Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2017, Az. 2 ARs 426/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17126

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Gegenstand

Einstweilige Unterbringung: Zuständiges Gericht für die Genehmigung einer medizinischen Zwangsmedikation


Leitsatz

Für die gerichtliche Entscheidung über die Genehmigung einer medizinischen Zwangsmedikation im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung ist das Gericht zuständig, das die einstweilige Unterbringung angeordnet hat oder nach Erhebung der öffentlichen Klage mit der Sache befasst ist (§ 126a Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 126 StPO).

Tenor

Zuständig ist das [X.].

Gründe

1

Die Strafvollstreckungskammer des [X.] – Auswärtige Strafvollstreckungskammer bei dem [X.] – und die [X.] des [X.] streiten über die Zuständigkeit für die Genehmigung einer [X.] während einer einstweiligen Unterbringung (§ 126a [X.]).

I.

2

1. Die Beschuldigte befindet sich aufgrund Unterbringungsbefehls des [X.] vom 24. Juni 2016 ([X.].: 3 KLs 250 Js 24503/14) gemäß § 126a [X.] seit dem 27. Juni 2016 in der forensischen Abteilung des         -Klinikums              im [X.]([X.]). Gegen sie ist bei der [X.] des [X.] ein Sicherungsverfahren (§ 413 [X.]) anhängig.

3

Mit an die Strafvollstreckungskammer des [X.] – Auswärtige Strafvollstreckungskammer bei dem [X.] – gerichtetem Schreiben vom 25. August 2016 beantragte die Klinik, gemäß Art. 6 des [X.] vom 17. Juli 2015 (künftig: [X.]) eine Verabreichung von Medikamenten zur Behandlung der bei der Beschuldigten diagnostizierten paranoiden Schizophrenie gegen ihren Willen für zunächst zwölf Wochen zu genehmigen.

4

Am 7. November 2016 beschloss die Strafvollstreckungskammer, die Sache an das für die Durchführung des Sicherungsverfahrens zuständige [X.] abzugeben und verwies zur Begründung eigener Unzuständigkeit auf einen Beschluss des [X.] vom 24. August 2016 (2 Ws 449/16), wonach für die Genehmigung einer [X.] nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern gemäß § 126 Abs. 1 und 2, § 126a Abs. 2 Satz 1 [X.] das mit der Sache befasste Gericht zuständig sei.

5

Mit Beschluss vom 16. November 2016 lehnte das [X.] eine Übernahme des Verfahrens unter Berufung auf eine Entscheidung des [X.] vom 5. April 2016 (2 [X.]/16) ab, wonach der Landesgesetzgeber für die Anordnung medizinischer [X.] in Ausfüllung einer insoweit bestehenden bundesgesetzlichen Regelungslücke die Zuständigkeit der [X.] begründet habe; gemäß §§ 32 Abs. 2, 38 Abs. 1 und § 20 Abs. 5 Satz 1 PsychKHG [X.] sei hierfür die Strafvollstreckungskammer und nicht die erkennende Strafkammer zuständig.

6

Aufgrund des sonach bestehenden negativen Kompetenzkonflikts legte die auswärtige Strafvollstreckungskammer des [X.] beim [X.] die Sache mit Beschluss vom 22. November 2016 dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

7

2. Der [X.] ist der Auffassung, dass das [X.] bei dem [X.] – für die Genehmigung der [X.] während einstweiliger Unterbringung gemäß Art. 41 Nr. 3 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.], §§ 110, 138 Abs. 3 [X.] zuständig sei. Das [X.]esrecht enthalte zwar keine materiell-rechtliche Regelung über die [X.] einstweilig untergebrachter Personen. Daraus sei jedoch nicht zu schließen, dass der [X.]esgesetzgeber eine solche Behandlung habe ausschließen wollen; er habe vielmehr diese Regelung, die der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] folgenden Schutzpflicht des Staates Rechnung trage, hilfsbedürftigen Personen bei drohendem erheblichem gesundheitlichen Schaden Schutz durch ärztliche Versorgung zu gewähren, den Ländern überlassen. Der [X.] Landesgesetzgeber, der diese Regelungslücke ausgefüllt habe, sei weder durch §§ 126, 126a Abs. 2 Satz 1 [X.] noch durch § 78a [X.] gehindert, die Entscheidung über die Zwangsbehandlung in einstweiligen Unterbringungssachen den [X.] zuzuweisen. Der in Art. 6 Abs. 4 [X.] normierte Richtervorbehalt sei als präventiver Rechtsschutz ausgestaltet und daher seinem Regelungsgegenstand nach nicht mit dem in den § 126, § 126a Abs. 2 [X.] i.V.m. § 119a [X.] enthaltenen nachträglichen gerichtlichen Rechtsschutzverfahren gegen vollzugsbehördliche Maßnahmen identisch.

II.

8

Der [X.] ist gemäß § 14 [X.] zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts berufen, da die beiden an diesem Streit beteiligten Gerichte zu den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte gehören.

III.

9

Die mit dem Sicherungsverfahren gegen die Beschuldigte befasste [X.] des [X.] ist zur Entscheidung über die Genehmigung der beantragten medizinischen Behandlungsmaßnahme ([X.]) berufen.

1. Dies folgt aus den die gerichtliche Zuständigkeit abschließend regelnden bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 126 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 126a Abs. 2 Satz 1 [X.].

a) Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist vor Erhebung der öffentlichen Klage für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116 [X.]), ihre Vollstreckung (§ 116b [X.]) sowie auf Anträge nach § 119a [X.] beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Mit Erhebung der öffentlichen Klage geht diese Zuständigkeit gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] auf das Gericht über, das nunmehr mit der Sache befasst ist. Für die einstweilige Unterbringung gelten gemäß § 126a Abs. 2 Satz 1 [X.] die §§ 114 bis 115a, § 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 [X.] entsprechend.

b) Die Entscheidung über die Genehmigung einer medizinischen [X.] ist eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 126 Abs. 1 Satz 1 [X.], die sich auf die einstweilige Unterbringung nach § 126a Abs. 2 Satz 1 [X.] bezieht. Die von der Klinik beantragte [X.] der Beschuldigten auf der Grundlage des Art. 6 [X.] soll im Rahmen einer vorläufigen Unterbringung gemäß § 126a [X.] erfolgen. Sie steht zudem in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Unterbringungsgrund des § 126a Abs. 1 [X.], weil die begehrte medizinische Behandlung der paranoiden Schizophrenie auf den Zustand der Betroffenen im Sinne des § 63 StGB bezogen ist, der für das Sicherungsverfahren von Bedeutung ist.

2. Die aus § 126 [X.], § 126a Abs. 2 Satz 1 [X.] folgende Zuständigkeit der [X.] des [X.] wird durch Art. 41 Nr. 3 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht in Frage gestellt. Zwar sieht Art. 41 Nr. 3 [X.] eine „entsprechende“ Anwendung der für den Vollzug rechtskräftig angeordneter Maßregeln geltenden Vorschriften und damit auch der gesetzlichen Zuständigkeit für die vorläufige Unterbringung gemäß § 126a [X.] vor.

Bei der nach dem offenen Wortlaut der Verweisungsnorm möglichen und zur Wahrung der bundesgesetzlichen Kompetenzordnung gebotenen, verfassungskonform einengenden Auslegung dieser Vorschrift gilt dies jedoch nicht, soweit Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 [X.] die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer begründet, in deren Bezirk die Einrichtung liegt, in der sich der von der Maßnahme Betroffene befindet (vgl. § 110 [X.]).

Im Einzelnen:

a) Das [X.] regelt den Vollzug der Unterbringung von Personen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Maßregelvollzugseinrichtung) auf Grund einer strafgerichtlichen Entscheidung (Art. 1 [X.]). Nach dem für die Behandlung der untergebrachten Person geltenden Art. 6 Abs. 2 [X.] bedürfen Maßnahmen, die in die körperliche Unversehrtheit der untergebrachten Person eingreifen, grundsätzlich der schriftlichen Einwilligung der untergebrachten Person. Ohne eine solche schriftliche Einwilligung sind Behandlungsmaßnahmen nur unter engen, in Art. 6 Abs. 3 [X.] im Einzelnen normierten Voraussetzungen zulässig. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist die Maßregelvollzugseinrichtung in Fällen, in denen die untergebrachte Person in ihre Behandlung nicht einwilligt, verpflichtet, den Vorgang der nach § 110 [X.] zuständigen Strafvollstreckungskammer, also der Strafvollstreckungskammer vorzulegen, in deren Bezirk die antragstellende [X.] liegt. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 [X.] gelten für das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer die §§ 109 bis 121 [X.] entsprechend, ohne dass es insoweit eines Antrags der untergebrachten Person bedarf.

b) Zwar enthält das [X.] unter den Art. 37 bis Art. 41 auch Regelungen für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung. Art. 41 Nr. 3 [X.] erstreckt die die für die Behandlung psychischer Erkrankungen geltende Vorschrift des Art. 6 unter dort näher bezeichneten Einschränkungen auf die einstweilige Unterbringung, indem er die darin vorgesehenen Regelungen über die Behandlung psychischer Erkrankungen „unter Berücksichtigung des Ziels und der Grundsätze der einstweiligen Unterbringung“ für entsprechend anwendbar erklärt.

Die nach dem offenen Wortlaut dieser Verweisungsnorm mögliche entsprechende Anwendung der Regeln über die medizinische [X.] umfasst zwar die materiell-rechtliche Regelung über die medizinische [X.], nicht jedoch die in Art. 6 Abs. 4 Satz 1 [X.] außerdem enthaltenen, rechtstechnisch durch eine Bezugnahme auf die §§ 110 ff. [X.] erfolgende Zuständigkeitsbegründung der [X.].

aa) Die landesgesetzliche Regelung des Art. 41 Nr. 3 [X.], die die Regelungen des Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] für die einstweilige Unterbringung für entsprechend anwendbar erklärt, ist ihrem Wortlaut nach offen (vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 2001 – 1 BvR 355/00, NJW 2001, 2160, 2161). Sie kann zwar dahin verstanden werden, dass sie auch im Vollzug der einstweiligen Unterbringung ausnahmslos und auch insoweit Geltung beansprucht, als sie eine Zuständigkeit der [X.] im Verfahren über die Anordnung einer medizinischen [X.] begründet.

Sie kann jedoch zwanglos auch dahin ausgelegt werden, dass ihre Anwendung nur in Betracht kommt, wenn dies mit Blick auf das Recht der einstweiligen Unterbringung sachgerecht erscheint und sonstige Regelungen nicht entgegenstehen.

bb) Eine verfassungskonform einengende Auslegung der landesgesetzlichen Norm dahin, dass die verfahrensrechtlichen Regeln über die medizinische [X.], nicht jedoch die verfahrensrechtlichen Vorschriften anwendbar sind, sondern dass es insoweit bei den Regelungen der §§ 126, 126a [X.] verbleibt, ist nicht nur mit dem Wortlaut der Norm vereinbar, sondern sie steht auch im Einklang mit dem Willen des Landesgesetzgebers. Ausweislich der Gesetzesmaterialien war sich der [X.] Landesgesetzgeber der bestehenden [X.]eskompetenz für das gerichtliche Verfahren bewusst (vgl. [X.] 17/4944, S. 21: „Soweit das gerichtliche Verfahren betroffen ist, liegt die Gesetzgebungskompetenz weiter beim [X.] [...]. Durch den [X.] ist durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. September 2009 eine umfassende Neuregelung der §§ 119 ff. [X.] […] erlassen worden, die entsprechend für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung gelten wird […]. Hingegen ist das „Wie“ des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung von der Gesetzgebungskompetenz der Länder umfasst.“). Der Senat entnimmt den Materialien, dass der [X.] Landesgesetzgeber die Möglichkeit medizinischer [X.] im einstweiligen Vollzug der Maßregel regeln, jedoch hinsichtlich des gerichtlichen Verfahrens keine von den [X.]esgesetzen abweichenden Regelungen schaffen wollte.

cc) Einer einengenden Auslegung steht auch nicht der Sinn und Zweck der Regelung entgegen, eine gesetzliche Grundlage für die Anordnung der medizinischen [X.] zu schaffen, wenn und soweit eine Regelungslücke besteht.

dd) Sie ist schließlich verfassungsrechtlich geboten, weil sie die Anordnungszuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts im Sinne der §§ 126, 126a [X.] unberührt lässt und damit im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung der Art. 72 ff. [X.] steht.

(1) Art. 6 Abs. 4 Satz 1 [X.] stellt eine Teilregelung aus dem Bereich des Gerichtsverfassungsrechts sowie – in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 Satz 2 [X.] – des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 [X.] als Teil der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des [X.]es dar (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Mai 1974 – 2 BvL 17/73, [X.]E 37, 191, 198 f.; [X.]/[X.]/[X.], 78. EL, Art. 74 [X.] Rn. 75, 77 mwN). An der Gesetzgebungskompetenz des [X.]es hat auch die sog. Föderalismusreform (vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, [X.] I S. 2034) nichts geändert. Die Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 [X.] umfasst auch die Befugnis zur Regelung der Gerichtszuständigkeit und des Rechtsschutzes als Teil des gerichtlichen Verfahrens gegen Entscheidungen und Maßnahmen, die auf der Grundlage landesrechtlicher Gesetze über den Vollzug der einstweiligen Unterbringung oder der Untersuchungshaft ergehen (vgl. BT-Drucks. 16/11644, [X.] f., 33; KK-[X.]/Schultheis, 7. Aufl., § 119a Rn. 1; [X.], Das fachgerichtliche Rechtsbehelfssystem der Untersuchungshaft sowie die Regelungen des Vollzugs, 2013, [X.] mwN; vgl. auch [X.], [X.] 2011, 140, 148 ff.).

(2) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung gemäß Art. 72 Abs. 1 [X.] nur, solange und soweit der [X.] von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Eine Kodifikation durch den [X.] schließt Regelungen durch den Landesgesetzgeber aus, wenn die bundesgesetzliche Regelung eine abschließende und erschöpfende Regelung darstellt ([X.], Beschluss vom 20. Januar 1981 – 2 [X.], [X.]E 56, 110, 118 f.). Ob ein [X.]esgesetz eine derartige erschöpfende Regelung enthält, ist im Wege einer Gesamtwürdigung des betreffenden [X.] festzustellen. Hierfür ist entscheidend, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der [X.] von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das [X.]esgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 78. EL, Art. 72 [X.] Rn. 83 mwN).

(3) Von seiner Kompetenz, den Rechtsschutz, insbesondere das gerichtliche Verfahren und die gerichtliche Zuständigkeit im Bereich des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung im Sinne des § 126a [X.] zu regeln, hat der [X.] in § 126 [X.] i.V.m. § 126a Abs. 2 Satz 1 [X.] Gebrauch gemacht und diese Materie erschöpfend geregelt.

(a) Nach den Materialien zum Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 ([X.] I, S. 2274-2279) wollte der [X.]esgesetzgeber in §§ 126, 126a Abs. 2 [X.] eine einheitliche Zuständigkeit für gerichtliche Entscheidungen im Untersuchungshaftrecht bzw. im Recht der einstweiligen Unterbringung schaffen. Der Entwurf betont in Bezug auf den vorgesehenen Rechtsschutz in § 119a [X.], dass eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 126 [X.] sachgerecht sei, weil gerichtliche Entscheidungen im [X.] nach § 119a [X.] in engem Zusammenhang mit den in § 119 [X.] geregelten Entscheidungen (haftgrundbezogene Beschränkungen) stünden (BT-Drucks. 16/11644, [X.]). Neben den beschränkenden Anordnungen des Gerichts nach der Strafprozessordnung (etwa in § 119 [X.]) könnten zwar auch (gegebenenfalls weitergehende) Beschränkungen nach den künftigen Landesgesetzen über den [X.] angeordnet werden. Ohne die Regelungen der §§ 119a, 126 [X.] wäre zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser vollzuglichen Anordnungen ein Strafsenat des [X.] berufen, in dessen Bezirk die Vollzugsbehörde ihren Sitz hat (§ 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 EG[X.]). Deshalb werde mit § 119a [X.] eine praxisgerechtere Norm geschaffen, die den in § 23 EG[X.] subsidiär vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten vorgehe (BT-Drucks. 16/11644, [X.]). Für die Zuständigkeit des Gerichts nach § 126 [X.] spreche insbesondere, dass diesem der Sachverhalt aus der Ermittlungsakte vertraut sei und ein anderes Gericht sich erst neu in die Sache einarbeiten müsste (BT-Drucks. 16/11644, S. 32).

(b) Diese Erwägungen des [X.]esgesetzgebers sind auch für den Rechtsschutz im Rahmen der Anordnung einer medizinischen Zwangsbehandlung gültig. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der [X.]esgesetzgeber die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts auf ein Rechtsmittel gegen die Anordnung einer medizinischen Zwangsbehandlung beschränken und die Anordnungskompetenz ungeregelt lassen wollte. § 126 Abs. 1 [X.] umfasst nach seinem Wortlaut auch den Bereich präventiven Rechtsschutzes, denn die Zuständigkeit gilt uneingeschränkt „für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft (einstweilige Unterbringung, § 126a Abs. 2 [X.]) […] beziehen“.

(4) Überdies steht auch § 78a [X.] der Annahme einer Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer in einstweiligen Unterbringungssachen nach § 126a [X.] entgegen.

(a) Der [X.] hat im Bereich der Gerichtsverfassung für die ordentliche Gerichtsbarkeit von seiner Befugnis zur Gesetzgebung durch das Gerichtsverfassungsgesetz Gebrauch gemacht.

(b) Die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ist in § 78a [X.] abschließend geregelt. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, denn es handelt sich bei § 78a Abs. 1 Satz 2 [X.] um einen enumerativ beschriebenen Zuständigkeitskatalog ohne Verwendung allgemeiner Auffangtatbestände, unbestimmter Rechtsbegriffe oder Öffnungsklauseln. Darüber hinaus gehende sachliche Zuständigkeiten der Strafvollstreckungskammer sind im Titel 5a des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht enthalten. Auch sind Vorbehalte für landesrechtliche Regelungen außerhalb von § 78a Abs. 2 und 3 [X.] nicht vorgesehen.

(c) Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Materialien zu § 78 Nr. 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ([X.]) vom 23. Dezember 1982 ([X.] I 2071) gestützt; darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei § 78a [X.] um eine abschließende Zuständigkeitsbestimmung handelt (vgl. BT-Drucks. 9/1338, [X.]). Deshalb hat das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen dem Absatz 1 des § 78a [X.] eine Nr. 3 angefügt und damit den Zuständigkeitskatalog erweitert.

[X.] a.D. Prof. Dr. Fischer
ist an der Unterschriftsleistung
gehindert.

                                   

Krehl 

        

Krehl     

        

Eschelbach

        

     Zeng     

        

Bartel     

        

Meta

2 ARs 426/16

19.01.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 14 StPO, § 126 StPO, § 126a Abs 2 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2017, Az. 2 ARs 426/16 (REWIS RS 2017, 17126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17126

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