Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 21.02.2019, Az. I ZR 153/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 10043

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen des BGH zur Auslegung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums: Umfang des Anspruchs auf Drittauskunft gegen den Betreiber einer Internet-Tauschbörse; Erstreckung des Auskunftsanspruchs auf die E-Mail-Adressen, die Telefonnummern und die genutzten IP-Adressen der Nutzer - YouTube-Drittauskunft


Leitsatz

YouTube-Drittauskunft

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30. April 2004, S. 45) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfassen die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG genannten Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, auf die sich die Auskünfte nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG soweit angebracht erstrecken, auch

a) die E-Mail-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen und/oder

b) die Telefonnummern der Nutzer der Dienstleistungen und/oder

c) die von den Nutzern der Dienstleistungen für das Hochladen der rechtsverletzenden Dateien genutzten IP-Adressen nebst genauem Zeitpunkt des Hochladens?

2. Falls die Frage 1 c bejaht wird: Erstreckt sich die nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG zu erteilende Auskunft auch auf die IP-Adresse, die von dem Nutzer, der zuvor rechtsverletzend Dateien hochgeladen hat, zuletzt für einen Zugriff auf sein Google-/YouTube-Benutzerkonto verwendet wurde, nebst genauem Zeitpunkt des Zugriffs, unabhängig davon, ob bei diesem letzten Zugriff Rechtsverletzungen begangen wurden?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. [X.] vom 30. April 2004, [X.]) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfassen die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] genannten Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, auf die sich die Auskünfte nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/[X.] soweit angebracht erstrecken, auch

a) die E-Mail-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen und/oder

b) die Telefonnummern der Nutzer der Dienstleistungen und/oder

c) die von den Nutzern der Dienstleistungen für das Hochladen der rechtsverletzenden Dateien genutzten IP-Adressen nebst genauem Zeitpunkt des Hochladens?

2. Falls die Frage 1 c bejaht wird:

Erstreckt sich die nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] zu erteilende Auskunft auch auf die IP-Adresse, die von dem Nutzer, der zuvor rechtsverletzend Dateien hochgeladen hat, zuletzt für einen Zugriff auf sein [X.] verwendet wurde, nebst genauem Zeitpunkt des Zugriffs, unabhängig davon, ob bei diesem letzten Zugriff Rechtsverletzungen begangen wurden?

Gründe

1

A. Die Klägerin ist eine in der [X.] tätige Filmverwerterin und macht exklusive Nutzungsrechte an den Filmwerken "[X.]  " und "S.      " geltend. Die Beklagte zu 1 betreibt die [X.]plattform "[X.]", auf die Videodateien hochgeladen und anderen [X.]nutzern zugänglich gemacht werden können. Die Beklagte zu 2 ist die Muttergesellschaft der [X.] zu 1 und Inhaberin der von der [X.] zu 1 für die [X.]plattform genutzten Domains. Werden [X.] auf die [X.]plattform "[X.]" hochgeladen, müssen sich die Nutzer zuvor mit einem "[X.]" bei der [X.] zu 2 registrieren und dabei einen Namen, eine E-Mail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben. Um [X.] von mehr als 15 Minuten Länge auf der Plattform zu veröffentlichen, muss außerdem eine Mobiltelefonnummer angegeben werden, an die ein Freischaltcode übermittelt wird, der für die [X.] benötigt wird. Nach den gemeinsamen Nutzungs- und Datenschutzbedingungen der [X.] willigen die Nutzer der Plattform in die Speicherung von [X.] einschließlich der IP-Adresse, des Datums und der Uhrzeit der Nutzung sowie der einzelnen Anfragen und in die konzernweite Nutzung dieser Daten ein.

2

Am 29. Juni 2013 wurde unter dem Nutzernamen "sc.    " das Filmwerk "[X.]  " in vollständiger Länge und [X.] auf die [X.]plattform der [X.] zu 1 hochgeladen und bis zur Sperrung am 14. August 2013 [X.] abgerufen. Unter dem Nutzernamen "w.      " wurde im September 2013 das Filmwerk "S.      " in vollständiger Länge hochgeladen und bis zur Sperrung am 29. Oktober 2013 [X.] abgerufen. Außerdem wurde eine Kopie dieses Filmwerks am 10. September 2014 unter dem Nutzernamen "U.    " erneut hochgeladen und bis zur Sperrung am 21. September 2014 über [X.] abgerufen.

3

Die Klägerin verlangt von den [X.] Auskunft. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in erster Instanz hinsichtlich der Auskünfte über die Namen und postalischen Anschriften der Nutzer übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin, die [X.] zu verurteilen, ihr über die nach den [X.] und den zugehörigen [X.]adressen näher bezeichneten Nutzer "sc.    ", "w.      " und "U.    " Auskunft zu erteilen, und zwar durch Angabe jeweils der folgenden, bei den [X.] gespeicherten Daten:

c) E-Mail-Adresse des Nutzers,

d) Telefonnummer des Nutzers,

e) IP-Adresse, die von dem Nutzer für das Hochladen der Datei verwendet wurde, nebst genauem Zeitpunkt des Hochladens unter Angabe des Datums und der Uhrzeit, inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Uploadzeitpunkt),

f) IP-Adresse, die von dem Nutzer zuletzt für einen Zugriff auf sein Google-/[X.]-Benutzerkonto verwendet wurde, nebst genauem Zeitpunkt des Zugriffs unter Angabe des Datums und der Uhrzeit, inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Zugriffszeitpunkt).

4

Das [X.] ([X.], [X.], 3) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht (O[X.], [X.], 1116) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die [X.] zur beantragten Auskunft über die jeweilige E-Mail-Adresse der Nutzer verurteilt und die Revision zugelassen. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihre Klageanträge auf Verurteilung zur Auskunft über Telefonnummern und IP-Adressen der Nutzer weiter. Die [X.] erstreben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

5

B. Der Erfolg beider Revisionen hängt von der Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ab. Vor einer Entscheidung über die Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] einzuholen.

6

I. Das Berufungsgericht hat die [X.] verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen durch Angabe der E-Mail-Adressen der drei Nutzer, die eine Kopie der streitgegenständlichen Filme auf die [X.]plattform "[X.]" hochgeladen haben. Im Übrigen hat es die Klage für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

7

Die Klägerin sei zur Geltendmachung der Auskunftsansprüche berechtigt. Sie habe auch einen Anspruch auf Drittauskunft, der die Mitteilung der E-Mail-Adressen der Nutzer umfasse, weil diese unter den Begriff der "Anschrift" im Sinne von § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] fielen. Dagegen seien Telefonnummern und IP-Adressen vom Wortlaut dieser Bestimmung nicht umfasst. Eine erweiternde Auslegung sei weder nach den gesetzgeberischen Motiven noch systematisch oder nach dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/[X.] geboten.

8

II. Für den Erfolg der Revisionen kommt es darauf an, welche Auskünfte nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] zu erteilen sind. Dabei hängt der Erfolg der Revision der [X.] davon ab, ob die E-Mail-Adresse zu den von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] erfassten Auskünften über "Namen und Adressen" gehört. Die Revision der Klägerin hat dagegen Erfolg, wenn sie Auskunft auch über die Telefonnummern der Nutzer sowie der von diesen für das rechtsverletzende Hochladen der Dateien jeweils verwendeten IP-Adressen verlangen kann. Auf die Klärung dieser Fragen zielt die erste Vorlagefrage ab.

9

1. Die Klägerin stützt ihre Auskunftsansprüche auf den [X.] des § 101 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 [X.]. Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2004/48/[X.] und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/[X.] dürfen die Mitgliedsstaaten über das durch die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/[X.] begründete Schutzniveau hinausgehen, es aber nicht unterschreiten.

Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann, wer in gewerblichem Ausmaß das [X.] oder ein anderes nach dem [X.]sgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, vom Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung besteht der Anspruch gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] unbeschadet des § 101 Abs. 1 [X.] auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat. Der zur Auskunft Verpflichtete hat gemäß § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] Angaben zu machen über Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren.

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Auskunftsanspruchs sind dem Grunde nach gegeben. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die drei Nutzer durch das Hochladen der Filme eine offensichtliche Rechtsverletzung im Sinne von § 101 Abs. 2 Satz 1 [X.] begangen haben. In der Revisionsinstanz ist weiter davon auszugehen, dass die hier in Rede stehenden Filme "[X.]  " und "S.      " als Filmwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 [X.] urheberrechtlich geschützt sind und die Nutzer "sc.    ", "w.      " und "U.    " die Filme durch das Hochladen auf der [X.]plattform der [X.] zu 1 unberechtigt im Sinne von § 19a [X.] öffentlich zugänglich gemacht haben. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Anspruchsvoraussetzungen des § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] im Übrigen seien hinsichtlich beider Beklagter als gewerblich handelnder Erbringer von Dienstleistungen, die für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt werden, erfüllt, wird von der Revision der [X.] nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

3. Die Revision der [X.] ist begründet, wenn die [X.] nach § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] nicht verpflichtet sind, Auskunft über die E-Mail-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen zu erteilen. Die Beurteilung hängt davon ab, ob sich die Auskunft über "Namen und Adressen" im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] auf E-Mail-Adressen erstreckt. Darauf zielt die Vorlagefrage 1 a.

a) Das Berufungsgericht ist nach Auffassung des Senats mit Recht davon ausgegangen, dass die "E-Mail-Anschrift" unter den Begriff der "Anschrift" im Sinne von § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] fällt. Unter diesen Begriff können nicht nur die den Wohnsitz oder die Niederlassung des Nutzers bezeichnende Postadresse, sondern auch E-Mail-Adressen als Anschrift der elektronischen Post gefasst werden (vgl. [X.], [X.], 305, 308; [X.], [X.], 341; Dreier in Dreier/[X.], [X.], 6. Aufl., § 101 Rn. 17; [X.] in [X.]/[X.], Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 101 [X.] Rn. 13 mit [X.]. 67; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 101 [X.] Rn. 86; [X.], Geheimnisschutz und Auskunftsansprüche im Recht des Geistigen Eigentums, 2011, S. 26 bis 28; [X.], [X.] 2017, 656, 657; [X.], [X.], 476 f.; zweifelnd [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 101 [X.] Rn. 76).

b) Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "Anschrift" die postamtliche Angabe zur Wohnung oder zum Sitz einer bestimmten (juristischen) Person. Der Begriff der "Adresse" wird hierzu teilweise synonym verwandt, umfasst heute aber, wie etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG, auch die Adresse der elektronischen Post. In Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.], dessen Umsetzung die Vorschrift des § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] dient, wird anstelle des Begriffs "Anschrift" der Begriff "Adressen" verwendet. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass die in § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] genannte "Anschrift" mit "Adresse" gleichzusetzen ist. Das erfordert bereits das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung. Auch der Gesetzgeber ist davon bei der Neufassung von § 101 [X.] zur Umsetzung der Richtlinie 2004/48/[X.] im Jahr 2007 ausgegangen. Zwar hat er den Begriff der "Anschrift" aus der Vorgängervorschrift des § 101a [X.] aF beibehalten. Gleichzeitig hat er aber ausgeführt, dass die bisherigen Regelungen zum Umfang der Auskunft lediglich um die Angaben über die Preise zu ergänzen seien (vgl. BT-Drucks. 16/5048, [X.]). Damit hat er deutlich gemacht, dass die "Anschrift" im Sinne des § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] nunmehr im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] zu verstehen ist.

c) Dieses Verständnis von § 101 Abs. 3 [X.] ist durch den Schutzzweck der Norm gedeckt. Der Auskunftsanspruch gegen Dritte soll es dem Rechtsinhaber ermöglichen, den Verletzer zu ermitteln, zumal bei Rechtsverletzungen im [X.] bei anonymisierter Kommunikation und insbesondere beim unbefugten öffentlichen Zugänglichmachen von Musikwerken und Filmwerken über [X.] oder Videoplattformen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werden bei der Registrierung eines Nutzers der Plattform der [X.] zu 1 allein ein (fiktiver) Benutzername sowie eine E-Mail-Adresse erfasst. Ohne einen Anspruch gegen den Plattformbetreiber auf Auskunft über die E-Mail-Adresse und auf zweiter Stufe gegen den E-Mail-Provider auf Angabe von Name und Anschrift des Inhabers der E-Mail-Adresse - soweit diese gespeichert sind (vgl. § 111 Abs. 2 TKG) - wäre eine Ermittlung des Verletzers zur Rechtsverfolgung von vornherein erschwert (vgl. [X.], Geheimnisschutz und Auskunftsansprüche im Recht des Geistigen Eigentums, 2011, [X.]). Das widerspräche dem Ziel des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Richtlinie 2004/48/[X.] (vgl. Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2004/47/[X.]; BT-Drucks. 16/5048, S. 39 f.; [X.], Beschluss vom 19. April 2012 - [X.]/11, [X.]Z 195, 257 Rn. 23 - Alles kann besser werden).

4. Die Revision der Klägerin ist begründet, wenn der Begriff "Adressen" im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] dahingehend auszulegen ist, dass dazu nicht nur die vom Berufungsgericht ausgeurteilte Auskunft über die E-Mail-Adressen, sondern auch die Telefonnummern der Nutzer sowie die bei den [X.]sverletzungen genutzten IP-Adressen gehören.

a) Die Frage, ob sich der Auskunftsanspruch auf die Telefonnummern erstreckt, ist Gegenstand der Vorlagefrage 1 b.

aa) Es kommt in Betracht, mit Blick auf den Wortlaut der Begriffe "Anschrift" in § 101 Abs. 3 Nr. 1 [X.] und "Adresse" in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, dass diese beiden Begriffe eindeutig sind und nach ihrem klaren Wortlaut Telefonnummern nicht umfassen (vgl. [X.], [X.], 305, 307; Dreier in Dreier/[X.] aaO § 101 Rn. 17; [X.]/[X.] aaO § 101 Rn. 76; [X.], [X.], 476, 477; zweifelnd [X.]/[X.]/[X.] aaO § 101 Rn. 86; aA [X.], [X.] 2017, 656, 657).

bb) Mit der Revision der Klägerin könnte aber auch darauf abgestellt werden, dass die moderne Telekommunikationstechnik es ermöglicht, Schreiben per [X.], [X.] oder über [X.] an ein Telefon oder andere mobile Endgeräte zu senden; als "Anschrift" für diese schriftliche Kommunikation dient dann die Telefonnummer. Für diese Auffassung könnten Sinn und Zweck der Regelung des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/[X.] sprechen, die auf eine Identifikation des Rechtsverletzers zielt. Wegen der den Nutzern gewährten Anonymität auf Plattformen wie jener der [X.] zu 1 (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 20. September 2018 - [X.], [X.], 1239 Rn. 25 = [X.], 1480 - uploaded) können die [X.] regelmäßig von vornherein keine Auskunft über "Namen und Adressen" im herkömmlichen Sinne von Vor- und Nachname und einer Postanschrift erteilen. Die Telefonnummer wird dagegen in den Fällen, in denen Nutzer [X.] von mehr als 15 Minuten Länge auf der Plattform der [X.] zu 1 veröffentlichen möchten, nicht nur abgefragt, sondern durch die Übersendung eines Freischaltcodes auch verifiziert. Bei der Vergabe von Telefonnummern müssen gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG der Name und die Anschrift des [X.] sowie bei natürlichen Personen nach § 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TKG deren Geburtsdatum erhoben und gespeichert sowie bei [X.] auch überprüft (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 3 TKG) werden. Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der Vergabe von E-Mail-Adressen eine solche Verifizierung und Speicherung nicht obligatorisch ist (vgl. § 111 Abs. 2 TKG), dürfte die Auskunft über die Telefonnummer zumindest bei den hier in Rede stehenden Rechtsverletzungen das einzige generell wirksame und zielführende Mittel zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums darstellen (vgl. Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2004/48/[X.]; vgl. auch [X.], [X.] 2017, 656, 657). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich aufgrund der Länge der unbefugt öffentlich zugänglich gemachten [X.] um schwerwiegende Rechtsverletzungen handelt.

b) Für die Begründetheit der Revision der Klägerin stellt sich weiter die Frage, ob die nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] zu erteilende Auskunft die IP-Adresse umfasst, die für das rechtsverletzende Hochladen der Dateien verwendet wurde. Darauf zielt die Vorlagefrage 1 c.

aa) Gegen die Erstreckung der zu erteilenden Auskunft auf die IP-Adresse könnte ihre Funktion sprechen. Auch wenn die IP-Adresse verschiedentlich mit einer Postadresse verglichen wird (vgl. O[X.], [X.], 140, 146), weil mit ihr versehene Datenpakete das Empfangsgerät eindeutig identifizieren, bezeichnet eine IP-Adresse keine Anschrift oder Adresse, unter der ein Nutzer wohnhaft oder erreichbar ist; sie ist keiner bestimmten Person, sondern - im Falle einer dynamischen IP-Adresse überdies nur vorübergehend - der Netzwerkschnittstelle eines mit dem [X.] kommunizierenden Geräts zugeordnet. Die IP-Adresse ermöglicht deshalb nicht die Identifikation einer Person; mit der IP-Adresse wird allein ein Gerät identifiziert. Darüber hinaus identifiziert die IP-Adresse nur das mit dem [X.] kommunizierende Gerät an der Netzwerkschnittstelle, nicht aber weitere, mit diesem Gerät verbundene Geräte. Diese werden vielmehr innerhalb des Netzwerks ihrerseits über private IP-Adressen identifiziert.

bb) Gegen eine erweiternde Auslegung des Begriffs "Adressen" im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] könnte ferner sprechen, dass IP-Adressen regelmäßig zu den (personenbezogenen) Verkehrsdaten gehören (vgl. [X.], Urteil vom 19. Oktober 2016 - [X.]/14, [X.]. 2016, 1169 Rn. 48 f. - [X.]/[X.]) und nicht (lediglich) zu den Bestandsdaten des Nutzers (vgl. [X.], [X.] 2011, 396, 398 [juris Rn. 12]; [X.]E 130, 151, 190 [juris Rn. 139]; [X.]Z 195, 257 Rn. 39 - Alles kann besser werden; [X.], Urteil vom 21. September 2017 - [X.], [X.], 1236 Rn. 29 = [X.], 1488 - Sicherung der Drittauskunft; Urteil vom 13. Juli 2017 - I ZR 193/16, [X.], 189 Rn. 16 = [X.], 210 - Benutzerkennung; [X.] in [X.], Recht der Telemediendienste, 2013, § 14 TMG Rn. 25). Damit bedarf es einer Abwägung der betroffenen Grundrechte.

(1) Bei der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts haben die Gerichte der Mitgliedstaaten ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Rechtsordnung der [X.] geschützten Grundrechten sicherzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 2008 - [X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = GRUR 2008, 241 Rn. 43 und 65 bis 69 - Promusicae/Telefonica; Beschluss vom 19. Februar 2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 579 Rn. 28 f. - [X.]Tele2; Urteil vom 16. Juli 2015 - [X.]/13, [X.], 894 Rn. 34 - [X.]; Urteil vom 18. Oktober 2018 - [X.]/17, [X.], 1234 Rn. 45 - [X.]; [X.], [X.], 189 Rn. 24 - Benutzerkennung; vgl. auch Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2004/48/[X.]). Im Falle der Weitergabe personenbezogener Daten an private Dritte zur Verfolgung von [X.]sverstößen sind dabei insbesondere das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 EU-Grundrechtecharta) und der Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 EU-Grundrechtecharta) einerseits sowie das Eigentumsrecht (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) andererseits in die Abwägung einzubeziehen.

(2) Auch wenn Verletzer von Rechten des geistigen Eigentums mit Hilfe der verwendeten IP-Adresse einfacher und effizienter ermittelt werden können, spricht gegen eine Auskunft über diese Daten möglicherweise die damit einhergehende Beeinträchtigung des Rechts der Nutzer auf Achtung ihres Privatlebens (Art. 7 EU-Grundrechtecharta) und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art. 8 EU-Grundrechtecharta). Nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] und § 102 Abs. 3 Nr. 1 [X.] haben sie (nur) die Weitergabe ihres Namens und ihrer Adresse hinzunehmen. Die Auskunft über von ihnen genutzte IP-Adressen stellt im Verhältnis dazu nicht lediglich ein Minus dar, sondern ein darüber hinausgehendes, das Privatleben berührendes [X.]. Die Auskunft über die (dynamische) IP-Adresse, die sich immer auch auf den genauen Zugriffszeitpunkt erstreckt, weil sie nur so die Identifikation eines Endgeräts überhaupt ermöglichen kann, gibt damit gleichzeitig Aufschluss über den genauen Zeitpunkt der [X.]kommunikation einschließlich der Zeitzone und damit über nähere Umstände des [X.], die durch Art. 7 und Art. 8 EU-Grundrechtecharta geschützt sind (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2014 - [X.], [X.]/12, NJW 2014, 2169 Rn. 26 f. - Digital Rights; zu Art. 10 Abs. 1 GG vgl. [X.]E 130, 151, 179 [juris Rn. 112]). Ist der Anschlussinhaber nicht der Rechtsverletzer kann die Auskunft über die IP-Adresse darüber hinaus in das Recht auf Privatleben unbeteiligter Dritter eingreifen.

cc) Für eine Einbeziehung der IP-Adresse in den Auskunftsumfang von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] könnte dagegen der dort verwendete Begriff der "Adressen" sowie der Schutzzweck der Vorschrift sprechen. Der Begriff der Adresse kann nach seinem Wortlaut jede Art der Adresse umfassen und damit auch die (elektronische) IP-Adresse. Diese erleichtert wie die Postanschrift und die E-Mail-Adresse die Ermittlung des Verletzers des [X.]s. Die IP-Adresse ist ein Identifizierungsmerkmal und weist einen Bezug zu einer Person auf (vgl. [X.], [X.], 476, 477). Die IP-Adresse ist damit ebenso wie die Telefonnummer ein zentrales Datum, dessen Kenntnis zur effizienten Rechtsverfolgung erforderlich sein könnte. Der Begriff der "Adresse" ist deshalb möglicherweise schutzzweckbezogen auszulegen und könnte je nach Fallkonstellation die nutzerbezogenen Identifizierungsmerkmale erfassen, die für eine Rechtsverfolgung notwendig und erforderlich sind (vgl. [X.], [X.] 2017, 656, 657).

dd) Für eine Einbeziehung der IP-Adresse könnten danach insbesondere Sinn und Zweck der Richtlinie 2004/48/[X.] sprechen. Nach ihrem dritten Erwägungsgrund soll sie der wirksamen Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums dienen. Bei einer anonymen Nutzung von Plattformen wie jener der [X.] zu 1 (vgl. [X.], [X.], 1239 Rn. 25 - uploaded) wäre dieses Ziel nicht gewährleistet, solange das herkömmliche Verständnis von "Namen und Adressen" zugrunde gelegt wird; die Auskunft über "Namen und Adressen" liefe regelmäßig ins Leere, weil diese Daten von Plattformbetreibern wie der [X.] zu 1 in der Regel weder erhoben noch verifiziert werden. Die damit einhergehende qualifizierte Beeinträchtigung des durch die [X.] geschützten geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) könnte als Missachtung des Erfordernisses einzustufen sein, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen miteinander in Einklang zu bringenden Grundrechten zu gewährleisten (vgl. [X.], [X.], 1234 Rn. 46 - [X.]). Die Herausgabe der IP-Adresse neben der E-Mail-Adresse und möglicherweise der Telefonnummer (oben Rn. 17 ff.) könnte in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel für die Identifikation der Rechtsverletzer und damit für die effektive Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im Sinne der Richtlinie 2004/48/[X.] darstellen.

5. Ist die Vorlagefrage 1 c dahingehend zu beantworten, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] die Auskunft über die bei der rechteverletzenden Handlung verwendete IP-Adresse umfasst, stellt sich für die Begründetheit der Revision der Klägerin weiter die Frage, ob auch über die IP-Adresse Auskunft verlangt werden kann, die die Nutzer zuletzt und unabhängig von einer damit zusammenhängenden Verletzungshandlung für einen Zugriff auf ihr Google-/[X.]-Benutzerkonto verwendet haben (Vorlagefrage 2).

a) Die Klägerin macht geltend, eine Identifizierung der Nutzer könne jedenfalls über eine so ermittelte, aktuelle(re) IP-Adresse mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen, weil die beim rechtsverletzenden Upload verwendete dynamische IP-Adresse zwischenzeitlich möglicherweise gelöscht worden sei. Für diese Ansicht spricht, dass wegen des permanenten Wechsels der dynamischen IP-Adressen (auch) die jeweils aktuellste IP-Adresse vom Auskunftsumfang umfasst sein mag, weil nur sie tatsächlich die "Anschrift" des Nutzers der Dienstleistungen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] darstellt.

b) Eine solche Ausweitung des Auskunftsanspruchs auf die aktuellste - oder eine aktuellere - IP-Adresse unabhängig von einer damit zusammenhängenden Verletzungshandlung wäre dann nicht möglich, wenn Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/[X.] einen Bezug zu einer Rechtsverletzung erfordert. Die zuletzt bei der Nutzung des Google-/[X.]-Benutzerkontos verwendete IP-Adresse steht mit der beanstandeten rechtsverletzenden Nutzung nicht (zwingend) in einem Zusammenhang. Dass ein solcher Zusammenhang aber notwendig ist, könnte sich daraus ergeben, dass die [X.] nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/[X.] nur passivlegitimiert sind, weil sie die Dienstleistung für rechtsverletzende Tätigkeiten erbracht haben und sich die zu erteilenden Auskünfte nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2003/48/[X.] gerade auf solche (rechtsverletzenden) Dienstleistungen beziehen.

Koch     

      

[X.]     

      

Löffler

      

Schwonke     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 153/17

21.02.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 22. August 2017, Az: 11 U 71/16, Urteil

Art 8 Abs 1 EGRL 48/2004, Art 8 Abs 2 Buchst a EGRL 48/2004, § 101 UrhG, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 21.02.2019, Az. I ZR 153/17 (REWIS RS 2019, 10043)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 178-180 WM2019,1452 WM 2022, 792 REWIS RS 2019, 10043

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