Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2010, Az. StB 16/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 8577

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Gegenstand

Überwachung der Telekommunikation: Erforderlicher Tatverdacht für die richterliche Anordnung


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 6. April 2009 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die durch die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des [X.] vom 24. Juli 2001 (1 [X.] 130/2001), 30. Juli 2001 (1 [X.] 139/2001), 28. August 2001 (1 [X.] 200/2001), 12. Oktober 2001 (1 [X.] 278/2001), 22. Oktober 2001 (1 [X.] 281/2001), 27. November 2001 (1 [X.] 351/2001), 9. Januar 2002 (1 [X.] 11/2002), 18. Januar 2002 (1 [X.] 35/2002), 25. Februar 2002 (1 [X.] 80/2002), 1. März 2002 (1 [X.] 85/2002), 18. April 2002 (1 [X.] 110/2002), 3. Juni 2002 (1 [X.] 130/2002), 17. Juli 2002 (1 [X.] 147/2002), 27. September 2002 (1 [X.] 177/2002), 18. Oktober 2002 (1 [X.] 185/2002), 2. Dezember 2002 (1 [X.] 205/2002), 21. Januar 2003 (1 [X.] 43/2003), 27. Februar 2003 (1 [X.] 90/2003), 25. März 2003 (1 [X.] 114/2003), 16. April 2003 (1 [X.] 140/2003), 18. Juli 2003 (1 [X.] 216/2003), 20. Oktober 2003 (1 [X.] 384/2003), 8. April 2004 (1 [X.] 94/2004), 7. Juli 2004 (1 [X.] 146/2004), 6. Oktober 2004 (1 [X.] 155/2004), 29. November 2004 (1 [X.] 172/2004) und 6. Juli 2006 (1 [X.] 91/2006) angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie die durch Verfügungen des [X.] vom 22. Mai 2002, 15., 22. und 31. März 2004 und durch die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des [X.] vom 25. Juli 2002 (1 [X.] 148/2002), 22. August 2002 (1 [X.] 163/2002), 1. April 2004 (1 [X.] 87/2004), 23. April 2004 (1 [X.] 102/2004), 27. Oktober 2004 (1 [X.] 162/2004), 25. November 2004 (1 [X.] 171/2004), 11. Februar 2005 (1 [X.] 11/2005) und 9. März 2005 (1 [X.] 26/2005) angeordneten Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel und nebst Herstellung von Lichtbildern) rechtswidrig waren.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Der [X.] führte gegen den Beschwerdeführer, die weiteren früheren Beschuldigten U. sowie [X.] und gegen unbekannt seit dem 16. Juli 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, die terroristische Vereinigung "[X.]" gegründet zu haben (§ 129 a StGB). In der [X.] vom 24. Juli 2001 bis zum 6. Juli 2006 wurden gegen die früheren Beschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung des [X.] vom 17. September 2008 ([X.] 1 Ordner 1 Bl. 367 ff.) Bezug genommen. Nachdem der [X.] in seinem [X.]uss vom 28. November 2007 - StB 43/07 ([X.]St 52, 98) ausgeführt hatte, dass eine Strafbarkeit der Mitglieder der "[X.]" gemäß § 129 a StGB nach der U[X.]estaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des [X.] vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 ([X.] 2836) nicht in Betracht komme, änderte der [X.] mit Verfügung vom 10. März 2008 das [X.] dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Gründung der kriminellen Vereinigung "[X.]" gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.

2

Mit Verfügung vom 22. September 2008 stellte der [X.] das Ermittlungsverfahren gegen die früheren Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; gegen unbekannt führt er es weiter. Zur Begründung der Einstellung führte er unter anderem aus, die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hätten den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet. Sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien. In einzelnen Fällen belegten die Ergebnisse der operativen Maßnahmen sogar positiv, dass die Beschuldigten an Aktionen der "[X.]" nicht teilgenommen haben konnten. Zudem legten die verdeckt erlangten Erkenntnisse in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Beteiligung einzelner Beschuldigter an bestimmten [X.] oder Begleithandlungen insbesondere ab dem [X.] unwahrscheinlich sei. Soweit die Ermittlungen Erkenntnisse zu politischen Auffassungen und Betätigungsformen der früheren Beschuldigten erbracht hätten, seien diese im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nicht geeignet, eine strafbewehrte Verbindung der früheren Beschuldigten zur "[X.]" zu belegen.

3

Der [X.] hat den früheren Beschuldigten mit Schreiben vom 22. September 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und ihn mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2. und 22. Oktober 2008 sowie 13. März 2009 hat der frühere Beschuldigte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt.

4

Der Ermittlungsrichter des [X.] hat diesen Antrag mit [X.]uss vom 6. April 2009 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, gegen den früheren Beschuldigten habe im [X.]punkt der Anordnung der jeweiligen Maßnahme sowie während ihrer Durchführung der Verdacht bestanden, Mitglied der (zumindest) kriminellen Vereinigung "[X.]" gewesen zu sein. Für die erste zu überprüfende ermittlungsrichterliche Anordnung vom 24. Juli 2001 begründeten die dort in Bezug genommenen Erkenntnisse des [X.] (im Folgenden: [X.]) einen die Maßnahme rechtfertigenden Anfangsverdacht. Dieser habe in der Folgezeit fortbestanden. Von Bedeutung hierfür sei etwa gewesen, dass der frühere Beschuldigte in zwei Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 Gewalt - auch gegen öffentliche Einrichtungen - gutgeheißen habe; der Inhalt einer [X.] vom 15. Februar 2002 sei ebenfalls geeignet gewesen, den Tatverdacht weiter zu bestärken.

5

Gegen diesen [X.]uss richtet sich die mit Schriftsatz vom 7. April 2009 eingelegte sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten. Dieser macht insbesondere geltend, ein Tatverdacht habe zu keinem [X.]punkt während des Ermittlungsverfahrens bestanden. Die Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig gewesen; auch seien Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht getroffen worden. Schließlich hätten sie keinen Erfolg versprochen, da die früheren Beschuldigten bereits Zielpersonen von [X.] des [X.] gewesen seien, die offensichtlich keine Belege für ein strafbares Handeln erbracht hätten.

II.

6

Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO statthafte Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen [X.]punkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht gegen den früheren Beschuldigten nicht bestand. Auf die weiteren, von dem früheren Beschuldigten aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es deshalb nicht an. Ebenso muss der [X.] nicht entscheiden, ob die Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen rechtswidrig war; damit ist auch der Antrag des früheren Beschuldigten auf weitergehende Akteneinsicht gegenstandslos. Im Einzelnen:

7

1. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat den Antrag des früheren Beschuldigten zu Recht auch bezüglich des [X.]usses vom 25. März 2003 (1 [X.] 114/2003) als zulässig gewertet. Der [X.] ist dem im Beschwerdeverfahren auch nicht - mehr - entgegen getreten.

8

2. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag des früheren Beschuldigten angenommen ([X.], [X.]. vom 22. Januar 2009 - StB 24/08).

9

3. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gilt:

Die Maßnahmen setzten nach § 100 a StPO in der jeweils geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129 a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein (Schäfer in Löwe/[X.], [X.]. § 100 a Rdn. 42). § 100 a StPO erfordert vielmehr nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen ([X.] NJW 2007, 2749, 2751); der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen ([X.] NJW 2005, 2603, 2610) und mehr als nur unerheblich sein ([X.]St 41, 30, 33). Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung ([X.], [X.]. § 100 a Rdn. 9), in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat ([X.] in [X.]. § 100 a Rdn. 34; noch enger [X.] in [X.] § 100 a Rdn. 43, § 100 c Rdn. 41). Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu ([X.]St 47, 362, 365 f.; 48, 240, 248). Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand ([X.]St 41, 30, 33; [X.] NStZ 2007, 117).

a) Bereits bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den [X.]uss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 24. Juli 2001 (1 [X.] 130/2001) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht nicht vor.

aa) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem [X.] für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der [X.]" drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe [X.] beigelegt war. Die einseitige Erklärung ist unterzeichnet mit "[X.] ([X.]), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der [X.] in [X.]. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der "[X.]" zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des [X.] bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.

Unter dem 3. Juli 2001 übermittelte das [X.] dem [X.] einen Bericht. In diesem wird mitgeteilt, dass die vorgenannten Taten nach Einschätzung des [X.] von einer in [X.] seit mehreren Jahren aktiven militanten Gruppierung verübt worden seien, die in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei in dem autonomen Szeneblatt "Interim" veröffentlichte Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Das [X.] rechnete dieser "[X.]" insbesondere mehrere [X.] zu, die ab dem 10. August 1995 begangen worden waren. Das [X.] nahm zudem eine Textanalyse vor, bei der die Positionspapiere der "[X.]" aus den Jahren 1996 sowie 1997 und die Taterklärungen ausgewertet und verglichen wurden. Es kam zu der Bewertung, Übereinstimmungen in Argumentation, Diktion und Form sprächen für eine Autorenidentität sowohl hinsichtlich der Taterklärungen untereinander als auch in Bezug auf die Taterklärungen und die Positionspapiere der "[X.]". Die Gruppe befinde sich offenbar an einem Scheideweg und scheine bereit zu sein, künftig gegen Personen militant aktiv zu werden.

Nach Einschätzung des [X.] waren die drei früheren Beschuldigten Mitglieder der "[X.]". Die früheren Beschuldigten U. und [X.] waren den [X.] seit dem Jahr 1981, der frühere Beschuldigte [X.] seit etwa 1989/1990 als Aktivisten innerhalb der autonomen bzw. antiimperialistischen Szene bekannt. In dem Bericht vom 3. Juli 2001 heißt es zu ihnen weiter: "Zumeist engagierten sie sich - analog dem Selbstverständnis der 'Selbstportraitgruppe' u. a. in dem [X.]er 'Solidaritätskomitee [X.]'. Später - etwa ab [X.] 1998 - traten sie zusammen mit anderen Personen als 'Internationalistische Gruppe' auf. Seit Anfang 1999 arbeiten sie - u. a. in Kontakt mit Angehörigen der [X.]‘ - intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der '[X.] oder Befreiung' ([X.] 1999) mit. Anfang 2000 gründeten sie eine eigene ‚[X.]‘-Gruppe [X.] (…). Gegen U., [X.] und [X.] führt das [X.] seit Ende 1998 operative Maßnahmen. Dadurch wurde der enge 'gruppenmäßige' Zusammenhang der Genannten belegt." Der frühere Beschuldigte U. habe zudem als "[X.]" an einem konspirativen "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; eine Niederschrift des dort geführten Gesprächs sei im März 2000 in der "Interim" veröffentlicht worden. Die Äußerungen des als "[X.]" auftretenden Aktivisten wiesen, so das [X.], in Argumentation und Diktion eine Fülle von Parallelen zu Papieren der "[X.]" auf.

Unter dem 2. Juli 2001 erstattete das Kriminaltechnische Institut des [X.] ein linguistisches [X.], in dem die zwei Texte der "[X.]" aus den Jahren 1996 und 1997, neun Selbstbekennerschreiben zu verschiedenen Anschlägen, eine Grußbotschaft der [X.], eine in der [X.]schrift "radikal" veröffentlichte Anleitung zum Bau von Brandsätzen sowie die Äußerungen des "[X.]" bei der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" auf eine eventuelle Urheberschaftsidentität verglichen werden sollten. Während das [X.] für alle diese Texte eine Autorenidentität annahm, stellte das Gutachten des [X.] eine Übereinstimmung nur für die Grundsatzpapiere der Jahre 1996 und 1997 sowie die Bauanleitung für den [X.] "wahrscheinlich" fest. Die Identität der Verfasser der Erklärungen von 1996 und 1997 mit denjenigen der Selbstbekennerschreiben und der Grußbotschaft wurde entweder als mit dem Grad "wahrscheinlich" ausgeschlossen oder sie konnte weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Einen näheren Vergleich der schriftlichen Texte und der mündlichen Äußerungen des "[X.]" nahm das Gutachten nicht vor. Der Sachverständige wies insoweit auf erhebliche methodische Probleme beim Vergleich von schriftlichen und mündlichen Texten hin. Die mündliche Rede sei spontan, enthalte kürzere Äußerungen und weise Abbrüche, Korrekturen, Interjektionen sowie Neuanfänge auf. Die mündliche Sprache basiere außerdem auf einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprecher und Hörer, bestimmte Formulierungen würden unter Umständen übernommen. Werde eine solche mündliche Rede von Laien verschriftet, sei im Übrigen im Nachhinein regelmäßig nicht mehr festzustellen, wie der exakte Gesprächsverlauf war und wer was in welcher Form gesagt habe.

Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die früheren Beschuldigten und gegen unbekannt durch den [X.] am 16. Juli 2001 regte das [X.] mit Schreiben an den [X.] vom 20. Juli 2001 an, einen [X.]uss zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation der Beschuldigten zu beantragen. Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte der [X.] beim Ermittlungsrichter des [X.] die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Aktionen im Jahre 2001 seien nach Erkenntnissen des [X.] möglicherweise von einem in [X.] seit Jahren aktiven "militanten Zusammenhang" verübt worden, der in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den genannten Positionspapieren, aber auch zu weiteren [X.] der jüngeren Vergangenheit. Die früheren Beschuldigten seien aufgrund von Erkenntnissen des [X.] verdächtig, Gründungsmitglieder der "[X.]" zu sein. Dies folge daraus, dass sie sich mit den Arbeitsfeldern "Internationalismus" und "Gefangenenarbeit" befassten, die auch den wesentlichen Schwerpunkt der "Politik" der "[X.]" bildeten. Sie arbeiteten in verschiedenen [X.] und der Gruppe "[X.]" zusammen. In verschiedenen [X.] zu Anschlägen hätten die Täter Bezug auf Aussagen dieser legal arbeitenden Gruppen genommen, so dass von einer personellen Verflechtung auszugehen sei. Damit entsprächen die Beschuldigten auch dem Selbstverständnis der "[X.]", wonach neben einer "militanten Praxis" auch die Arbeit in "legalen [X.]" erforderlich sei. Der frühere Beschuldigte U. habe wahrscheinlich unter dem Decknamen "[X.]" als Vertreter der "[X.]" am "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; seine Äußerungen wiesen eine Fülle von Parallelen in Argumentation und Diktion zu den Positionspapieren der Jahre 1996 und 1997 auf. Er habe erklärt, als "Thema der Zukunft" für militanten Widerstand biete sich an, Firmen anzugreifen, die sich weigern, Zwangsarbeitern Entschädigungen zu zahlen. Ähnlich habe sich U. im November 2000 geäußert. Vor diesem Hintergrund biete die enge Zusammenarbeit der drei Beschuldigten in Themenbereichen der "[X.]" konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass sie Gründungsmitglieder der Vereinigung seien.

In der Antragsschrift des [X.]s an den Ermittlungsrichter des [X.] vom 20. Juli 2001 wird unter anderem ausgeführt, die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den Positionspapieren aus den Jahren 1996 und 1997, aber auch zu weiteren [X.] der jüngeren Vergangenheit. Das den Erkenntnissen des [X.] entgegenstehende linguistische Gutachten des [X.] vom 2. Juli 2001 findet indes - wie auch in der Anregung des [X.] an den [X.] vom selben Tage - keine Erwähnung.

Der Ermittlungsrichter des [X.] ordnete sodann antragsgemäß mit [X.]uss vom 24. Juli 2001 (1 [X.] 130/2001) die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs der früheren Beschuldigten einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten an. Zum Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten enthält die Entscheidung dem Antrag des [X.]s entsprechende Erwägungen.

bb) Bei der zum [X.]punkt des [X.]usses am 24. Juli 2001 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch bei Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden [X.] nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkenntnisse des [X.] begründen nicht den für eine Maßnahme nach § 100 a StPO erforderlichen Verdacht, die früheren Beschuldigten hätten sich wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der "[X.]" um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Beschuldigten diese gegründet, sich an ihr als Mitglieder beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben, mithin eine nach den §§ 129 ff. StGB strafbare Handlung begangen haben könnten.

Die Annahme des [X.], es bestehe der Verdacht, die drei früheren Beschuldigten seien Gründungsmitglieder der "[X.]" gewesen, ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Den Ausführungen des [X.]schutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben, die auch Gegenstand der Verlautbarungen in den der "[X.]" zugerechneten Schriften waren. Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen [X.] auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können. Den Angaben des [X.] lässt sich trotz der langjährigen Beobachtung der früheren Beschuldigten und des Umstands, dass gegen diese schon seit dem Jahr 1998 - und damit bereits etwa drei Jahre - operative Maßnahmen durchgeführt wurden, nichts entnehmen, was wesentlich über allgemeine Erkenntnisse über deren politische Orientierung hinausgeht.

Das [X.] hat ebenfalls nicht ausreichend dargetan, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte anzunehmen sein sollte, dass der frühere Beschuldigte U. als "[X.]" an dem "Runden Tisch der Militanten" teilnahm. Dem Bericht vom 3. Juli 2001 ist insoweit im Wesentlichen lediglich zu entnehmen, "durch ein Bündel operativer Maßnahmen" habe das [X.] Ort und [X.] des konspirativen Treffens ermittelt. Außerdem zeigen [X.] den früheren Beschuldigten U. beim Betreten des Gebäudes, in dem das Treffen stattfand. Bei dieser Beweislage ist als hinreichend wahrscheinlich nur anzunehmen, dass er an dem Treffen teilgenommen hat. Die näheren Einzelheiten bezüglich seines Verhaltens in der Diskussionsrunde bleiben jedoch völlig im Dunkeln. Insbesondere erhellt sich nicht, wieso das [X.] davon ausgeht, gerade er habe die Rolle des "[X.]" eingenommen. Der Umstand, dass der frühere Beschuldigte U. sich - wie "[X.]" - thematisch mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern sowie der "[X.]" befasst hat, ist aus den genannten Gründen auch in diesem Zusammenhang allenfalls ein nur äußerst schwaches, nicht ausreichendes Indiz für eine Identität. Nach den zur Ermittlungsakte gelangten Erkenntnissen kann der frühere Beschuldigte U. demnach mit genauso großer Wahrscheinlichkeit der "Militante Moderator" oder ein sonstiger Diskussionsteilnehmer gewesen sein.

Zu den [X.] und den aus deren Ergebnissen gezogenen Schlüssen hat der [X.] bereits früher darauf hingewiesen, dass bei Analysen von Bekennerschreiben vorgefundene Übereinstimmungen in thematischer, stilistischer und textgestalterischer Hinsicht regelmäßig Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert sind ([X.], [X.]. vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, Rdn. 33). Der [X.] sieht sich in dieser Einschätzung durch die Ausführungen in dem [X.] des [X.] vom 2. Juli 2001 zu den methodischen Problemen, die sich bei der Analyse und Bewertung von Texten aus dem linksextremistischen Bereich stellen (Ziffer 4.2, [X.] 1 Ordner 1 Bl. 299), nachhaltig bestätigt. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass verschiedene Urheber ihnen zugängliche Texte anderer Autoren zur Kenntnis nehmen und sich darauf beziehen oder diese nachahmen. Somit sind die diesbezüglichen Ausführungen des [X.] schon für sich nicht geeignet, Wesentliches zur Begründung eines Tatverdachts gegen die früheren Beschuldigten beizutragen.

Die Beweisbedeutung der von den [X.] durchgeführten Textvergleiche wird noch geringer, wenn man die Ergebnisse des Gutachtens des [X.] in die Bewertung einbezieht. Die dort dargelegten Gründe, einen Vergleich der schriftlichen Texte mit den mündlichen und später verschrifteten Äußerungen des "[X.]" gar nicht erst vorzunehmen, sind in hohem Maße plausibel. Im Übrigen lässt sich nach den sachverständigen Äußerungen des [X.] für kein einziges Tatbekennerschreiben auch nur mit einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Urheberidentität mit den der "[X.]" zugerechneten Texten aus den Jahren 1996 und 1997 feststellen. Dieses Ergebnis wird nicht maßgebend relativiert durch die Ausführungen des [X.] in dem auf den 31. Juli 2002 datierten Vermerk ([X.] 1 Ordner 1 Bl. 334 ff.). Dort werden die abweichenden Ergebnisse des Gutachtens des [X.] und der Analyse des [X.] damit zu erklären versucht, dass die Tätigkeit des [X.] darauf gerichtet gewesen sei, Texte als gedankliches Produkt einer Gruppe zu erkennen. Das Gutachten des [X.] habe de[X.]egenüber auf die Identität des konkreten Verfassers der Texte abgestellt. Da die Möglichkeit bestehe, dass unterschiedliche Personen aus derselben Gruppe die untersuchten Schriften verfasst haben könnten, habe das [X.] zu anderen Resultaten als das [X.] kommen können. Diese Argumentation greift schon im Ansatz nicht, soweit es die Äußerungen des "[X.]" anlässlich des "Runden Tischs der Militanten" betrifft. Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob sie im Übrigen plausibel sein könnte; selbst wenn man ihr folgen wollte, lässt sich aus der Analyse des [X.], die dann allenfalls Gruppenübereinstimmungen aufzeigen könnte, jedenfalls kein konkreter Verdacht gegen einen der früheren Beschuldigten ableiten, eine bestimmte Straftat begangen zu haben.

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass sich ein genügender Verdacht gegen die früheren Beschuldigten gerade in der [X.] vor Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der strafprozessualen Maßnahmen gebildet hat. Die in Rede stehenden Brandanschläge begannen bereits im Jahre 1995. Schon in Vermerken vom 18. August 1999, 21. Februar 2000, 27. April 2000 und 7. Februar 2001 hatte das [X.] Textvergleiche vorgenommen und war zu der Einschätzung gelangt, es bestünden wesentliche Übereinstimmungen zwischen den [X.] bzw. den Aussagen des "[X.]" anlässlich der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" einerseits und den Texten der "[X.]" andererseits. Die früheren Beschuldigten waren den [X.] bereits seit langem als Mitglieder der linksautonomen Szene bekannt; gegen sie wurde schon seit 1998 operativ ermittelt. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen sie wurde jedoch erst eingeleitet, als die [X.] aufgrund der Drohbriefe im [X.] 2001 - in der Sache möglicherweise mit Recht - von einer veränderten Zielrichtung der Gruppierung in dem Sinne ausgingen, dass sie befürchteten, die Angriffe könnten sich nunmehr auch gegen Personen richten. Dies deutet zumindest darauf hin, dass Grund für die strafprozessuale Verfolgung der früheren Beschuldigten ab [X.] 2001 nicht die Verdichtung eines gegen sie bestehenden Verdachts gewesen sein könnte, konkrete Straftaten begangen zu haben, sondern die Annahme der Polizei- und/oder [X.], die Gefahrenlage habe sich erhöht. Ähnliches gilt für den späteren Verlauf der Ermittlungen. Die Überwachungsmaßnahmen wurden mehrfach abgebrochen und in der Folgezeit wieder aufgenommen, ohne dass ausreichende neue Tatsachen dargelegt sind, die nunmehr den Verdacht begründen könnten, die früheren Beschuldigten hätten eine Straftat begangen. Statt dessen erscheinen jedenfalls teilweise Zusammenhänge zwischen der Intensität der Überwachung der früheren Beschuldigten und der allgemeinen Sicherheitslage als naheliegend. So war die Überwachung zum Beispiel ab November 2004 für eine kurze [X.] besonders intensiv. Dies könnte der Gefahrenlage in der [X.] geschuldet gewesen sein, nachdem es in den vergangenen Jahren in den [X.] zu Anschlägen gekommen war. Der [X.] verkennt weder, dass die Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit oder einzelne Personen eine vordringliche staatliche Aufgabe ist, noch dass aufgrund der Vorverlagerung des [X.] durch die §§ 129 ff. StGB ([X.]St 41, 47, 51) die Abgrenzung zwischen präventiven Ermittlungen und solchen zur Verfolgung von bereits begangenen Straftaten nicht in jedem Falle trennscharf möglich ist. Er sieht gleichwohl Anlass, darauf hinzuweisen, dass die präventive Gefahrenabwehr nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist und nicht durch Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage der Strafprozessordnung durchgeführt werden darf.

cc) Mit Blick auf den Umstand, dass das Gutachten des [X.] weder in der vom [X.] an den [X.] gerichteten Anregung noch in der Antragsschrift des [X.]s an den Ermittlungsrichter des [X.] Erwähnung findet, bemerkt der [X.]: Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen davon ausgehen können, dass sie im Ermittlungsverfahren ihre Entscheidungen auf der Grundlage aller maßgebenden, bis zu dem jeweiligen [X.]punkt angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen. Der Ermittlungsrichter ist bereits von [X.] wegen verpflichtet, die Zulässigkeit der beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (st. Rspr. des [X.], vgl. etwa [X.] NJW 2001, 1121, 1122 für den Fall der Anordnung einer Durchsuchung). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des früheren Beschuldigten fehlt es an einer solchen eigenständigen Prüfung nicht ohne Weiteres bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter Passagen aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft wörtlich in seinen [X.]uss übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen vorliegen, mit derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er nicht verpflichtet, dies durch eine eigene sprachliche Stilübung im Anordnungsbeschluss selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Die dem zugrunde liegende, unabdingbare, eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem [X.]druck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden ([X.] aaO) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage, soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den [X.] ohne erhebliche Lücken dargetan ist.

b) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des [X.] niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig.

So lässt etwa die Erklärung von "[X.]" vom 26. November 2003, keine belastbaren Rückschlüsse auf die Begehung konkreter Straftaten durch die früheren Beschuldigten zu. Soweit dort unter anderem "Arbeitsämter" als Anschlagsziele der "[X.]" genannt wurden, obwohl diese sich unter dieser Bezeichnung bis dahin nicht zu einem Anschlag auf ein Arbeitsamt bekannt hatte, ist dies bereits für sich genommen zur Begründung eines Tatverdachts wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass gerade vor dem Hintergrund der Presseerklärung Nr. 1/2003 der "[X.]", in der Arbeitsämter und ähnliche Institutionen mit dem Ziel aufgelistet sind, andere Gruppierungen zu Aktionen zu veranlassen, die Möglichkeit einer ungenauen Recherche oder eines schlichten Versehens beim Abfassen des Textes nicht fern liegt (s. auch die ähnliche Bewertung durch das [X.] in seinem Auswertungsbericht vom 27. Mai 2008, [X.]; [X.] 2 Ordner 2 Bl. 000078).

Die Äußerungen des früheren Beschuldigten [X.] in den Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 befassen sich nicht mit den verfolgten Taten; sie belegen letztlich lediglich dessen Nähe zu [X.] Gedankengut. In den den Äußerungen nachfolgenden Anträgen des [X.]s und den [X.]üssen des Ermittlungsrichters des [X.] wird ihnen keine Bedeutung beigemessen.

Entsprechendes gilt für die [X.], die der frühere Beschuldigte [X.] am 15. Februar 2002 von einem [X.] erhielt; aus dieser lässt sich entsprechend den Ausführungen des [X.] in dem [X.] vom 12. April 2002 ([X.] 9 Ordner 1 Bl. 132, 139) ein ausreichend konkreter Bezug zu dem am 5. Februar 2002 in [X.] begangenen Anschlag nicht herstellen, der die Wahrscheinlichkeit begründen könnte, der frühere Beschuldigte [X.] habe sich an diesem Anschlag in strafbarer Weise beteiligt. Dort heißt es: "Ein Zusammenhang zwischen der [X.] an den Beschuldigten [X.] und dem Brandanschlag auf das Bezirksamt kann weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit angenommen werden. D. h., es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob [X.] mit der [X.] auf den Brandanschlag anspielt bzw. ob und von wem er über diesen Anschlag und dessen Hintergründe informiert war." Der [X.] sieht keinen Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung.

Der Inhalt der Auswertungsberichte des [X.] zu den Überwachungsmaßnahmen zeigt vielmehr, dass wesentliche Erkenntnisse zu begangenen Straftaten nicht gewonnen werden konnten. Beispielhaft sei auf folgende Bewertungen hingewiesen: In dem Bericht vom 14. Januar 2002 ([X.] 9 Ordner 1 Bl. 97, 101) wird ausgeführt: "Es ergaben sich durch die [X.] weder Hinweise darauf, dass U. Mitglied in der 'militante(n) gruppe ([X.])' ist, noch dass er Straftaten begangen hat." In der Telefaxnachricht des [X.] an den [X.] vom 15. Januar 2002 ([X.] 9 Ordner 1 Bl. 94 f.) heißt es auszugsweise: "Die [X.] erbrachten bisher keine Erkenntnisse darüber, ob die Beschuldigten Mitglieder der 'militante(n) gruppe' sind." Etwa ein Jahr später kommt das [X.] in seinem [X.] vom 14. Januar 2003 zu folgendem Ergebnis ([X.] 9 Ordner 1 Bl. 283, 289): "Im Überwachungszeitraum konnte der Tatverdacht gegen [X.], Mitglied der '[X.] ([X.])' zu sein, nicht erhärtet werden. (…) Anhaltspunkte für eine Beteiligung von [X.] an der Presseerklärung konnten nicht gefunden werden. [X.]. des Brandanschlags auf das Finanzamt scheidet [X.] als Täter aus, da er in der fraglichen [X.] in [X.] war." Im [X.] vom 14. Oktober 2003 ([X.] 9 Ordner 2 Bl. 65, 74) heißt es: "Eine Beteiligung der Mitglieder der [X.] [X.]-Gruppe, insbesondere [X.]'s und [X.] an Straftaten der '[X.] ([X.])' gem. § 129 a StGB kann hier aufgrund der [X.] derzeit weder bestätigt noch widerlegt werden." In einem Vermerk des [X.] vom 27. November 2003 ([X.] 9 Ordner 2 [X.]) wird aus Anlass einer vorangegangen Veröffentlichung des Magazins [X.] über die Überwachung der früheren Beschuldigten unter anderem ausgeführt: "Bei keinem dieser Anschläge ist es mit den [X.] bisher gelungen, [X.] Anhaltspunkte für eine unmittelbare Tatbeteiligung eines der o. a. Beschuldigten zu erhalten. In vielen der genannten Fälle ist eine Tatbeteiligung einzelner Beschuldigter lediglich möglich. (…) Es ist somit unwahrscheinlich, mit den [X.], die bisher weitestgehend ins Leere gelaufen sind, in näherer Zukunft bei dem gleichen Personenkreis Beweise für eine Tatbegehung zu erlangen."

Die Ermittlungen haben sogar - auch nach Auffassung des [X.] und des [X.]s - die früheren Beschuldigten entlastende Umstände erbracht. In Einzelfällen belegen die Ergebnisse der verdeckten Maßnahmen, dass die früheren Beschuldigten an Aktionen der "[X.]" nicht beteiligt gewesen sein können (vgl. u. a. [X.] vom 6. Februar 2008, [X.] 2 Ordner 2 Bl. 000255 ff.). So ist etwa eine unmittelbare Mitwirkung für alle drei früheren Beschuldigten an dem Brandanschlag auf das [X.] und auf ein Kraftfahrzeug der Staatsanwaltschaft [X.] am 18. September 2003, die Beteiligung des früheren Beschuldigten [X.] an den Brandanschlägen auf das Finanzamt [X.]-Neukölln am 1. Januar 2003 und auf das Polizeipräsidium [X.] am 9. April 2006 sowie des früheren Beschuldigten U. an dem Brandanschlag auf das Arbeitsamt [X.]-Südwest am 27. April 2003 auszuschließen. Die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen legen zudem in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Mitwirkung einzelner früherer Beschuldigter an bestimmten [X.] oder Begleithandlungen insbesondere ab dem [X.] unwahrscheinlich oder sogar unmöglich war. Dies gilt für alle drei früheren Beschuldigten für das Absenden einer E-Mail mit dem gekürzten [X.] zu dem versuchten Brandanschlag auf das Arbeitsamt [X.]-Südwest am 27. April 2004, für den Brandanschlag auf zwei Polizeifahrzeuge in [X.]-Lichtenrade in der Nacht zum 5. Mai 2006, für den Brandanschlag auf das Sozialgericht [X.] in der Nacht zum 24. Mai 2006 sowie für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der [X.] in [X.] in der Nacht zum 15. Januar 2007; für die früheren Beschuldigten U. und [X.] für den Brandanschlag auf das [X.] in [X.]-Dahlem in der Nacht zum 9. November 2005, für den Brandanschlag auf vier Fahrzeuge des Ordnungsamts [X.] Treptow-Köpenick in der Nacht zum 20. März 2006, für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der [X.] in [X.]-Lichtenberg in der Nacht zum 4. September 2006, für den Brandanschlag auf zwei Einsatzfahrzeuge der [X.]er Polizei in [X.]-Spandau am 18. Mai 2007 sowie für den Brandanschlag auf zwei Kraftfahrzeuge des Ordnungsamts [X.]-Reinickendorf in der Nacht zum 11. September 2006; für die früheren Beschuldigten [X.] und [X.] für die Taten in der Nacht zum 20. Dezember 2006 sowie für den Brandanschlag auf ein Bürogebäude in [X.]-Mitte am 16. März 2007; für den früheren Beschuldigten [X.] für das Verfassen des Textes "Für einen revolutionären Aufbauprozeß Für eine militante Plattform von der [X.] ([X.]) 15.04.02", veröffentlicht in der Interim Nr. 550 vom 5. September 2002 sowie für einen Telefonanruf im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf Fahrzeuge einer [X.] in [X.] in der Nacht zum 29. April 2002; für den früheren Beschuldigten U. für die Presseerklärung Nr. 1/2003 der "[X.]" vom 17. April 2003 sowie für den Brandanschlag auf einen LKW der Fa. "[X.]" in [X.] in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2003; für den früheren Beschuldigten [X.] für den Brandanschlag auf den Rohbau eines [X.] in [X.]-Steglitz in der Nacht zum 10. Januar 2005, für die [X.] in [X.] und [X.]-Reinickendorf in der Nacht zum 29. April 2005 sowie schließlich für die Straftaten in der Nacht zum 17. Februar 2006.

Da nach alldem zu keinem [X.]punkt ein ausreichender Tatverdacht bestand, muss der [X.] nicht darüber entscheiden, ab welchem [X.]punkt eine ursprünglich zulässige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme bei angemessener Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unzulässig geworden wäre, weil im Überwachungszeitraum keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erlangt wurden.

4. Die obigen Ausführungen gelten für die nach § 163 f StPO angeordneten und durchgeführten Observationsmaßnahmen einschließlich der Begleitmaßnahmen entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass einer der früheren Beschuldigten eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.

III.

Da das Rechtsmittel Erfolg hat, trägt die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen (§§ 464, 473 StPO). Eine Entscheidung über die in erster Instanz entstandenen Auslagen des früheren Beschuldigten war aus den vom Ermittlungsrichter des [X.] zutreffend dargelegten Gründen nicht veranlasst.

[X.]                                  Schäfer

Meta

StB 16/09

11.03.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 6. April 2009, Az: 1 BGs 87/2009, Beschluss

§ 100a Abs 1 Nr 1 StPO, § 112 Abs 1 S 1 StPO, § 203 StPO, § 129a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2010, Az. StB 16/09 (REWIS RS 2010, 8577)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8577

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