Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2016, Az. III R 14/15

3. Senat | REWIS RS 2016, 16637

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Gegenstand

Kindergeld: Erstausbildung bei Aufnahme eines Studiums nach Berufstätigkeit


Leitsatz

1. Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar .

2. Setzt der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraus oder nimmt das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine Berufstätigkeit auf, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung vor .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2015 6 K 1216/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Vater der im [X.]ahr 1991 geborenen Tochter ([X.]). [X.] schloss im [X.]anuar 2014 im [X.] an das Abitur eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen erfolgreich ab. Anschließend arbeitete sie als Angestellte bei der Klinik M. Zunächst bewarb sich [X.] nach dem Vorbringen des [X.] im Mai 2014 zum Wintersemester 2014/2015 an der [X.], da sie eine Tätigkeit im mittleren Management im Gesundheitswesen anstrebte. Nachdem ihr Arbeitgeber ihr anbot, ein berufsbegleitendes Studium an der Verwaltungsakademie ([X.]) zu absolvieren, bewarb sie sich dort zum nächstmöglichen Studienbeginn. Im September 2014 begann [X.] berufsbegleitend ein Studium an der [X.] mit der Fachrichtung "Betriebswirt ([X.])". Sie reduzierte die Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden. Für diesen Studiengang waren eine kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit Voraussetzung. Obwohl [X.] die Voraussetzung für die einjährige Berufszeit noch nicht erfüllte, wurde sie zunächst ausnahmsweise vorläufig immatrikuliert.

2

Mit Bescheid vom 26. November 2014 hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für [X.] ab [X.]uli 2014 auf. Sie vertrat die Auffassung, dass [X.] mit der Abschlussprüfung im Gesundheitswesen eine abgeschlossene Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) habe.

3

Der Einspruch des [X.] blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2015). Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 1537 veröffentlichten Urteil ab.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Er macht unter Hinweis auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 15. April 2015 V R 27/14 ([X.]E 249, 500) geltend, dass mehraktige Ausbildungsmaßnahmen dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren seien, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt seien, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden solle und das --von den Eltern und dem [X.] bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden könne. Zur Erreichung des Berufsziels der Tochter im [X.] sei ein Studium erforderlich gewesen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 25. [X.]uni 2015  6 K 1216/15 und den Bescheid der Familienkasse vom 26. November 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2015 aufzuheben.

7

Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- [X.]. § 121 [X.]O).

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Kindergeldanspruch für den Zeitraum ab [X.]uli 2014 zusteht.

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des [X.] sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

2. Die Berücksichtigung der Tochter des [X.] ist ab [X.]uli 2014 ausgeschlossen, weil [X.] eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während ihrer nachfolgenden ([X.] mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitete (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

a) Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt ([X.]-Urteile vom 3. [X.]uli 2014 III R 52/13, [X.], 427, [X.], 152, Rz 25; in [X.], 500, Rz 20; vom 16. [X.]uni 2015 XI R 1/14, [X.], 1378, Rz 26; vom 3. September 2015 VI R 9/15, [X.], 10, Rz 16). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat ([X.]-Urteil in [X.], 427, [X.], 152, Rz 30).

b) Das [X.] hat nach diesen Grundsätzen im Ergebnis zu Recht eine einheitliche Ausbildung verneint und damit das Studium an der [X.] nicht mehr als Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angesehen.

aa) Ob das Studium zum Betriebswirt ([X.]) als fachliche Ergänzung oder Vertiefung einer kaufmännischen Ausbildung im Gesundheitswesen angesehen werden kann, kann dahinstehen.

bb) Die kaufmännische Ausbildung und das Studium stellen im vorliegenden Fall nicht notwendig eine Ausbildungseinheit dar, weil sich erst nach einer Berufstätigkeit der zweite Ausbildungsabschnitt anschließen kann. Das Studium an der [X.] setzt eine berufspraktische Erfahrung von in der Regel nicht unter einem [X.]ahr voraus. Es stellt sich damit als ein die berufliche Erfahrung berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung) dar. Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt. Das Gleiche gilt, wenn das Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient, weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte beginnen können. Wird somit eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen [X.] aufgenommen, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die einzelnen Ausbildungsabschnitte regelmäßig nicht mehr integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein.

c) Dass vorliegend von der grundsätzlich geforderten einjährigen Berufstätigkeit eine Ausnahme gemacht wurde, ändert hieran nichts. Entscheidend ist --worauf das [X.] zu Recht abstellt--, ob die beiden von der Tochter gewählten Ausbildungen objektiv eine einheitliche Ausbildung darstellen.

d) Darüber hinaus war im Streitfall aufgrund objektiver Beweisanzeichen nicht erkennbar, dass [X.] nach Abschluss ihrer kaufmännischen Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen im [X.]anuar 2014 noch eine weiterführende Ausbildung als Teil einer Erstausbildung anstrebte. Nach den Feststellungen des [X.]-Urteils bewarb sie sich erst im Mai 2014 während ihrer Berufstätigkeit um ein weiterführendes Studium.

3. Das Ergebnis --die Annahme einer [X.] steht aufgrund eines nicht vergleichbaren Sachverhalts auch nicht in Widerspruch zum Urteil des [X.] in [X.], 500.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III R 14/15

04.02.2016

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 25. Juni 2015, Az: 6 K 1216/15, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2009, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2016, Az. III R 14/15 (REWIS RS 2016, 16637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16637

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Referenzen
Wird zitiert von

6 K 301/17

13 K 171/17

10 K 2238/18

7 K 826/16

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