Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022, Az. 9 AZR 248/21

9. Senat | REWIS RS 2022, 1802

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Gegenstand

Altersteilzeit - tarifliche Abfindung bei vorzeitigem Rentenbeginn


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. April 2021 - 4 [X.]/20 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Abfindung zur Minderung von [X.] nach dem „Tarifvertrag zur Förderung von Altersteilzeit für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des [X.] ([X.])“ zu zahlen.

2

Der am 18. Juni 1955 geborene Kläger ist am 12. Juni 1973 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingetreten. Unter dem 29. September 2017 schlossen die Parteien eine „Altersteilzeitvereinbarung“ (im Folgenden [X.]), nach der das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Oktober 2017 befristet bis zum 31. Dezember 2018 als [X.] fortgeführt wurde.

3

Der [X.] regelt [X.].:

        

§ 1   

        

Rechtsgrundlage

        

Der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag vom [X.] wird unter Abänderung und Ergänzung nach Maßgabe der folgenden Arbeitsbedingungen als Altersteilzeitverhältnis weitergeführt. Insbesondere findet das Altersteilzeitgesetz (AtG) und der „Tarifvertrag zur Förderung von Altersteilzeitarbeit verschiedener Unternehmen des [X.] ([X.])“ in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung Anwendung.

                 

        

§ 2     

        

Altersteilzeit

        

…       

        

Die [X.] beträgt ausschließlich der Pausen die Hälfte der Arbeitszeit, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbart war. Zugrunde zu legen ist jedoch, höchstens die Arbeitszeit, die im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war. Bei Veränderungen der tariflichen Arbeitszeitregelungen wird die Altersteilzeitarbeit des Arbeitnehmers im entsprechenden Verhältnis angepasst.

        

Die Arbeitszeit wird in folgenden Phasen aufgeteilt:

        

Arbeitsphase

vom 01.10.2017 bis zum 15.05.2018

        

Freistellungphase

vom 16.05.2018 bis zum 31.12.2018

                 
        

Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet spätestens am 31.12.2018, ohne dass es einer Kündigung bedarf. …

                 
        

§ 4     

        

Arbeitsentgelt

        

Der Arbeitnehmer erhält das Arbeitsteilzeitentgelt, das nach dem [X.] der verringerten Arbeitszeit entsprechend berechnet wird (§ 5 Abs. 2 [X.]).

        

§ 5     

        

Aufstockungszahlung für Altersteilzeitarbeit

        

Der Arbeitnehmer erhält sowohl in der Arbeitsphase als auch in der Freistellungsphase eine Aufstockungszahlung gem. § 5 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit § 8 Abs. 3 b) [X.] auf Basis des jeweils zu zahlenden Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit gem. § 5 Abs. 2 [X.].

        

…       

        

Neben den von der Arbeitgeberin zu tragenden Sozialversicherungsbeiträgen für das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit entrichtet die Arbeitgeberin für den Arbeitnehmer entsprechend den Regelungen des AtG in der jeweils gültigen Fassung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Beitrags, der auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 v.H. des Arbeitsentgelts, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn seine Arbeitszeit nicht durch das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vermindert worden wäre, und dem Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit entfällt, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Es gilt § 3 Abs. 1 b AtG in der jeweiligen Fassung.“

4

Der „Tarifvertrag zur Förderung von Altersteilzeit für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des [X.] ([X.])“ in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung lautet auszugsweise:

        

§ 6   

        

Abfindung zur Minderung von [X.]

                 
        

(1)     

Der Arbeitnehmer, der zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses

                 

•       

das 60. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von

12.000 Euro,

                 

•       

das 61. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von

10.000 Euro,

                 

•       

das 62. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von

8.000 Euro,

                 

•       

das 63. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von

6.000 Euro,

                 

•       

das 64. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von

4.000 Euro.

                 
        

(2)     

Die Abfindung dient ausschließlich der Minderung des [X.]es, den der Arbeitnehmer durch den vorzeitigen Rentenbeginn erleidet.

                 

Soweit sich der Arbeitnehmer verpflichtet, dass der jeweilige [X.] nach Abs. 1 in eine Gruppenrentenversicherung oder einen [X.] eingezahlt wird und dadurch eine steuerbegünstigte Zahlung möglich ist, wird der jeweilige [X.] zum steuerrechtlich frühestmöglichen [X.]punkt gezahlt.

                 

Ansonsten wird der jeweilige [X.] nach Abs. 1 mit der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses fällig.

        

…“    

        

5

Seit dem 1. Jan[X.]r 2019 bezieht der Kläger eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte iHv. 1.469,22 Euro brutto. Nach Auskunft der [X.] hätte er bei einem Rentenbeginn am 1. Jan[X.]r 2019, wenn er in der [X.] vom 1. Oktober 2017 bis 31. Dezember 2018 in Vollzeit beschäftigt gewesen wäre und eine monatliche Bruttovergütung iHv. 3.085,99 Euro erzielt hätte, einen Anspruch auf Rente für besonders langjährig Versicherte iHv. 1.469,84 Euro brutto gehabt; bei einem Rentenbeginn am 1. April 2021 und einer vorangehenden Vollzeittätigkeit hätte ihm eine Altersrente für langjährig Versicherte (ohne Abschlag) iHv. monatlich 1.655,59 Euro brutto bzw. - unter Zugrundelegung einer alternativen tariflichen Vergütungsregelung - iHv. monatlich 1.657,37 Euro brutto zugestanden.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe nach § 6 [X.] Anspruch auf eine Abfindung iHv. 6.000,00 Euro, weil er bei Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses das 63. Lebensjahr vollendet hatte. Obwohl er abschlagsfrei Altersrente für besonders langjährig Versicherte beziehe, erleide er einen [X.] im Sinne der tariflichen Regelung, denn er habe während der Altersteilzeit ein geringeres Gehalt erzielt und zudem infolge des Renteneintritts vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht für weitere Jahre Rentenanwartschaften erworben.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Jan[X.]r 2019 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, weil er nicht vorzeitig in Rente gegangen sei und keinen [X.] iSv. § 6 Abs. 2 [X.] erlitten habe. Die Tarifvertragspartner hätten durch die Abfindung allein den Verlust abmildern wollen, der durch die Verringerung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI als Folge eines vorzeitigen Renteneintritts eintrete. Sonstige [X.]e, die möglicherweise aufgrund der Vereinbarung von Altersteilzeit eintreten könnten, solle die Abfindung nicht ausgleichen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 6 [X.] auf Zahlung einer Abfindung.

I. Nach § 6 Abs. 1 [X.] erhält ein Arbeitnehmer, der zum Endes des [X.] das 63. Lebensjahr vollendet hat, eine Abfindung iHv. von 6.000,00 Euro. Die Abfindung dient nach § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] ausschließlich der Minderung des [X.]es, den der Arbeitnehmer durch den vorzeitigen Rentenbeginn erleidet.

II. Der Anspruch nach § 6 [X.] setzt nicht allein voraus, dass bei [X.]eendigung des [X.] ein in Abs. 1 genanntes Lebensjahr vollendet ist, sondern verlangt mit Abs. 2 Satz 1 zudem, dass der Arbeitnehmer durch einen vorzeitigen Rentenbeginn einen [X.] erleidet. Mit § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] haben die Tarifvertragsparteien nicht nur den Zweck der Abfindungszahlung bestimmt, sondern zugleich den Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer begrenzt. Nicht anspruchsberechtigt sind danach Arbeitnehmer, die eine Rente beziehen, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters - wie die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236b [X.] - beginnt, denn sie gehen nicht vorzeitig in Rente und müssen keinen [X.] durch Minderung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.] hinnehmen. Dies ergibt die Auslegung des [X.] (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. [X.] 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 24; 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 20; 11. November 2020 - 4 [X.] - Rn. 20 f.).

1. Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut von § 6 [X.].

a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.], wie das [X.] z[X.] in § 36 Satz 2 [X.], § 37 Satz 2 [X.], § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.], § 236 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 [X.], zur Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen auf den Rechtsbegriff des „vorzeitigen Rentenbeginns“ und nicht auf den [X.]egriff der (Regel)Altersgrenze abgestellt (zur Auslegung einer hierauf [X.] tariflichen Regelung: vgl. [X.] 19. Juni 2018 - 9 [X.] - Rn. 16 ff.). [X.]edienen sich die Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte [X.]edeutung hat, ist dieser [X.]egriff in seiner allgemeinen juristischen [X.]edeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (st. Rspr. vgl. [X.] 10. März 2020 - 9 [X.] - Rn. 12; 18. Juli 2017 - 9 [X.] - Rn. 13; 15. Dezember 2015 - 9 [X.] - Rn. 15).

b) Nach den [X.]estimmungen des [X.] ist nicht für jede Rente wegen Alters das für die Regelaltersrente maßgebliche Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 235 [X.]) [X.]ezugspunkt für die Feststellung eines „vorzeitigen Rentenbeginns“.

aa) Ob und um welche Zahl von Kalendermonaten eine Rente wegen Alters „vorzeitig“ in Anspruch genommen wird, bestimmt sich, wie § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.] zu entnehmen, nach der Differenz zwischen der Regelaltersgrenze für die konkret in Anspruch genommene [X.] und dem tatsächlichen Alter des Versicherten bei [X.]eginn der für diese Rentenart vorgesehenen „vorzeitige(n) Inanspruchnahme“ mit einem niedrigeren Lebensalter. Die Altersgrenzen anderer, für einen Versicherten erst nach dem tatsächlichen Rentenbeginn in [X.]etracht kommender Rentenarten sind ohne [X.]elang (vgl. [X.]SG 17. Juni 2020 - [X.] 5 R 2/19 R - Rn. 21; 11. Dezember 2019 - [X.] 13 R 7/19 R - Rn. 17). Wann eine Rente „vorzeitig“ in Anspruch genommen wird, ergibt sich aus den jeweiligen Vorschriften über unterschiedliche Altersrenten, die - wie § 36 Satz 2 [X.], § 37 Satz 2 [X.], § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] oder § 237a Abs. 2 Satz 2 [X.] - dem Versicherten eine „vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente“ ermöglichen. Als „vorzeitig“ bezeichnen diese Normen schon ihrem Wortlaut nach jede Inanspruchnahme einer Altersrente vor dem für die jeweilige [X.] ggf. in Abhängigkeit von Geburtsjahr und Geburtsmonat des Versicherten festgesetzten Alter des regelmäßigen Rentenbeginns, also dem Alter, ab dem (grundsätzlich) Anspruch auf diese Rente besteht (vgl. [X.]SG 11. Dezember 2019 - [X.] 13 R 7/19 R - Rn. 19 mwN).

bb) Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236b [X.] erhalten, beziehen keine vorzeitige Rente. § 236b [X.] sieht für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, die Möglichkeit vor, Rente bei Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem für die Rente für langjährig Versicherte in § 236 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] vorgesehenen ohne Minderung des Zugangsfaktors in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.] 27. Februar 2018 - 9 [X.] - Rn. 18; [X.]SG 17. Juni 2020 - [X.] 5 R 2/19 R - Rn. 31). Für den Geburtsjahrgang des [X.] ist dies ab einem Alter von 63 Jahren und 6 Monaten möglich. [X.]ei diesem Rentenbezug handelt es sich, wie die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben, um einen regulären Renteneintritt mit abgesenktem Renteneintrittsalter. Ein vorzeitiger Renteneintritt ist bei dieser Rentenart nicht vorgesehen.

c) Ein „[X.]“ wegen eines „vorzeitigen Rentenbeginns“ iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] in Gestalt von versicherungsmathematischen Abschlägen kann bei [X.]ezug der Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236b [X.] nicht eintreten.

aa) Der Monatsbetrag einer Rente ergibt sich, indem die unter [X.]erücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit dem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 [X.]). Der Zugangsfaktor ist ein [X.]erechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 [X.]); durch ihn werden nach § 63 Abs. 5 [X.] Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen [X.] ausgeglichen (vgl. [X.]SG 17. Juni 2020 - [X.] 5 R 2/19 R - Rn. 18). Er richtet sich aufgrund von § 77 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung vom 8. Dezember 2016 ua. nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs. 1 [X.]). [X.]ei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]). [X.]ei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.]; vgl. [X.]SG 17. Juni 2020 - [X.] 5 R 2/19 R - Rn. 19).

bb) Ausschlaggebend für den Zugangsfaktor ist nach dem Wortlaut von § 77 [X.] das Alter des Versicherten bei [X.]eginn des [X.]ezugs einer bestimmten Rente. § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst a [X.] knüpft an den durch die Regelungen über die jeweiligen Rentenarten bestimmten [X.]egriff der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrenten an und gewährleistet auf diese Weise für die gesamte Rentenlaufzeit einen versicherungsmathematischen Ausgleich der längeren [X.] infolge vorzeitiger Inanspruchnahme einer konkreten Rentenart über die gesamte Rentenlaufzeit (vgl. hierzu im Einzelnen [X.]SG 17. Juni 2020 - [X.] 5 R 2/19 R - Rn. 23 ff.). Der [X.]ezug der Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§§ 38, 236b [X.]) führt nicht zu einer Verringerung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.], weil ein vorzeitiger Rentenbeginn für diese Rentenart nicht vorgesehen ist.

2. Sinn und Zweck von § 6 [X.] bestätigen die Auslegung, dass Arbeitnehmer, die eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236b [X.] beziehen, nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten gehören. Die Abfindung hat, wie der Tarifvertrag in § 6 Abs. 2 [X.] ausdrücklich festlegt, den Zweck, [X.]e abzumildern, die durch eine vorzeitige Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente nach der Altersteilzeit entstehen. Die Regelung setzt damit einen vorzeitigen Rentenbeginn voraus, denn andernfalls könnte der genannte [X.] nicht eintreten und der mit der Abfindungsregelung verfolgte [X.] der tariflichen Leistung nicht erreicht werden. Dementsprechend sollen nur solche Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch erwerben, bei denen mit [X.]eendigung ihres [X.] [X.] eintreten, die durch den vorzeitigen Rentenbeginn verursacht sind. Solche [X.]e treten bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236b [X.] nicht ein.

3. Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung. Entgegen der Ansicht des [X.] kann aus § 6 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht abgeleitet werden, dass § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] lediglich deklaratorische [X.]edeutung zukommt. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien - wie der Kläger meint - beabsichtigt hätten, Arbeitnehmern einen steuerbegünstigten [X.]ezug der Abfindung zu ermöglichen, sofern sie den entsprechenden [X.]etrag in eine Gruppenrentenversicherung oder einen [X.] einzahlen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 [X.]), würde diese Anlageform den eigentlichen Zweck der tariflichen Leistung nicht in Frage stellen. Die eigenständige [X.]edeutung von § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] würde - entgegen der Ansicht des [X.] - auch nicht in Frage gestellt, wenn durch die Regelung die in § 158 Abs. 3 SG[X.] III vorgesehenen Rechtsfolgen für den Arbeitslosengeldanspruch des Arbeitnehmers vermieden werden könnten. Es handelte sich in diesem Fall lediglich um einen rechtlichen Reflex der tariflichen Regelung.

4. Die vom Kläger vertretene Auslegung wird nicht durch die Tarifgeschichte gestützt. Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b [X.] wurde zwar erst nach Abschluss des [X.] mit Wirkung zum 1. Juli 2014 durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Juni 2014 ([X.]G[X.]l. I S. 787) eingeführt. Aus dem Tarifvertrag ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass § 6 [X.] auf das bei seinem Abschluss und nicht auf das bei [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses geltende Rentenrecht abstellt. Eine Änderung des Tarifvertrags war bei der vorgenommenen Auslegung nach Inkrafttreten von § 236b [X.] nicht veranlasst.

5. Das [X.] war nicht gehalten, eine Tarifauskunft einzuholen. Eine Tarifauskunft kann im Einzelfall von [X.]edeutung sein, wenn bei der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt bleiben und eine Tarifauskunft etwa zur Feststellung auslegungsrelevanter Umstände aus der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags beitragen kann (vgl. z[X.] [X.] 24. Februar 2010 - 10 [X.] 1035/08 - Rn. 29 f.). Solche Zweifel ergeben sich vorliegend nicht. Zudem darf eine Tarifauskunft nicht auf die [X.]eantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein; die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen [X.]egriffen ist vielmehr Sache der Gerichte für Arbeitssachen (st. Rspr. zuletzt z[X.] [X.] 27. Juli 2021 - 9 [X.] 449/20 - Rn. 26; 12. Dezember 2018 - 4 [X.] 147/17 - Rn. 44, [X.]E 164, 326).

6. Die tarifliche Regelung bedarf keiner am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG orientierten Korrektur (vgl. [X.] 20. November 2019 - 5 [X.] 39/19 - Rn. 24 ff.; sowie zur [X.]indung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz [X.] 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 25 f. mwN), der zufolge Arbeitnehmer, die keine vorzeitige Rente wegen Alters beziehen, Arbeitnehmern gleichzustellen sind, die die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Die vom Anwendungsbereich der Abfindungsregelung ausgenommene Gruppe der Arbeitnehmer ist mit der Gruppe der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer nicht vergleichbar, weil bei ihr keine dauerhafte Kürzung der Entgeltpunkte nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.] eintritt, die durch eine vorzeitige Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente nach der Altersteilzeit entstehen und durch die Abfindung nach § 6 [X.] ausgeglichen werden soll.

III. Der Kläger erfüllt danach nicht die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer „Abfindung zur Minderung von [X.]en“ nach § 6 [X.]. Er gehört nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer, weil er nach [X.]eendigung des [X.] keine vorzeitige Rente bezieht, sondern eine ungeminderte Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß §§ 38, 236b [X.]. Er musste keinen [X.] durch einen „vorzeitigen Rentenbeginn“ hinnehmen. Soweit der Kläger sich auf die von ihm eingereichten Rentenauskünfte bezieht, können diese den geltend gemachten Anspruch nicht stützen. Er verkennt, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, dass die Abfindung in § 6 [X.] nicht die Nachteile ausgleicht, zu deren [X.]erechnung der Kläger die Rentenauskünfte herangezogen hat. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob der Kläger sonstige Nachteile zutreffend berechnet hat.

IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kiel    

        

    [X.]    

        

    Weber    

        

        

        

    Frank    

        

    Hampel    

                 

Meta

9 AZR 248/21

25.01.2022

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Neumünster, 29. Oktober 2020, Az: 4 Ca 1203 a/19, Urteil

§ 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, § 38 SGB 6, § 77 SGB 6, § 235 SGB 6, § 136b SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2022, Az. 9 AZR 248/21 (REWIS RS 2022, 1802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1802

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