Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2012, Az. 5 StR 219/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5012

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Gegenstand

Meineid: Minder schwerer Fall bei Verstoß gegen Vereidigungsverbot


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe im Fall [X.] b und über die Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,

b) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe im Fall III.2 und über die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, insoweit mit den Feststellungen die Schadenshöhe im Fall III.2 betreffend.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit falscher Verdächtigung und versuchter Strafvereitelung, in einem Fall in Tateinheit mit falscher Verdächtigung unter Einbeziehung der [X.]n aus dem Strafbefehl des [X.] vom 7. August 2007 und zwei [X.]n aus dem Urteil des [X.]s Frankfurt (Oder) vom 23. Juli 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es den Angeklagten wegen Diebstahls und Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Es hat schließlich aus den verbleibenden zwei [X.]n aus dem genannten Urteil des [X.]s Frankfurt (Oder) eine dritte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten gebildet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der beiden höchsten [X.]n und der zugehörigen Gesamtstrafen; im Übrigen ist sie unbegründet.

2

1. Die für den vom Angeklagten in Tateinheit mit falscher Verdächtigung und versuchter Strafvereitelung begangenen Meineid (Fall [X.] b) verhängte [X.] hat aufgrund der unzureichenden Prüfung des minder schweren Falls nach § 154 Abs. 2 StGB keinen Bestand.

3

a) Nach den Feststellungen des [X.]s hat sich der zum damaligen Zeitpunkt wegen illegalen Aufenthalts in [X.] untergetauchte Angeklagte in dem gegen  L.    wegen eines Tötungsdeliktes geführten Ermittlungsverfahren am 16. Januar 2007 als Entlastungszeuge gemeldet und sich vom sachbearbeitenden Staatsanwalt die Zusage geben lassen, nach seiner Vernehmung trotz angedeuteter Probleme mit der Ausländerbehörde das Gerichtsgebäude wieder verlassen zu können. In der noch am selben Tag durchgeführten richterlichen Zeugenvernehmung hat der Angeklagte bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht und den Tatverdacht des Tötungsdelikts auf einen Alternativtäter gelenkt. Da der bei der Vernehmung ebenfalls anwesende sachbearbeitende Staatsanwalt den Ermittlungsrichter nicht über die Probleme des Angeklagten mit der Ausländerbehörde informiert hatte, fand eine Belehrung des Angeklagten über ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nicht statt. Im [X.] an seine Vernehmung wurde der Angeklagte gemäß § 62 Nr. 2, § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO vereidigt.

4

Die Falschaussage des Angeklagten hinderte eine alsbaldige Mordanklage gegen  L.    nicht, der trotz wiederholter Falschaussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung - unter erneuter Vereidigung in Verkennung des § 60 Nr. 2 StPO - auch anklagegemäß verurteilt wurde.

5

b) Die für diese Tat verhängte [X.] von zwei Jahren und acht Monaten hat das [X.] dem Regelstrafrahmen des § 154 Abs. 1 StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falls abgelehnt. Zwar hat es bei der [X.] zutreffend eine Strafmilderung wegen der unterbliebenen - jedoch objektiv gebotenen - Belehrung gemäß § 55 StPO verneint, weil der zur Aussage entschlossene Angeklagte sich auch durch den Hinweis auf sein Aussageverweigerungsrecht nicht von der Falschaussage hätte abhalten lassen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 1991 - 3 [X.], [X.]R StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 4). Es hat zudem rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Eidesverbots nach § 60 Nr. 2 StPO verneint. Gleichwohl hätte das [X.] bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall des Meineids nach § 154 Abs. 2 StGB vorliegt, strafmildernd berücksichtigen müssen, dass bereits die Voraussetzungen für eine Vereidigung des als Zeugen vernommenen Angeklagten nach der seit 1. September 2004 geltenden Neuregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO, wonach die Nichtvereidigung eines Zeugen der Regelfall und die Vereidigung die Ausnahme ist, bei [X.] Rechtsverständnis nicht vorlagen. Denn die Aussage des Angeklagten war für das Ermittlungsverfahren, das anschließend ohne Verzögerung gegen  L.    weiterbetrieben wurde, schon damals absehbar nicht von ausschlaggebender Bedeutung; auch lassen die Feststellungen nicht erkennen, dass eine Vereidigung zur Herbeiführung einer wahren Aussage notwendig gewesen wäre (vgl. [X.]/[X.] in [X.], 26. Aufl., § 59 Rn. 6 ff.). Angesichts einer aus Rechtsgründen nicht angezeigten, mithin objektiv verfahrensfehlerhaften Vereidigung lag für das [X.] die Annahme eines minder schweren Falls auf der Hand (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 1960 - 1 [X.], [X.]St 17, 128, 136, [X.], StGB, 59. Aufl., § 154 Rn. 19 mwN). Zwar hatte die Bestrafung strenger auszufallen als die im Fall [X.] c - bei Annahme eines minder schweren Falls und unter Zubilligung eines [X.] (§ 157 StGB) - zugemessene Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Der [X.] kann jedoch angesichts des anzuwendenden beträchtlich milderen Strafrahmens des § 154 Abs. 2 StGB nicht ausschließen, dass das [X.] auf eine geringere Einzelfreiheitsstrafe als die verhängte erkannt hätte.

6

Die Aufhebung der [X.] führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Da lediglich [X.] vorliegen, können sämtliche Urteilsfeststellungen zu diesem Fall bestehen bleiben.

7

2. Auch die für den vom Angeklagten verübten Einbruchsdiebstahl vom 24. April 2010 (Fall [X.]) verhängte [X.] von drei Jahren und sechs Monaten hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

8

Nach den Feststellungen der [X.] entwendeten der Angeklagte und seine Mittäter bei dieser Tat diverse Gegenstände, darunter aus vier Werkzeugschränken Werkzeuge und "je etwa 1.000 - 2.000 Bohrer und Fräser, wodurch ein Schaden von 245.837,76 € entstand" ([X.]). Als Gesamtschaden hat das [X.] einen Betrag von 466.488,56 € angenommen. Den Schadensumfang hat es dabei auf die Bekundungen des Geschädigten gestützt, der den Schaden freilich im Rahmen einer im Ermittlungsverfahren abgegebenen Schätzung noch auf etwa 120.000 € beziffert hatte ([X.], 70).

9

Die mehrdeutigen Angaben zur Anzahl der entwendeten Werkzeuge tragen die Feststellungen zur Schadenshöhe nicht. Dies gilt schon deswegen, weil sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, ob die [X.] bei der Strafzumessung den [X.] zugrunde gelegt hat. Ferner verhalten sich die Urteilsgründe nicht zu dem Umstand, dass der Zeuge ursprünglich von einem beträchtlich geringeren Schaden ausgegangen war und - aufgrund noch nicht erfolgter Regulierung durch die Versicherung - keine weiteren objektiven Anhaltspunkte zur Schadenshöhe vorlagen. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Bewertung der Schadenshöhe. Da die Schadenshöhe ein wesentlicher Strafschärfungsgrund war, kann der [X.] nicht ausschließen, dass die [X.] ungeachtet sämtlicher weiterer Strafschärfungsgründe niedriger ausgefallen wäre. Nur zur Schadenshöhe werden neue Feststellungen zu treffen sein.

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Abgesehen von den Feststellungen zur Schadenshöhe im Fall [X.] wird das neue Tatgericht der Beurteilung sämtliche sonstigen bestehenbleibenden Feststellungen zugrunde zu legen haben.

Die Gesamtstrafbildung in Anwendung der Prinzipien des § 55 StGB erweist sich als insgesamt rechtsfehlerfrei, so dass neben den beiden geringeren [X.] auch die dritte Gesamtfreiheitsstrafe bestehen bleibt.

[X.]                              [X.]

                     König                              [X.]

Meta

5 StR 219/12

04.07.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 20. Dezember 2011, Az: (538) 1 Kap Js 2267/09 KLs (10/11)

§ 154 Abs 2 StGB, § 59 Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2012, Az. 5 StR 219/12 (REWIS RS 2012, 5012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5012

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 219/12

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