Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.02.2018, Az. 3 Wx 167/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13359

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Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Rheinberg vom 17. Mai 2017 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 2.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000.000,- €

Gründe

G r ü n d e :

I.

Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten zwei notarielle Testamente vom 15. Juli 1998 und vom 23. Dezember 2005 errichtet, mit welchen sie sich wechselseitig zu Alleinerben bestimmt und  weitere Verfügungen getroffen hatten. Dem überlebenden Ehegatten wurde vorbehalten, frei über den Nachlass verfügen zu können.

Die Erblasserin errichtete sodann am 15. Mai 2012 ein handschriftliches Einzeltestament, mit welchem sie unter anderem Testamentsvollstreckung anordnete und den Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker benannte. Bei dem Beteiligten zu 1 handelt es sich um den Steuerberater zunächst beider Eheleute und nach dem Tod des Ehemannes der Erblasserin alleine. Die Erblasserin hielt in ihrem Testament vom 15. Mai 2012 weiter fest, dass sie ihre Erben noch bestimmen wolle; sofern es nicht mehr dazu kommen solle, solle eine Stiftung zum Zwecke der Förderung der Krebsforschung errichtet werden. Unter dem 10. und dem 20. August 2012 traf die Erblasserin handschriftlich ergänzende Verfügungen und ordnete unter anderem an, dass die Kinder des Sohnes ihres vorverstorbenen Ehemannes aus erster Ehe jeweils 100.000,- € bei Vollendung des 23. Lebensjahres bekommen sollten; bis dahin ordnete sie die Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker an. Weiter verfügte sie, dass ihr verbleibender Nachlass an gemeinnützige Einrichtungen gespendet werden solle.

Nach dem Tod der Erblasserin erklärte der Beteiligte zu 1 die Annahme des Amtes als Testamentsvollstrecker und ihm wurde am 20. Dezember 2012 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt.

Am 17. Januar 2017 beantragte die Beteiligte zu 2 die Bestellung eines Nachlasspflegers. Hierzu führte sie im Folgenden aus, bislang sei ein Erbe der Erblasserin nicht ermittelt, zu der Gründung einer geplanten Stiftung sei es noch nicht gekommen. Es seien noch Einkommenssteuerbescheide zu erteilen, die dem Erben oder seinem gesetzlichen Vertreter zugestellt werden müssten. Mit der Bestellung des Beteiligten zu 1 als Nachlasspfleger bestehe Einverständnis.

Mit Beschluss vom 17. Mai 2017 ordnete das Amtsgericht – Rechtspfleger – die Nachlasspflegschaft an und bestimmte die Beteiligte zu 3 als Nachlasspflegerin mit dem in dem Beschluss näher festgelegten Wirkungskreis in steuerrechtlichen Belangen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erben seien noch unbekannt und wegen einer drohenden Verjährung von Steueransprüchen sei die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zeitnah erforderlich. Der Beteiligte zu 1 könne mit Blick auf einen gegen ihn gestellten Entlassungsantrag nicht zum Nachlasspfleger bestellt werden.

Mit dem in Bezug genommenen Entlassungsantrag vom 03. Mai 2017 haben die Kinder des Sohnes ihres vorverstorbenen Ehemannes aus erster Ehe als Vermächtnisnehmer die Entlassung des Beteiligten zu 1 als Testamentsvollstrecker beantragt, da dieser die ihnen zugewandten Geldbeträge bislang nicht mündelsicher angelegt habe.

Gegen den Beschluss vom 17. Mai 2017 richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 14. Juni 2017. Zur Begründung führt er aus, der gegen ihn gerichtete Entlassungsantrag sei unbegründet, denn die Erblasserin habe ihm keine Vorgaben hinsichtlich der Verwaltung des auf die Vermächtnisnehmer entfallenden Betrages gemacht; überdies sei eine mündelsichere Anlage derzeit wegen des niedrigen Zinsniveaus und möglicher Strafzinsen nicht zweckmäßig. Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft sei nicht erforderlich, denn Steuerbescheide über die Steuern, die nach dem Tod der Erblasserin entstanden seien, seien an ihn als Testamentsvollstrecker zuzustellen. Schließlich gebe es keinen Grund, nicht ihn als Nachlasspfleger zu bestellen.

Das Amtsgericht hat unter dem 12. Juli 2017 einen Nichtabhilfebeschluss erlassen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Das schwebende Entlassungsverfahren und die drohende Verjährung von Steueransprüchen hätten es bewogen, eine neutrale Person zur Nachlasspflegerin zu bestellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Nach der von dem Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2017 erklärten Nichtabhilfe ist die Entscheidung über das von dem Beteiligten zu 1 eingelegte Rechtsmittel dem Senat als Beschwerdegericht angefallen.

Das Rechtmittel des Beteiligten zu 1 hat auch Erfolg und die Anordnung der Nachlasspflegschaft ist aufzuheben.

Das als Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsmittel ist zwar unzulässig, soweit der Beteiligte zu 1 die Auswahl der Beteiligten zu 3 als Nachlasspflegerin anfechtet. Insoweit fehlt dem Beteiligten zu 1 die Beschwerdeberechtigung, § 59 Abs. 1 FamFG.

Wird eine Nachlasspflegschaft angeordnet, ist ein Testamentsvollstrecker beschwerdeberechtigt, soweit er sich gegen die Anordnung als solche wendet. Er ist auch beschwerdeberechtigt, wenn eine beantragte Aufhebung der Nachlasspflegschaft abgelehnt wird. Dagegen steht einem Testamentsvollstrecker kein Beschwerderecht zu, soweit er die Auswahl des Nachlasspflegers beanstandet (BayObLG, FamRZ 2002, 109 f.; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rn. 83; Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, 17. Aufl., § 1960 Rn. 114).

Die teilweise Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Beteiligten zu 1 ist indes für das Ergebnis ohne Belang, denn im Übrigen ist das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 nach §§ 58 ff. FamFG zulässig und begründet, da bereits die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht gegeben sind.

Gemäß §§ 1960 Abs. 1, 1961 BGB ist ein Nachlasspfleger zu bestellen, wenn dies zum Zwecke der Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet und für den die Erben haften, beantragt wird und die Erbschaft noch nicht angenommen ist oder der Erbe unbekannt ist. Dies dient der Sicherung des Nachlasses und der Nachlasspfleger ist im Rahmen des ihm übertragenen Wirkungskreises gesetzlicher Vertreter des noch nicht feststehenden Erben (Palandt-Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 1960 Rn. 11). Die Aufgaben eines Nachlasspflegers werden durch seinen Wirkungskreis bestimmt. Hierzu kann auch die Erfüllung von Steuerschulden gehören, §§ 34, 35 AO (vgl. Palandt-Weidlich, aaO., § 1960 Rn. 13, 18).

Die Bestellung eines Nachlasspflegers kommt auch dann in Betracht, wenn der Erblasser bereits einen Testamentsvollstrecker bestimmt und dieser das Amt angenommen hat. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers einerseits und des Testamentsvollstreckers andererseits und die jeweils obliegenden Pflichten sind nicht deckungsgleich: zwar hat auch ein Nachlasspfleger im Rahmen des ihm übertragenen Wirkungskreises den Nachlass zu verwalten, § 2017 BGB; die Ausführung des letzten Willens des Erblassers obliegt dagegen dem Testamentsvollstrecker, § 2203 BGB. Dieser hat die Rechtsstellung eines Treuhänders (vgl. Palandt-Weidlich, aaO., Einf v § 2197 Rn. 2).

In den Aufgabenbereich eines Testamentsvollstreckers können auch steuerliche Pflichten fallen. Soweit eine Steuerschuld mangels entsprechender Festsetzung noch nicht besteht, kommt daher auch eine Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers in Betracht.  Diese bezieht sich nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG regelmäßig allerdings allein auf die Erbschaftssteuer (BFH Urteil vom 11. Juni 2013, II R 10/11). Die Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers richtet sich nach dem Umfang der ihm von dem Erblasser aufgegebenen Verwaltung; eine uneingeschränkte Erklärungspflicht besteht nicht, weshalb der BFH eine Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers bezüglich der persönlichen öffentlich-rechtlichen Pflicht des feststehenden Erben zur Abgabe der Einkommens- und Vermögenssteuererklärung verneint hat (Urteil vom 16. April 1980, VII R 81/79). Soweit die Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers reicht, ist ein zu erlassender Steuerbescheid dem Testamentsvollstrecker bekannt zu geben und er hat für die Bezahlung der Steuer zu sorgen (vgl. Palandt-Weidlich, aaO., Einf v § 2197 Rn. 14).

Vorliegend steht allein der Erlass von Einkommenssteuerbescheiden, die Zeiträume vor dem Erbfall betreffen, in Rede. Entsprechendes hat die Beteiligte zu 2 in ihrer Stellungnahme vom 23. März 2017 mitgeteilt, wonach noch Einkommenssteuerbescheide bzw. Änderungsbescheide für vor dem Erbfall liegende Zeiträume zu erteilen seien. Zu der Abgabe von Erbschaftssteuererklärungen ist der Beteiligte zu 1 nach dem Inhalt seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2017 bereits durch das zuständige Finanzamt Kiel-Süd aufgefordert worden.

Zwar handelt es sich bei der ursprünglich in der Person der Erblasserin begründeten Pflicht zur Zahlung von Einkommenssteuer nunmehr um einen Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, denn die diesbezüglich bestehenden Ansprüche des Fiskus gegen die Erblasserin sind mit ihrem Tode auf ihren Erben übergegangen. Gleichwohl war die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Ermöglichung der Geltendmachung dieses Anspruchs in dem hier zu entscheidenden Fall nicht erforderlich.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Frage, wer Erbe ist, § 1960 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. BGB, mangels Gründung der nur in dem Testament der Erblasserin vom 15. Mai 2012 – nicht mehr in den Ergänzungen vom 10. und 20. August 2012 - als Erbin angesprochenen Stiftung, ungewiss ist.

In dem hier zu entscheidenden Fall ist nämlich die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 1 zu Lebzeiten der Erblasserin, wie bereits zuvor zu Lebzeiten ihres Ehemannes, im Rahmen eines Dauermandates der Steuerberater der Eheleute gewesen ist. Als solcher war er zur Abgabe von Einkommenssteuererklärungen zunächst der Eheleute und später allein der Erblasserin beauftragt, §§ 675 BGB, und bevollmächtigt, § 164 BGB.

Für den Fortbestand der im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages dem Beauftragten erteilten Vollmacht gilt regelmäßig, dass der Tod des Vollmachtgebers nicht zum Erlöschen der Vollmacht führt (vgl. Palandt-Ellenberger, aaO., § 168 Rn. 4; Palandt-Weidlich, aaO., Einf v § 2197 Rn. 9). Dass dies im vorliegenden Fall anders sein könnte, ist nicht ersichtlich; so hat auch der Beteiligte zu 1 in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2017 ausgeführt, sich nach wie vor für bevollmächtigt zu halten. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, dass die Frage, wer Erbe der Erblasserin ist, möglicherweise ungewiss ist. Dies betrifft allein das Rechtsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1 und dessen möglichem Anspruchsgegner, nicht jedoch die Frage des wirksamen Auftretens nach außen hin als Bevollmächtigter.

Ist aber der Beteiligte zu 1 – nicht in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker, sondern in seiner Eigenschaft als Steuerberater der Erblasserin – verpflichtet und bevollmächtigt, die hier ausschließlich in Rede stehende Einkommenssteuererklärung für Zeiträume vor dem Tod der Erblasserin abzugeben, bedarf es nicht der Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Auch ein zu erlassender Steuerbescheid kann ihm zugestellt werden, § 122 Abs. 1 Satz 3 AO. Ferner hat er auch für die Erfüllung der Steuerschuld zu sorgen, denn ihm obliegt aufgrund des Inhaltes des Testaments der Erblasserin vom 15. Mai 2012 die Verwaltung des gesamten Nachlasses der Erblasserin, § 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB, und allein die Erfüllung der Steuerverbindlichkeiten entspricht einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben eines Testamentsvollstreckers. Dass der Beteiligte zu 1 sich seiner steuerrechtlichen Pflichten bewusst ist und zur Erfüllung bereit ist, hat er in sämtlichen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht.

Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem Inhalt des Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen, an den der Senat als schlichte Verwaltungsanweisung für die dem Bundesministerium für Finanzen nachgeordneten Finanzämter ohnehin nicht gebunden wäre. Die unter Ziffer 2.12 des Erlasses getroffenen Anordnungen betreffen die Situation, dass eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Die in dem hiesigen Fall gegebene Besonderheit, dass der Testamentsvollstrecker zuvor als Steuerberater des Erblassers tätig war, wird in dieser Ziffer des Erlasses nicht behandelt. Im Übrigen ermöglicht es Ziffer 2.13.1.1 in Satz 2  ausdrücklich, dass ein Steuerbescheid über einen von dem Erblasser selbst verwirklichten Steuertatbestand einem Testamentsvollstrecker zugestellt werden kann, wenn er gemäß § 2213 Abs. 1 BGB zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet ist und zur Erfüllung der Steuerschuld herangezogen werden soll.

Besteht demnach kein Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft, war der Beschluss des Amtsgerichts vom 17. Mai 2017 insgesamt aufzuheben.

Über den gegen den Beteiligten zu 1 gestellten Entlassungsantrag schließlich hatte der Senat keine Entscheidung zu treffen. Diesen hat zunächst das Amtsgericht   erstinstanzlich zu bescheiden.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 64 GNotKG. Dabei hat der Senat den aus dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 12. Juli 2017 ersichtlichen Nachlasswert zugrunde gelegt.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.

Meta

3 Wx 167/17

23.02.2018

Oberlandesgericht Düsseldorf 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: Wx

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.02.2018, Az. 3 Wx 167/17 (REWIS RS 2018, 13359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13359

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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