Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.06.2012, Az. 29 W (pat) 23/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 5248

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Gegenstand

Markenlöschungsverfahren – "test (Wort-Bildmarke)" – teilweise fehlende Unterscheidungskraft – keine Verkehrsdurchsetzung -


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 300 21 469

(Löschungsverfahren [X.], [X.]/07)

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

1. [X.] vom 20. Dezember 2010 wird aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist für die Dienstleistungen

“Beratung bei Geldanlagen, Beratung bei der rationalen Einkommensverwendung; Rechts- und Steuerberatung”.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. [X.] wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

wurde am 30. Januar 2004 unter der Nummer 300 21 469 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register als verkehrsdurchgesetztes Zeichen für nachfolgende Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 38, 41, 42 und 45 eingetragen:

3

„Aufbereitung und Speicherung von Daten in elektronischen Datenbänken und auf elektronischen Trägermedien; Beratung bei Geldanlagen, Beratung bei der rationalen Einkommensverwendung; Verbreitung von Informationen in elektronischen Medien sowie in Filmen und Rundfunk, Erarbeitung und Veröffentlichung von Informationen über umwelt- und gesundheitsbewusstes Verhalten; Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und Broschüren; Veranstaltung, Auswertung und Veröffentlichung von [X.] und Dienstleistungsuntersuchungen; Durchführung von [X.]; Verbraucherberatung bei der Auswahl von Waren- und Dienstleistungen; Rechts- und Steuerberatung; Zurverfügungstellung von Daten in elektronischen Datenbänken und auf elektronischen Trägermedien“

4

Am 25. April 2006 und 17. Oktober 2007 sind die [X.] der beiden Antragstellerinnen beim [X.] eingegangen mit der Begründung, die angegriffene Marke sei von Hause aus nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig und habe auch keine Verkehrsdurchsetzung erlangt. Das Gutachten des [X.] vom 11. Dezember 2003 weise gravierende methodische Mängel auf. Zum einen seien die [X.]e nicht richtig ermittelt worden, und zum anderen liege die mit 43 % ermittelte Verkehrsbekanntheit weit unterhalb des [X.] von 50 %. Das Verkehrsgutachten dieses Instituts vom 11. Januar 2010 über eine im Dezember 2009 durchgeführte Verkehrsbefragung zu „speziellen Zeitschriften für Testberichte und Verbraucherinformationen“, das auf den Zwischenbescheid des [X.] vom 13. Juli 2009 eingeholt worden sei, reiche zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung ebenfalls nicht aus. Die beteiligten [X.]e seien zu eng definiert worden, weil keine Leser, sondern nur Käufer und Abonnenten einbezogen worden seien. [X.] seien nicht vom [X.] abgezogen worden, und angesichts des glatt beschreibenden Markenbegriffs reiche ein [X.] von 58 % nicht aus.

5

Die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin hat den ihr am 17. Juli 2006 und 30. November 2007 zugestellten [X.]n mit am 15. September 2006 und 4. Dezember 2007 beim [X.] eingegangenen Schriftsätzen widersprochen und vorgetragen, die Marke als erster Verlag seit 1968 als Titel eines monatlich erscheinenden [X.] zu verwenden, das mit großem Abstand Marktführer unter den [X.] sei und umfangreich beworben werde. Der Gebrauch im Singular und die untypische Kleinschreibweise stellten ein Novum dar und begründeten damit die Unterscheidungskraft des [X.]. Bei [X.] handele es sich nicht um Waren des täglichen Bedarfs bzw. des [X.], so dass nicht auf die Gesamtbevölkerung, sondern auf Personen abzustellen sei, die - wenigstens gelegentlich - Testberichte oder [X.] in Zeitungen oder Zeitschriften läsen. Gemäß der Prüferrichtlinie des [X.] sei bei der Ermittlung von [X.] nur auf Käufer abzustellen und die ermittelten [X.] rechtfertigten keine schematischen Abzüge. Schließlich sei bei der Frage der Verkehrsdurchsetzung nicht nur auf den Prozentsatz der Bekanntheit abzustellen, sondern alle Umstände des Einzelfalls seien bei der Beurteilung zu berücksichtigen, wie die gutachterlichen Stellungnahmen von Frau Dr. N… vom 26. Oktober 2006 und 6. März 2007 ergeben hätten. Es lägen hier besondere Umstände vor, die ein Abweichen von der 50 %-Grenze rechtfertigten. Die Vermarktungsmöglichkeiten einer Stiftung seien nicht mit denjenigen einer gewöhnlichen Publikumszeitschrift vergleichbar, bei denen Gewinnerzielung und Werbung im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stünden. Aufgrund des harten Konkurrenzkampfes im [X.] Zeitschriftenmarkt sei schon der Ausgangswert an erzielbarer Bekanntheit ungleich niedriger als in anderen Märkten, so dass für Marken von [X.] um 50 % in der Gesamtbevölkerung kaum je erzielbar seien.

6

Die Markenabteilung hat nach einer Anhörung der Verfahrensbeteiligten und der Sachverständigen Dr. N… sowie einem Zwischenbescheid vom13. Juli 2009 mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 die Löschungsverfahren verbunden, die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und Kostenanträge der Antragstellerinnen sowie der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der angegriffenen Marke bereits zum Eintragungszeitpunkt die erforderliche Unterscheidungskraft gefehlt habe und sie sich auch nicht im Verkehr durchgesetzt habe. Dem [X.] „test“ würden die [X.]e lediglich den schlagwortartig verkürzten Hinweis entnehmen, dass sich die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen thematisch mit „Tests“, also mit Prüfungen zur Feststellung der Eignung, der Eigenschaften, der Leistung o. Ä. einer Person oder einer Sache befassten. Der Markenbegriff eigne sich daher bei [X.]n als Sachtitel, was sich auch auf die Dienstleistungen auswirke, die auf die Produktion und Veröffentlichung dieser Werke und deren Inhalte gerichtet seien. Der Begriff „test“ beschreibe ferner unmittelbar auch den (möglichen) Gegenstand der Dienstleistungen „Information über Rechts- und Steuerfragen“. Die Verwendung des Begriffes „test“ in der [X.] werde nur als werbe
übliche Verkürzung wahrgenommen. Die teilweise Verbindung bzw. Überlappung des dritten und vierten Buchstabens falle bei der optischen Wahrnehmung kaum ins Gewicht, zumal auch die ersten beiden Buchstaben untereinander verbunden seien und der Abstand zwischen dem zweiten und dritten Buchstaben sehr gering sei. Sowohl bei der Kleinschreibung als auch bei der schlichten rechteckigen roten Unterlegung des in weißen [X.] wiedergegebenen [X.] mit angedeutetem Schattenwurf handele es sich nur um werbeübliche Gestaltungsmittel, so dass auch die Grafik keine Unterscheidungskraft zu begründen vermöge. Die streitgegenständliche Wort-/Bildmarke habe sich nicht im Verkehr durchgesetzt. Auch wenn aufgrund der eingereichten Benutzungsunterlagen kein Zweifel an einer langjährigen Verwendung des streitgegenständlichen Zeichens, vor allem als Titelangabe eines seit 1968 monatlich erscheinenden [X.] sowie entsprechender Sonderhefte und Buchpublikationen, bestehe und ein sehr hohes Werbeaufkommen sowie eine Marktführerschaft der Zeitschrift „test“ unter den [X.] in [X.] belegt sei, bedürfe es zusätzlich einer Verkehrsbefragung. Denn das Zeichen sei in der Vergangenheit überwiegend nicht isoliert, sondern seit Mitte der 1970er Jahre in unterschiedlicher Weise zusammen mit dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ benutzt worden. Eine Verkehrsdurchsetzung sei ohne Verkehrsbefragung daher allenfalls für diese Kombination, aber nicht für die in Rede stehende Wort-/Bildmarke belegt. Beim demoskopischen Gutachten vom 11. Dezember 2003 sei den befragten Personen eine Karte mit einer abweichenden Zeichendarstellung präsentiert worden. Ferner habe es unzutreffender Weise nur den Teil der Bevölkerung als verkehrsbeteiligt betrachtet, der wenigstens gelegentlich Testberichte oder [X.] in Zeitungen oder Zeitschriften lese, obwohl sich die [X.] an die Gesamtbevölkerung richteten. Zudem könne das Gutachten allenfalls eine Verkehrsdurchsetzung für die Ware „Zeitschriften“ belegen, nicht aber für den weiten Oberbegriff der [X.]. Aber selbst bei einem entsprechend eingeschränkten Waren-/Dienstleistungsverzeichnis sowie einer Anerkennung der konkret gewählten Fragestellung reichte der erzielte [X.] von 45 % bei den [X.] angesichts des glatt beschreibenden Charakters des Begriffes „test“ für die Waren „Zeitschriften“ in keinem Falle aus, um eine Verkehrsdurchsetzung anzunehmen. Auch der im Verkehrsgutachten des I… vom 11. Januar 2010 gewählte [X.] sei zu eng, weil (bloße) Leser solcher [X.] nicht ausgenommen werden dürften. Neben den Käufern von [X.] seien zumindest auch die gelegentlichen Leser und potentiellen Käufer solcher Magazine zu berücksichtigen. Aber auch hier wäre der ermittelte [X.] von 47 % der Gesamtbevölkerung in Anbetracht des glatt beschreibenden [X.] unzureichend. Umstände, die abweichend vom Grundsatz, dass jeder seine eigenen Kosten trage, eine Kostenauferlegung rechtfertigten, seien von den Parteien dieses Löschungsverfahrens weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie beantragt,

8

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 20. Dezember 2010 aufzuheben.

9

Sie ist der Ansicht, dass der Wortbestandteil orthografisch/grammatikalisch „falsch“ gebildet und damit sprachunüblich sei. Von einem Verständnis von „test“ als Substantiv werde durch die Verwendung des Anfangsbuchstabens „t“ in Kleinschreibweise abgerückt. [X.] beschreibend wäre das [X.] nur in Großschreibung und in der Pluralform „Tests“. Auch als Verb fordere „test“ nicht imperativ zum Testen auf; in diesem Fall müsste es vielmehr „teste“ heißen. Die Markenabteilung habe weder die Gewöhnung der [X.]e an diesen ungewöhnlichen Begriff noch die Werbeüblichkeit der grafischen Gestaltungsmittel zum Eintragungszeitpunkt nachgewiesen. Der einzigartige Schriftzug sei bereits im April 1966 im Fotosatz von dem Grafiker [X.] erstellt und 1969 modifiziert worden. 1978 habe er seine typische Verbindung der Buchstaben „te“ einerseits und „st“ andererseits vom Grafiker [X.] erhalten. 1999 sei er mit einem roten Fond verbunden worden. Wegen der Einzelheiten der Grafikentwicklung wird auf die Seiten 7 bis 9 der Beschwerdebegründung ([X.] 27 – 28 GA) Bezug genommen. Die Typographie der Wort-/Bildmarke zeichne sich durch die ungewöhnliche, deutlich ausgeprägte Krümmung der beiden Buchstaben „t“ am jeweiligen unteren Ende aus, die an den Griff eines Regenschirms erinnere. Eine weitere individuelle künstlerische Eigenart sei die Verschmelzung von „te“ einerseits und „st“ andererseits, die gerade dadurch hervortrete, dass die jeweils verbundenen [X.] wiederum voneinander getrennt seien. Ferner werde die streitgegenständliche Marke seit 1968 mit einer variierenden farblichen Gestaltung als Werktitel benutzt, mit dem das Publikum, da es sich um einen bekannten Titel einer regelmäßig erscheinenden periodischen Druckschrift handele, auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden könne. Ein [X.] könne schon aufgrund der grafischen Ausgestaltung nicht angenommen werden. Eine etwaige Schutzunfähigkeit von Hause aus werde durch nachgewiesene Verkehrsdurchsetzung überwunden. Zwischen Zeitschriften und [X.]n bzw. der Herausgabe von Zeitschriften bestehe ein derart großes Näheverhältnis, dass die nur auf Zeitschriften bezogene Verkehrsbefragung im Jahre 2003 auch die Verkehrsdurchsetzung der Marke für die registrierten Dienstleistungen belege. Schon aufgrund des hohen [X.], der langjährigen Benutzung des Zeichens als Titel einer Zeitschrift seit 1968 und deren Marktführerschaft unter den [X.] in [X.] genüge ein [X.] von 45 % im [X.] zur Annahme der Verkehrsdurchsetzung. Es sei eine Besonderheit des Zeitschriftenmarktes, dass sich die Verbraucher beim Kauf nicht an den die Zeitschriften herausgebenden Verlagen, sondern am Titel orientierten. Auch die dem zweiten Gutachten zugrunde liegende [X.]abgrenzung sei [X.] vorgenommen worden. Dabei sei sogar ein [X.] von 58 % der [X.] ermittelt worden. Aber auch wenn man auf den dort erzielten [X.] von 47 % in der Gesamtbevölkerung abstelle, genüge die, um ein etwaiges Eintragungshindernis zu überwinden. Denn von einem glatt beschreibenden Charakter könne bei einer Wort-/Bildmarke nicht ausgegangen werden. Zwischen Zeitschriften und deren Herausgabe sowie den übrigen damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen bestehe ein derart großes Näheverhältnis, dass die nur auf Zeitschriften bezogene Verkehrsbefragung auch die Verkehrsdurchsetzung der Marke für diese Dienstleistungen belege. Die Beschwerdeführerin regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage an, welche Voraussetzungen an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellen seien, die mit einem bekannten Werktitel einer periodisch erscheinenden Zeitschrift identisch sei, und ob bei unterstellter Schutzunfähigkeit aufgrund der Besonderheiten des Zeitschriftenmarktes ein geringerer Grad der Verkehrsdurchsetzung zur Überwindung eines Eintragungshindernisses ausreiche.

Die Antragstellerin zu 1.) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, der Wortbestandteil der Marke sei eine glatte Beschreibung des Inhalts der registrierten Waren und Dienstleistungen. Die angesprochenen [X.]e seien daran gewöhnt, ohne gedanklichen Zwischenschritt von der [X.] auf eine Mehrzahl zu schließen. Gegenstand einer Veröffentlichung könne auch nur ein einziger „Test“ sein. Die Kleinschreibung sei eine [X.]e Schreibweise. Auch der Aufwärtshaken des Buchstabens „t“ in der Schriftart „[X.]“ wirke wie der Griff eines Regenschirms. Das teilweise ineinander Übergehen der Buchstaben werde erst bei näherem Hinsehen wahrgenommen. An den Erwerb einer Herkunftsfunktion bei bekannten Titeln periodisch erscheinender Werke stelle die Rechtsprechung hohe Anforderungen, die hier nicht erfüllt seien. Die beiden Verkehrsgutachten seien methodisch fehlerhaft, wie bereits im Amtsverfahren dargelegt worden sei. Selbst mit diesen Fehlern werde die Schwelle eines [X.] von 50 % deutlich verfehlt. Aufgrund des glatt beschreibenden [X.] müsse der [X.] zudem sogar deutlich über 50 % liegen.

Die Antragstellerin zu 2.) hat sich weder im Beschwerdeverfahren geäußert noch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 [X.] zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1.

Die beiden [X.] waren zulässig.

a)

Einen Löschungsantrag kann jedermann stellen (§ 54 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die beiden Beschwerdegegnerinnen haben ihre am 25. April 2006 und 17. Oktober 2007 beim [X.] eingegangenen [X.] innerhalb der 10-Jahresfrist nach § 50 Abs. 2 Satz 2 [X.] gestellt, da die angegriffene Marke seit dem 30. Januar 2004 eingetragen ist.

b)

Die Antragsgegnerin hat den ihr am 17. Juli 2006 und 30. November 2007 zugestellten [X.]n mit am 15. September 2006 und 4. Dezember 2007 beim [X.] eingegangenen Schriftsätzen fristgerecht widersprochen.

2.

In Bezug auf die im Tenor genannten Dienstleistungen lag und liegt entgegen der Ansicht der Markenabteilung ein Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 [X.] nicht vor.

Nach §§ 54, 50 Abs. 1 [X.] kann eine Marke auf Antrag nur gelöscht werden, wenn zum Zeitpunkt der Eintragung ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 [X.] bestand und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch fortbesteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 [X.]). In Bezug auf die Dienstleistungen “Beratung bei Geldanlagen, Beratung bei der rationalen Einkommensverwendung; Rechts- und Steuerberatung” kann der streitgegenständlichen Wort-/Bildmarke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Für die übrigen Dienstleistungen ist die angegriffene Marke weder heute schutzfähig noch zum Eintragungszeitpunkt schutzfähig gewesen, weil ihr jedenfalls das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen stand und steht, und dieses Schutzhindernis ist auch nicht nachträglich durch Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 [X.] überwunden worden.

a)

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. – [X.]; [X.], 825, 826 Rdnr. 13 – [X.]; 935 Rdnr. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rdnr. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; a. a. [X.]. 66 - [X.]; [X.], 710 Rdnr. 12 - [X.]; [X.], 949 Rdnr. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.];). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] 2012, 19 Rdnr. 8 – Link economy; [X.], 1100 Rdnr. 10 – [X.]!; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 411 Rdnr. 8 - [X.]; 778, 779 Rdnr. 11 - [X.]; 949 [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen [X.]e, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.] a. a. [X.] – [X.]; 825, 826 Rdnr. 13 – [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Ausgehend hiervon haben Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen [X.]e lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]Card; a. a. [X.] 854 Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] a. a. [X.] - [X.]; [X.], 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.] – Schlechte Zeiten).

Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis eignen, weil sie wegen der funktionellen Nähe vom Publikum nur als Sachangabe ([X.] (pat) 43/04 – juris [X.]. 13 f. – [X.]) oder als beschreibende Angabe wahrgenommen werden ([X.] a. a. [X.] 1102 Rdnr. 23 – [X.]!; a. a. [X.] 855 Rdnr. 28 f. - [X.]). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt ([X.], 58, 60 – [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.], 146, 147 [X.]. 32 -DOUBLEMINT; 674, 678 Rdnr. 97 - Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 - [X.]; [X.], 58, 59 Rdnr. 21 - Companyline).

b)

Zu den maßgeblichen inländischen [X.]en zählt hier die Allgemeinheit. Die Beratungs-, Datenverarbeitungs-, Informations- und Untersuchungsdienstleistungen richten sich an jeden erwachsenen Durchschnittsverbraucher.

c)

aa)

www.duden.de). Auch wenn man aufgrund der Schreibweise in Kleinbuchstaben vom [X.] Substantiv „test“ ausginge, würde es mit „Test, Prüfung, Klassenarbeit oder Klausur“ übersetzt (Duden-Oxford – Großwörterbuch [X.], 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]).

bb)

Unter Zugrundelegung dieser Bedeutung weist die angegriffene Marke die erforderliche Eigenart auf, um vom Verkehr als [X.] für die Dienstleistungen “Beratung bei Geldanlagen, Beratung bei der rationalen Einkommensverwendung; Rechts- und Steuerberatung” aufgefasst zu werden. Ihr Aussagegehalt entbehrt insoweit jeglichen beschreibenden Charakters. Die Beratung bei Geldanlagen oder bei der rationalen Einkommensverwendung oder die Rechts- und Steuerberatung stellen weder selbst Prüfungen im vorgenannten Sinne dar, noch pflegt ihnen ein Eignungs-, Eigenschafts- oder Leistungstest zugrunde zu liegen. Die streitgegenständliche Marke kann daher nicht einmal einen beschreibenden Bezug zu diesen Dienstleistungen herstellen.

cc)

Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung dieser Dienstleistungen kann auch ein [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

d)

Für die übrigen Dienstleistungen enthält der Wortbestandteil des angegriffenen [X.] entweder eine im Vordergrund stehende Sachaussage oder er stellt einen engen funktionalen Bezug zu ihnen her.

aa)

In Bezug auf die Informationsdienstleistungen „Verbreitung von Informationen in elektronischen Medien sowie in Filmen und Rundfunk, Erarbeitung und Veröffentlichung von Informationen über umwelt- und gesundheitsbewusstes Verhalten; Verbraucherberatung bei der Auswahl von Waren- und Dienstleistungen“ weist der Wortbestandteil darauf hin, dass deren Inhalt auf der Auswertung einer vorausgegangenen Eignungs-, Eigenschafts- oder Leistungsprüfung einer Person oder Sache beruht.

bb)

Bei den Dienstleistungen „Veranstaltung, Auswertung von [X.] und Dienstleistungsuntersuchungen; Durchführung von [X.]“ gibt der Wortbestandteil deren Gegenstand an, nämlich die Befassung mit der Prüfung von Produkten oder Dienstleistungen.

cc)

Für die Dienstleistungen „Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und Broschüren“ stellt das [X.] der streitgegenständlichen Kennzeichnung einen engen funktionalen Bezug her.

Denn die Tätigkeit der Herausgabe setzt zu verlegende Werke voraus. Wegen dieses engen funktionalen Zusammenhangs ([X.] WRP 2003, 519, 520 - [X.]; [X.] (pat) 43/04 – juris [X.]. 14 – [X.]) zwischen den eingetragenen [X.] und den herauszugebenden Büchern, Zeitschriften und Broschüren, zu denen auch [X.] und Verbraucherinformationen gehören können, werden die angesprochenen [X.]e das [X.] „test“ als reinen Sachhinweis auf die vorgenannten [X.] und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen.

dd)

Das Gleiche gilt für die Dienstleistungen „Veröffentlichung von [X.] und Dienstleistungsuntersuchungen“.

ee)

Auch im Hinblick auf die Datenverarbeitungsdienstleistungen „Aufbereitung und Speicherung von Daten in elektronischen Datenbänken und auf elektronischen Trägermedien; Zurverfügungstellung von Daten in elektronischen Datenbänken und auf elektronischen Trägermedien“ stellt das Markenwort einen engen beschreibenden Bezug insoweit her, als es sich bei den [X.], zu speichernden und bereit zu stellenden Daten um solche handeln kann, die bei einem Test erhoben werden.

e)

aa)

Grundsätzlich kann einer [X.]e enthaltenden Bildmarke, unbeschadet der Freihaltebedürftigkeit oder fehlenden Unterscheidungskraft dieser [X.]e, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht ([X.] GRUR 1991, 136, 137 - [X.]; [X.], 1153 - anti Kalk; [X.] [X.], 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen ([X.] a. a. [X.] 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - [X.]). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

bb)

 Abgesehen davon, dass der beschreibende Wortbestandteil „test“ im Vordergrund des [X.] steht, kann die einfache bildliche Ausgestaltung nicht als Herkunftshinweis dienen.

Diese Typographie weist keine hinreichend charakteristischen Merkmale auf.

aaa)

Die Kleinschreibung ist [X.]. Der wie der Griff eines Regenschirms wirkende Aufwärtshaken des Buchstabens „t“ findet sich auch in anderen Schriftarten, wie z. B. [X.] Md BT, [X.], [X.] Schoolbook und [X.]. Das teilweise ineinander Übergehen der Buchstaben „te“ und „st“ wird erst bei näherem Hinsehen überhaupt wahrgenommen.

bbb)

Die Hinterlegung des in weißer, fetter Druckschrift wiedergegebenen [X.] „test“ mit einer roten Hintergrundfarbe verbessert zwar als einfaches bildliches Hintergrund- und Hervorhebungsmuster die visuelle Wahrnehmung des [X.], tritt aber aufgrund ihrer Werbeüblichkeit gegenüber dem [X.] im Gesamteindruck der angegriffenen Marke zurück und bleibt nicht prägnant als betriebskennzeichnend in Erinnerung (vgl. auch [X.] a. a. [X.] - anti Kalk).

Damit fehlt der angegriffenen Wort-/Bildmarke die erforderliche Eignung, die Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

f)

Da es der in Rede stehenden Wort-/Bildmarke hinsichtlich der vorgenannten Waren und Dienstleistungen bereits an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob ihrer Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen gestanden hat oder steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

g)

Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann eine Marke nicht gelöscht werden, wenn das Schutzhindernis jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nicht mehr besteht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 [X.] zu diesem Zeitpunkt durch Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 [X.] nachweislich überwunden worden ist ([X.] [X.], 954, 955 Rdnr. 18 – Kinder III). So liegt der Fall hier aber nicht.

Die von der Markeninhaberin vorgelegten Gutachten zur Verkehrsdurchsetzung beziehen sich ausschließlich auf die Waren „Testzeitschriften und Verbraucherinformationen“, die nicht Gegenstand des vorliegenden Dienstleistungsverzeichnisses sind, so dass diese Verkehrsbefragungen im vorliegenden Verfahren nicht zur Anwendung kommen können.

3.

Die im Verfahren vor dem [X.] gestellten Kostenanträge der Antragstellerinnen zu 1.) und 2.) sowie der Antragsgegnerin haben keinen Erfolg.

Im markenrechtlichen Verfahren gilt nach § 63 Abs. 1 S. 3 [X.] der Grundsatz, dass jeder der Beteiligten die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Allein der Gesichtspunkt des Unterliegens rechtfertigt eine Kostenauferlegung noch nicht. Besondere Umstände, die eine Kostenauferlegung rechtfertigen würden ([X.] GRUR 1972, 600, 601 - [X.]) sind von den Beteiligten dieses Löschungsverfahrens weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

4.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zuzulassen, weil noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob sich die nachgewiesene Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens für bestimmte Waren auch auf Dienstleistungen erstrecken kann, die in einem engen tatsächlichen Bezug zu den verkehrsdurchgesetzten Waren stehen.

Meta

29 W (pat) 23/11

27.06.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.06.2012, Az. 29 W (pat) 23/11 (REWIS RS 2012, 5248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5248

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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