Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2000, Az. IX ZR 32/99

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 3076

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:17. Februar 2000PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:nein BGB § 766Zur Auslegung einer formularmäßigen Bürgschaftserklärung mit unvollständigerBezeichnung der Hauptschuld.[X.], Urteil vom 17. Februar 2000 - [X.] - [X.] I- 2 -Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 17. Februar 2000 durch [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] Oberlandesgerichts München vom 24. November 1998 auf-gehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung- auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Am 24. Januar 1997 übergab die klagende Leasinggesellschaft derDr. [X.] (im folgenden: Hauptschuldnerin), deren Gesellschafter der [X.] ist, die Entwürfe zweier Mietkaufverträge über je eine Gummizerspan-maschine. Sie fügte ein teilweise ausgefülltes Bürgschaftsformular bei. In [X.] heißt [X.] Bürge übernimmt hiermit für alle bestehenden und künftigen, auchbedingten oder befristeten Ansprüche, die der ... (Klägerin) aus [X.] Nr./Objekt ... gegen - nachstehend "Hauptschuldner" ge-- 3 -nannt - Dr. [X.] ... zustehen, die selbstschuldnerische Bürgschaftbis zu einem Betrag von DM 740.000 ..."Die Spalte "Leasingvertrag Nr./Objekt" war nicht ausgefüllt. Der [X.] am 27. Januar 1997 die Bürgschaftserklärung sowie die ange-schlossene Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit nach dem Verbraucher-kreditgesetz. Am selben Tage reichte der Geschäftsführer der [X.] die von ihm unterschriebenen Mietkaufverträge sowie die Bürgschaftserklä-rung an die Klägerin zurück. Diese füllte das bisher freigelassene Feld in derBürgschaftserklärung aus, indem sie dort die beiden Vertragsnummern [X.] und deren Gegenstand "je eine Gummizerspanmaschine"vermerkte. Eine "Ausfertigung" der so ergänzten Bürgschaftserklärung sowieder beiden Mietkaufverträge übersandte die Klägerin dem Beklagten [X.] vom 4. Februar 1997. Unter dem 10. Februar 1997 antwortete [X.] hierauf, er könne sich nicht erinnern, die Bürgschaft in dieser [X.] zu haben; höchst vorsorglich widerrufe er die Bürgschaft.Später kündigte die Klägerin die Mietkaufverträge wegen [X.]. Die Forderung aus den [X.] beläuftsich derzeit auf 762.996,40 DM. In Höhe eines Teilbetrages von 250.000 [X.] die Klägerin den Beklagten als Bürgen in Anspruch.In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit ihrer [X.] die Klägerin ihr Klagebegehren [X.] 4 -Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt, die Bürgschaftserklärung des [X.]n sei wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Schriftform nichtig. [X.], für deren Erfüllung der Beklagte als Bürge habe einstehensollen, sei in der Urkunde nicht einmal ansatzweise bezeichnet. Zwar könnedie Hauptschuld dahin konkretisiert werden, daß sie sich aus [X.] ergeben sollen. Es sei jedoch unsicher, ob der Beklagte für die Zahlungs-verpflichtungen der Hauptschuldnerin aus einem Leasingvertrag, aus mehrerenLeasingverträgen oder sogar aus allen Leasingverträgen während der Ge-schäftsverbindung zwischen Hauptschuldnerin und Klägerin habe bürgen [X.].[X.] Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.- 5 -1. Auch bei einer Bürgschaft ist zunächst gemäß §§ 133, 157 BGB derInhalt des Vertrages auszulegen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob dieErteilung der in einem bestimmten Sinne auszulegenden Bürgschaftserklärungdem Schriftformerfordernis nach § 766 Satz 1, § 126 Abs. 1 BGB entspricht([X.], Urt. v. 13. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1860, 1862; v. 30.März 1995 - [X.], [X.], 812).2. Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß sich nach der übereinstim-menden Vorstellung beider Parteien die Bürgschaftserklärung auf die beidenMietkaufverträge beziehen sollte, deren Abschluß mit den beiden Vertragsur-kunden vom 24. Januar 1997 vorbereitet worden war. Davon ist für die [X.] auszugehen.In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hat der Beklagte vorge-bracht, die Hauptschuld könne sich nur aus einem am 5. Mai 1997 - also nachdem "Widerruf" der Bürgschaftserklärung - abgeschlossenen Vergleich erge-ben. Dafür fehlt es an der erforderlichen Tatsachengrundlage. Zwar hat [X.] im Tatbestand seines Urteils einen Vergleich mit diesem Da-tum erwähnt, aber zugleich ausgeführt, daß die beiden Mietkaufverträge "imwesentlichen in der Fassung der Urkunden vom 24. Januar 1997 aufrechter-halten" geblieben seien.3. [X.], für einen Bürgschaftsvertrag die-ses Inhalts sei die Schriftform nicht gewahrt, folgt der [X.] nicht. Das For-merfordernis, das den Bürgen warnen und vor nicht ausreichend [X.] sichern soll ([X.]Z 121, 224, 229; 132, 119, 122), gilt für alle [X.] einer Bürgschaftserklärung. Diese muß den Willen erkennen- 6 -lassen, für eine fremde Schuld einzustehen, und die Bezeichnung des [X.], des Hauptschuldners sowie der verbürgten Hauptschuld enthalten. [X.] brauchen sich allerdings nicht zweifelsfrei aus dem Wortlaut [X.] zu ergeben. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung schadetnicht, wenn sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen. Dabei [X.] außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, [X.] den Willen in dem erforderlichen Umfang ein zureichender Anhaltspunkt inder Urkunde besteht, der Inhalt der [X.] also dort [X.] seinen Ausdruck gefunden hat ([X.], Urt. v. 3. Dezember 1992 - [X.] [X.], [X.], 102, 103; v. 21. Januar 1993 - [X.] ZR 90/92, [X.], 501; v.30. März 1995 - [X.], aaO S. 813).Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht ist [X.] durch das [X.]surteil vom 29. Februar 1996 ([X.]Z 132,119 ff) nicht überholt. Zwar heißt es dort, die wesentlichen Vertragsbestand-teile (also insbesondere die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuld-ners und der verbürgten Forderung) sollten dem Bürgen schon vor der [X.] "schwarz auf weiß" bewußt gemacht werden ([X.]Z 132, 119,124). Damit sollte aber lediglich begründet werden, daß eine [X.] nicht durch Leistung einer Blankounterschrift und mündliche [X.] eines anderen, die Urkunde zu ergänzen, wirksam erteilt [X.]. [X.] sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß die [X.] unklaren oder mehrdeutigen Formulierung, bei der auf Anhaltspunkte inder Urkunde zurückgegriffen werden kann, nicht möglich sei. Um ein Bürg-schaftsblankett geht es hier [X.] -Der Revisionserwiderung kann ferner nicht darin gefolgt werden, es lie-ge eine Diskrepanz zwischen dem [X.] und dem Urkundeninhaltvor. Vielmehr läßt sich dieser entsprechend dem vom Berufungsgericht unter-stellten [X.] ergänzen, ohne daß es hierfür auf die später von derKlägerin vorgenommenen Einfügungen ankäme. Diese können hinweggedachtwerden, ohne daß sich der - durch Auslegung ermittelte - förmliche Inhalt [X.] dadurch ändert. Zwar war in der von dem Beklagten unterzeichnetenBürgschaftserklärung die Hauptschuld nicht genau angegeben. Die Bürg-schaftserklärung bezieht sich nur auf Ansprüche aus einem nicht näher [X.] "Leasingvertrag". Dies macht sie indessen nicht formunwirksam.Vielmehr gibt die Urkunde selbst geeignete Hinweise auf die verbürgte Schuld.Gemäß § 1 verbürgte sich der Beklagte für Ansprüche aus einem Leasingver-trag. Der Gebrauch der [X.] bedeutete nicht zwingend, daß nur "ein" Lea-singvertrag abzusichern war. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1. Dort heißt [X.] Bürgschaft besteht bis zur Beendigung des/der Leasingvertrages/verträge..." Das Fehlen der Vertragsnummern und der Leasingobjekte ist für sich ge-nommen bedeutungslos, weil nach dem vom Berufungsgericht zugrunde ge-legten Sachverhalt beiden Vertragsparteien klar war, um welche Verträge essich handelte. Andere als die beiden Mietkaufverträge gab es danach zwischender Klägerin und der Hauptschuldnerin nicht. Einen zusätzlichen Hinweis er-brachte der in § 1 angegebene Höchstbetrag der Bürgschaft. 740.000 DM ent-sprachen - wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat - ungefähr [X.] der beiden Mietkaufverträge abzüglich der - bereits bezahlten -jeweils ersten Raten.Die vorliegende Fallgestaltung stimmt mit dem Sachverhalt überein, dender [X.] am 30. März 1995 ([X.], aaO) entschieden hat. Auch damals- 8 -hat der [X.] die Bürgschaft als [X.] angesehen. Die Unterschiede,die das Berufungsgericht zwischen jenem und dem nunmehr zu entscheiden-den Fall zu erkennen glaubt, sind nicht vorhanden. Hier wie dort war [X.], welche die nähere Bezeichnung der Hauptschuld aufnehmen sollte,unausgefüllt geblieben, und die Angebote auf Abschluß der [X.] vor, als der Bürge die [X.] übernahm. Der Inhalt [X.], deren Absicherung die Bürgschaft dienen sollte, lag also objektivfest.4. Der Beklagte hat auch für die Forderungen der Klägerin aus den[X.] einzustehen, obwohl er sich für Forderungen aus "Leasing-vertrag" verbürgt hat und ein Mietkauf etwas anderes ist als ein normales Lea-singgeschäft. Der Begriff "Leasingvertrag" ist hier eine unschädliche Falschbe-zeichnung (falsa demonstratio) für die [X.]. Nach dem Vortrag der Kläge-rin, von dem hier auszugehen ist, gab es zwischen ihr und der [X.] Verträge nur über die Gummizerspanmaschinen. Diese Verträge wurdenvon der Hauptschuldnerin selbst als "Mietkaufverträge" charakterisiert (vgl. [X.] v. 18. November 1996), während der Beklagte stets von "Leasing"sprach (vgl. sein Schreiben v. 21. November 1996 - K 17), aber dasselbemeinte. Diesen wechselnden Sprachgebrauch spiegeln die Mietkaufverträgeund die Bürgschaftserklärung [X.] -II[X.] Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig(§ 563 ZPO).Ein Widerrufsrecht gemäß dem [X.], über das dieKlägerin den Beklagten "vorsichtshalber" belehrt hat, steht dem Beklagten nichtzu. Das [X.] ist auf die hier vereinbarte Bürgschaft [X.] deshalb nicht anwendbar, weil das Geschäft, aus dem die gesicherteHauptschuld herrührt, der gewerblichen Betätigung der Hauptschuldnerin zuzu-rechnen ist (vgl. [X.]Z 138, 321, 323 ff). Im übrigen hat der Beklagte die [X.] nicht eingehalten.Für einen Verzicht auf die Bürgschaft gibt es entgegen der Ansicht [X.] keine hinreichenden Anhaltspunkte.[X.] Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die [X.] ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht [X.] ist (§ 565 Abs. 1 ZPO). Der Beklagte hat vorgetragen, er habebei der Unterschrift unter die Bürgschaftserklärung nicht gewußt, daß [X.] Mietkaufverträge über [X.] wolle. Er sei davon ausgegangen, die Bürgschaft solle [X.] 10 -im Zusammenhang mit der Errichtung einer Produktionsanlage in [X.] absichern.Darüber sei mit der Klägerin umfangreich verhandelt worden. Wenn dies zu-träfe, könnte möglicherweise nicht mehr davon ausgegangen werden, daß [X.] der übereinstimmenden Vorstellung beider Parteien die Bürgschaftserklä-rung auf die beiden Mietkaufverträge beziehen sollte. Die - beweispflichtige -Klägerin hat durch Zeugen unter Beweis gestellt, daß der Beklagte bei [X.] am 18. und 20. Februar 1997 erklärt habe, gewußt zu haben, daß er sichfür zwei Mietkaufverträge über Gummizerspanmaschinen verbürgt. Es sei nie-mals darüber gesprochen worden, daß der Beklagte für andere Verträge habebürgen sollen. Diesen Beweis wird das Berufungsgericht erheben müssen.Paulusch[X.][X.]ZugehörGanter

Meta

IX ZR 32/99

17.02.2000

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2000, Az. IX ZR 32/99 (REWIS RS 2000, 3076)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3076

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