Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.05.2015, Az. VII ZR 104/14

7. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11435

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VERJÄHRUNG BAUSACHEN BUNDESGERICHTSHOF STREITVERKÜNDUNG

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Gegenstand

Zulässigkeit einer Streitverkündung zwischen Gesamtschuldnern


Leitsatz

Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 24. März 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, verlangt von der beklagten Baugesellschaft aus übergegangenem Recht Ausgleich von Schadensersatzleistungen, die sie für ihre Versicherungsnehmerin [X.], eine Architektin (im Folgenden: Versicherungsnehmerin), im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung an Bauherren erbracht hat.

2

Mit Vertrag vom 1. Dezember 2004 beauftragten die Bauherren M. (im Folgenden: Bauherren) die Versicherungsnehmerin mit Planungs- und Überwachungsleistungen bezüglich des Neubaus eines Einfamilienhauses.

3

Mit Bauvertrag vom 16. September 2005 beauftragten die Bauherren die Beklagte mit Erd-, Entwässerungs- und Rohbauarbeiten für das genannte Bauvorhaben.

4

Die Bauherren rügten Mängel der Bauleistungen - im Wesentlichen Mängel der Abdichtungsarbeiten -, nachdem es zu Feuchtigkeitseintritt gekommen war.

5

Mit Klageschrift vom 12. Juli 2007 erhoben die Bauherren gegen die Versicherungsnehmerin Schadensersatzklage vor dem [X.] unter anderem wegen mangelhafter Bauüberwachung. Mit Schriftsatz vom 6. September 2007 verkündete die Versicherungsnehmerin in jenem Vorprozess unter anderem der hiesigen Beklagten den Streit. Dieser Schriftsatz wurde der hiesigen Beklagten am 26. Oktober 2007 zugestellt. Die hiesige Beklagte trat in dem genannten Rechtsstreit auf Seiten der Versicherungsnehmerin bei. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 9. Juni 2010 verurteilte das [X.] die Versicherungsnehmerin zur Zahlung von 79.054,86 € nebst näher bezeichneter Zinsen und Nebenforderungen im Wesentlichen mit der Begründung, es könne dahinstehen, ob die Versicherungsnehmerin bereits eine unzureichende Planung erstellt habe, da sie zumindest ihre Pflicht zur Überwachung der Kellerabdichtungsarbeiten schuldhaft verletzt habe.

6

Die Klägerin zahlte den ausgeurteilten Betrag - unter Abzug eines Selbstbehalts der Versicherungsnehmerin - für die Versicherungsnehmerin an die Bauherren.

7

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten als Gesamtschuldnerausgleich Zahlung in Höhe von 40 % (= 38.769,80 €) des Gesamtbetrags, den sie wegen des Urteils vom 9. Juni 2010 für die Versicherungsnehmerin an die Bauherren gezahlt hat.

8

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweisbeschluss mit einstimmigem Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen [X.] des Berufungsgerichts.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das [X.] habe die Klage zu Recht abgewiesen. Ein etwaiger Ausgleichsanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten nach § 426 BGB i.V.m. § 86 [X.] sei jedenfalls verjährt.

Das [X.] gehe zutreffend davon aus, dass die Versicherungsnehmerin und die Beklagte Gesamtschuldner der Bauherren seien.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Ausgleichsforderung ihrer Versicherungsnehmerin nicht erst mit der Befriedigung der Bauherren, sondern schon mit dem Entstehen des [X.] entstanden.

Die Ausgleichsforderung unterliege der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB; diese Frist habe gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen begonnen, in dem der Ausgleichsanspruch entstanden sei und die Versicherungsnehmerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe. Diese Voraussetzungen seien spätestens im Jahre 2007 eingetreten, als die Versicherungsnehmerin der Beklagten im Vorprozess den Streit verkündet habe. Die Verjährungsfrist habe deshalb am 1. Januar 2008 zu laufen begonnen und sei mit dem 31. Dezember 2010 abgelaufen. Die [X.] habe die Verjährungsfrist nicht mehr gemäß § 204 BGB hemmen können.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, die Verjährung sei gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB bereits durch die Zustellung der [X.]sschrift an die Beklagte im Vorprozess rechtzeitig gehemmt worden. Die Verjährung werde nur durch eine zulässige [X.] gehemmt. Die von Seiten der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegenüber der Beklagten im Vorprozess erklärte [X.] sei jedoch unzulässig gewesen. Unzulässig sei die [X.] wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge von vornherein sowohl gegenüber der Beklagten des [X.] als auch gegenüber dem [X.] geltend gemacht werden können, für die also aus Sicht des [X.]s schon im Zeitpunkt der [X.] eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des [X.] in Betracht komme.

So sei die Sachlage hier. Schon bei der [X.] der Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten im Vorprozess sei klar gewesen, dass die beiden den klagenden Bauherren gegenüber nicht alternativ, sondern kumulativ wegen des geltend gemachten Schadensersatzes haften würden. In dieser Lage hätte die Versicherungsnehmerin von der bloßen [X.] absehen und die Beklagte zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung unmittelbar selbst klageweise auf Freistellung in Anspruch nehmen müssen. Wenn aber die Ansprüche der Versicherungsnehmerin nicht vom Ausgang des [X.] abhängig gewesen seien, sei die [X.] unzulässig; sie habe die Verjährung nicht hemmen können.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Abweisung der Klage auf [X.] nicht gerechtfertigt werden.

a) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass die Versicherungsnehmerin und die Beklagte den Bauherren als Gesamtschuldner haften, entspricht dies der übereinstimmenden Auffassung der [X.]en. [X.] beachtliche Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

b) Rechtsfehlerfrei und von den [X.]en unbeanstandet hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt angenommen, dass ein etwaiger Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB unterliegt und dass ein solcher Anspruch bereits mit der Begründung der Gesamtschuld entsteht (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 18. Juni 2009 - [X.], [X.]Z 181, 310 Rn. 12 f. m.w.[X.]; Urteil vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 1609 Rn. 21 f. = NZBau 2010, 45; Teilurteil vom 25. November 2009 - [X.], NJW 2010, 435 Rn. 8 m.w.[X.]).

c) Soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, die Versicherungsnehmerin habe spätestens im Jahr 2007 Kenntnis von den den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründenden Umständen und der Person der Beklagten als Ausgleichsschuldnerin erlangt, wird hiergegen von den [X.]en nichts erinnert.

d) Zutreffend ist das Berufungsgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Verjährung durch die Zustellung einer [X.] nur dann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt wird, wenn es sich um eine zulässige [X.] handelt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 1 Rn. 11 ff.; Urteil vom 11. Februar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 361 Rn. 18 ff.; a.M. [X.] in Festschrift für [X.], 2013, [X.], 344 ff.).

e) Von [X.] beeinflusst ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die [X.] im Vorprozess gemäß Schriftsatz vom 6. September 2007 sei wegen gesamtschuldnerischer Haftung der Versicherungsnehmerin und der hiesigen Beklagten gegenüber den Bauherren unzulässig gewesen.

aa) Nach § 72 Abs. 1 ZPO ist eine [X.] unter anderem dann zulässig, wenn die [X.] im Zeitpunkt der [X.] aus in diesem Augenblick naheliegenden Gründen für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen einen [X.] erheben zu können glaubt (vgl. [X.], Urteil vom 22. Dezember 1977 - [X.], [X.]Z 70, 187, 189; Urteil vom 9. Oktober 1975 - [X.], [X.]Z 65, 127, 131 m.w.[X.]). Die [X.] ist ein in erster Linie den Interessen des [X.]s dienender prozessualer Behelf, der dazu bestimmt ist, verschiedene Beurteilungen desselben Tatbestandes zu vermeiden, das heißt den [X.] durch die Bindungswirkung gemäß §§ 74, 68 ZPO vor dem Risiko zu bewahren, dass er wegen der materiellrechtlichen Verknüpfung der im Vor- und Folgeprozess geltend gemachten bzw. geltend zu machenden Ansprüche mehrere Prozesse führen muss, dabei aber Gefahr läuft, alle zu verlieren, obwohl er zumindest einen gewinnen müsste (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 361 Rn. 29; Urteil vom 14. November 1991 - I ZR 236/89, [X.]Z 116, 95, 100 m.w.[X.]; [X.]/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 72 Rn. 1).

Unzulässig ist eine [X.] seitens des Klägers des [X.] wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge von vornherein gegenüber dem Beklagten des [X.] als auch gegenüber dem [X.] geltend gemacht werden können, für die also aus der Sicht des [X.]s schon im Zeitpunkt der [X.] eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des [X.] in Betracht kommt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 1 Rn. 16; Urteil vom 9. Oktober 1975 - [X.], [X.]Z 65, 127, 131 m.w.[X.]). In einem derartigen Falle kommt es auch im Zeitpunkt der [X.] nicht mehr auf einen für den [X.] ungünstigen Ausgang des [X.] an (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 1 Rn. 16 m.w.[X.]; Urteil vom 18. Dezember 2014 - [X.], [X.], 705 Rn. 17).

Hingegen ist eine [X.] zulässig, wenn der Beklagte des [X.] ([X.]) gegen einen [X.] ([X.]sempfänger) aus im Zeitpunkt der [X.] naheliegenden Gründen einen [X.]sanspruch erheben zu können glaubt (vgl. [X.], [X.], 448, 451 f.; [X.], [X.], 1308, 1318 f.; Leitzke in [X.]/[X.]/Kuffer, Praxishandbuch Architektenrecht, § 29 Rn. 49; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., [X.] T Rn. 119; a.M. ohne Begründung Braun in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., [X.] U Rn. 166). Hiervon ist der [X.] bereits im Urteil vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 1609 Rn. 23 f. = NZBau 2010, 45 ausgegangen. Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO (vgl. [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 72 Rn. 52 m.w.[X.]; [X.], 4. Aufl., § 72 Rn. 11; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 72 Rn. 10; Vollkommer, NJW 1986, 264). Ein Beklagter, der einen [X.]sanspruch gegen einen [X.] erheben zu können glaubt, ist dem vorstehenden genannten Risiko ausgesetzt, vor dem die mit der [X.] verbundene Bindungswirkung gemäß §§ 74, 68 ZPO bewahren soll.

bb) Nach diesen Grundsätzen kann die Zulässigkeit der [X.] im Vorprozess nicht im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung der Versicherungsnehmerin und der Beklagten gegenüber den Bauherren verneint werden.

2. Der angefochtene Beschluss kann danach nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben. Der [X.] kann mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der [X.] von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.

III.

Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

1. Die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird nicht nur durch das Erfordernis der Zulässigkeit der [X.], sondern auch durch den Inhalt der [X.]sschrift begrenzt, die den sich aus § 73 Abs. 1 ZPO ergebenden Konkretisierungserfordernissen genügen muss (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 361 Rn. 31; Urteil vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.]Z 175, 1 Rn. 27 f.; vgl. ferner [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.], [X.], 675 Rn. 11, Rn. 14 = NZBau 2012, 159, zur Unterbrechungswirkung gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F.). Die Beurteilung des Inhalts der [X.]sschrift und des Prozessstoffs des [X.], aus dem sich das Ausmaß der Hemmungswirkung ergibt, ist im Einzelnen Sache des Tatrichters (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.], aaO Rn. 15). Das Berufungsgericht wird sich unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Grundsätze mit dem Inhalt der [X.]sschrift vom 6. September 2007 zu befassen haben.

2. Das Berufungsgericht wird sich außer mit einem Anspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB gegebenenfalls auch mit einem im Wege der Legalzession gemäß § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch der Bauherren gegen die hiesige Beklagte zu befassen haben. Die Darlegung der Klägerin in der Klageschrift ergibt, dass auch ein solcher Anspruch innerhalb desselben Streitgegenstands in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2002 - [X.], [X.]Z 153, 173, 175).

Eick                      Halfmeier                      [X.]

           Jurgeleit                         [X.]

Meta

VII ZR 104/14

07.05.2015

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 24. März 2014, Az: 3 U 157/13

§ 72 Abs 1 ZPO, § 204 Abs 1 Nr 6 BGB, § 426 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.05.2015, Az. VII ZR 104/14 (REWIS RS 2015, 11435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11435

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