Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2018, Az. 4 StR 598/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8824

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:220518B4STR598.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 598/17

vom
22. Mai
2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

wegen
zu 1. und 3.:
beson[X.] schwerer Brandstiftung u.a.

zu 2.:
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge
u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführer am 22.
Mai 2018 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten B.

und P.

wird
das Urteil des [X.] vom 9.
Juni 2017

soweit es sie betrifft

mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben:
a)
hinsichtlich des Angeklagten B.

im Ausspruch über
die Einzelstrafe im Fall
B.
II.
7 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b)
hinsichtlich des Angeklagten P.

im Ausspruch über
die Einzelstrafe im Fall
B.
II.
8 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die Revision des Angeklagten M.

und die weiter gehen-
den Revisionen der Angeklagten B.

und P.

werden
verworfen.
4.
Der Angeklagte M.

hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten M.

wegen Diebstahls in drei
Fällen und Brandstiftung in drei Fällen, davon in einem Fall im beson[X.] schweren Fall,
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren
verurteilt. Den Angeklagten B.

hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum
Diebstahl, Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls und Brandstiftung in zwei Fällen, davon in einem Fall im beson[X.] schweren Fall,
zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe
von sieben Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten P.

hat das
[X.] wegen Diebstahls in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn
Monaten festgesetzt. Außerdem hat es den Angeklagten P.

betreffend Betäubungsmittel und weitere Gegenstände eingezogen so-

Revisionen wenden sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilungen. Die Rechtsmittel der Angeklagten B.

und P.

haben den aus der Beschluss-
formel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet. Die Revision des Angeklagten M.

bleibt insgesamt erfolglos.
1.
Die Verfahrensrügen des Angeklagten B.

bleiben aus den vom Ge-
neralbundesanwalt angeführten Gründen ohne Erfolg. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
Die Rüge, das [X.] habe bei der Ablehnung der Beweisanträge auf Einvernahme der Zeuginnen

Ba.

und

T.

sowie der
Zeugen
V.

und D.

R.

gegen §
244 Abs.
3 StPO verstoßen, weil
es keine über die einzelnen [X.] hinausgehende Gesamtwürdi-gung vorgenommen habe, ist jedenfalls unbegründet.
1
2
3
-
4
-
a)
Der Revision ist zuzugeben, dass es bei
einer
auf §
244 Abs.
3 Satz
2 StPO (tatsächliche Bedeutungslosigkeit der [X.]) gestützten Ableh-nung einer Mehrzahl von Beweisanträgen, die das
gemeinsame Ziel verfolgen, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen in Frage zu stellen, auch erforderlich sein kann, eine über die isolierte
Bewertung der einzelnen
[X.]
hinaus-gehende Gesamtwürdigung
vorzunehmen.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nach
den konkreten Umständen nicht nur den einzeln
unter Beweis ge-stellten möglichen
unwahren
Angaben des Zeugen, sondern auch deren Viel-zahl
eine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen kann. Würde
sich der Tatrichter in einem solchen Fall bei der Ablehnung der
einzelnen Beweisanträ-ge auf
eine isolierte Betrachtung beschränken, hätte dies
zur Folge,
dass der im Rahmen der Beweiswürdigung gebotenen Gesamtabwägung ein wichtiger zu-gunsten des Angeklagten sprechender Umstand entzogen würde
(vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Juli 2011

3
StR
44/11, [X.], 646; Beschluss vom 21.
Juni 2006

2 StR 57/06, [X.], 385, 386).
b) Daran gemessen
hat die [X.] aber nicht gegen § 244 Abs. 3 StPO verstoßen. Bei der Ablehnung des Beweisantrages
auf Einvernahme der Zeuginnen

Ba.

und

T.

,
der auf die Widerlegung von
Tatsachenbehauptungen der Zeugin O.

gerichtet war,
hat das Land-
gericht
beide Beweisbehauptungen im Blick gehabt und zusammen bewertet.
Die weiteren Beweisanträge bezogen sich lediglich auf die Stichhaltigkeit
einer
von der Zeugin O.

auch als solche gekennzeichneten
Schlussfolgerung
(Einvernahme des Zeugen V.

R.

) und
die
inhaltliche Richtigkeit von
allgemeinen Äußerungen Dritter, die die Zeugin O.

wiedergegeben
hat
(Einvernahme des Zeugen D.

R.

). Diese beiden
Beweistat-
sachen waren für die Beurteilung der
persönlichen
Zuverlässigkeit der Zeugin
4
5
-
5
-
O.

von so geringer Bedeutung, dass für eine Gesamtwürdigung kein
Anlass bestand.
2.
Die Schuldsprüche
weisen keinen Rechtsfehler auf (§
349 Abs.
2
StPO). Dies gilt auch, soweit die
Angeklagten M.

und B.

in den Fäl-
len
B.
II.
2 (M.

) und B.
II.
7 (B.

) der Urteilsgründe wegen einer tatmehr-
heitlich begangenen vorsätzlichen Brandstiftung (§
306 Abs.
1 Nr.
4 StGB) schuldig gesprochen worden sind.
Der Umstand, dass sie
die von ihnen in Brand gesetzten Fahrzeuge zuvor gestohlen hatten, führt hier nicht dazu, dass die Brandstiftungen hinter die vorangegangenen Diebstähle als sog. mitbestraf-te [X.] zurücktreten.
a)
Die mitbestrafte [X.] ist eine selbstständige, den Tatbestand
eines Strafgesetzes erfüllende rechtswidrige und schuldhafte Handlung, durch die der Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position
sichert, ausnutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn die Bewertung des konkreten Sachverhalts ergibt, dass dieser nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung wegen ihres inneren

funktionalen

Zusammenhangs mit der (Vor-)
Haupttat kein eigener Unwertgehalt zukommt, so dass auch kein Bedürfnis be-steht, sie neben der Haupttat selbstständig zu bestrafen (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
August 2008

2
StR
329/08, [X.], 38; Urteil vom 18.
Juli 2007

2
StR
69/07, [X.], 396; Beschluss vom 17.
Oktober 1992

5
StR
517/92, [X.]St 38, 366, 368
f.; Urteil vom 11.
Januar 1955

5
StR
468/54, [X.] 1955, 269 bei [X.]; RG, Urteil vom 2.
März 1928

I
139/28, [X.], 61, 62). Voraussetzung für die Straflosigkeit der [X.] ist, dass die [X.] der beiden Straftaten identisch sind, die [X.] kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Septem-6
7
-
6
-
ber 2010

5
StR
259/10, [X.], 160, 161; Urteil vom 18.
Juli 2007

2
StR 69/07, aaO; Beschluss vom 1.
November 1995

5
StR
535/95, [X.], 136, 137). Die
Rechtsprechung hat in Anwendung dieser Grundsätze ange-nommen, dass ein Dieb, der die gestohlene Sache später beschädigt oder [X.], nur wegen Diebstahls zu bestrafen ist und die Sachbeschädigung straflos bleibt (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Juni 1998

4
StR
137/98, [X.], 294; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl.,
§
303 Rn.
25).
b)
Nach diesen Grundsätzen
handelt es sich bei den von den Angeklag-ten begangenen Brandstiftungen nicht um mitbestrafte [X.]en. Die zu der Beschädigung einer gestohlenen Sache durch den Dieb entwickelte Rechtspre-chung,
die in dieser Allgemeinheit möglicherweise zweifelhaft ist,
ist auf diese Fallgestaltung jedenfalls nicht übertragbar. An[X.] als §
303 StGB, der lediglich das Interesse des Eigentümers an der körperlichen Unversehrtheit seiner Sa-che schützt (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
November 1979

5
StR
166/79, [X.]St 29, 129, 133; Müko-StGB/[X.], 2.
Aufl.,
§
303 Rn.
1 mwN), handelt es sich bei §
306 Abs.
1 StGB nicht um ein bloßes Eigentumsdelikt. Zur Schutzrichtung dieser vom Gesetzgeber in den
Abschnitt über die gemeinge-fährlichen Straftaten eingeordneten
Vorschrift gehört es vielmehr auch, brand-bedingten Gemeingefahren entgegenzuwirken (vgl. [X.], Urteil vom 22.
März 2018

5
StR
603/17, Rn.
6; Urteil vom 12.
Mai 2016

4
StR 487/15, NJW 2016, 2349, 2350; Beschluss vom 21.
November 2000

1
StR 438/00, NJW 2001, 765; Gesetzentwurf BT-Drucks. 13/8587, S.
87; [X.], [X.], 1998, S.
372
ff.; [X.]. [X.] 110 [1998], 848, 861). Dies hat zur Folge, dass ein Dieb, der ein vom ihm gestohlenes Kraftfahrzeug gemäß §
306 Abs.
1 Nr.
4 StGB in Brand setzt, dadurch nicht nur die von ihm bereits begangene Eigentumsverletzung vertieft, sondern darüber hinaus durch die Verwirklichung eines Verbrechenstatbestands auch noch weiteres [X.]
-
7
-
bares Unrecht begeht. Dieser zusätzliche in der Brandstiftung liegende eigene Unwertgehalt begründet schon für sich genommen das Bedürfnis
nach einer eigenständigen Bestrafung, sodass die Annahme einer mitbestraften [X.] nicht in Betracht kommt.
3.
Der Strafausspruch bei dem Angeklagten M.

weist keinen Rechts-
fehler auf. Die Aussprüche über die gegen den Angeklagten B.

im
Fall
B.
II.
7 der Urteilsgründe und den Angeklagten P.

im Fall
B.
II.
8 der
Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen können dagegen nicht bestehen blei-ben. Dies zieht bei diesen beiden Angeklagten auch die Aufhebung der Ge-samtstrafe nach sich.
a)
Der
Einzelstrafausspruch gegen den Angeklagten B.

im Fall
B.
II.
7
der Urteilsgründe ist rechtsfehlerhaft, weil die [X.] das Geständnis des Angeklagten in den Strafzumessungsgründen nicht angeführt und auch sonst nicht erkennbar berücksichtigt
hat.
aa)
Das Geständnis eines Angeklagten ist ein bestimmender [X.] gemäß §
267 Abs.
3 Satz
1 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Januar 2014

4
StR
502/13, [X.], 180
[insoweit in NStZ-RR 2014, 106 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13.
November 1997

4
StR
539/97, [X.], 481). Ihm kann eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen wer-den, wenn es ersichtlich nicht aus einem echten Reue-
und Schuldgefühl her-[X.], Urteil vom 28.
August 1997

4
StR
240/97, [X.]St 43, 195, 209).
bb)
Danach
war
das Geständnis
des Angeklagten B.

an[X.] als die

Angaben
des Angeklagten M.

hier nicht bedeutungslos
und deshalb zu
seinen Gunsten in die Strafzumessung einzustellen.
9
10
11
12
-
8
-
Die [X.] hat ihre Überzeugung im Fall
B.
II.
7 der Urteilsgründe .

gestützt
und diese als nachvollziehbar und glaubhaft bewertet
(UA
66). Dass dieses [X.] beruhte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Danach hat der Zeuge H.

über eine eigenhändige
Brandlegung des Angeklagten B.

nur vom [X.] berichtet (UA
66).
Der Angeklagte M.

hat sich zu dieser Tat erst nach den ihn belastenden An-
gaben des Angeklagten B.

und des Zeugen H.

eingelassen und dabei
eine eigene vorsätzliche Brandlegung

für die [X.] nicht glaubhaft

in Abrede gestellt (UA
67).
Zwar kann aus der Tatsache, dass ein für die Strafzumessung bedeut-samer Punkt nicht ausdrücklich angeführt worden ist, nicht ohne Weiteres [X.] werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet. Der Umstand, dass die [X.] gegen den Angeklagten B.

trotz seines umfassenden und glaubhaften Geständnisses bei sonst vergleich-baren Strafzumessungssachverhalten die gleiche Einzelstrafe verhängt hat wie gegen den Angeklagten M.

, lässt
jedoch auf eine unterbliebene Bewertung
zugunsten des Angeklagten B.

schließen.
b)
Der Einzelstrafausspruch gegen den Angeklagten P.

im Fall
B.

II.
8 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die [X.] dem Angeklagten bei der Strafbemessung zu Unrecht einen Bewährungsbruch (UA
91) angelastet hat.
Nach den Feststellungen wurde die Vollstreckung des Restes der Frei-heitsstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 15.
November 2011 (zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubter Einfuhr von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.) vom [X.] Halle am 2.
April 13
14
15
16
-
9
-
2013 bis zum 30.
April 2016 zur Bewährung ausgesetzt. Andere [X.] werden nicht angeführt. Der dem Angeklagten im Fall
B.
II.
8 der
Urteilsgründe als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht ge-ringer Menge zur Last gelegte Erwerb von Marihuana und Methamphetamin zu

23.

herweise auch erst nach dem 30.
April 2016 statt. Bei dieser Sachlage hätte das
[X.] nach dem auch insoweit an-wendbaren Zweifelsgrundsatz (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
September 2000

4
StR
305/00, [X.], 656) von einer Tatbegehung nach dem 30.
April 2016 ausgehen müssen, sodass die Annahme eines
Bewährungsbruchs nicht in Betracht kam.
Der [X.] vermag nicht auszuschließen, dass die Bemessung der [X.] auf diesem Rechtsfehler beruht.
Sost-Scheible
Rin[X.] Roggenbuck ist im
Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben.
Sost-Scheible
Quentin
Feilcke
Paul

17

Meta

4 StR 598/17

22.05.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2018, Az. 4 StR 598/17 (REWIS RS 2018, 8824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8824

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