Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2009, Az. 1 StR 150/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2619

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[X.]/09 vom 8. Juli 2009 in der Strafsa[X.]he gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 8. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO bes[X.]hlossen: 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf Kosten des Angeklagten verworfen. 2. Auf die Revision des Angeklagten gegen das [X.]eil des Land-geri[X.]hts [X.] vom 20. August 2008 wird a) das Verfahren auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 632 der [X.]eilsgründe ([X.]) wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt worden ist. Insoweit trägt die St[X.]tskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten dadur[X.]h entstandenen notwen-digen Auslagen; b) das genannte [X.]eil [X.]) im S[X.]huldspru[X.]h dahingehend geändert, dass der Angeklagte s[X.]huldig ist des Vorenthaltens und [X.] von Arbeitsentgelt in 25 Fällen, der Steu-erhinterziehung in 25 Fällen und der veruntreuenden Unters[X.]hlagung, bb) im Ausspru[X.]h über die Gesamtstrafe mit der [X.] aufgehoben, dass eine na[X.]hträgli[X.]he geri[X.]htli-[X.]he Ents[X.]heidung über die Gesamtstrafe na[X.]h §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. - 3 - 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Die Ents[X.]heidung über die Kosten des Re[X.]htsmittels bleibt dem für das Na[X.]hverfahren na[X.]h §§ 460, 462 StPO zustän-digen Geri[X.]ht vorbehalten. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Verun-treuens von Arbeitsentgelt in 657 Fällen, wegen Steuerhinterziehung in 25 Fäl-len und wegen veruntreuender Unters[X.]hlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision ma[X.]ht der An-geklagte ein Verfahrenshindernis geltend und rügt die Verletzung formellen und sa[X.]hli[X.]hen Re[X.]hts. Im Zusammenhang mit der Begründung einer Verfahrens-rüge beantragt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Revision des Angeklagten führt zu einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten aus den Gründen der An-tragss[X.]hrift des [X.] vom 17. April 2009 unbegründet im [X.] von § 349 Abs. 2 StPO. 1 I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge ist unzulässig, da bereits die formalen Voraussetzungen 2 - 4 - für die sa[X.]hli[X.]he Prüfung des [X.] gegen die Versäu-mung der [X.] ni[X.]ht gegeben sind. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend ein Ausnahmefall von dem Grundsatz gegeben ist, dass bei bereits formgere[X.]ht begründeter Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Na[X.]hholung oder Ergänzung der Verfahrensrüge ni[X.]ht gewährt werden kann. 3 Der Antrag ist jedenfalls deswegen unzulässig, weil er si[X.]h ni[X.]ht dazu verhält, wann das Hindernis, das der fristgemäßen Begründung der Verfahrens-rüge entgegenstand, weggefallen ist. Dies gehört zumindest in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO na[X.]h [X.] ni[X.]ht offensi[X.]htli[X.]h ist, zur formgere[X.]hten Anbringung des [X.] (vgl. [X.], 54, 55 m.w.[X.]). 4 II. Soweit das [X.] den Angeklagten im [X.] in 632 Fällen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt hat, stellt der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO ein. 5 1. Zum Tatvorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von [X.] in diesen Fällen hat das [X.] im Wesentli[X.]hen Folgendes festge-stellt: 6 a) Der Angeklagte war Ges[X.]häftsführer von neun im Transportgewerbe tätigen Gesells[X.]haften, die im Tatzeitraum insgesamt 195 Arbeitnehmer [X.]. Zwis[X.]hen Januar und September 2003 meldeten die Unternehmen 7 - 5 - auf Veranlassung des Angeklagten bei den zuständigen Einzugsstellen geringe-re als tatsä[X.]hli[X.]h ges[X.]huldete Bruttoentgelte, was dazu führte, dass die jeweils fälligen Sozialversi[X.]herungsbeiträge ni[X.]ht in der tatsä[X.]hli[X.]h ges[X.]huldeten Höhe festgesetzt und in der Folge au[X.]h ni[X.]ht von den vom Angeklagten geleiteten Unternehmen in vollem Umfang gezahlt wurden. Soweit über das gemeldete Bruttoentgelt hinaus Gehaltszahlungen an die Arbeitnehmer erfolgten, wurden diese dadur[X.]h vers[X.]hleiert, dass sie in der Lohnbu[X.]hhaltung der Unternehmen als —[X.] ausgewiesen wurden. Den [X.] entstand dadur[X.]h ein S[X.]haden in Höhe von 124.202,10 Euro. b) Die [X.] konnte anhand der vorliegenden Lohnunterlagen und der sonstigen Beweismittel ni[X.]ht zweifelsfrei feststellen, ob es si[X.]h bei allen Tagen, für die —Spesenfi gezahlt wurden, um Arbeitstage handelte, die einen Entgeltanspru[X.]h der Arbeitnehmer begründeten und ob die Zahlung der Spesen daher als Zahlung von Arbeitsentgelt anzusehen war. Denn auf Anweisung des Angeklagten —wurden Spesen bei berufsbedingter Abwesenheit von Fahrern bezahlt ohne Rü[X.]ksi[X.]ht darauf, ob es si[X.]h um Arbeitstage im Ausland handelte oder ob der betreffende Fahrer im Ausland einen oder mehrere freie Tage ver-bra[X.]htefi ([X.]). Die [X.] hat daher das tatsä[X.]hli[X.]h ges[X.]huldete und sozialversi[X.]herungspfli[X.]htige Bruttoarbeitsentgelt im Wege der S[X.]hätzung ermittelt. Hierbei ging sie davon aus, dass es in der Hälfte der Fälle, in denen an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen —[X.] erfolgten, um Arbeitstage handelte, an denen ein Gehaltsanspru[X.]h der Arbeitnehmer na[X.]h Maßgabe des jeweiligen Arbeitsvertrags entstanden war. In den anderen Fällen ging die [X.] von arbeitsfreien Tagen aus. Au[X.]h die an diesen Tagen geleisteten —[X.], die indes ni[X.]ht die Höhe des vertragli[X.]h ge-s[X.]huldeten Tagesbruttoentgeltes errei[X.]hten, stellen na[X.]h Auffassung des [X.] - geri[X.]hts sozialversi[X.]herungspfli[X.]htiges Entgelt dar, da diese ni[X.]ht zusätzli[X.]h, sondern anstatt des Arbeitsentgelts gezahlt wurden. 2. Bei dieser Sa[X.]hlage tragen die getroffenen Feststellungen zwar den S[X.]huldspru[X.]h in den Fällen 1 bis 632, ni[X.]ht aber den Strafausspru[X.]h. Die [X.] hat den S[X.]huldumfang ni[X.]ht zutreffend bestimmt. Sie hat Teile der Zahlungen der vom Angeklagten geführten Unternehmen an die Arbeitnehmer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu Unre[X.]ht als sozialversi-[X.]herungspfli[X.]htiges Entgelt angesehen und daher in den einzelnen Fällen bei der Bere[X.]hnung der vorenthaltenen Sozialversi[X.]herungsbeiträge zu hohe Ar-beitsentgelte zu Grunde gelegt. 9 a) Im Ansatz zutreffend geht das [X.] davon aus, dass na[X.]h § 14 Abs. 1 [X.] alle Einnahmen des Arbeitnehmers, die diesem in ursä[X.]hli[X.]hem Zusammenhang mit einer Bes[X.]häftigung zufließen, Arbeitsentgelt und daher der Bere[X.]hnung der Sozialversi[X.]herungsbeiträge zu Grunde zu legen sind (vgl. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 162 Nr. 1 [X.]; § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.]I; § 342 [X.]; § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; [X.], 110, 111 f.). Die Legaldefinition des § 14 Abs. 1 [X.] wird jedo[X.]h dur[X.]h § 1 Arbeitsentgeltverordnung (na[X.]hfolgend: [X.]), der zur Tatzeit no[X.]h Anwendung fand, konkretisiert. Dana[X.]h gilt, dass einmalige Ein-nahmen, laufende Zulagen, Zus[X.]hläge, Zus[X.]hüsse sowie ähnli[X.]he Einnahmen, die zusätzli[X.]h zu [X.] oder Gehältern gewährt werden, ni[X.]ht dem [X.] zuzure[X.]hnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind und - was vorliegend ni[X.]ht von Bedeutung ist - si[X.]h aus §§ 2, 3 [X.] ni[X.]hts Abwei[X.]hendes ergibt. 10 b) Unabhängig von der lohnsteuerre[X.]htli[X.]hen Einordnung der fragli[X.]hen —[X.] verneint das [X.] die Voraussetzungen des § 1 11 - 7 - [X.] in den Fällen, in denen die —[X.] an arbeitsfreien Tagen erfolgten. Insoweit seien die Zahlungen ni[X.]ht zusätzli[X.]h, sondern anstatt des Gehaltes gezahlt worden, so dass bereits aus diesem Grund die Eins[X.]hränkung des § 1 [X.] ni[X.]ht greife. Dies hält re[X.]htli[X.]her Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand. [X.]) Allerdings ist der Ausgangspunkt des [X.]s re[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstanden. Ausgehend von Sinn und Zwe[X.]k des § 14 Abs. 1 [X.], soll es ni[X.]ht zur Disposition der Parteien eines Arbeitsverhältnisses stehen, wel[X.]her Teil der Zahlungen des Arbeitgebers der Beitragspfli[X.]ht unterliegt. Vielmehr [X.] diejenigen Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbra[X.]hte Arbeitsleis-tung anzusehen sind, der Bemessung der Sozialversi[X.]herungsbeiträge zu Grunde liegen. Die als Ausnahme vorgesehene Beitragsbefreiung, die [X.] [X.] im Wesentli[X.]hen aus betriebswirts[X.]haftli[X.]hen Gründen [X.] (vgl. [X.] in [X.] Kommentar zum Sozialversi[X.]herungsre[X.]ht, 55. Ergänzungslieferung 2007 [X.] § 14 Rdn. 71), kann daher ni[X.]ht dann gewährt werden, wenn das Erfordernis der zusätzli[X.]hen Gewährung des § 1 [X.] ledigli[X.]h in formeller Hinsi[X.]ht erfüllt ist, tatsä[X.]hli[X.]h aber die Zulagen oder Zus[X.]hüsse [X.]. § 1 [X.] si[X.]h als umgewandeltes ges[X.]huldetes Arbeitsentgelt darstellen (vgl. au[X.]h [X.], [X.]. vom 15. April 2008 - L 5 KR 68/07; [X.] Berlin-Brandenburg, [X.]. vom 4. März 2009 - L 9 KR 157/03). 12 bb) [X.] hat aber ni[X.]ht festgestellt, dass die —[X.] an den arbeitsfreien Tagen als Gegenleistung für die erbra[X.]hten Arbeiten, z.B. im Wege der Anre[X.]hnung auf das tatsä[X.]hli[X.]h ges[X.]huldete Entgelt, erfolgten. Eine sol[X.]he Annahme liegt angesi[X.]hts der anderweitigen Feststellung, dass na[X.]h Anweisung des Angeklagten Spesen bei berufsbedingter Abwesenheit von Fahrern ohne Rü[X.]ksi[X.]ht darauf gezahlt wurden, ob es si[X.]h um Arbeitstage im 13 - 8 - Ausland handelte oder ob der betreffende Fahrer im Ausland einen oder mehre-re freie Tage verbra[X.]hte, au[X.]h ni[X.]ht nahe. [X.]) Demna[X.]h wurden die Spesen an den Samstagen, Sonntagen und [X.], bei denen es si[X.]h um arbeitsfreie Tage handelte, zusätzli[X.]h [X.]. § 1 [X.] geleistet. Da es si[X.]h bei diesen Zulagen zudem um na[X.]h § 3 Nr. 16 EStG steuerfreie Einnahmen handelte, bestand für diesen Teil der Zahlungen keine Sozialversi[X.]herungspfli[X.]ht. Demgegenüber entstand an den Samstagen, Sonn-tagen und Feiertagen, bei denen es si[X.]h na[X.]h den Feststellungen um [X.] handelte, ein Entgeltanspru[X.]h der Arbeitnehmer, wel[X.]her der Bei-tragspfli[X.]ht unterlag. Auf der Grundlage der S[X.]hätzungen und Bere[X.]hnungen des [X.]s reduziert si[X.]h der Betrag der jeweils vorenthaltenen Sozial-versi[X.]herungsbeiträge daher um etwa 25 %. 14 4. Angesi[X.]hts des demna[X.]h verringerten S[X.]huldumfangs fallen die Ein-zelstrafen, die aufgrund erneuter Verhandlungen für die Taten 1 bis 632 zu er-warten wären, neben den Einzelstrafen, die für die weiteren Taten des Ange-klagten verhängt wurden, ni[X.]ht ins Gewi[X.]ht. Der Senat stellt daher aus verfah-rensökonomis[X.]hen Gründen auf Antrag des [X.] das Verfah-ren hinsi[X.]htli[X.]h der Taten 1 bis 632 der [X.]eilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO vorläufig ein. Der damit einhergehende Wegfall der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspru[X.]hs na[X.]h si[X.]h. 15 - 9 - Der Senat ma[X.]ht von der Mögli[X.]hkeit Gebrau[X.]h, na[X.]h § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO zu ents[X.]heiden. Damit ist die neue Gesamtstrafe im Bes[X.]hlussver-fahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu bilden, in dem au[X.]h eine Ents[X.]heidung [X.] die Pfli[X.]ht zur Tragung der Kosten der Revision des Bes[X.]hwerdeführers zu treffen ist. 16 Na[X.]k Wahl Hebenstreit [X.] [X.]

Meta

1 StR 150/09

08.07.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2009, Az. 1 StR 150/09 (REWIS RS 2009, 2619)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2619

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