Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.10.2020, Az. XIII ZB 85/19

13. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1326

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Gegenstand

Haftaufhebungssache: Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Haftantrags; Fehlen des erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft; Aufhebung einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten Haft


Leitsatz

1. Im Haftaufhebungsverfahren können auch Einwände gegen die Zulässigkeit des Haftantrags erhoben werden, wenn die Mängel des Antrags im vorausgegangenen Haftanordnungsverfahren nicht wirksam geheilt worden sind.

2. Eine Aufhebung der Haft kommt bei Fehlen des erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nur in Betracht, wenn nicht erwartet werden kann, dass das darin liegende Hindernis bis zur Abschiebung ausgeräumt wird.

3. Im Verfahren über die Aufhebung einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten Haft nach § 426 FamFG ist zu berücksichtigen, wenn innerhalb der auf den zulässigen Zeitraum begrenzten Haft Umstände eingetreten sind, die zu einer Verlängerung der Haft geführt hätten.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] von 24. April 2019 wird auf Kosten der Vertrauensperson des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I. Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 16. August 2015 unerlaubt in das [X.] ein und stellte am 21. Juli 2016 einen Asylantrag, den das [X.] (fortan: [X.]) mit seit dem 14. Dezember 2017 bestandskräftigem Bescheid ablehnte. In dem Bescheid forderte das [X.] den Betroffenen auf, [X.] innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, und drohte ihm für den Fall der [X.] dieser Frist die Abschiebung an. Dieser Aufforderung kam der Betroffene nicht nach. Ein Versuch, ihn am 30. April 2018 nach [X.] abzuschieben, scheiterte daran, dass der Betroffene einer Vorladung der beteiligten Behörde, die ihn aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts festnehmen lassen wollte, nicht Folge leistete und an seiner Meldeadresse nicht anzutreffen war. Als der Betroffene von sich aus am 3. Mai 2018 bei der Behörde vorsprach, verständigte diese eine Polizeistreife, die der Betroffene zunächst mit einem Messer bedrohte, die ihn dann aber festnehmen konnte. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das für den Festnahmeort zuständige [X.] noch am gleichen Tag gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung nach [X.] bis zum 3. August 2018 an. Auf die Beschwerde stellte das [X.] unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und entsprechender Aufrechterhaltung der Haft fest, dass die vollzogene Haft den Betroffenen bis zum 7. Juni 2018 in seinen Rechten verletzt habe.

2

Am 9. Juli 2018 hat sich der Rechtsbeschwerdeführer als Person des Vertrauens des Betroffenen beim [X.] gemeldet und die Aufhebung der Haft sowie für den - am 30. Juli 2018 bei der Abschiebung des Betroffenen nach [X.] eingetretenen - Fall der Haftentlassung die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Betroffenen beantragt. Mit einem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Juli 2018 hat auch der Betroffene selbst entsprechende Anträge gestellt. Das [X.] hat der Vertrauensperson des Betroffenen am 25. Juli 2018 mitgeteilt, ihr Antrag sei mangels Vertretungsmacht unzulässig, und die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen am 26. Juli 2018 zur Mitteilung aufgefordert, ob ein Antrag auf Verweisung des Verfahrens an das Gericht am [X.], das [X.], gestellt werde, dann aber, ohne deren Antwort abzuwarten, die "Anträge des Betroffenen vom 25. Juli 2018" mit Beschluss vom 27. Juli 2018 verworfen. Nach Eingang des [X.] am 30. Juli 2018 hat es das Verfahren mit Beschluss vom 31. Juli 2018 an das [X.] abgegeben, das es übernommen hat. Dieses hat den - nach dessen Abschiebung noch anhängigen - Antrag "des Betroffenen" auf Feststellung der Rechtswidrigkeit als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen ist beim [X.] ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, möchte die Vertrauensperson die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft im Zeitraum vom 9. bis zum 30. Juli 2018 festgestellt wissen.

3

II. Das - aus eigenem Recht der Vertrauensperson des Betroffenen, aber auch nach § 429 Abs. 2 FamFG statthafte und auch sonst zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

"Die Beschwerde war aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen die Kammer sich nach eigener Sachprüfung in vollem Umfang anschließt, als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] hat sich im Beschluss vom [X.] ausführlich und umfassend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers aus der Beschwerdebegründung vom 25.11.2018 auseinandergesetzt. Die Kammer hat den Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom [X.] ergänzend Gelegenheit zur Stellungnahme zur Zulässigkeit der Beschwerde sowie in der Sache gewährt. Der Beschwerdeführer hat jedoch keine weiteren Einwendungen zur Sache vorgebracht, sondern einzig weiter zur Zulässigkeit vorgetragen.

Aus diesem Grund war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen."

5

2. Diese Entscheidung des [X.] ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht schon deshalb aufzuheben, weil es an der erforderlichen Darstellung des Sachverhalts fehlte.

6

a) Allerdings müssen nach ständiger Rechtsprechung des [X.] Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 16. September 2010 - [X.], juris Rn. 3, vom 7. Mai 2009 - [X.]/08, [X.] 2009, 442 Rn. 5, vom 29. März 2012 - [X.], juris Rn. 3, und vom 26. Juli 2012 - [X.], juris Rn. 4, jeweils mwN). Dies gilt auch in Verfahren in Freiheitsentziehungssachen, auch nach § 426 FamFG, in denen das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen hat, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Ausführungen des [X.], die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im verfahrensrechtlichen Sinne. Sie begründen einen Verfahrensmangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist und die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. März 2012 - [X.], juris Rn. 3, und vom 26. Juli 2012 - [X.], juris Rn. 4, jeweils mwN).

7

b) Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde aber nicht, wenn sich das Beschwerdegericht die Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts zu eigen macht, sich der Sachverhalt aus dessen Entscheidung hinreichend deutlich ergibt und dieser im Beschwerdeverfahren keine relevanten Änderungen erfahren hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. März 2012 - [X.], juris Rn. 4, und vom 26. Juli 2012 - [X.], juris Rn. 5). So liegt es hier.

8

3. Die Zurückweisung des Feststellungsantrags ist auch in der Sache richtig.

9

a) Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass eine Bescheidung des Antrags nicht mehr zulässig wäre.

aa) Das [X.] hat zwar den Antrag des Betroffenen vom 25. Juli 2018 durch Beschluss vom 27. Juli 2018 als unzulässig verworfen, obwohl die der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen einzuräumende Frist zur Reaktion noch nicht verstrichen war. Fraglich ist mangels Einlegung einer Beschwerde auch, ob das Amtsgericht das Verfahren insoweit überhaupt noch an das für den [X.] zuständige [X.] abgeben konnte, das es, wenn auch zu Unrecht (vgl. [X.], Beschluss vom 2. März 2017 - [X.], [X.] 2017, 293 Rn. 9, 13), für örtlich zuständig hielt. Diese Frage bedarf aber keiner Entscheidung.

bb) Die Zurückweisung war nämlich in der Sache nur eine Teilentscheidung. [X.] hatte das Amtsgericht nur den Antrag des Betroffenen vom 25. Juli 2018. Neben dem Betroffenen selbst konnte und durfte indessen auch seine Vertrauensperson aus eigenem Recht die Aufhebung der Haft und die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Mai 2020 - [X.]/19, [X.] 2020, 387 Rn. 13, und vom 24. August 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8-10). Über deren am 9. Juli 2018 bei ihm eingegangenen Antrag hat das [X.] am 27. Juli 2018 nicht entschieden. Jedenfalls dieser Antrag, der zudem, da früher gestellt, einen längeren Haftzeitraum erfassen konnte als der erst kurz vor seiner Abschiebung gestellte Antrag des Betroffenen (dazu: [X.], Beschluss vom 19. Mai 2020 - [X.]/19, [X.] 2020, 387 Rn. 23), wurde von dem Verweisungsbeschluss des [X.] vom 31. Juli 2018 erfasst und ist Gegenstand des Verfahrens vor dem [X.] geworden, das das Verfahren nach § 106 Abs. 2 Satz 2 [X.] auch insgesamt übernommen hat.

cc) Den nach Erledigung des [X.] infolge Abschiebung noch offenen Antrag der Vertrauensperson des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft über den 9. Juli 2018 hinaus haben das Amtsgericht und das [X.] Paderborn auch beschieden. Beide haben zwar über die Anträge "des Betroffenen" entschieden, obwohl die Vertrauensperson des Betroffenen sie darauf hingewiesen hatte, sie habe aus eigenem Recht einen Haftaufhebungsantrag gestellt. Die Auslegung beider Entscheidungen ergibt aber, dass sowohl das Amtsgericht als auch das [X.] Paderborn über alle Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen den Betroffenen angeordneten [X.] entscheiden und den Antrag der Vertrauensperson des Betroffenen nicht unbeschieden lassen wollten. Damit haben sie jedenfalls auch über deren Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der [X.] entschieden.

b) Der Antrag ist jedoch deshalb zu Recht zurückgewiesen worden, weil die geltend gemachten Haftaufhebungsgründe nicht vorliegen.

aa) Ein etwaiger Mangel des [X.] ist jedenfalls durch den ergänzenden Vortrag der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren und die Anhörung des Betroffenen hierzu geheilt worden.

(1) Im Haftaufhebungsverfahren gemäß § 426 Abs. 1 FamFG können nicht nur neue Umstände, sondern auch Einwände gegen die Anordnung der Haft geltend gemacht werden ([X.], Beschlüsse vom 18. September 2008 - [X.], [X.]-Report 2008, 1282 Rn. 19, vom 1. Juni 2017 - [X.], [X.] 2017, 347 Rn. 6, und vom 19. Mai 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8). Deshalb können auch Einwände gegen die Zulässigkeit des [X.] erhoben werden, wenn die Mängel des Antrags im vorausgegangenen [X.] nicht wirksam geheilt worden sind.

(2) Danach scheidet eine Aufhebung der angeordneten Haft wegen der fehlenden Erwähnung des aus Anlass des Vorfalls am 3. Mai 2018 eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Betroffenen schon deshalb aus, weil ein darin etwa liegender Mangel des [X.] im Beschwerdeverfahren unter Anhörung des Betroffenen wirksam geheilt worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Anhängigkeit des Strafverfahrens in Erfahrung gebracht. Die beteiligte Behörde hat das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung des Betroffenen beigebracht. Zu beidem ist der Betroffene persönlich angehört worden.

(3) Zu dem gegen den Betroffenen eingeleiteten Strafverfahren wegen des Verdachts der Nachstellung und der Körperverletzung zum Nachteil seiner früheren Verlobten musste sich der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht verhalten. Nach der Rechtsprechung des Senats muss die beteiligte Behörde in ihrem Haftantrag zwar dazu Ausführungen machen, wie sie ein aus der erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaft möglicherweise entstehendes Abschiebungshindernis auszuräumen gedenkt. Das gilt aber nur, wenn sich aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren ergibt ([X.], Beschluss vom 12. Februar 2020 - [X.]/19, [X.]Z 224, 344 = [X.] 2020, 242 Rn. 19). Das war hier nicht der Fall. Aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde ergab sich nur, dass die Verlobte ihr von Gewaltanwendung und Morddrohungen berichtet, aber nicht, dass sie diese Vorgänge auch zur Anzeige gebracht hatte. Die beteiligte Behörde hat davon erst am 20. Juli 2018 und damit nach Eintritt der Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung erfahren. Dadurch konnte der Haftantrag nicht mehr unzulässig werden.

bb) Die Haftanordnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung des Betroffenen nicht schon bei der Bestätigung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht, sondern erst im Laufe des [X.] erteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft keine Voraussetzung für die Anordnung von Abschiebungshaft. Vielmehr ist das Fehlen des erforderlichen Einvernehmens ein mögliches Abschiebungshindernis, das aber bis zum Vollzug der Abschiebung ausgeräumt werden kann ([X.], Beschluss vom 12. Februar 2020 - [X.]/19, [X.]Z 224, 344 = [X.] 2020, 242 Rn. 12 unter Aufgabe von [X.], Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1574). Eine Aufhebung der Haft kommt deshalb nur in Betracht, wenn - anders als hier - nicht erwartet werden kann, dass das Hindernis bis zur Abschiebung ausgeräumt wird.

cc) Die Haft war auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Beschwerdegericht sie richtigerweise auf einen Zeitraum bis zum 26. Juni 2018 hätte begrenzen und für den Zeitraum ab dem 27. Juni 2018 hätte aufheben müssen. Im Haftaufhebungsverfahren ist nämlich zu berücksichtigen, wenn während des tatsächlich zulässigen Haftzeitraums die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Haft eingetreten sind. So liegt es hier.

(1) Das Beschwerdegericht hätte die über den 26. Juni 2018 hinaus angeordnete Haft allerdings nicht aufrechterhalten dürfen. Es stellt nämlich fest, dass die Abschiebung für den 20. Juni 2018 durchorganisiert war. Es musste die Haft zwar nicht auf den 20. Juni 2018 begrenzen; es durfte der beteiligten Behörde vielmehr noch einen zeitlichen Puffer für allfällige Verzögerungen bis zum 26. Juni 2018 einräumen. Es musste sie aber nach § 62 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 426 Abs. 1 FamFG von Amts wegen für den Zeitraum danach aufheben. Davon durfte es auch nicht mit der Begründung absehen, die Untersuchung des Betroffenen auf seine Flugtauglichkeit könne zu Verzögerungen führen. Es durfte die Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung nur zurückweisen, wenn es die Bestätigung seiner Flugtauglichkeit erwartete. Feststellungen dazu, dass und aus welchen Gründen der für die Untersuchung des Betroffenen zu veranschlagende Zeitraum den geplanten Abschiebungstermin zu Fall bringen würde, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Durch dieses Vorgehen wurde die angeordnete Haft für diesen Zeitraum zu einer Vorratshaft, die das Gesetz nicht zulässt (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2016 - [X.] 167/14, NVwZ 2017, 733 [Ls.] = juris Rn. 13).

(2) Im Verfahren über die Aufhebung einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten Haft nach § 426 FamFG ist aber zu prüfen, ob innerhalb der auf den zulässigen Zeitraum begrenzten Haft Umstände eingetreten sind, die zu einer Verlängerung der Haft geführt hätten.

(a) Die Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung im Haftaufhebungsverfahren hat den Zweck zu verhindern, dass ein Betroffener weiter in Haft gehalten wird, obwohl sich die (rechtskräftig gewordene) Haftanordnung als rechtswidrig erweist ([X.], Beschluss vom 18. September 2008 - [X.], [X.]-Report 2008, 1232 Rn. 19). Darin findet die Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung aber auch ihre Grenze. Im Haftaufhebungsverfahren ist deshalb zu berücksichtigen, dass die solchen Einwänden zugrunde liegenden Defizite des [X.] oder Fehler der Haftanordnung im [X.] (für die Zukunft) hätten geheilt werden können ([X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 - [X.], [X.] 2017, 347 Rn. 15-17, und vom 19. Mai 2020 - [X.]/19, juris Rn. 11). [X.] diese Möglichkeit unberücksichtigt, hätte der Betroffene im Haftaufhebungsverfahren weiter gehende Rechte als bei einem Rechtsmittel gegen die Haftanordnung. Dies stünde mit dem Zweck des [X.] nicht in Einklang ([X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 - [X.], [X.] 2017, 347 Rn. 16).

(b) Nichts Anderes gilt, wenn der Haftrichter oder das Beschwerdegericht versäumen, die für einen zu langen Zeitraum beantragte oder angeordnete Haft entweder von vornherein oder auf Beschwerde des Betroffenen hin auf den Zeitraum zu begrenzen, für den der festgestellte Sachverhalt eine tragfähige tatsächliche Grundlage bietet. Würde die Haft in einem solchen Fall auch dann aufgehoben, wenn zwischenzeitlich die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Haft eingetreten sind, würde der Betroffene ohne sachlichen Grund besser gestellt als bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen der Haftgerichte. Bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen der Haftgerichte wäre die Haft zwar verkürzt worden. Die beteiligte Behörde hätte dann aber bei einem entsprechenden Sachverhalt die Möglichkeit gehabt, bei einem Scheitern des [X.]s, der durch die angeordnete verkürzte Haft abgesichert werden sollte, den [X.] nach § 62 Abs. 4a [X.] zur Stellung eines [X.] zu nutzen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 2018 - [X.] 179/15, [X.] 2018, 415 Rn. 21) und die Verlängerung der Haft zu erwirken. Sind die Voraussetzungen für eine der angeordneten Haftdauer entsprechende Verlängerung der Haft bei Eingang des [X.] gegeben, besteht deshalb kein Grund, die Haft jetzt aufzuheben. Deshalb ist im Verfahren zur Aufhebung einer zu lang angeordneten Haft zu berücksichtigen, ob die Voraussetzungen für eine entsprechende Verlängerung eingetreten sind. Ist dies der Fall, scheidet eine Aufhebung der Haft aus.

(3) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der geplante [X.] am 20. Juni 2018 ist daran gescheitert, dass die beauftragte Fluglinie den Flug gestrichen hat. Ein Ausweichtermin am 22. Juni 2018 ist fehlgeschlagen, weil das [X.] nicht zur Verfügung stand. Innerhalb des Zeitraums bis zum 26. Juni 2018, auf den das Beschwerdegericht die Haft richtigerweise hätte begrenzen müssen, war ein weiterer Versuch nicht durchführbar, weil ein neues Begleitteam zusammengestellt werden musste. Die beteiligte Behörde hätte in dem genannten Haftzeitraum einen Verlängerungsantrag stellen können und die Verlängerung der Haft bis zum tatsächlich angeordneten Haftende am 3. August 2018 auch erwirkt, weil für die Organisation einer begleiteten Abschiebung nach der Rechtsprechung des [X.] regelmäßig mit einem Zeitraum von sechs Wochen zu rechnen ist ([X.], Beschlüsse vom 20. September 2018 - [X.] 4/17, [X.] 2019, 23 Rn. 11, vom 4. Juli 2019 - [X.] 173/18, juris Rn. 8, und vom 12. November 2019 - [X.], [X.] 2020, 165 Rn. 12).

dd) Die Aufhebung der Haft war auch nicht deshalb geboten, weil die beteiligte Behörde das Beschleunigungsgebot verletzt hätte.

(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Rechtsbeschwerde davon aus, dass die Abschiebungshaft stets auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden muss; dies ergibt sich aus dem aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitenden (dazu: [X.] 46, 194, 195 und [X.], Beschlüsse vom 11. Juli 1996 - [X.] 14/96, [X.]Z 133, 235, 239, und vom 10. Juni 2010 - [X.] 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 21) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und einfachgesetzlich daraus, dass die Haft nach § 62 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die [X.] darf deshalb nur aufrechterhalten oder verlängert werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar - gemäß dem genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - mit der größtmöglichen Beschleunigung (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 11. Juli 2019 - [X.] 28/18, juris Rn. 7 mwN).

(2) Dies wurde beachtet.

(a) Ob im Fall des Betroffenen eine Sicherheitsbegleitung erforderlich war, was die beteiligte Behörde annimmt und wofür angesichts seines Verhaltens bei seiner Festnahme am 3. Mai 2018 einiges spricht, haben die Haftgerichte - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht zu prüfen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - [X.] 236/17, juris Rn. 9, und vom 25. August 2020 - [X.]/19, juris Rn. 21).

(b) Ist aber eine Sicherheitsbegleitung erforderlich, so erschließt sich grundsätzlich ohne Weiteres, dass der organisatorische Aufwand für die Vorbereitung der Überstellung jedenfalls eine Zeit von bis zu sechs Wochen in Anspruch nimmt, da erst die für die Begleitung in Betracht kommenden Personen ermittelt und innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeitfenster die Flüge für den Betroffenen und die Begleitpersonen gebucht werden müssen. Im Hinblick auf die beschränkten Personalressourcen wird zwangsläufig ein zeitlicher Vorlauf benötigt, der bis zu sechs Wochen in Anspruch nehmen und daher als angemessen angesehen werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. September 2018 - [X.] 4/17, [X.] 2019, 23 Rn. 11, und vom 25. August 2020 - [X.]/19, juris Rn. 22). Der unvorhergesehene Ausfall des für die Abschiebung eines Betroffenen vorgesehenen Flugs oder der hierfür eingeplanten Sicherungsbegleitung ist, wie das Amtsgericht zu Recht entschieden hat, kein Umstand, der einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet. Ein solcher Verstoß ergibt sich auch nicht daraus, dass es der beteiligten Behörde nach dem Scheitern des ursprünglich für den 20. Juni 2018 vorgesehenen [X.]s wegen der Annullierung des Flugs gelungen ist, in kurzer Frist einen neuen [X.] für den 22. Juni 2018 mit Sicherheitsbegleitung zu organisieren. Eine so kurzfristige Umterminierung einer Abschiebung mit Sicherheitsbegleitung setzt günstige Umstände voraus, die nicht generell vorausgesetzt werden können und im vorliegenden Fall tatsächlich auch nicht eingetreten sind. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die beteiligte Behörde für die Organisation eines neuen Flugs mit Sicherheitsbegleitung die sechs Wochen benötigt hat, die üblicherweise hierfür anzusetzen sind.

c) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Kirchhoff

      

Picker     

      

Linder     

      

Meta

XIII ZB 85/19

06.10.2020

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Paderborn, 24. April 2019, Az: 5 T 100/19

§ 426 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.10.2020, Az. XIII ZB 85/19 (REWIS RS 2020, 1326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1326

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