Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2004, Az. IX ZR 473/00

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4700

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/00
Verkündet am: 5. Februar 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

KO § 30 Nr. 2

Die Befriedigung einer fremden Schuld ist dem Gläubiger gegenüber nicht gemäß § 30 Nr. 2 KO anfechtbar.

[X.], Urteil vom 5. Februar 2004 - [X.]/00 - OLG Celle

LG Verden ([X.]) - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2004 durch [X.] Kreft und [X.], [X.], [X.] und [X.]
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Celle vom 16. November 2000 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der B.

GmbH (Gemeinschuldnerin). Der [X.] war Eigen-tümer des Betriebsgrundstücks der Gemeinschuldnerin. Er verpachtete das Grundstück am 13. Oktober 1994 an die Straßen- und Tiefbaugesellschaft Gebr. H. GmbH & Co. (im folgenden: Fa. H. ). Diese vermietete das [X.] an die Gemeinschuldnerin. P. F.

, Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.], war auch Geschäftsführer der [X.]in. Die [X.] geriet mit ihren Pachtzahlungen gegenüber dem [X.] mit mehr als 150.000 DM in Verzug. Der [X.] erwirkte gegen sie einen entsprechenden Zahlungstitel.
- 3 - Nachdem die Gemeinschuldnerin im Jahre 1997 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, veräußerte sie das Geschäftsinventar. Der Käufer erwarb vom [X.]n auch das Betriebsgrundstück. Nachdem der Käufer den Kaufpreis für das Inventar geleistet hatte, überwies die Gemeinschuldnerin am 11. Juni und 1. Juli 1997 jeweils 75.000 DM an den [X.]n zur Ablösung von [X.].

Am 16. September 1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermö-gen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Der Kläger hat deren Zahlungen an den [X.]n gemäß § 32 Nr. 1, § 31 Nr. 1 und § 30 Nr. 2 KO angefochten. Das [X.] hat den [X.]n verurteilt, an den Kläger 150.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 19. August 1998 zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die [X.] abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.
[X.]
1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungstatbestände des § 30 Nr. 1 und des § 31 Nr. 1 KO jeweils aus tatsächlichen Gründen verneint. Dies greift die Revision nicht an.

Die Anfechtung gemäß § 32 Nr. 1 KO hat das Berufungsgericht [X.], weil keine unentgeltliche Verfügung vorgelegen habe. Das nimmt die [X.] 4 - vision hin und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der [X.] hat durch die Zahlungen seine Forderungen gegen die [X.] als [X.] (vgl. § 267 BGB). Das Berufungsgericht stellt unangefochten fest, daß diese Forderung werthaltig war. Darin liegt die Gegenleistung des [X.]n (vgl. [X.] 41, 298, 301 ff; 141, 96, 99).

2. Die Anfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO hat das Berufungsurteil mit der Begründung abgelehnt, der [X.] sei nicht [X.] im Sinne die-ser Bestimmung. Die Gemeinschuldnerin habe mit der Zahlung der zwei Raten von jeweils 75.000 DM auf eine Schuld der [X.] gezahlt. Es könne nicht festgestellt werden, daß auch eine entsprechende Verpflichtung der [X.]in gegenüber dem [X.]n bestanden habe. Dessen Behauptung, die [X.] und die Gemeinschuldnerin hätten bereits 1994 einen Beitritt der Gemeinschuldnerin zur Schuld der [X.] vereinbart, habe der Kläger bestrit-ten und sich auch hilfsweise nicht zu eigen gemacht. Auch könne nicht [X.] werden, daß zwischen der Gemeinschuldnerin und dem [X.]n eine Vereinbarung über die Zahlung der zwei Raten von je 75.000 DM zustande [X.] sei. Somit sei davon auszugehen, daß die Gemeinschuldnerin auf eine fremde Schuld gezahlt habe.

Die Tilgung einer fremden Schuld, für die der Gemeinschuldner nicht einzustehen habe, könne aber nicht nach § 30 Nr. 2 KO angefochten werden, weil es sich nicht um eine Konkursforderung handele.

Die weiteren Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 30 Nr. 2 KO hat das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen.
- 5 - I[X.]

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 30 Nr. 2 KO halten rechtli-cher Nachprüfung stand.

1. Die Revision greift die Feststellung des Berufungsgerichts nicht an, die Gemeinschuldnerin sei gegenüber dem [X.]n zur Zahlung von 150.000 DM nicht verpflichtet gewesen. Soweit die Revisionserwiderung meint, es fehle be-reits an einer Rechtshandlung der (späteren) Gemeinschuldnerin gegenüber dem [X.]n, weil Leistungen der Gemeinschuldnerin nur gegenüber der [X.] erbracht worden seien, trifft dies nur bereicherungsrechtlich zu. Der Begriff der Rechtshandlung im Sinne des [X.], hier des § 30 Nr. 2 KO, ist aber nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der Leistung. Der anfechtungsrechtliche Begriff der Rechtshandlung ist im weite-sten Sinne zu verstehen. Er meint jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst (vgl. [X.], Urt. v. 26. Januar 1983 - [X.], [X.] 1983, 334, 335) und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verän-dern kann ([X.], [X.] zur [X.]. [X.] Rn. 19). Dazu [X.] neben Willenserklärungen auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen ([X.], Urt. v. 15. Oktober 1975 - [X.], [X.], 1182, 1184). Daß hier in den Überweisungen der späteren Gemeinschuldnerin solche Rechtshandlun-gen lagen, kann danach nicht zweifelhaft sein.

2. Die Revision stützt sich auf die Meinung, die Befriedigung einer frem-den Schuld könne nicht deshalb unanfechtbar sein, weil sich die Forderung des Gläubigers gegen einen anderen als den Gemeinschuldner richte, ihr Inhaber also streng genommen nicht zu den [X.]n gehöre. Eine andere Auffassung laufe dem Zweck des § 30 KO zuwider, vorkonkursliche [X.] 6 - rungen der Masse auszugleichen ([X.]/[X.], KO 11. Aufl. § 30 Rn. 40). Dieser Meinung ist nicht zu folgen.

Der [X.] hat im Urteil vom 21. Mai 1980 - [X.], [X.], 779, 780, ausdrücklich offengelassen, ob die Tilgung fremder [X.] durch die Gemeinschuldnerin nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar sein kann. Die Frage ist nunmehr zu verneinen, soweit sich die Anfechtung gegen den Gläubiger richtet.

Der Begriff [X.] ist in § 3 KO gesetzlich umschrieben als persönlicher Gläubiger, der einen zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens be-gründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner hat. Für eine aus-dehnende Auslegung oder entsprechende Anwendung besteht keine Veranlas-sung.

a) Zunächst ergibt sich nichts daraus, daß § 30 Nr. 2 KO auch eine An-fechtung für den Fall vorsieht, daß der Gläubiger eine Befriedigung nicht zu be-anspruchen hatte. Gemeint sind hier die Fälle unvollkommener Verbindlichkei-ten (z.B. Spiel oder Wette; §§ 762 f BGB), verjährter Forderungen, heilender Erfüllung formungültiger Verträge (z.B. § 313 Satz 2 BGB a.F. - jetzt § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB; § 766 Satz 3 BGB) oder aufschiebend bedingter Forderun-gen ([X.]/[X.], [X.]. § 30 Rn. 204; vgl. auch [X.]/Kirchhof, aaO § 131 Rn. 14 f).

b) Zweck des § 30 KO ist es, eine vorkonkursliche Schmälerung der Masse auszugleichen, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu ermöglichen. Wird auf eine fremde Schuld an einen [X.] geleistet, der nicht Gläubiger des Gemeinschuldners ist, tritt gemäß § 267 BGB Erfüllung ein, wenn - 7 - der Gläubiger die Leistung nicht ablehnt; dies darf er nur, wenn der Schuldner widerspricht, § 267 Abs. 2 BGB. Mit der Erfüllung erlischt die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner ([X.]/[X.], [X.]. § 267 Rn. 6). In der Leistung liegt eine Zuwendung gegenüber dem [X.], die unter den erleichterten Voraussetzungen des § 32 KO anfechtbar ist, wenn dessen Forderung gegen den Schuldner nicht werthaltig war.

War der Gemeinschuldner dem Schuldner nicht zu dieser Leistung ver-pflichtet, kann er gemäß § 32 KO gegenüber dem Schuldner anfechten ([X.] 41, 298, 302) oder gegen diesen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereiche-rung geltend machen ([X.] 70, 389, 396 f; [X.]/[X.] aaO § 267 Rn. 7).

Leistet der Gemeinschuldner aufgrund eines Anspruchs oder einer Wei-sung des Schuldners, stellt sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Lei-stung des Gemeinschuldners an den Schuldner dar, der hierdurch von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird.

Es liegen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwi-schen Gemeinschuldner und Schuldner einerseits und zwischen Schuldner und Gläubiger andererseits. Wie im Bereicherungsrecht kommt auch im Konkurs-recht bei derartigen Fallkonstellationen eine Anfechtung grundsätzlich nur im jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht. Dies ist angemessen, weil hierdurch die Risiken den Leistungsverhältnissen zugeordnet werden, auf die die Parteien Einfluß haben. Besteht zwischen Gemeinschuldner und Gläubiger keine Rechtsbeziehung, ist es im Rahmen des § 30 Nr. 2 KO nicht gerechtfertigt, daß der Gläubiger das Insolvenzrisiko des Gemeinschuldners tragen und den gelei-steten Betrag zurückerstatten muß. Der Gemeinschuldner kann vielmehr seine - 8 - Leistung an den Schuldner anfechten, wenn die Voraussetzungen hierfür [X.]. Nur in diesem Verhältnis läßt sich auch beurteilen, ob etwa eine [X.] oder inkongruente Deckung vorliegt.

Wird der Schuldner seinerseits zahlungsunfähig, verwirklicht sich auch dieses Risiko in dem jeweiligen Leistungsverhältnis. Leistet der Gemeinschuld-ner aufgrund seiner von ihm mitgestalteten Rechtsbeziehung zu dem Schuld-ner, ist es angemessen, daß er dessen Insolvenzrisiko trägt. Der [X.] hätte es auch zu tragen, wenn er unmittelbar an den Schuldner selbst gezahlt hätte. Im Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger hat ebenfalls jede Seite das Insolvenzrisiko der anderen zu tragen. Würde man im Konkurs des Gemeinschuldners eine Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger zulas-sen, träfe diesen ein doppeltes Insolvenzrisiko, nämlich das von [X.] und Schuldner. Dies wäre in aller Regel nicht sachgerecht.

Der Anspruch des § 37 KO geht dahin, daß ein Gegenstand, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung zur Konkursmasse gehören würde, ihr zum Zwecke der Verwertung wieder zugeführt wird. Der Gemeinschuldner hat durch seine Zahlung an den [X.]n eine mittelbare Zuwendung an dessen Schuldner erbracht. [X.] sind solche Zuwendungen im [X.] so zu behandeln, als habe der Berechtigte die mittelbare Zuwendung vom Gemeinschuldner erworben (vgl. [X.] 142, 284, 288; Urt. v. 19. März 1998 - [X.] ZR 22/97, [X.], 968, 975). Mit der Erfüllung der Schuld der [X.] durch die Zahlung an den [X.]n hat allein die [X.] einen wirt-schaftlichen Wert aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin erlangt.

3. Die Erfüllung einer fremden Schuld soll nach einer in der Literatur ver-tretenen Auffassung auch ein nach § 30 Nr. 1 Fall 1 KO anfechtbares Rechts-- 9 - geschäft sein ([X.]/[X.], aaO § 30 Rn. 103 a.E., Rn. 148 Mitte; Münch-Komm-InsO/Kirchhof § 132 Rn. 5, § 130 Rn. 19).

Die Anfechtung nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht auch deshalb verneint, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, daß der [X.] eine Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin gekannt habe. Ob die Anfech-tung nach dieser Vorschrift gegenüber dem [X.]n möglich gewesen wäre, kann hier deshalb offenbleiben. Die Frage wäre im übrigen, sofern überhaupt das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts im Sinne dieser Bestimmung anzuneh-men wäre, wie bei § 30 Nr. 2 KO aufgrund umfassender Interessenabwägung zu entscheiden.

Kreft

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 473/00

05.02.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2004, Az. IX ZR 473/00 (REWIS RS 2004, 4700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4700

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