demjenigen konkludent angenommen werde, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Leistungen entnehme. Empfänger der [X.] sei typischerweise der Grundstückseigentümer beziehungsweise derjenige, der die Verfügungsgewalt über den [X.] am Übergabepunkt ausübe. Diese Richtung komme einem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens nur dann nicht zu, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststehe, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen hätten, aufgrund derer die Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet sei.

Ein solches anderweitiges Vertragsverhältnis bestehe im Streitfall entgegen der Auffassung der Beklagten mit der [X.] nicht. Denn das [X.] zwischen den Parteien habe bereits vor dem Abschluss des Mietvertrags der Beklagten mit der [X.] bestanden. In diesem Vertragsverhältnis habe die Klägerin ihre Entgeltforderungen aufgrund einer von der Beklagten zu 1 erteilten Ermächtigung von deren Konto abbuchen können. In der Mitteilung des Widerrufs dieser [X.] an die Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 könne keine Kündigung des Versorgungsvertrags durch die Beklagten gesehen werden. Der Wortlaut der Mitteilung spreche dafür, dass die Beklagte zu 1 lediglich eine Änderung der Abbuchungsmodalitäten habe erreichen wollen. Auch sei ein neues Vertragsverhältnis mit der [X.] seitens der Klägerin nicht begründet worden. Denn die Klägerin habe in dem an die Beklagte zu 1 gerichteten Schreiben vom 30. November 1999 zwar die Änderung der Abrechnungsmodalitäten bestätigt, im Übrigen aber ausdrücklich darauf bestanden, dass die Beklagte zu 1 als Grundstückseigentümerin nach wie vor ihre Vertragspartnerin sei. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin nicht bereit gewesen sei, die Beklagte zu 1 aus dem Vertragsverhältnis zu entlassen und einen neuen Versorgungsvertrag mit der Mieterin des Grundstücks zu schließen. Die Beklagte zu 2 sei als Grundstückseigentümerin ebenfalls Vertragspartnerin der Klägerin geworden und daher zur Zahlung verpflichtet.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Vertragsverhältnis der Parteien durch die Mitteilung des an die kontoführende Bank der Beklagten gerichteten Schreibens vom 22. Oktober 1999 an die Klägerin wirksam nach § 32 Abs. 1 [X.] gekündigt worden. Der zwischen den Parteien bestehende Versorgungsvertrag war daher jedenfalls bereits vor den mit der Klage geltend gemachten Abrechnungszeiträumen beendet.

Die im Wesentlichen im Wege der Auslegung des Schreibens der Beklagten zu 1 vom 22. Oktober 1999 und des Schreibens der Klägerin vom 30. Oktober 1999 gewonnene Auffassung des Berufungsgerichts, das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis sei nicht gekündigt worden, ist von [X.] beeinflusst. Der Senat ist an die Auslegung der vorgenannten Schreiben durch das Berufungsgericht nicht gebunden. Zwar handelt es sich hierbei um Individualerklärungen, deren tatrichterliche Auslegung nach der Rechtsprechung des [X.] in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer [X.] gelassen worden ist (vgl. nur Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - [X.], [X.], 1227 Rn. 13 mwN).

Letzteres ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft seiner Auslegung der beiden genannten Schreiben einen im entscheidenden Punkt teilweise abweichenden Wortlaut zugrunde gelegt und für die Auslegung bedeutsame Umstände, die sich aus dem Verhalten der Parteien in der [X.] nach dem Schriftwechsel ergeben, unberücksichtigt gelassen.

1. Das Berufungsgericht meint, bereits der Wortlaut des Schreibens der Beklagten zu 1 vom 22. Oktober 1999 mache deutlich, dass die Beklagte zu 1 das Vertragsverhältnis nicht habe kündigen, sondern lediglich eine Änderung der Abrechnungsmodalitäten habe erreichen wollen. Auf welche Wendungen im Wortlaut dieses Schreibens das Berufungsgericht diese Auffassung stützt, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Gegenstand der Erklärung der Beklagten zu 1 gegenüber der kontoführenden Bank war allein die Erklärung, die der Klägerin erteilte [X.] sei wegen der Vermietung des Anwesens an die [X.] "beendet". Diese Formulierung bietet keinen Anhaltspunkt für die Deutung, die Beklagte zu 1 habe mit der Übersendung des Schreibens an die Klägerin nur eine Änderung der Abrechnungsmodalitäten erreichen wollen. Der Wortlaut der Erklärung lässt ebenso die Deutung zu, dass die Beklagte zu 1 das bis dahin bestehende [X.] beenden und die Klägerin an die Mieterin des Anwesens verweisen wollte. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch nichts zu entnehmen, was dafür sprechen könnte, dass die Beklagte zu 1 die Vertragsbeziehung mit der Klägerin - unter gleichzeitigem Widerruf der [X.] - hätte aufrechterhalten wollen.

Dem Antwortschreiben der Klägerin vom 30. November 1999 will das Berufungsgericht entnehmen, die Klägerin habe ausdrücklich darauf bestanden, dass die Beklagten weiterhin Vertragsparteien seien. Auch das trifft nicht zu. Der Hinweis der Klägerin lautet vielmehr ausdrücklich dahin, dass ihr die Beklagte zu 1 als Eigentümerin des Grundstücks verpflichtet bleibe.

Das Berufungsgericht hat es ferner versäumt, in seine Erwägungen zur Auslegung des Schreibens der Beklagten zu 1 vom 22. Oktober 1999 Umstände einzubeziehen, die dafür sprechen, dass die Klägerin selbst dieses Schreiben als Kündigung des [X.] verstanden hat. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Klägerin im [X.] an dieses Schreiben der [X.] eine eigene Vertragsnummer zugeteilt, weitere Korrespondenz - auch im Zusammenhang mit dem ungeklärten Wasserverlust im Jahre 2004 - allein mit der [X.] geführt und sich an die Beklagten erst gewandt, nachdem die [X.] weitere Zahlungen verweigert hatte.

2. Der Senat kann die gebotene Auslegung des Schreibens der Beklagten zu 1 vom 22. Oktober 1999 selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen hierzu nicht zu treffen sind. Er legt die Erklärung als Kündigung des [X.] aus. Dem mit der Vermietung des Anwesens begründeten Widerruf der der Klägerin erteilten [X.] durch die Beklagte zu 1 liegt erkennbar die Vorstellung zugrunde, das [X.] bestehe fortan zwischen der Klägerin und (der [X.] ) der [X.]. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1 - für einen juristischen Laien fernliegend - das eigene [X.] mit der Klägerin nicht beenden, sondern der Klägerin subsidiär als Vertragspartnerin verpflichtet bleiben wollte, sind aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin nicht ersichtlich. Nicht zuletzt spricht für die Auslegung als Kündigung auch der Umstand, dass die Klägerin ab November 2009 die [X.] als ihren Vertragspartner behandelt, die Vertragsbeziehung mit den Beklagten mithin als beendet angesehen hat und nur noch von einer subsidiären Haftung der Beklagten als Grundstückseigentümer ausgegangen ist.

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien für die geltend gemachten Abrechnungszeiträume nicht bestand, ist die Klage mangels Anspruchsgrundlage abzuweisen.

[X.]                               Dr. Frellesen                               Dr. Milger

            Dr. [X.]                                [X.]

Meta

VIII ZR 108/10

26.10.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 19. Februar 2010, Az: 13 U 2/09

§ 32 AVBWasserV, § 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2011, Az. VIII ZR 108/10 (REWIS RS 2011, 1938)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1938

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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