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PDF anzeigen[X.]:[X.]:[X.]:2016:280416B4STR474.15.0
BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 474/15
vom
28. April
2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.], des
[X.]
und des Beschwerdeführers am 28.
April 2016 gemäß §§
46, 349 Abs.
1, 2 und 4, §
354 Abs.
1 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
Juni 2015
unter [X.] des weiter gehenden Rechtsmittels als unbegrün-det
im Ausspruch über die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben, soweit der [X.] von einem Jahr Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
Der Ausspruch entfällt.
2.
Der Antrag des [X.], ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur [X.] gegen das vorbezeichnete Urteil zu gewähren, wird verworfen.
3.
Seine Revision gegen dieses Urteil wird als unzulässig verworfen.
4.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmit-tels zu tragen.
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3
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus angeordnet. Ferner hat es bestimmt, dass vor der Unterbringung ein Jahr der verhängten Freiheitsstrafe zu vollziehen ist.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision allgemein die Verletzung sach-lichen Rechts. Auch der Nebenkläger hat fristgerecht Revision eingelegt. Die [X.], mit der er die unterbliebene Verurteilung des Ange-klagten wegen versuchten Mordes beanstandet, ging jedoch erst am 22.
August 2015 und damit einen Tag nach Ablauf der Frist des §
345 Abs.
1 StPO beim [X.] ein. Nach Kenntnisnahme von dem auf §
349 Abs.
1 StPO gestütz-ten Verwerfungsantrag des [X.] hat der Vertreter des
[X.] fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
A.
Zur Revision des Angeklagten
I.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuld-
und Strafausspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§
349 Abs.
2 StPO). Dies gilt insbesondere für die Wer-tung des [X.]s, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz ge-1
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handelt (zum bedingten Tötungsvorsatz vgl. nur [X.], Beschluss vom 27.
Okto-ber 2011
3
StR
351/11, [X.], 151 [X.]).
II.
Die vom [X.] für die Anordnung des teilweisen [X.]s der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatri-schen Krankenhaus nach §
63 StGB gegebene Begründung hält jedoch [X.] Nachprüfung nicht stand. Sie widerstreitet der vom Gesetzgeber getroffe-nen Grundentscheidung (§
67 Abs.
1 StGB) und vermag eine Abweichung von der Regel, wonach zunächst die Maßregel zu vollstrecken ist, nicht zu rechtfer-tigen.
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist Richtschnur für die Frage des [X.]s der Strafe das Rehabilitations-interesse des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in §
67 Abs.
1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken [X.] begonnen werden, da dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht.
Gerade bei längerer [X.] muss es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig zu heilen und seine Persönlichkeitsstörung zu behandeln, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugsziels arbeiten kann (vgl. nur Senatsurteil vom 23.
August 1990
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StR
306/90, [X.]St 37, 160, 161
f.; [X.], Beschluss vom 22.
März 2006
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StR
75/06, [X.], 299). Eine Abweichung von der [X.] bedarf daher eingehender Begründung. Steht zu besorgen, dass der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichtemachen könnte, so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen, die in den Urteilsgründen 5
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darzulegen sind ([X.], Beschluss vom 22.
März 2006 aaO; ebenso [X.], [X.] vom 26.
April 2001
1
StR
109/01, jeweils [X.]).
2.
Diesen Anforderungen wird die vom [X.] bestimmte Ausnahme nicht gerecht.
Das [X.] führt, insoweit dem psychiatrischen Sachverständigen folgend, im angefochtenen Urteil aus, der Angeklagte habe die Tendenz, jeg-liche Verantwortung für seine aggressiven Impulshandlungen von sich zu [X.]; er habe nie lernen müssen, die Verantwortung für sein Handeln bei sich selbst zu sehen. Durch die Anordnung eines teilweisen [X.]s der Freiheitsstrafe könne dem Angeklagten verdeutlicht werden, dass er trotz aller Schwierigkeiten, seine Impulse zu kontrollieren, prinzipiell noch dazu in der [X.] sei und er somit auch selbst Verantwortung für sein aggressives Verhalten trage. Diese Erwägung lässt nicht erkennen, warum eine Konfrontation mit den Folgen seines strafbaren Handelns eher im Strafvollzug als bei der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erreicht werden kann oder die Strafhaft als Vorstufe der Behandlung für deren Zweck erforderlich sein könnte. Dies versteht sich auch nicht
von selbst und wäre deshalb näher zu begründen ge-wesen, zumal es naheliegt, dass der zugrunde liegenden Neigung des Ange-klagten im Vollzug der Maßregel besser als im Strafvollzug begegnet werden kann.
3.
Der Senat hält es insbesondere nach der vom Angeklagten inzwischen erlittenen, über einjährigen Untersuchungshaft für ausgeschlossen, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen für die Vorwegvollstre-ckung (eines Teils) der Strafe noch ergeben könnten. Er sieht daher von einer 7
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Zurückverweisung der Sache ab und lässt stattdessen die Anordnung des Vor-wegvollzugs entfallen.
4.
Dieser geringfügige Teilerfolg rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von einem Teil der durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten freizustellen (vgl. [X.]/[X.], 2.
Aufl., §
473 Rn.
22).
B.
Zur Revision des [X.]
I.
Der vom Nebenkläger wegen Versäumung der Frist zur Begründung sei-nes Rechtsmittels gestellte Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen
Erfolg.
1.
Im Unterschied zum Angeklagten ist dem Nebenkläger das [X.] seines Prozessbevollmächtigten, der nach Versäumung der Revisions-begründung Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrens-grundsatz des §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen (st. Rspr.; vgl. nur [X.] vom 28.
August 2013
4
StR
336/13, [X.]R StPO §
44 [X.]
10 [X.]; [X.]/[X.], 2.
Aufl., §
44 Rn.
40). Für die Frage,
ob der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für ein Verschulden seines Kanz-leipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses sorgfältig ausgewählt
und überwacht wird und ob eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen
taugliche Büroorganisation vorhanden ist ([X.], Beschluss vom 17.
März 2010
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2
StR
27/10; Beschluss vom 9.
Juni 2015
VIII
ZB
100/14, Tz.
9, [X.], 523). Deshalb erfordert die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht nur eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und dem Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage be-deutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur [X.] gekommen ist. Vorzutragen sind ferner diejenigen Tatsachen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden des Bevollmächtigten ausschließen (Senatsbeschluss vom 28.
August 2013; [X.], Beschlüsse vom 17.
März 2010
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StR
27/10
und vom 9.
Juni 2015, jeweils aaO). Dies betrifft insbesondere die
organisatorischen Vorkehrungen, durch die im Rahmen der Arbeitsabläufe in der Kanzlei sichergestellt werden soll, dass ein fristgebunde-ner Schriftsatz nicht nur rechtzeitig fertig gestellt wird, sondern auch innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht ([X.], Beschluss vom 9.
Juni 2015 aaO).
2.
Danach kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die vom [X.] vorgelegte eidesstattliche Versicherung seiner Kanzleimit-arbeiterin überhaupt eine schlüssige und damit unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Glaubhaftmachung hinreichende Darstellung derjenigen [X.] enthält, die zu der mit einer fehlerhaften Berechnung begründeten Fristver-säumung geführt haben sollen.
3.
Es fehlt jedenfalls an einem hinreichenden Vortrag von Tatsachen, die eine unverschuldete Fristversäumnis des Prozessbevollmächtigten selbst be-gründen könnten.
a)
Ausweislich der von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ob-lag seiner insoweit besonders unterwiesenen Kanzleikraft die eigenverantwort-14
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liche Führung der Fristen und die diesbezügliche Fristenkontrolle. Bei dieser Tätigkeit werde sie, so der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Neben-
b)
Damit ist ein Verschulden des [X.]s selbst nicht aus-geschlossen. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Fest-stellung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen ([X.], Beschlüsse vom 30.
Mai 2000
1
StR
103/00,
[X.]R StPO §
44 Verschulden
7; vom 6.
Juli 2004
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StR
204/04, jeweils [X.]). Aber schon das [X.] über eine Urteilszustellung darf er beispielsweise nur unterzeichnen und zurück-geben, wenn durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im [X.] notiert worden ist ([X.], Beschluss vom 2.
Februar 2010
VI
ZB
58/09, NJW 2010, 1080 [X.]).
II.
Diesen Anforderungen genügende Maßnahmen hat der Prozessbevoll-mächtigte des [X.] nicht vorgetragen. Dies gilt zum einen im Hinblick auf eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche, generelle Büro-organisation, zum anderen hinsichtlich einer Überwachung der [X.]
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durch die betreffende Mitarbeiterin. Der allgemeine Hinweis auf insoweit existie-rende (schriftliche) Anweisungen reicht hingegen nicht aus.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Quentin
Meta
28.04.2016
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2016, Az. 4 StR 474/15 (REWIS RS 2016, 12115)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 12115
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 474/15 (Bundesgerichtshof)
Revision des Nebenklägers: Begründungsanforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist; Sicherstellung der Fristwahrung vor …
1 StR 109/01 (Bundesgerichtshof)
1 StR 535/01 (Bundesgerichtshof)
5 StR 138/09 (Bundesgerichtshof)
3 StR 243/18 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Absehen vom Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung