Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2017, Az. 5 StR 438/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1681

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Gegenstand

Strafverfahren: Fehlerhaft unterbliebener Teilfreispruch; Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers bei der Schmerzensgeldbemessung im Adhäsionsausspruch


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. April 2017 dahin ergänzt,

a) dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) dass die Leistungen, die im Rahmen der für die einbezogene Strafe gewährten Strafaussetzung zur Bewährung erbracht worden sind, mit zwei Monaten auf die Gesamtstrafe angerechnet werden.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger in der Revisionsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 17. März 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es zugunsten des [X.] eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft von einem Teilfreispruch abgesehen, soweit dem Angeklagten mit der Anklage tatmehrheitlich eine versuchte Nötigung zur Last gelegt worden war. Dem war das [X.] im Eröffnungsbeschluss gefolgt. Da es hinsichtlich dieses [X.] keine eine Verurteilung tragenden Feststellungen hat treffen können ([X.]), hätte es den Angeklagten teilweise freisprechen müssen, um den Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen. Insofern kam der dem Urteil nunmehr zugrundegelegten geänderten konkurrenzrechtlichen Bewertung der vom Angeklagten begangenen Körperverletzungen, nach der bei einem [X.] das [X.] in Tateinheit mit der späteren Körperverletzung gestanden hätte, keine Bedeutung zu (vgl. [X.], Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, [X.]St 44, 196, 202; Beschlüsse vom 30. Mai 2008 - 2 [X.], [X.], 287, und vom 30. Mai 2017 - 5 [X.]/17 mwN; [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl., § 260 Rn. 13).

3

2. Der [X.] bedarf einer Ergänzung, soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen des Angeklagten im Zusammenhang mit der im Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 17. März 2016 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung unterblieben ist.

4

Nach den Feststellungen war die Vollstreckung der bei Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe einbezogenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt worden. Die dem Angeklagten hierbei auferlegten Bewährungsauflagen in Form der Erbringung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit hatte er umfassend erfüllt. Danach hätte sich die [X.] gedrängt sehen müssen, die Voraussetzungen für eine Anrechnung auf Bewährungsauflagen erbrachter Leistungen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen zu erörtern. Nach dieser Regelung sind Leistungen, die auf Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 StGB erbracht worden sind, nicht - wie vorliegend geschehen - bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen, sondern durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. März 1990 - 1 StR 283/89, [X.]St 36, 378, 382 f., und vom 17. September 2013 - 1 StR 489/13 mwN).

5

Der Senat holt die versäumte Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] nach und setzt die [X.] auf zwei Monate fest (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2014 - 3 [X.], [X.], 138 mwN).

6

3. Gegen den Adhäsionsausspruch bestehen keine Bedenken. Insbesondere durfte das [X.] bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die begrenzten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigen.

7

Wie die [X.] des [X.] in ihrer Entscheidung vom 16. September 2016 klargestellt haben, können bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach § 253 Abs. 2 BGB alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das Gesetz sieht in § 253 Abs. 2 BGB für den Ausgleich immaterieller Schäden mithin keine starre Regelung, sondern eine billige Entschädigung vor, ohne dem Tatgericht hinsichtlich der zu berücksichtigenden oder berücksichtigungsfähigen Umstände Vorgaben zu machen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 2016 - [X.], [X.]Z 212, 48, 55, 60 f.; siehe auch schon [X.], Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 - [X.], [X.]Z 18, 149, 151 f.).

8

Geboten sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung danach nur, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben (vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 2016 - [X.], aaO, S. 69 f.). Aus diesem Gebot für Ausnahmefallgestaltungen, das die [X.] des [X.] auf die Frage formuliert haben, ob im Urteil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schädigers oder des Geschädigten getroffen und Erörterungen zu ihrem Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung vorgenommen werden m ü s s e n  ([X.], Beschluss vom 16. September 2016 - [X.], aaO, S. 69), lässt sich kein zur Annahme eines Rechtsfehlers führendes Verbot ableiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zu berücksichtigen, selbst wenn sie dem Fall noch kein besonderes Gepräge geben (zutr. [X.], Beschlüsse vom 11. Juli 2017 - 3 [X.], und vom 30. August 2017 - 4 StR 255/17, gegen [X.], Beschluss vom 11. Mai 2017 - 2 StR 324/14). Eine solche Schlussfolgerung liefe geradezu dem Ergebnis der Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB zuwider, wonach das Tatgericht bei der Bemessung der billigen Entschädigung  a l l e  Umstände des Einzelfalls soll berücksichtigen dürfen ([X.], Beschluss vom 16. September 2016 - [X.], aaO, S. 61).

9

Die Berücksichtigung der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes durch die [X.] hat daher ungeachtet des Umstands, dass sie sich nicht zu seinem Nachteil auswirkte, den Bestand des [X.] nicht gefährdet.

4. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt keine Kostenteilung gemäß § 473 Abs. 4 [X.].

Sander     

       

Dölp     

       

König 

       

Berger     

       

[X.]     

       

Meta

5 StR 438/17

28.11.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neuruppin, 6. April 2017, Az: 11 KLs 15/16

§ 260 StPO, § 403 StPO, §§ 403ff StPO, § 253 Abs 2 BGB, § 22 StGB, § 23 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB, § 224 StGB, § 240 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2017, Az. 5 StR 438/17 (REWIS RS 2017, 1681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1681

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Referenzen
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Zitiert

1 StR 489/13

3 StR 442/13

3 StR 231/17

4 StR 255/17

2 StR 324/14

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