Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 01.03.2001, Az. 12 U 249/00

12. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3362

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Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 02.11.2000 - 2 O 467/00 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Entscheidungsgründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Verfügungsklägerin (oder der Erbengemeinschaft) steht ein Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung einer Verfügung über den im Antrag genannten Grundbesitz nicht zu. Ob ein Verfügungsgrund gegeben ist, kann dahingestellt bleiben.

Soweit in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine generelle Untersagung einer Verfügung über den dort bezeichneten Grundbesitz begehrt wird, entspricht dies nicht dem ausweislich der Begründung des Antrags verfolgten Zweck der nachgesuchten einstweiligen Verfügung, der Verfügungsbeklagten eine Übertragung auf sich selbst in Erfüllung des Vorausvermächtnisses zu untersagen. Zu sonstigen Verfügungen über den Grundbesitz ist die Verfügungsbeklagte aber als Testamentsvollstreckerin unter den Voraussetzungen der §§ 2205, 2216 BGB im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung in jedem Fall befugt. Diese Befugnis wird auch von der Verfügungsklägerin letztlich nicht in Zweifel gezogen, da sie von einer wirksamen Bestellung der Verfügungsbeklagten zur Testamentsvollstreckerin ausgeht.

Aber auch eine Übertragung des Grundbesitzes auf sich selbst in Erfüllung des Vorausvermächtnisses kann der Verfügungsbeklagten nicht untersagt werden. Die Verfügungsklägerin hat einen entsprechenden Verfügungsanspruch nicht schlüssig dargetan.

Entscheidende Frage ist, ob die Vermächtnisanordnung in § 2 des Testaments der Mutter der Parteien (Erblasserin) vom 19.05.1999 wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung des Erbvertrags vom 14.07.1981 gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist und deshalb die Verfügungsbeklagte nicht zur Ausführung des zu ihren Gunsten angeordneten Vermächtnisses befugt ist (§ 2203 BGB; vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 60. Aufl., § 2203 Rdn. 2). Dies hängt davon ab, ob die Anordnung des Vermächtnisses den Rahmen des Änderungsvorbehalts in Ziffer VI. des Erbvertrages einhält. Diese Frage ist aber zu bejahen.

Grundsätzlich ist es in einem Erbvertrag ungeachtet der Bindungswirkung zulässig, dem überlebenden Ehegatten das Recht vorzubehalten, die für den zweiten Erbfall getroffenen Bestimmungen in einem bestimmten Rahmen abzuändern (OLG Stuttgart OLGZ 85, 434, 435 f.; Palandt-Edenhofer, a.a.O., § 2289 Rdn. 8 jeweils m.w.N.; einschränkend Musielak in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 2278 Rdn. 22). Ein Änderungsvorbehalt ist jedenfalls dann als statthaft anzusehen, wenn der Erbvertrag ungeachtet des Vorbehalts seinen wesentlichen Inhalt behält und zumindest eine vertraglich bindende und vorbehaltlose Erbeinsetzung enthält (BGHZ 26, 204, 208; Musielak in Münchener Kommentar, a.a.O., § 2278 Rdn. 15 f.; OLG Stuttgart a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die den Erbvertrag prägende gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern der Parteien wird von dem Änderungsvorbehalt nicht erfasst und der Erbvertrag durch den die Abkömmlinge betreffenden Vorbehalt auch nicht in seinem Wesen verändert.

Die Erblasserin war aufgrund des Änderungsvorbehalts zur Anordnung des Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) befugt.

Die Anordnung wird allerdings nicht unmittelbar vom Wortlaut des Vorbehalts gedeckt. Gemäß Ziffer VI. des Erbvertrages sollte der Überlebende, wenn mehrere Abkömmlinge zur Erbfolge gelangen, die Freiheit behalten, einen Abkömmling in guter Absicht zu enterben, Erbteile ungleich zu bestimmen, an die Stelle eines Erbteils ein Vermächtnis auszusetzen, Teilungsanordnungen zu treffen, die Auseinandersetzung unter den Miterben auf Zeit auszuschließen, Bestimmungen über Ausgleichspflichten zu treffen und Testamentsvollstreckung anzuordnen. Zwar kann der Verfügungsklägerin nicht darin gefolgt werden, die Öffnungsklausel gelte angesichts der Formulierung "wenn mehrere Abkömmlinge zur Erfolge gelangen" nur, wenn nicht alle Abkömmlinge zur Erbfolge gelangen. Vielmehr ist diese Formulierung in dem Sinne zu verstehen, dass wenn nur ein Abkömmling zur Erbfolge gelangt, abweichende Verfügungen nicht getroffenen werden dürfen, weil dies nur zugunsten Dritter hätte erfolgen können und dem Bestreben der Eltern zuwider gelaufen wäre, den Nachlass in der gemeinsamen Familie zu halten.

Eine Abweichung vom Wortlaut liegt jedoch insoweit vor, als die Anordnung des Vorausvermächtnisses zugunsten der Verfügungsbeklagten weder eine Enterbung in guter Absicht (vgl. [ref=f6f3f6bd-d392-4d71-a5ab-7de7eb5f661c]§§ 2289 Abs. 2, 2338 BGB[/ref]) noch eine ungleiche Erbteilsbestimmung oder eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) und auch keine Vermächtnisaussetzung "an Stelle" eines Erbteils darstellt. Es ist jedoch nicht beim Wortlaut stehen zu bleiben, sondern durch Auslegung der Wille der Parteien des Erbvertrages zu ermitteln ([ref=dccffd9d-2f44-4f50-96f2-236aacaf7857]§§ 133, 157, 242 BGB[/ref]; Palandt-Edenhofer, a.a.O., § 2084 Rdn. 1, Überbl. vor § 2274 Rdn. 8). Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Eltern der Parteien lediglich letztwillige Verfügungen zulassen wollten, die juristisch genau dem Wortlaut der aufgezählten Verfügungen entsprechen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass sie zwar keine völlige Enterbung eines der Kinder einschließlich des jeweiligen Stammes (sondern allenfalls "in guter Absicht") wollten, dass sie aber eine Ungleichbehandlung der Töchter, wie sie etwa durch eine ungleiche Erbteilsbestimmung, eine Teilungsanordnung und die Aussetzung eines Vermächtnisses an Stelle eines Erbteils möglich ist, zulassen wollten. Da mit diesen im Erbvertrag genannten Verfügungsmöglichkeiten letztlich der gleiche Effekt erzielt werden kann, wie mit dem von der Erblasserin verfügten Vorausvermächtnis, ist dieses als von Sinn und Zweck des Änderungsvorbehalts im Erbvertrag umfasst anzusehen. Ein Verstoß gegen den Erbvertrag könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die anderen Töchter leer ausgehen würden oder eine durch nichts gerechtfertigte grobe Benachteiligung vorliegen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Unabhängig von dem Grund für die Anordnung des Vorausvermächtnisses verbleibt es jedenfalls bei dem gleichen Erbrecht der Töchter bezüglich des sonstigen Vermögens. Dies gilt insbesondere für das Hausgrundstück A. in L., das ausweislich des Nachlassverzeichnisses nach dem Tode des Vaters der Parteien (Bl. 42 GA) im Vergleich mit dem sonstigen, der Verfügungsbeklagten vermachten Grundbesitz, insbesondere dem hier in Streit stehenden Grundstück H. in K., den weitaus größeren Wert ausmacht (vgl. die Anlage zum Nachlassverzeichnis unter lit. d), Bl. 42 GA: Schätzwert 495.500,-- DM zu 39.500,-- + 5.500,-- DM).

Der letzte Absatz in Ziffer VI. des Erbvertrages schränkt den Änderungsvorbehalt im ersten Absatz auch nicht in dem von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Sinne ein. Wortlaut, Grammatik und systematische Stellung des letzten Absatzes sprechen vielmehr für die Interpretation des Landgerichts. In Ziffer VI. des Erbvertrags wird zunächst ein Änderungsvorbehalt für den Überlebenden in der Weise bestimmt, dass er bezüglich der Abkömmlinge Abweichendes bestimmen können soll. Im nächsten Absatz wird sodann der Vorbehalt dahin eingeschränkt, dass Familienfremde nicht zu Erben berufen werden dürfen. Anschließend wird definiert, was Familienfremde sind, nämlich auch ein neuer Ehegatte des Überlebenden und Kinder aus einer neuen Ehe. Im folgenden Absatz wird die Einschränkung des Vorbehalts wiederum dahin begrenzt, dass der Überlebende berechtigt sein soll, nach Erfüllung der unter Ziffer II. ausgesetzten Vermächtnisse über seinen Nachlass bis zur Höhe der Hälfte des reinen Wertes durch Vermächtnisse letztwillig zu verfügen, jedoch ausschließlich zugunsten des neuen Ehegatten und weiterer Abkömmlinge. Gemäß dem folgenden, letzten Absatz in Ziffer VI. bleibt "hiervon" der zum Nachlass gehörende Grundbesitz, der in jedem Fall an die gemeinsamen Kinder fallen soll, ausgenommen. Durch das Pronominaladverb "hiervon" wird grammatikalisch und angesichts des Wortlauts und Aufbaus der Ziffer VI. ein Bezug hergestellt ausschließlich zu dem vorangegangenen Satz. Gemeint ist ersichtlich, dass die Verfügungsmacht des Überlebenden zugunsten eines neuen Ehegatten und von Kindern aus der neuen Ehe den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz nicht umfassen soll, dieser sollte vielmehr in der "Ursprungsfamilie" verbleiben. Entscheidend war für die Eltern der Parteien offensichtlich, dass der Grundbesitz nicht an (für den Erstversterbenden) familienfremde Dritte, sondern überhaupt an die oder eines der gemeinsamen Kinder ging, nicht dagegen, zu welchen internen Anteilen die Kinder den Grundbesitz erhalten. Dass in dem letzten Absatz eine Einschränkung des Änderungsvorbehalts im ersten Absatz gewollt war, liegt fern. Hätte die Absicht bestanden, den letzten Satz auf den ganzen vorausgegangen Text zu beziehen, hätte es nahegelegen, dies durch eine andere Wortwahl und einen größeren Absatz kenntlich zu machen.

Gegen die von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Interpretation des letzten Absatzes spricht auch, dass der Grundbesitz den wesentlichen Nachlass ausgemacht haben dürfte (siehe auch hierzu das Verzeichnis des Nachlasses des Vaters der Parteien, Bl. 40 - 43 GA; es ist kaum anzunehmen, dass die Erblasserin als Hausfrau nennenswertes eigenes Geldvermögen hatte). Nähme man den Grundbesitz aus, bliebe für den Änderungsvorbehalt im ersten Absatz der Ziffer VI. keine nennenswerte Bedeutung mehr.

Schließlich widerspricht eine Auslegung des letzten Absatzes in dem Sinne, dass die im ersten Absatz bestimmte Befugnis des Überlebenden zu abweichenden Verfügungen nicht den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz umfassen soll, sondern dass dieser in jedem Fall den drei Töchtern zu gleichen Anteilen zufallen soll, den im ersten Absatz eingeräumten Verfügungsmöglichkeiten. Insbesondere umfasst eine Enterbung immer den ganzen Nachlass. Gerade wenn sie "in guter Absicht" erfolgt, würde sonst ihr Zweck (vgl. § 2338 BGB) nicht erreicht werden können, wenn dem Erben wesentliche Werte verblieben.

Die Ziffern VIII. - XI. des Erbvertrages sprechen nicht gegen die hier vertretene Auslegung des Änderungsvorbehalts. Sie lassen lediglich die Bedeutung des Grundbesitzes für die Eltern der Parteien erkennen und dass der Grundbesitz möglichst lange in der gemeinsamen Familie gehalten werden sollte. Dieser Bedeutung entspricht die Regelung in Ziffer VI., dass außerhalb der gemeinsamen Familie stehende Personen nicht in den Genuss des Grundbesitzes kommen sollten. Gegen eine unterschiedliche Aufteilung des Grundbesitzes innerhalb der Familie, d.h. auf die Töchter, lässt sich den Bestimmungen dagegen nichts entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren entsprechend dem für die erste Instanz festgesetzten und von den Parteien nicht angegriffenen Wert, bei dem auch die über eine einstweilige Regelung hinausgehende Bedeutung der Entscheidung für die Parteien zu berücksichtigen ist:

60.000,-- DM

Meta

12 U 249/00

01.03.2001

Oberlandesgericht Köln 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 01.03.2001, Az. 12 U 249/00 (REWIS RS 2001, 3362)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3362

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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