Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. 4 AZR 421/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 14451

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) TARIFVERTRÄGE FRISTWAHRUNG ZUSTELLUNG

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Gegenstand

Tarifvertragliche Ausschlussfrist - außergerichtliche schriftliche Geltendmachung


Leitsatz

§ 167 ZPO findet auf die Wahrung einer in einem Tarifvertrag geregelten und durch ein einfaches Schreiben einzuhaltenden Ausschlussfrist keine Anwendung.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2015 - 23 [X.]/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2014 - 56 [X.] - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung sowie der Revision zu tragen. Die Kosten erster Instanz trägt das beklagte Land.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Differenzlohnanspruch des Klägers für den Monat Juni 2013.

2

Der Kläger ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 1. Juli 1991 bei dem beklagten Land beschäftigt und seit Januar 2008 als Angestellter im Außendienst mit Aufgaben im [X.] tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet - zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme - der Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des [X.] an das Tarifrecht der [X.] vom 14. Oktober 2010 ([X.]) und danach grundsätzlich der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) Anwendung.

3

Der Kläger wurde zunächst nach [X.] 6 [X.] vergütet. Mit außergerichtlichen Schreiben vom 15. September 2011 und 6. August 2012 machte er seine Eingruppierung in der [X.] 8 [X.] gegenüber dem beklagten Land geltend.

4

Mit der beim [X.] am 18. Dezember 2013 eingegangenen Klage hat er ua. die Feststellung der Verpflichtung des beklagten [X.] zur Zahlung von Entgelt nach [X.] 9 [X.] ab 1. November 2010 nebst Zinsen verlangt. Die Klage ist dem beklagten Land am 7. Januar 2014 zugestellt worden. Während des laufenden Rechtsstreits hat sich das beklagte Land bereit erklärt, ihn aufgrund der Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der [X.] 9 Fallgruppe 3 Teil I der Anlage A zum [X.] entsprechend zu vergüten. Unter Berufung auf die tariflichen Ausschlussfristen hat es für die Vergangenheit bis einschließlich Juni 2013 jedoch lediglich die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem nach [X.] 8 Stufe 6+ geschuldeten Entgelt nachgezahlt. Die vom Kläger mit der Klage begehrte Vergütung nach [X.] 9 Stufe 4+ [X.] hat sie erst ab dem 1. Juli 2013 geleistet. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Entgelt nach [X.] 9 Stufe 4+ [X.] auch für den Monat Juni 2013 zu. Die Ausschlussfrist aus § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei durch den rechtzeitigen Klageeingang und die „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgte Zustellung der Klageschrift gewahrt.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, ihm 253,50 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2014 zu zahlen.

7

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag mit der Auffassung begründet, § 167 ZPO finde auf die Ausschlussfrist aus § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine Anwendung.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Der Differenzentgeltanspruch des Klägers für den Monat Juni 2013 ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L verfallen.

A. Dem Kläger stand für den Monat Juni 2013 ein Differenzentgeltanspruch in Höhe von 253,50 Euro brutto zu. Hierüber sind sich die [X.]en einig.

B. Dieser Anspruch ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L, der für das Arbeitsverhältnis der [X.]en aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbar ist, verfallen.

I. Nach § 37 Abs. 1 TV-L ist ein Anspruch innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen; andernfalls ist er verfallen. Die Fälligkeit von Monatsentgeltansprüchen bestimmt sich nach § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.] Danach erfolgt die Zahlung am letzten [X.] für den laufenden Kalendermonat. Soweit - wie hier - ein Entgeltanspruch für den Monat Juni 2013 in Rede steht, ist dieser danach am 30. Juni 2013 fällig. Der für die schriftliche Geltendmachung vorgesehene Sechs-Monats-[X.]raum endet damit mit Ablauf des 30. Dezember 2013 (§ 187 Abs. 1 iVm. § 188 Abs. 2 [X.]).

II. Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist nicht eingehalten. Er hat den Anspruch nicht bis zum 30. Dezember 2013 schriftlich geltend gemacht.

1. Eine anzuwendende oder geltende tarifliche Verfallfrist ist von Amts wegen zu beachten. Der Schuldner muss sich nicht auf ihre Wirkung berufen, da es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt (st. [X.]., vgl. schon [X.] 15. März 1960 - 1 [X.] - zu III der Gründe).

2. Ein einmal entstandener Anspruch, der von einer tariflichen Verfallklausel erfasst wird, geht mit dem ungenutzten Verstreichenlassen der Frist unter, ohne dass es einer weiteren rechtsgeschäftlichen Handlung des Schuldners bedarf (st. [X.]., vgl. nur [X.] 11. Juli 1990 - 5 [X.] - zu III 2 a der Gründe, [X.]E 65, 264).

3. Maßgebender [X.]punkt für die Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist gem. § 37 Abs. 1 TV-L ist der Zugang der schriftlichen Geltendmachung beim Arbeitsvertragspartner.

a) Die Geltendmachung eines Anspruchs im Sinne der tariflichen Ausschlussklauseln ist keine Willenserklärung iSv. § 130 [X.], die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge kraft rechtsgeschäftlichen Willens gerichtet ist. Sie ist aber eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, die die durch den Tarifvertrag angeordnete Rechtsfolge herbeiführen will. Auf solche sind die Vorschriften über die Willenserklärung entsprechend ihrer Eigenart anzuwenden (vgl. nur [X.] 11. Oktober 2000 - 5 [X.] - zu II 2 b bb der Gründe [X.], [X.]E 96, 28; 11. Dezember 2003 - 6 [X.] - zu I 1 a der Gründe, [X.]E 109, 100).

b) Danach kommt es für die Feststellung des [X.]punkts der Geltendmachung entsprechend § 130 [X.] auf den Zugang beim Schuldner an.

4. Der Kläger hat die streitige Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013 nicht bis zum 30. Dezember 2013 geltend gemacht. Eine entsprechende schriftliche Forderung ist dem beklagten Land bis dahin nicht zugegangen. Die erste im tariflichen Sinne ordnungsgemäße Geltendmachung der noch streitigen Forderung ist in der Klageschrift enthalten, mit der der Kläger den vorliegenden Rechtsstreit eingeleitet hat. Diese ist dem beklagten Land jedoch erst am 7. Januar 2014 mit der Zustellung der Klageschrift zugegangen.

5. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er die Klageschrift bereits am 18. Dezember 2013 beim [X.] eingereicht hat. § 167 ZPO, nach dem die fristwahrende Wirkung einer Zustellung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, ist auf die außergerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist nicht anzuwenden.

a) Die Anwendbarkeit des § 167 ZPO auf eine außergerichtliche schriftliche Geltendmachung ist umstritten.

aa) In der älteren Rechtsprechung des [X.] und in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, § 167 ZPO komme grundsätzlich nur in den Fällen zur Anwendung, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne. Demgegenüber wurde die Vorschrift in Fällen nicht für anwendbar gehalten, in denen durch die Zustellung die auch durch außergerichtliche Geltendmachung zu wahrenden Fristen eingehalten werden sollten. Nur in Ausnahmefällen - wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die zu wahrende Frist ergab, einer eingeschränkten Anwendung der Rückwirkungsregelung entgegenstand - sollte anderes gelten (vgl. nur [X.] 21. Oktober 1981 - [X.] - zu II 2 und 3 der Gründe; 11. Oktober 1974 - V ZR 25/73 - zu II 2 der Gründe; aus der Literatur [X.]/[X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 167 Rn. 3; Musielak/[X.] ZPO 5. Aufl. § 167 Rn. 2; MünchKomm-ZPO-Lüke 1. Aufl. § 270 Rn. 21 und 26; [X.]/[X.]/[X.] Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 75 Rn. 8).

Das [X.] hat diese Auffassung im Grundsatz geteilt. Es hat insbesondere bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen stets entschieden, dass es dann, wenn der Gläubiger die Möglichkeit hat, die Ausschlussfrist auch in anderer Form - zB durch einfaches Schreiben - einzuhalten, aber dennoch die Form der Klage wählt, zu seinen Lasten geht, wenn die Klageschrift nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist dem Schuldner zugestellt wird ([X.] 19. Juni 2007 - 1 [X.] - Rn. 31; 25. September 1996 - 10 [X.] - zu II 3 und 4 der Gründe; 8. März 1976 - 5 [X.] - zu 3 a der Gründe; 18. Januar 1974 - 3 [X.] - zu II 3 der Gründe, [X.]E 25, 475; 4. November 1969 - 1 [X.] - zu 1 der Gründe; ebenso noch 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 27, [X.]E 142, 143, für die Frist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG, unter Berufung auf 8. März 1976 - 5 [X.] - zu 3 a der Gründe). In diesen Fällen bedürfe der Anspruchsteller nicht der Mitwirkung des Gerichts und deshalb auch nicht des Schutzes davor, dass eine Verzögerung innerhalb des von ihm nicht zu beeinflussenden Gerichtsbetriebs eintrete (vgl. nur [X.] 8. März 1976 - 5 [X.] - aaO; 4. November 1969 - 1 [X.] - zu 1 der Gründe).

bb) Der [X.] hat mit Urteil vom 17. Juli 2008 (- I [X.]/05 - Rn. 21 ff. [X.], [X.]Z 177, 319; fortgeführt im Hinblick auf die Wahrung der in § 545 [X.] bestimmten Frist mit Urteil vom 25. Juni 2014 - [X.] - Rn. 28) seine Rechtsprechung zur Anwendung von § 167 ZPO auf eine außergerichtliche fristgebundene Geltendmachung aufgegeben und angenommen, § 167 ZPO sei grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden solle, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könne. Zur Begründung hat er dabei vor allem auf Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abgestellt. Der Wortlaut des § 167 ZPO biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zustellung davon abhänge, ob mit ihr eine nur gerichtlich oder auch eine außergerichtlich geltend zu machende Frist gewahrt werden solle und ob die Zustellung durch Vermittlung des Gerichts oder eines Gerichtsvollziehers (§ 132 [X.]) erfolge. Wer mit der Klage „die stärkste Form der Geltendmachung“ von Ansprüchen wähle, müsse sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahre. Zugleich hat der [X.] betont, Sinn und Zweck der Regelung könnten bei einzelnen Fristen einer Rückwirkung der Zustellung ausnahmsweise entgegenstehen, so dass von dem Grundsatz der Anwendung des § 167 ZPO auch auf Fristen, die durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnten, Ausnahmen zuzulassen seien (vgl. [X.] 17. Juli 2008 - I [X.]/05 - Rn. 25, aaO).

cc) Das [X.] hat diese Frage nach der Rechtsprechungsänderung des [X.]es im Ergebnis uneinheitlich entschieden. Der [X.] hat sich mit Urteil vom 22. Mai 2014 (- 8 [X.] - Rn. 14, [X.]E 148, 158) für die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des [X.] ausdrücklich angeschlossen. Der [X.] [X.]s hat dagegen mit Urteil vom 21. Oktober 2014 (- 3 [X.] - Rn. 16 ff., [X.]E 149, 326) entschieden, § 167 ZPO sei auf die Rügefrist nach § 16 [X.] nach Sinn und Zweck dieser Fristbestimmung nicht anwendbar.

b) [X.] schließt sich der Rechtsprechungsänderung des [X.]es für den Fall der Wahrung tariflicher Ausschlussfristen nicht an, sondern hält an der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s fest.

aa) Der Senat hat bereits grundsätzliche Bedenken gegen die Auffassung, § 167 ZPO sei in der Regel auch in den Fällen anzuwenden, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch eine außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. Die vom [X.] vorgenommene allgemeine Änderung des [X.] bei der Anwendung von § 167 ZPO auf materiell-rechtliche Fristen begegnet nach dieser Auffassung grundlegenden Bedenken.

(1) Wenn eine Willenserklärung zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs beim Empfänger bedarf, ist für den [X.]punkt ihres Wirksamwerdens der Zugang beim Empfänger selbst maßgebend (§ 130 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dies gilt auch für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen, wie etwa die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung von tariflichen Ausschlussfristen (vgl. [X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 17, 21, [X.]E 148, 158; 26. Februar 2003 - 5 [X.] - zu II 3 a der Gründe, [X.]E 105, 181). Soll durch die Erklärung eine Frist gewahrt werden, trägt grundsätzlich der Erklärende und nicht der Erklärungsempfänger das Risiko einer nicht fristgerechten Übermittlung der Erklärung. Bedient sich der Erklärende zur Übermittlung eines [X.], so fällt ihm auch in diesem Fall das Risiko einer verspäteten Übermittlung zu (so schon [X.] 8. März 1976 - 5 [X.] - zu 3 b der Gründe). Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Empfangstheorie basiert auf einer sachgerechten Verteilung der mit der Übermittlung einer Erklärung zwischen Abwesenden zwangsläufig verbundenen Risiken des Verlusts, der Entstellung und der Verzögerung. Jeder Beteiligte soll das überwiegend von ihm zu beherrschende Risiko tragen. Mit dem Begriff des Zugangs ist dafür ein [X.]punkt bezeichnet, der eine Zäsur bei der Risikoverteilung markiert. Ab diesem Moment endet das Übermittlungsrisiko des Erklärenden, während die Verantwortung für die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger bei diesem liegt (so zutreffend [X.]/[X.]/[X.] [X.] 2012 § 130 Rn. 8).

(2) Dieser Grundsatz galt ursprünglich auch für die Wahrung einer gerichtlichen Klagefrist; Ausnahmen galten nur für die durch das Gericht vorzunehmenden Auslands- und öffentlichen Zustellungen (vgl. dazu det. [X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 34, [X.]E 143, 50). Die gesetzliche Einführung der Zustellung von Amts wegen im amtsgerichtlichen Verfahren im Jahre 1909 entzog dieser Risikoverteilung die Grundlage, da nunmehr der Kläger mit der Einreichung der Klageschrift die Herrschaft über die Zustellung an den Beklagten verloren hatte. Dementsprechend konnte ihm das Risiko einer verspäteten Zustellung nicht mehr auferlegt werden. Dem trug die Einführung der Regelung von § 167 ZPO (früher: § 270 Abs. 3 aF bzw. § 261b Abs. 3 aF bzw. § 496 Abs. 3 ZPO aF) dadurch Rechnung, dass es für die Fristwahrung ausreichen sollte, wenn die Klage innerhalb der Frist bei dem von Gesetzes wegen mit der Zustellung allein betrauten Gericht einging. In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs war ausgeführt, da die Zustellungen mit der Einführung des [X.]es „der Einwirkung und insbesondere der Beschleunigung seitens der [X.]en entzogen [werden], so muss Sorge dafür getragen werden, dass in den Fällen, in welchen die Zustellung zur Wahrung einer Frist oder zur Unterbrechung der Verjährung erforderlich ist, der [X.]raum, den die Ausführung der Zustellung nach der Einreichung oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung durch die [X.] noch in Anspruch nimmt, dieser nicht zum Nachteile gereiche“ (Verhandlungen des Reichstages 1908 Bd. 246 Aktenstück Nr. 735 S. 4568).

Nachdem der [X.] mit der [X.] vom 12. Januar 1943 auch für das landgerichtliche Verfahren eingeführt worden war, wurde im Jahre 1950 die bisher nur für die Amtsgerichte getroffene Regelung in § 261b Abs. 3 ZPO auch für das landgerichtliche Verfahren übernommen (vgl. Amtliche Begründung der Vereinheitlichungsnovelle von 1950, Anlage 1a der [X.]. 1/530 S. 17, wonach der neu eingefügte § 261b ZPO „eine Folge des [X.]es“ ist). Diese Regelung hatte den Zweck, den [X.]en, die bis dahin die Zustellungen im Prozess selbst besorgten und deshalb deren [X.]punkt zuverlässig selbst bestimmen konnten, das von ihnen nicht mehr kalkulierbare Risiko einer Verspätung der amtlichen Zustellung abzunehmen, indem bestimmt wurde, dass die Zustellung auf den [X.]punkt der Einreichung des Antrags bei Gericht zurückwirken sollte (zu dieser Entstehungsgeschichte [X.] 8. November 1979 - [X.]/79 - zu II 2 a der Gründe, [X.]Z 75, 307).

(3) Dass die in § 167 ZPO geregelte Ausnahme von der grundsätzlichen Risikoverteilung zwischen dem Erklärenden und dem Empfänger der Erklärung allein auf dem Grundgedanken der Nicht-Zurechenbarkeit von Verzögerungen bei der gerichtlichen Zustellung beruht, zeigt sich auch in der Rechtsprechung zu dem an sich zeitbezogenen Merkmal „demnächst“. Tatsächlich wird dieses Tatbestandsmerkmal nicht, wie der Wortlaut nahelegt, anhand des real verstrichenen [X.]raums zwischen Einreichung der Klage und ihrer Zustellung überprüft. Soweit der Erklärende nicht zu einer ihm und nicht dem Gericht zuzurechnenden Verzögerung beigetragen hat, wird selbst für [X.]räume von mehr als zwei Jahren angenommen, die Zustellung sei „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt. Das Tatbestandsmerkmal hat seine Bedeutung nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]es dagegen nahezu ausschließlich für den Fall einer zusätzlichen, vom Erklärenden verschuldeten Verzögerung der Zustellung. Denn eine Zustellung ist danach dann „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt, „wenn sich die der [X.] zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten“ (so aus jüngster [X.] beispielhaft [X.] 25. September 2015 - [X.] -; ebenso 10. Juli 2015 - [X.] - Rn. 5; 20. Mai 2015 - IV ZR 127/14 - Rn. 25; 5. November 2014 - III ZR 559/13 -; 15. November 2012 - I ZR 86/11 -; ebenso [X.] 20. Februar 2014 - 2 [X.] - Rn. 35, [X.]E 147, 227 für eine Kündigungsschutzklage). Sinn und Zweck von § 167 ZPO erfordern, eine Zustellung als „demnächst“ anzusehen, „wenn die [X.] … unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat“ ([X.] 3. September 2015 - III ZR 66/14 - Rn. 15 [X.]). Hat der [X.] die Zustellung nicht vorwerfbar oder nur geringfügig, dh. nicht mehr als 14 Tage oder wenig darüber (vgl. nur [X.] 30. März 2012 - V ZR 148/11 - Rn. 7 [X.]) verzögert, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten ([X.] 12. Januar 2016 - II ZR 280/14 - Rn. 10 [X.]). So wird ein Mitverschulden des Erklärenden an einer - bei der gerichtlichen Zustellung verursachten - Verzögerung (zB fehlerhafte Anschriftenangabe, keine Einzahlung des [X.]) unter dem Tatbestandsmerkmal „demnächst“ geprüft, obwohl sich dies allein auf den verstrichenen [X.]raum und nicht auf dessen Verursachung durch den Erklärenden bezieht. Die dem Gericht oder den objektiven Verhältnissen anzulastenden Verzögerungen, welcher Dauer auch immer, bleiben dagegen im Regelfall ohne Auswirkungen auf die Anwendung des § 167 ZPO und werden bei der Berechnung der dem Anspruchsteller selbst anzulastenden Verzögerung - ggf. tageweise - herausgerechnet, und damit für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „demnächst“ gerade nicht herangezogen (beispielhaft [X.] 10. Juli 2015 - [X.] - Rn. 6 und 8 f.; vgl. weiter instruktiv zB die Kasuistik bei [X.]/[X.] ZPO 31. Aufl. § 167 Rn. 15 und bei [X.] 4. Aufl. § 167 Rn. 9 bis 16). Diese Auslegung bestätigt den Charakter der Norm als typisierte Risikoverteilung nach den jeweiligen Sphären, wenn eine gerichtliche Zustellung notwendig ist.

(4) Der Wortlaut des § 167 ZPO begrenzt den Anwendungsbereich weiterhin dadurch, dass die zu wahrende Frist gerade „durch die Zustellung“ gewahrt werden soll (so grundsätzlich auch [X.]/Schütze/[X.] ZPO 4. Aufl. § 167 Rn. 6). Zustellung ist nach der Legaldefinition in § 166 Abs. 1 ZPO die förmliche Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person im Sinne der Zustellvorschriften der ZPO. Die prozessuale Zustellung als Staatshoheitsakt (so [X.]/[X.]/[X.] Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 72 Rn. 3) ist grundsätzlich zu trennen vom materiell-rechtlichen Zugang einer Willens- bzw. rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung. Die Zustellung verlangt weder eine Übergabe noch die Möglichkeit zur Kenntnisnahme. Die in der zuzustellenden Urkunde enthaltenen materiell-rechtlichen Erklärungen sind als solche regelmäßig nicht Gegenstand der Zustellung. Geht es um die Geltendmachung einer Ausschlussfrist als rechtsgeschäftsähnliche Handlung (vgl. [X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 21, [X.]E 148, 158), kann der fristwahrende Zugang zwar „anlässlich“ oder „bei Gelegenheit“ der prozessualen Zustellung einer Klageschrift erfolgen, aber grundsätzlich nicht „durch“ die Zustellung. Grund der Fristwahrung ist der materiell-rechtlich innerhalb der Frist erfolgte Zugang der (formgerechten) rechtsgeschäftsähnlichen Handlung und nicht die prozessrechtlich wirksame Zustellung des Dokuments. Dies wird besonders deutlich am Beispiel solcher Erklärungen, deren Inhalt nicht in einem Klageantrag enthalten ist, sondern an anderer Stelle des Schriftsatzes, wie etwa sog. Schriftsatzkündigungen in [X.] (vgl. dazu [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. § 123 Rn. 18). Lediglich dann, wenn eine gerichtliche Geltendmachung zwingend vorgeschrieben ist, wie dies Tarifverträge mit einer sog. zweiten Stufe nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung häufig vorsehen, ist der Grund der Fristwahrung nach dem tarifvertraglichen [X.] die Zustellung der Klageschrift selbst. In diesem Fall wird die Frist „durch die Zustellung“ gewahrt. Dass das Vertrauen eines Erklärenden in den Wortlaut des § 167 ZPO auch bei materiell-rechtlichen Erklärungen schützenswert ist, wie der [X.] annimmt, bedeutet hingegen nicht, dass der juristische Kontext des Begriffs der „Zustellung“ außer [X.] gelassen und ein allgemein-umgangssprachliches Verständnis unter Einschluss jedweder Form des Zugangs einer Erklärung zur - nahezu alleinigen - argumentativen Grundlage für eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s gemacht werden kann.

(5) Mit der klageweise Geltendmachung einer Forderung liegt nach Auffassung des Senats im Übrigen keineswegs die „stärkste Form der Geltendmachung“ (so aber [X.] 17. Juli 2008 - I [X.]/05 - Rn. 25, [X.]Z 177, 319; [X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 20, [X.]E 148, 158) vor, wobei die Klageerhebung ohnehin keine „Form“ iSv. §§ 126 ff. [X.] darstellt (zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen durch Telefax [X.] 11. Oktober 2000 - 5 [X.] - [X.]E 96, 28 und durch E-Mail [X.] 7. Juli 2010 - 4 [X.] - [X.]E 135, 80). Für die Annahme eines Stufenverhältnisses in qualitativer Hinsicht besteht bei der Wahrung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen kein Anlass. Dies gilt insbesondere für Willenserklärungen oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen, die zu ihrer gestaltenden Wirkung innerhalb einer bestimmten Frist ausgesprochen werden müssen. So ist die Erklärung einer fristlosen Kündigung gem. § 626 [X.] in einem dem Arbeitnehmer anschließend zugestellten Schriftsatz an das [X.] keineswegs eine „stärkere Form“ des Ausdrucks des Willens, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden, so dass auch insoweit die [X.] des § 626 Abs. 2 [X.] nicht allein durch die - „fristgerechte“ - Einreichung eines entsprechenden Schriftsatzes gewahrt sein dürfte.

(6) Auch § 132 Abs. 1 [X.] iVm. §§ 191, 192, 167 ZPO zwingen nicht zu einer hiervon abweichenden Auslegung. Die vom [X.] des [X.]es in der Entscheidung vom 17. Juli 2008 vertretene Auffassung, bereits die Übergabe eines eine Willenserklärung enthaltenen Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher wahre - bei demnächstiger Zustellung - die Frist (arg. § 130 iVm. § 132 Abs. 1 [X.] iVm. §§ 191, 192 iVm. § 167 ZPO, [X.] 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 24, [X.]Z 177, 319), ist dort nicht näher begründet worden und wird im Schrifttum nicht allgemein geteilt (zB [X.][X.] ZPO 22. Aufl. § 167 Rn. 3; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 1 Rn. 1819; [X.] [X.] 40/2014 [X.]. 2; [X.] NZA-RR 2011, 169, 172; ausf. [X.] FS Stürner 2013 Bd. I S. 541, 573 ff.; [X.] auch [X.]/Zwanziger [X.]. 2012 § 4 Rn. 1159; [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. 2015 § 209 Rn. 39; [X.]/[X.] Tarifvertragsrecht 2. Aufl. 2013 § 7 Rn. 178; ebenso für die Wahrung kündigungsrechtlicher Fristen [X.] in [X.]/[X.]/Laber Handbuch Kündigungsrecht 2. Aufl. Teil 1 Rn. 201). Schon § 191 ZPO unterscheidet zwischen der zugelassenen und der vorgeschriebenen [X.]zustellung. Bei der vorgeschriebenen [X.]zustellung, etwa zur Wahrung der Vollziehungsfrist bei einer Unterlassungsverfügung gem. § 929 Abs. 2 ZPO, ist der Kläger gesetzlich gezwungen, die Hilfe eines Gerichtsvollziehers in Anspruch zu nehmen. Dagegen kann § 167 ZPO nicht unbesehen auf Fälle angewendet werden, in denen das Tätigwerden des Erklärenden im eigenen Wirkungskreis nicht auf diese Weise begrenzt ist. Wenn der bloße Zugang einer materiell-rechtlichen Willenserklärung nach § 130 [X.] „zur Fristwahrung“ genügt und es einer Zustellung nicht bedarf, kommt nach Auffassung des Senats eine „entsprechende Anwendung“ (§ 191 ZPO) jedenfalls nicht als Regelfall in Betracht ([X.][X.] aaO; ähnlich [X.] aaO).

Dies gilt besonders im Arbeitsrecht. Dort muss der Ablauf von materiell-rechtlichen Fristen von den dadurch Begünstigten zumeist in sicherer Weise selbst festgestellt werden können. Ein Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt ist, muss nicht damit rechnen, dass ihm nach Ablauf der Wartefrist des § 1 Abs. 1 [X.] eine Kündigung zugeht und er sich allein aufgrund der Regelungen über prozessuale Fristen so behandeln lassen muss, als sei sie ihm bereits vor Ablauf der Frist zugegangen, mit der Folge, dass für ihn kein materieller Kündigungsschutz nach dem [X.] besteht. Gleiches gilt für den Zugang einer außerordentlichen Kündigung im [X.]raum von zwei Wochen nach Kenntnisnahme des Kündigenden gem. § 626 Abs. 2 [X.] oder für den Zugang einer nachträglichen Mitteilung der Schwangerschaft gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, bei der im Übrigen die zweiwöchige Erklärungsfrist ihrerseits gerade mit dem Zugang der Kündigung beginnt. Außerordentlich problematisch erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung nach § 4 Satz 1 [X.] innerhalb einer Frist von drei Wochen „nach Zugang der schriftlichen Kündigung“ Klage erheben muss, wenn man nicht zwei verschiedene Zugangszeitpunkte iSv. §§ 130, 132 [X.] fingieren will. Der mit der Fristbestimmung verbundene Zweck besteht in diesen Fällen gerade darin, dem Empfänger einer solchen außergerichtlichen Erklärung Rechtssicherheit über den gesetzlich oder tariflich vorgesehenen Eintritt der mit dem Verstreichen der Frist verbundenen Rechtsfolge zu geben. Deshalb ist aus Sicht des Senats die Begründung des [X.]es für seine Rechtsprechungsänderung mit „Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes“ ([X.] 17. Juli 2008 - I [X.]/05 - Rn. 25, [X.]Z 177, 319; ihm folgend [X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 20, [X.]E 148, 158) nicht überzeugend. Gerade die Rechtssicherheit ist vom [X.] stets ausdrücklich und zutreffend für die gegenteilige Ansicht herangezogen worden (vgl. nur [X.] 17. Juni 1998 - 2 [X.] - zu II 1 der Gründe, [X.]E 89, 149; 19. Juni 1986 - 2 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, zur Vorbehaltsannahme einer Änderungskündigung nach § 2 [X.]; 8. März 1976 - 5 [X.] - zu 4 c der Gründe).

bb) Es bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Klärung dieser allgemeinen Streitfrage. Denn der Senat stellt im Ergebnis streitentscheidend darauf ab, dass es jedenfalls für die Wahrung einer tariflichen Verfall- oder Ausschlussfrist grundsätzlich erforderlich ist, dass das Geltendmachungsschreiben dem Empfänger zugegangen ist; § 167 ZPO findet in diesen Fällen regelmäßig keine Anwendung. Das ergibt sich - unter ergänzender Heranziehung der bereits dargelegten allgemeinen Gesichtspunkte - entscheidend aus den Besonderheiten des Arbeitsrechts iVm. der Auslegung tariflicher Verfallfristenregelungen.

(1) Tarifliche Ausschlussfristen sind seit jeher als dem Arbeitsverhältnis innewohnende Besonderheiten anerkannt. Sie dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (st. [X.]., vgl. nur [X.] 18. Februar 2016 - 6 [X.] - Rn. 16 [X.]) und sollen zu der im Arbeitsleben besonders gebotenen raschen Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte führen ([X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - zu IV 5 der Gründe, [X.]E 115, 19, als eine der „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 [X.]). Sie haben einen Mahn-, Warn- und Verständigungseffekt ([X.] 22. Januar 2008 - 9 [X.] - Rn. 34 [X.]). Mit ihrer Wirkung schaffen sie Rechtssicherheit und Rechtsfrieden ([X.] 7. Juli 2010 - 4 [X.] - Rn. 94 [X.], [X.]E 135, 80). So soll insbesondere im Fall noch ausstehender nicht erkennbarer Entgeltansprüche der Arbeitgeber in der tariflich bestimmten Frist erfahren, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer noch Forderungen erhebt ([X.] 8. Juni 1983 - 5 [X.] - zu 2 b der Gründe, [X.]E 43, 71). Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der tariflichen Verfallfristen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden ([X.] 28. Juli 2010 - 5 [X.] - Rn. 18, [X.]E 135, 197; 18. August 2011 - 8 [X.] - Rn. 26; 14. März 2012 - 10 [X.] - Rn. 40). Es ist der Zweck einer jeden tariflichen Ausschlussfrist zu erreichen, dass der Schuldner über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Forderung nicht länger als notwendig im Unklaren gelassen wird ([X.] 4. November 1969 - 1 [X.] - zu 1 der Gründe). Umgekehrt soll der Gläubiger angehalten werden, innerhalb kurzer Fristen die Begründetheit seiner Ansprüche zu prüfen ([X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 14). Die [X.]en werden nach Fristablauf davon befreit, Rückstellungen zu bilden und Beweismittel vorzuhalten ([X.] 14. Januar 2009 - 5 [X.] - Rn. 15; 16. Januar 2013 - 10 [X.] 863/11 - Rn. 30 [X.], [X.]E 144, 210; 18. Februar 2016 - 6 [X.] - aaO). Ist - wie vorliegend - ein öffentlicher Arbeitgeber betroffen, soll er in der Lage sein, notwendige Haushaltsmittel so zu veranschlagen, dass Nachforderungen in engen Grenzen gehalten werden können ([X.] 18. November 2004 - 6 [X.] 512/03 - zu 4 der Gründe). Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien hat nach diesem Zweck regelmäßig das Interesse des Schuldners an rechtzeitiger Klarheit Vorrang ([X.] Ausschlussfristen im Tarifrecht Kapitel 6 Rn. 99 [X.]).

(2) Dieser den tariflichen Verfallfristen von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer grundrechtlich geschützten Tarifautonomie zugewiesene allgemeine Zweck liegt auch der im Streitfall anzuwendenden Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L zugrunde (vgl. [X.] TV-L/Bepler Stand 1. März 2016 § 37 Rn. 2; [X.] TVöD/TV-L 3. Aufl. § 37 TV-L Rn. 3; [X.]/Neffke/Gerretz TVöD/TV-L 4. Aufl. § 37 TV-L Rn. 2).

(3) Der so von den Tarifvertragsparteien bestimmte Sinn und Zweck von Ausschlussfristen würde vereitelt, wenn der Schuldner des Anspruchs auch nach Ablauf der Frist eine - möglicherweise als „demnächst“ erfolgende - gerichtliche Zustellung des [X.] zu gewärtigen hätte.

(a) Das ergibt sich schon daraus, dass die durch die - nicht erforderliche - Inanspruchnahme des Gerichts eingetretene Verzögerung zeitlich nicht einzugrenzen ist. Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt in zeitlicher Hinsicht keine absolute Grenze ([X.] 13. November 2014 - 6 [X.] 869/13 - Rn. 46, [X.]E 150, 22; 20. Februar 2014 - 2 [X.] - Rn. 35, [X.]E 147, 227, jeweils [X.]). Auch eine mehrmonatige Verzögerung ist insoweit folgenlos ([X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 31 [X.], [X.]E 143, 50), da dieses Merkmal bereits grundsätzlich nicht der Bestimmung einer zeitlichen Begrenzung bei der Beurteilung einer Verzögerung durch das Gericht dient, sondern dem ganz anderen Element des Verschuldens des Erklärenden an einer weiteren, darüber hinausgehenden Verzögerung. Diese Auffassung führte in der Vergangenheit zu der Annahme einer fristwahrenden Zustellung nach teilweise erheblichen [X.]räumen zwischen Klageeingang und Zustellung, zB dreieinhalb Monate ([X.] 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92 - zu II 2 der Gründe), fast vier Monate ([X.] 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - zu II 3 a der Gründe, [X.]Z 145, 358), fünf Monate ([X.] 10. April 2014 - 2 [X.] 741/13 - Rn. 53; [X.] 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 17, [X.]Z 168, 306), fast acht Monate ([X.] 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6), neun Monate ([X.] 7. April 1983 - III ZR 193/81 - zu II 1 der Gründe), zehn Monate ([X.] 15. Februar 2012 - 10 [X.] 711/10 - Rn. 46; [X.] 26. September 1957 - II ZR 267/56 - zu II 1 a der Gründe, [X.]Z 25, 250), neunzehn Monate ([X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - [X.]E 143, 50) und bis zu mehr als 28 Monate ([X.] 18. August 1987 - 3 UF 255/86 -).

Dem steht für die Wirkungsweise von außergerichtlichen tariflichen Ausschlussfristen die in der jahrzehntelangen Rechtsprechung des [X.]s gesicherte Auffassung entgegen, dass eine tarifliche Ausschlussfrist, die häufig nur zwei Monate beträgt (vgl. zB in der Bauwirtschaft § 14 Abs. 1 BRTV Bau), für eine klare und schnelle Klärung der wechselseitigen Ansprüche sorgen soll. Dieses Ziel ist dann evident nicht mehr gewahrt, wenn ein Schuldner - ohne jede Kenntnis einer Geltendmachung - gewärtigen muss, auch nach Ablauf eines Vielfachen der Ausschlussfrist von der Geltendmachung eines Anspruchs überrascht zu werden. Dies entspricht nicht dem den tariflichen Ausschlussfristen von den Tarifvertragsparteien beigemessenen Sinn und Zweck. Die Annahme der Anwendbarkeit von § 167 ZPO auf die Wahrung tariflicher Verfallfristen durch ein außergerichtliches Schreiben vernachlässigt die Perspektive des Schuldners grundlegend (zur Bewertung der Interessen von Gläubiger und Schuldner in der neuen [X.]. des [X.] ausf. [X.] FS Stürner S. 541, insbes. 566 ff.). Dabei sind die Verfallfristen vorwiegend zur Rechtssicherheit in seinem - jeweiligen - Bereich geschaffen worden. Die hierin zum Ausdruck kommende Absicht der Tarifvertragsparteien würde konterkariert, wenn gerade durch die Möglichkeit der in § 167 ZPO für fristenwahrende Zustellungen angelegten Rückwirkung auch bei der tariflichen Verfallfrist eine zusätzliche Rechtsunsicherheit geschaffen werden würde, die nach ihrem Willen für den Schuldner nur für einen ganz bestimmten, von ihnen selbst festgelegten [X.]raum besteht, dann aber endgültig beseitigt sein sollte.

Im Übrigen differenzieren die Tarifvertragsparteien gerade bei Ausschlussfristen häufig zwischen der außergerichtlichen Geltendmachung als erster Stufe und der anschließenden gerichtlichen Geltendmachung als zweiter Stufe (vgl. zB im Bereich der Bauwirtschaft § 14 BRTV Bau). Dabei dient die erste Frist der schnellen Information über Inhalt und Umfang des erhobenen Anspruchs. Innerhalb der folgenden Klagefrist ist dann, dh. nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung klarzustellen, dass sich der Gläubiger damit nicht begnügen will ([X.] 22. Januar 2008 - 9 [X.] - Rn. 34; 23. Februar 1977 - 3 [X.] 764/75 - zu 4 der Gründe). Diese unterschiedliche Funktion der beiden Fristen lässt eine Anwendung des für die gerichtliche Geltendmachung vorgesehenen § 167 ZPO bereits auf der ersten Stufe der außergerichtlichen Geltendmachung nicht zu.

(b) Es kommt hinzu, dass die fristwahrende Wirkung gem. § 167 ZPO auch dann noch angenommen wird, wenn es - über eine ggf. mit der Zustellung verbundenen Verzögerung hinaus - aufgrund schuldhaften Verhaltens des Erklärenden zu einer weiteren Verspätung bei der Zustellung kommt (vgl. dazu oben unter [X.] 5 b bb (3)). Diese müssen sich „in einem hinnehmbaren Rahmen“ halten (so die Formulierung bei [X.] 3. Februar 2011 - V ZR 44/11 -; [X.] 20. Februar 2014 - 2 [X.] - Rn. 35, [X.]E 147, 227). In der konkreten Anwendung führt diese Rechtsprechung dazu, dass verschuldete - weitere - Verzögerung in einem Umfang von 14 Tagen (so bei [X.] 10. Februar 2011 - [X.]/07 - Rn. 8 [X.]; 16. Januar 2009 - V ZR 74/08 - Rn. 16, [X.]Z 179, 230 unter Bezugnahme auf 20. April 2000 - [X.] - und 25. November 1985 - II [X.] -) als nicht hindernd angesehen wird, von einer „demnächstigen“ Zustellung auszugehen (für die Grenze von einem Monat - weiterer - Verzögerung vgl. [X.] 13. November 2014 - 6 [X.] 869/13 - Rn. 46, [X.]E 150, 22; [X.] 27. April 2006 - I ZR 237/03 - Rn. 17 [X.]). Schaltet der Anspruchsteller ein Mahnbescheidsverfahren vor, hat er selbst nach von ihm verschuldeter Zurückweisung des Antrags einen weiteren Monat [X.] für die Klageerhebung, um die fristwahrende Wirkung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids - und nicht die anschließende Klageeinreichung - herbeizuführen (§ 691 Abs. 2 ZPO).

Dies verdeutlicht den Unterschied zu der Einhaltung der tariflichen Verfallfristen. Hier bestehen - wie dargelegt aus gutem Grund - strenge Regelungen zu deren Wahrnehmung, die stets innerhalb der Frist erfolgen muss ([X.] 8. März 1976 - 5 [X.] - zu 3 c der Gründe: „der Natur der Sache nach starre Regelung einer Ausschlussfrist“). Selbst eine schuldlose Versäumung der Frist, soweit sie nicht durch widersprüchliches Verhalten des Schuldners hervorgerufen wurde (vgl. dazu zB [X.] 18. August 2011 - 8 [X.] - Rn. 46 [X.]), führt zum Verfall des Anspruchs (für § 37 TV-L: [X.] TV-L/Bepler § 37 Rn. 1), es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben ausdrücklich vorgesehen, dass eine nicht zu vertretende Verzögerung sich nicht auswirken soll (zB im [X.] für die Metall- und Elektroindustrie in [X.] vom 18. Dezember 2003 § 19 Abs. 4). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt grundsätzlich nicht in Betracht ([X.] 18. November 2004 - 6 [X.] 651/03 - zu 4 der Gründe, [X.]E 112, 351). Umso mehr muss dies für einen vom Anspruchsteller verschuldeten - auch nur kurzfristig - verspäteten Zugang des Schreibens beim Schuldner gelten. Damit lässt sich die Folgenlosigkeit desselben Verhaltens bei der - nicht erforderlichen - Wahl der Zustellung durch ein Gericht nicht vereinbaren.

cc) Der Senat ist auch nicht gehalten, die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] nach § 2 Abs. 1 iVm. § 11 [X.]EinhG oder dem [X.] des [X.]s nach § 45 ArbGG vorzulegen.

(1) Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] kommt nicht in Betracht. Dieser entscheidet nur, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will (§ 2 Abs. 1 [X.]EinhG). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Senat bezieht seine Auffassung der Nichtanwendbarkeit von § 167 ZPO streitentscheidend letztlich auf tarifvertragliche Verfallfristen und die auf sie zutreffenden Besonderheiten des Arbeitsrechts. Im Übrigen hat auch der Erste Senat des [X.]es in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2008 selbst darauf hingewiesen, dass er die Möglichkeit von Ausnahmen einer Rückwirkung gem. § 167 ZPO sieht, die sich aus dem Sinn und Zweck der jeweiligen Fristenregelung begründen können ([X.] 17. Juli 2008 - I [X.]/05 - Rn. 25 [X.], [X.]Z 177, 319).

(2) Es bedarf auch nicht der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den [X.] des [X.]s gem. § 45 ArbGG. Dessen Voraussetzungen liegen gleichfalls nicht vor.

(a) Der Senat setzt die bisherige Rechtsprechung aller Senate des [X.]s - mit Ausnahme des [X.]en Senats für die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG - fort. Auch der [X.] hat in der - nach der Rechtsprechungsänderung des [X.]es ergangenen - Entscheidung vom 21. Oktober 2014 für die von ihm zu beurteilende Rügefrist nach § 16 [X.] an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten (- 3 [X.] - Rn. 37 ff., [X.]E 149, 326).

(b) Soweit der [X.] § 167 ZPO bei einer außergerichtlichen Geltendmachung gem. § 15 Abs. 4 AGG für anwendbar erachtet hat ([X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 23 ff., [X.]E 148, 158), ist eine entscheidungserhebliche Divergenz zum entscheidenden Senat nicht gegeben. Der [X.] hat seine Entscheidung zu der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten zweimonatigen Geltendmachungsfrist getroffen. Er hat sich der im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des [X.]s stehenden geänderten Rechtsprechung des [X.]es jedoch ausdrücklich nur für den Fall eines Anspruchs nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG angeschlossen, namentlich aufgrund des besonderen Fristbeginns in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG sowie wegen § 15 Abs. 5 AGG, wonach Ansprüche aus anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben. Deshalb trete zwei Monate nach Ablehnung einer Bewerbung kein umfassendes Ende von [X.] ein und der Arbeitgeber müsse aus diesem Grund Beweismittel ohnehin länger zur Dokumentation aufbewahren ([X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 26 ff., aaO; anders zur Reichweite der Ausschlussfrist dagegen noch 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 51, [X.]E 142, 143). Dabei hat der [X.] ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er über die Anwendung von § 167 ZPO in anderen Bereichen des Arbeitsrechts nicht zu entscheiden hatte ([X.] 22. Mai 2014 - 8 [X.] - Rn. 24, aaO). Aufgrund dieser Besonderheiten besteht mit der hiesigen Senatsentscheidung über die Einhaltung einer tariflichen Verfallfrist durch ein außergerichtliches Geltendmachungsschreiben keine Divergenz zum [X.]en Senat.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 91a Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Pust    

        

    Ratayczak    

                 

Meta

4 AZR 421/15

16.03.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 17. Dezember 2014, Az: 56 Ca 18628/13, Urteil

§ 37 Abs 1 TV-L, § 167 ZPO, § 130 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. 4 AZR 421/15 (REWIS RS 2016, 14451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14451

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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