Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. 1 StR 90/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5468

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR
90/14

vom
20. Mai
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge u.a.

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Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum

und [X.] am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],

Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 11. November 2013 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.]

i-ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen und des Erwerbs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat keinen Erfolg.
I.
1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt:
Der bislang unbestrafte Angeklagte arbeitete bis wenige Monate vor [X.] im Juni 2013 erfolgten Inhaftierung als Fahrer für verschiedene Firmen. [X.] fing er an, unregelmäßig kleinere Mengen
(0,2 Gramm) Heroin zu rauchen, wobei er den [X.] auch wochenweise einstellte. Ab [X.] 2012 kam es zu einer Steigerung des Heroinkonsums. Der Angeklagte rauchte etwa bis März 2013 täglich bis zu ein Gramm Heroin. Aus Angst um seine Gesund-heit führte er
im Frühjahr 2013 einen [X.] mit Subutex durch. In der 1
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Folgezeit rauchte er wieder unregelmäßig kleinere Mengen Heroin. Körperliche Entzugserscheinungen hatte er nach seiner Inhaftierung nicht.
Im Februar, Mai und Juni 2013 fuhr der Angeklagte den früheren Mitan-geklagten [X.]

, der über keine Fahrerlaubnis verfügte, nach [X.], wo [X.]

jeweils 100 Gramm Heroin (Wirkstoffgehalt mindestens 16 Prozent) kaufte, um dieses gewinnbringend weiter zu verkaufen. Der Angeklagte, der um den Zweck der Fahrten wusste, erhielt als Belohnung für jede Fahrt entweder 200 Euro Bargeld oder fünf Gramm Heroin zum Eigenkonsum. Im Zeitraum [X.] bis Ende Mai 2013 kaufte der Angeklagte mindestens einmal wöchentlich jeweils mindestens ein Gramm Heroingemisch (Wirkstoffgehalt mindestens zehn Prozent) für jeweils 50 Euro zum Eigenkonsum.
2. Das [X.] hat dieses Verhalten als drei Taten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und als 40 Taten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gewertet. Die drei [X.] hat es unter Verbrauch des vertypten [X.] als minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG gewertet und auf [X.] zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren erkannt; bei den 40 Erwerbstaten hat es den Strafrahmen § 29 Abs. 1 BtMG entnommen und [X.] von jeweils sechs Monaten verhängt.
3. [X.] beraten hat die Kammer geprüft, ob der Angeklagte nach § 64 StGB in
einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Mit dem Sach-verständigen ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Ange-klagten zwar ein Hang im Sinne von § 64 StGB vorliegt, seine Taten auf diesen Hang zurückgehen und ohne ausreichende Suchtbehandlung weitere ähnliche Taten vom Angeklagten zu erwarten sind. Allerdings hat die Kammer, dem [X.]en folgend, die Erfolgsaussichten einer Therapie verneint, weil 4
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der Angeklagte jede Therapie kategorisch ablehne und die notwendige Thera-piebereitschaft auch im Maßregelvollzug nicht geweckt werden könne.
II.
Die Nachprüfung
des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des geständigen Angeklagten. Der Er-örterung bedarf nur Folgendes:
1. Die Strafzumessung des [X.]s hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Sie weist insbesondere keine Erörterungsmängel oder Lü-cken auf. Das [X.] hat zwar nicht ausdrücklich erörtert, ob bei den [X.] Taten des Angeklagten die Voraussetzungen des vertypten fakultativen Strafmilderungsgrundes einer verminderten Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB vorliegen. Dies erweist sich jedoch nicht als rechtsfehlerhaft.
a) Ein sachlich-rechtlicher Erörterungsmangel liegt vor, wenn nach den Urteilsfeststellungen und den dort geschilderten Umständen des Einzelfalls ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtlich beachtlichen Umstands bestehen, so dass sich dessen Erörterung aufdrängt, dies jedoch unterblieben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 2004

5 [X.], [X.]St 49, 342, 344).
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] begründet die Abhängigkeit von Drogen für sich gesehen keine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 12. März 2013

4 StR 42/13, [X.], 519). Deshalb liegt regelmäßig kein Erörterungsmangel vor, wenn bei Straftaten von Drogenabhängigen die Voraussetzungen von §
21 StGB nicht erörtert werden.
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Eine rechtlich erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähri-ger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder un-ter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt (vgl. [X.],
aaO mwN). In Ausnahmefällen kann auch die Angst vor unmittelbar be-vorstehenden Entzugserscheinungen, die der Angeklagte schon einmal als [X.] Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen (Senat, Urteil vom 17.
April 2012

1 StR 15/12, [X.], 53, 54 f. Rn. 27, 36 mwN; [X.], Urteil vom 20. August 2013

5 StR 36/13, [X.], 346, 347). Nur wenn sol-che besonderen Umstände vorliegen, drängt sich die Erörterung der Voraus-setzungen von § 21 StGB auf, so dass ein Erörterungsmangel vorliegen kann, wenn solche Erwägungen unterbleiben.
b) Derartige besondere Umstände enthalten die Urteilsfeststellungen nicht. Der Angeklagte ist bislang nicht straffällig geworden und hat bis wenige Monate vor seiner Verhaftung regelmäßig gearbeitet.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 64 StGB legt die Kammer zwar dar, dass der Angeklagte gegenüber dem [X.]en geäußert hat, e-a-be, und er habe deshalb regelmäßig weiterkonsumiert. Daraus und aus der [X.]häufigkeit folgert der [X.]e (und mit ihm das [X.]), n-im Sinne von § 64 StGB festzustellen.
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Damit belegen die Urteilsfeststellungen jedoch nur die Voraussetzungen einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten, die sich bei Opiaten

wie im vorliegenden Fall

typischerweise gerade wegen der Vermeidung
als unangenehm erlebter Entzugserscheinungen entwickelt. Über die genannten Folgen der Betäubungsmittelabhängigkeit hinaus schildert das Urteil keine als befürchteten Entzugserscheinungen. Weil die Abhängigkeit von Heroin nicht per se zur Einschränkung der Steuerungsfähigkeit hinsichtlich des Erwerbs von Heroinmengen zum Eigenverbrauch führt (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Mai 1989

2 [X.], [X.]R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 6; vgl. auch Senat, Urteil vom 10. September 2003

1 [X.], [X.]R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 14), bedurfte es deshalb keiner Erörterung der Frage, ob die Voraussetzungen von § 21 StGB vorliegen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] den Angeklagten nicht in einer Entziehungsanstalt unter-gebracht hat. Das [X.] hat den rechtlichen Maßstab der Anwendung von § 64 StGB zutreffend erkannt und ist sachverständig beraten auf tragfähi-ger Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass eine Therapie aufgrund der kategorischen Weigerung des Angeklagten, sich therapieren zu lassen, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dabei hat die Kammer unter Einbezie-hung der durch den [X.]en vermittelten Erkenntnisse auch [X.] dargelegt, dass aufgrund der verfestigten Einstellung des Angeklagten im Maßregelvollzug seine [X.] nicht geweckt werden kann. Soweit der [X.] die Erfolgsaussichten einer Therapie unter Hinweis auf Ausführungen im schriftlichen [X.]engutachten anders ein-schätzt als das Gericht, kann er mit diesem urteilsfremden Vorbringen im Rah-men der Sachrüge nicht gehört werden.
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3. Die vom [X.] beantragte Ergänzung und Präzisie-rung des Schuldsr-r-sätzliches Handeln strafbar ist, fahrlässiges lediglich dann, wenn es ausdrück-lich mit Strafe bedroht ist, muss der Zusatz vorsätzlicher Tatbegehung hier nicht in die Urteilsformel aufgenommen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Juli 1992

3 [X.], [X.], 546; Beschluss vom 3. Mai 2002

r-Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, versteht sich von selbst und bedarf deshalb nicht der Tenorierung, auch wenn eine solche üblich und un-schädlich ist.
Raum [X.]

Graf

[X.] [X.]
16

Meta

1 StR 90/14

20.05.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. 1 StR 90/14 (REWIS RS 2014, 5468)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5468

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 42/13

1 StR 15/12

5 StR 36/13

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