Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2011, Az. 4 StR 425/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2253

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Gegenstand

Strafzumessung: Prüfung der fiktiven Tilgungsreife bei Berücksichtigung einer nicht in das Bundeszentralregister eingetragenen ausländischen Vorstrafe im Rahmen der Strafzumessung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 22. März 2011, soweit es ihn betrifft, in den Aussprüchen über die Einzel- und die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten und zwei Wochen verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge und Beanstandungen des Verfahrens gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Strafaussprüche.

2

1. Die Verfahrensrügen sind aus den vom [X.] in der Antragsschrift vom 25. August 2011 dargelegten Gründen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auch der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

2. Keinen Bestand haben dagegen die gegen den Angeklagten [X.]verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.

4

a) Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen absolvierte der inzwischen 35-jährige Angeklagte im Alter von 17 bzw. 18 Jahren in [X.] seinen Militärdienst, beging „Fahnenflucht“ und wurde deshalb in [X.] zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat er in [X.] „noch weitere Freiheitsstrafen verbüßt“ ([X.] f.), zu denen das Urteil – anders als beim Angeklagten [X.]- keine Einzelheiten mitteilt. Weitere Vorstrafen hat das [X.] nicht festgestellt.

5

Bei der Bemessung der gegen den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zur Vergewaltigung verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten hat die [X.] – an erster Stelle – zu Lasten des Angeklagten angeführt, dass sich dieser, „obwohl er bereits in [X.] freiheitsentziehende Maßnahmen erlitten hat, nicht von der Begehung der vorliegenden Taten [hat] abschrecken lassen“ ([X.]). Ferner hat sie die „vorgenannten … strafschärfenden Gesichtspunkte“ sowohl bei der Bemessung der wegen versuchter Nötigung verhängten Geldstrafe als auch der Gesamtstrafe berücksichtigt (UA S. 42).

6

b) Dies hält einer Überprüfung nicht stand.

7

aa) Zwar dürfen bei der Strafzumessung auch rechtskräftige ausländische Vorstrafen berücksichtigt werden, wenn die Tat nach [X.] Recht strafbar wäre (vgl. BT-Drucks. 16/13673 S. 6 f. mwN). Sind sie zur Bewertung des [X.] des [X.] im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB relevant, müssen in einem Mitgliedsstaat der [X.] ergangene Verurteilungen grundsätzlich sogar „mit gleichwertigen tatsächlichen bzw. verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen versehen werden … wie denjenigen, die das innerstaatliche Recht den im Inland ergangenen Verurteilungen zuerkennt“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Nr. 5 der Erwägungsgründe des Rahmenbeschlusses 2008/[X.] des Rates der [X.] vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedsstaaten der [X.] ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren). Dabei ist nicht Voraussetzung, dass es sich um eine nach § 54 [X.] im Bundeszentralregister eingetragene ausländische Vorstrafe handelt ([X.], Beschluss vom 1. August 2007 - 5 [X.], [X.], 368, 369; zur geplanten Neuregelung der Eintragung ausländischer Verurteilungen: vgl. BT-Drucks. 17/5224 [dort v.a. § 53a [X.]]).

8

bb) Die Verwertbarkeit einer ausländischen Verurteilung in einem in [X.] geführten Strafverfahren zum Nachteil des Beschuldigten setzt grundsätzlich aber ebenfalls voraus, dass diese - würde es sich um eine Verurteilung nach [X.] Recht handeln - nicht tilgungsreif wäre.

9

Dies ergibt sich für im Bundeszentralregister eingetragene ausländische Verurteilungen aus §§ 51 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] (gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 [X.]), gilt aber auch für dort nicht eingetragene ausländische Vorstrafen. Grundlage hierfür ist § 58 [X.], nach dem eine ausländische Verurteilung, auch wenn sie nicht in das Bundeszentralregister eingetragen ist, als tilgungsreif gilt, sobald eine ihr vergleichbare Verurteilung im Geltungsbereich des Gesetzes über das Zentralregister und das [X.] wäre. Liegt eine solche [X.] vor, besteht - schon nach dem Willen des Gesetzgebers - das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 [X.] (gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 [X.]); denn [X.] „ausländische Verurteilungen [können] nicht in größerem Umfang zu seinem Nachteil berücksichtigt werden als entsprechende [X.] Bestrafungen“ (BT-Drucks. VI/477 S. 25 [zu § 52 [X.]]; BayObLG, Urteil vom 17. März 1978 - [X.], BayObLGSt 1978, 39, 41; ebenso [X.]/Tolzmann, [X.], 4. Aufl., § 58 Rn. 6, 7; Hase, [X.], 2003, § 58 Rn. 1; [X.], NStZ 1985, 529, 530). Dies entspricht auch dem Rahmenbeschluss 2008/[X.] des Rates der [X.] vom 24. Juli 2008, der - etwa in Art. 3 Abs. 1 - darauf verweist, dass in einem Mitgliedsstaat der [X.] ergangene frühere Verurteilungen im Strafverfahren „mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen“.

cc) Kommt mithin bei einer dem Tatrichter bekannt gewordenen, von ihm zum Nachteil des Beschuldigten berücksichtigungsfähigen ausländischen Vorstrafe in Betracht, dass diese - würde es sich um eine [X.] Verurteilung handeln - im Falle ihrer Eintragung im [X.] wäre (ohne dass eine Ausnahmeregelung - etwa die in § 52 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - eingreift), muss er die für die [X.] erforderlichen Feststellungen treffen und bewerten (vgl. dazu auch § 56 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und dies im Urteil darlegen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 1. August 2007 - 5 [X.], [X.], 368, 369; BayObLG, Urteil vom 17. März 1978 - [X.], BayObLGSt 1978, 39, 41; ferner [X.], Beschluss vom 3. Februar 1999 - 5 StR 705/98).

dd) Auf dieser Grundlage kann das landgerichtliche Urteil keinen Bestand haben. Denn der Senat kann die nach der Rechtsprechung des [X.] auf die Sachrüge hin gebotene Prüfung, ob die [X.] beim Angeklagten [X.]das (in Betracht kommende) Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 [X.] (gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 [X.]) missachtet hat, mangels hinreichender Feststellungen nicht überprüfen. Dies führt zur Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.

[X.][X.]

                         Mutzbauer                                         [X.]

Meta

4 StR 425/11

19.10.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 22. März 2011, Az: 39 KLs 22/10 - 150 Js 144/10

§ 51 Abs 1 BZRG, § 52 Abs 1 Nr 2 BZRG, § 54 BZRG, § 56 Abs 1 BZRG, § 58 BZRG, § 46 Abs 2 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2011, Az. 4 StR 425/11 (REWIS RS 2011, 2253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2253

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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