Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.09.2017, Az. 1 BvR 1510/17

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2017, 4609

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ AUFSÄTZE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ANSPRUCH AUF RECHTLICHES GEHÖR

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Entsprechende Anwendung des § 155 Abs 2 S 2 SGG im sozialgerichtlichen Berufungsverfahren trotz fehlender Dringlichkeit verletzt Recht auf gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) - Ablehnung der Auslagenerstattung für erledigtes eA-Verfahren - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 12. Juni 2017 - L 18 AL 78/17 B ER - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf [X.] aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das [X.] zu erstatten.

3. In diesem Umfang erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung der Rechtsanwältin [X.]; im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

4. [X.] wird für das [X.] auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen landessozialgerichtlichen Beschluss im Eilverfahren, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, ihm Berufsausbildungsbeihilfe vorläufig zu gewähren, durch den Vorsitzenden des Senats allein - an Stelle des Senats in regulärer Besetzung für das Beschlussverfahren mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern - unter Aufhebung der stattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung abgelehnt wurde.

2

1. Der am … 1980 geborene Beschwerdeführer, afghanischer Staatsbürger, stellte am 24. August 2015 einen Asylantrag. Gegen den Ablehnungsbescheid des [X.] ([X.]) ist nach Angaben des Beschwerdeführers bei dem Verwaltungsgericht … eine Klage - VG 4 K 3022/16.A - anhängig. Er absolviert seit dem 10. Oktober 2016 - voraussichtlich bis zum 9. Oktober 2018 - eine betriebliche Ausbildung zum Fachlageristen und verfügt über eine bis zum 9. Oktober 2018 verlängerte Aufenthaltsgestattung.

3

Die dem Beschwerdeführer nach dem [X.] ([X.]) bewilligten Leistungen wurden durch Bescheid vom 6. Dezember 2016 zum 1. Dezember 2016 gemäß § 2 [X.] in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ([X.]) eingestellt, da die begonnene Ausbildung durch Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 57 [X.] ([X.]) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Ein besonderer Härtefall gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 [X.] liege nicht vor. Der gegen die Leistungseinstellung erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2017 zurückgewiesen.

4

2. Der bei der [X.] gestellte Antrag auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe vom 9. Dezember 2016 wurde durch Bescheid vom 6. Januar 2017 abgelehnt, der hiergegen erhobene Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2017 zurückgewiesen. Die Leistungsvoraussetzungen lägen nicht vor, da der Beschwerdeführer nicht unmittelbar gemäß § 59 [X.] förderungsfähig und entgegen § 132 Abs. 1 Satz 1 [X.] sein dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten sei. Sein Herkunftsland [X.] habe eine [X.] von nicht über 50 Prozent, so dass von einer guten Bleibeperspektive nicht auszugehen sei.

5

3. Der Beschwerdeführer stellte bei dem Sozialgericht … am 15. März 2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung vorläufiger Leistungen - [X.]/17 ER - und erhob entsprechende Klage in der Hauptsache - [X.] AL 65/17 -. Er machte geltend, einen Anspruch auf Förderung gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu haben.

6

Das Sozialgericht … verpflichtete die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 3. Mai 2017, dem Beschwerdeführer ab dem 15. März 2017 bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Berufsausbildungsbeihilfe für die Ausbildung zum Fachlageristen unter Anrechnung der gewährten Ausbildungsvergütung dem Grunde nach zu gewähren. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus §§ 56, 132 [X.]. Insbesondere sei auch zukünftig ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten (§ 60a Abs. 2 Satz 4 und § 18a Abs. 1a [X.] - [X.]).

7

4. Auf die von der Antragsgegnerin am 17. Mai 2017 erhobene Beschwerde hob das [X.] durch den mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Beschluss vom 12. Juni 2017 - L 18 AL 78/17 [X.] - den Beschluss des [X.] auf und lehnte den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Die Entscheidung wurde durch den Vorsitzenden des Senats "in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 [X.]gesetz ([X.])" allein getroffen. Eine Begründung für die entsprechende Anwendung der Norm erfolgte nicht. Der Beschwerdeführer unterfalle nicht dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 59 [X.], da er über keine Duldung verfüge. Ihm stehe auch kein Anspruch aus § 132 [X.] zu. Das Gericht schließe sich zur Auslegung des Kriteriums "Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts" dem Beschluss des [X.] vom 3. Mai 2017 - L 14 AL 52/17 [X.] -, juris, sowie dem Beschluss des [X.] vom 21. Februar 2017 - 19 CE 16.2204 -, juris, zum insoweit wortgleichen § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.] an und nehme auf diese Beschlüsse zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

8

1. Mit seiner gegen den Beschluss des [X.] erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

9

Er hält die Auslegung von § 132 [X.] durch das [X.] für willkürlich und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßend, da letztlich allein auf die [X.] abgestellt werde, ohne seine individuellen Aufenthaltsrechte (§ 60a Abs. 2 Sätze 4 und 3 [X.] und § 18a Abs. 1a [X.]) mit in den Blick zu nehmen. Das [X.] habe die Rechtslage im Einzelfall nicht eigenständig geprüft und pauschal auf die Rechtsprechung zu § 44 Abs. 4 [X.] Bezug genommen.

Der Beschluss verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, da der Vorsitzende des Senats allein entschieden habe, ohne dass die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 155 Abs. 2 Satz 2 [X.] vorgelegen hätten. Hierbei handele es sich nicht nur um eine mehr oder weniger irrtümliche Überschreitung der durch das [X.]gesetz gezogenen Grenzen, sondern vielmehr um eine willkürliche und offensichtlich unhaltbare Auslegung. Selbst wenn eine Anwendung der Norm auch im Verfahren der Beschwerde möglich sein sollte, sei jedenfalls ein dringender Fall im Sinne von § 155 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht gegeben. Das [X.] habe nicht dargelegt, dass ein Abwarten auf eine Entscheidung durch den Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern unzumutbar ist. Dabei hätte es auch in den Blick nehmen müssen, dass dem Beschwerdeführer auf Grundlage des Beschlusses des [X.] einstweilen Leistungen zustanden und daher allenfalls das Interesse der Antragsgegnerin die besondere Dringlichkeit hätte begründen können. Dies könne im Ergebnis jedoch nicht der Fall sein, da das Interesse, Leistungen nicht zurückfordern zu müssen, im Rahmen folgenabwägender Entscheidungen auf Grundlage der Rechtsprechung des [X.] regelmäßig in den Hintergrund trete und daher auch vorliegend nicht den Ausschlag für die Befugnis zur alleinigen Entscheidung durch den Vorsitzenden geben dürfe. Schließlich komme der Auslegung von § 132 [X.] grundsätzliche Bedeutung zu, so dass die Entscheidung durch den Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern zu treffen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer beantragt ferner, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu bewilligen.

2. Der Beschwerdeführer hatte zunächst mit der Verfassungsbeschwerde auch beantragt, den Beschluss des [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuheben. Die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat, nachdem dem Beschwerdeführer vorläufig Berufsausbildungsbeihilfe vom 1. Juli 2017 bis zum 9. Oktober 2018 bewilligt worden war, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt und eine Entscheidung über die Erstattung der Auslagen für das Verfahren der einstweiligen Anordnung beantragt.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Das [X.] hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden; die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]G). Der Beschluss des [X.] vom 12. Juni 2017 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Auf die Verletzung der ferner gerügten Grundrechte kommt es daher nicht mehr an.

1. Das [X.] hat zum Schutzgehalt von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt ([X.] 138, 64 <86 f. Rn. 67 und 69>):

"Das Verfassungsgebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen werden darf, gibt nicht nur den einzelnen Rechtsuchenden ein subjektives Recht, sondern enthält auch objektives Verfassungsrecht; der Grundsatz dient der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im gerichtlichen Verfahren schlechthin (vgl. [X.] 40, 356 <360 f.>). Es müssen daher von Verfassungs wegen allgemeine Regelungen darüber bestehen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche [X.] zur Entscheidung des Einzelfalles berufen sind. Erforderlich ist ein Bestand von Rechtssätzen, die für jeden Streitfall den [X.] bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist (vgl. [X.] 95, 322 <328> m.w.N.). An diese Regelungen sind die Gerichte durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gebunden (vgl. [X.] 95, 322 <327>). Sie dürfen sich nicht über sie hinwegsetzen, sondern haben von sich aus über deren Einhaltung zu wachen (vgl. [X.] 29, 45 <48>; 40, 356 <361>). (…)

In seiner weiteren Funktion als subjektives Recht gibt Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Rechtsuchenden einen Anspruch darauf, dass der Rechtsstreit von ihrem gesetzlichen [X.] entschieden wird (vgl. [X.] 17, 294 <299>; 26, 281 <291>). Sie können daher die Beachtung der gesetzlichen wie der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung fordern und deren Missachtung als Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts im Wege der Verfassungsbeschwerde rügen."

Ein Verstoß im Einzelfall kann sich etwa aus der Entscheidung durch den Einzelrichter an Stelle der Kammer ergeben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 - [X.] -, juris, und vom 13. März 2003 - [X.] 134/02 -, juris). Auch darf bei einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig nicht der Vorsitzende oder Berichterstatter allein entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2007 - [X.]/9a [X.] 3/06 R -, juris).

Allerdings stellt sich nicht schon jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen als Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. [X.] 87, 282 <284 f.> m.w.N.; 138, 64 <87 f. Rn. 71>). [X.] 138, 64 <87 Rn. 71>:

"Durch einen schlichten error in procedendo wird niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen (vgl. [X.] 3, 359 <365>). Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen [X.]s kommt aber in Betracht, wenn das Fachgericht Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl. [X.] 82, 286 <299>; 87, 282 <284 f.>; 131, 268 <312>) oder wenn die maßgeblichen Verfahrensnormen in objektiv willkürlicher Weise fehlerhaft angewandt wurden (vgl. [X.] 42, 237 <241>; 76, 93 <96>; 79, 292 <301>)."

2. Der Beschwerdeführer wurde durch den Beschluss des [X.] seinem gesetzlichen [X.] entzogen, da das Vorliegen einer Dringlichkeit, die entgegen der regulären Besetzung des Senats für das Beschlussverfahren mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern (§§ 33 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 2, 176 [X.]) eine Entscheidung allein durch den Vorsitzenden gemäß § 155 Abs. 2 Satz 2 [X.] zulässt, weder offenkundig ist noch in dem angefochtenen Beschluss dargelegt wird.

Bei dem [X.] sind die Beschwerde am 17. Mai 2017, die Akten vom Sozialgericht … am 24. Mai 2017 und die [X.] des Beschwerdeführers am 29. Mai 2017 eingegangen. Der angefochtene Beschluss ist am Tag des Ablaufs der vom Vorsitzenden am 29. Mai 2017 verfügten [X.] gefasst worden. Es ist kein Grund ersichtlich, dass in diesem Zeitraum die weiteren Senatsmitglieder oder deren Vertreter nicht beteiligt werden konnten. Jedenfalls ab Eingang der [X.] bestand Gelegenheit zur Vorbefassung im Senat. Sollte tatsächlich ein atypischer Fall der Verhinderung vorgelegen haben, hätte es einer entsprechenden Begründung bedurft.

Die gewählte Entscheidungsweise stellt sich als qualifizierter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Zum einen ist § 155 Abs. 2 Satz 2 [X.] eine Ausnahmevorschrift, die wegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG eine sorgsame, einzelfallbezogene und zurückhaltende Anwendung erforderlich macht. Zum anderen hat das [X.] durch den in das Rubrum aufgenommenen Zusatz "in entsprechender Anwendung" zu erkennen gegeben, dass es die Anwendung der Norm im Einzelfall geprüft und bejaht hat. Es ist daher ausgeschlossen, dass das [X.] als zwingende Voraussetzung für die alleinige Zuständigkeit des Vorsitzenden übersehen worden ist.

Gegen eine Dringlichkeit, die eine Entscheidung unter Abweichung von der regulären Besetzung des Senats erlauben würde, spricht ferner, dass es dem Vorsitzenden möglich gewesen wäre, auf den entsprechend gestellten Antrag der Antragsgegnerin hin die Vollstreckung aus dem Beschluss des [X.] durch einstweilige Anordnung gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 [X.] auszusetzen. Dies stand ihm ohne Beteiligung der weiteren Senatsmitglieder zu, hätte einer eventuellen Dringlichkeit abgeholfen und die Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern offen gehalten, zumal auch die ungeklärte sozialrechtliche Rechtslage gegen eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden sprach und mit der angenommenen Dringlichkeit zumindest abzuwägen war, denn eine gefestigte sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 132 [X.] bestand noch nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2017 - L 14 AL 52/17 [X.] -, juris, Rn. 25).

3. Der angefochtene Beschluss beruht auf dem Verfassungsverstoß, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgefallen wäre.

4. Das [X.] wird sich bei seiner erneuten Entscheidung mit dem Vortrag des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben, sein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt sei gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 und § 18a Abs. 1a [X.] zu erwarten. Sollte es sich dabei auf die Begründung des Beschlusses des [X.] vom 21. Februar 2017 - 19 CE 16.2204 -, juris, zur Frage der Teilnahme an Integrationskursen (§ 44 [X.]) stützen wollen, wird es zu prüfen haben, ob diese Begründung auf die Gewährung existenzmitsichernder Berufsausbildungsbeihilfe übertragbar ist.

1. Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist infolge der Erledigungserklärung des Beschwerdeführers nicht mehr zu entscheiden (vgl. für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde: [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, unter Bezugnahme auf [X.] 85, 109 <113>).

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ergibt sich aus § 34a Abs. 2 [X.]G. Ein weitergehender Auslagenerstattungsanspruch für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht nicht (§ 34a Abs. 3 [X.]G). Denn der Beschwerdeführer hat einstweilen die Aufhebung des Beschlusses des [X.] begehrt. Ein Bestehen von Anordnungsanspruch und -grund, das die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte, ist jedoch nicht in einer den § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.]G genügenden Weise dargelegt worden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, aus Gründen der Existenzsicherung auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen zu sein, genügt insoweit nicht. Es erschließt sich ferner nicht, wieso die vorläufige Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe an Stelle der endgültigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht ausreicht. Insoweit ist überdies nicht dargelegt worden, in welcher Höhe der Beschwerdeführer Berufsausbildungsbeihilfe begehrt und wie sich dieser Anspruch berechnet. Ausführungen dazu waren aber erforderlich, da das ihm zufließende Ausbildungsentgelt auf die begehrte Berufsausbildungsbeihilfe anzurechnen ist und das (finanzielle) Interesse an einer einstweiligen Anordnung darzulegen war.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seiner Bevollmächtigten erledigt sich für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wegen der angeordneten Auslagenerstattung (vgl. [X.] 105, 239 <252> m.w.N.). Der weitergehende Antrag ist abzulehnen, da Erfolgsaussichten mangels einer den Begründungserfordernissen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.]G genügenden Darlegung von Anordnungsanspruch und -grund nicht bestanden (siehe oben).

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1510/17

28.09.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 12. Juni 2017, Az: L 18 AL 78/17 B ER, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 18a Abs 1a AufenthG 2004, § 60a Abs 2 S 4 AufenthG 2004, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 132 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 3, § 155 Abs 2 S 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.09.2017, Az. 1 BvR 1510/17 (REWIS RS 2017, 4609)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4609

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 2077/23 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde in einer Sozialsache wegen Subsidiarität sowie mangels hinreichender Begründung


1 BvR 3514/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Rechtsweg für Klage auf Eingliederungshilfe zugunsten eines an einer seelischen Behinderung leidenden Minderjährigen - …


1 BvR 1917/15 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei Statthaftigkeit der Anhörungsrüge im fachgerichtlichen Verfahren (hier: § 178a SGG)


1 BvR 1910/12 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (§ 86b Abs 2 S 2 SGG) bzgl Grundsicherungsleistungen …


1 BvR 484/22 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Anforderungen an die Gewährung von Eilrechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde …


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.