Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2012, Az. VIII ZR 1/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4566

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BUNDE[X.][X.]RICHT[X.]HOF

IM NAMEN DE[X.] VOLKE[X.]

URTEIL
VIII ZR 1/11
Verkündet am:

18. Juli 2012

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, §
560 Abs. 4, § 569 Abs. 3 Nr. 3
Kommt der Mieter mit der Zahlung von durch den Vermieter nach § 560 Abs. 4 [X.] einseitig erhöhten [X.] in Verzug, scheitert eine (auch) darauf gestützte fristlose Kündigung des Vermieters nicht daran, dass der Vermieter den Mieter nicht vor Ausspruch der Kündigung auf Zahlung der erhöhten Betriebskosten verklagt hat.

[X.], Urteil vom 18. Juli 2012 -
VIII ZR 1/11 -
LG [X.]

[X.]

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2 -
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2012 durch den Vorsitzenden [X.], die
Richterin [X.], [X.] Achilles und Dr. [X.]
sowie die Richterin Dr. Fetzer

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des [X.] vom 9. Dezember
2010 wird [X.].
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung der Beklagten in [X.].

.
Gemäß § 3 des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrags vom 1. Au-
zahlungen und 51,89 DM
(= 26,53

-
und Warmwasserkosten. Die [X.] erhöhten sich im [X.] um ,
zum 1. Oktober 2003

sowie
zum 1. Oktober 2004 .
1

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3 -

Ab November 2003 zahlte die Klägerin
die [X.] und Teile der Grundmiete nicht. Die Beklagten kündigten wegen der im [X.]raum [X.] 2003 bis Dezember 2004
aufgelaufenen Rückstände das Mietverhältnis mit Erklärung vom 15. Dezember 2004 fristlos.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung von [X.]chadensersatz in Höhe mehrerer Mängel
der Mietwohnung in [X.] genommen.
Die Beklagten haben im Wege der Widerklage Zahlung von o-vember 2003 bis einschließlich Oktober 2007 und Nachforderungen aus der Betriebskostenabrechnung 200s-

gestützt auf die fristlose Kündigung vom 15. Dezember 2004

Räumung und Herausgabe der Wohnung begehrt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattge-geben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin nur in Höhe eines weitergehende Beru-fung zurückgewiesen.

Mit der vom [X.]enat hinsichtlich der Verurteilung zur Räumung zugelasse-nen Revision verfolgt die Klägerin ihr [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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4 -
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung

soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse

im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung sei
nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich der [X.] teilweise aus Mieterhöhungen wegen der Anpassung von Betriebskos-tenvorauszahlungen errechne. Dieser Umstand schließe eine Kündigung nicht grundsätzlich aus. Das [X.] gelte nicht mehr und das Gesetz zur Regelung der Miethöhe habe den Ausschluss einer Kündigung wegen einer Erhöhung der [X.] nicht vorgesehen. Vielmehr sei bei der Frage, ob der Mieter schuldhaft gehandelt habe, zu berücksichtigen, dass der Rückstand auf einer Mieterhöhung beruhe. Es sei hier jedoch von einem Ver-schulden der Klägerin auszugehen, da sie keine Einsicht in die Berechnungsun-terlagen, die den Betriebskostenabrechnungen zu Grunde lagen, genommen habe.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung
im Ergebnis
stand.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß §
546 Abs. 1 [X.] zur Herausgabe der Mietwohnung verpflichtet ist. Denn die Kündigung der Beklagten vom 15. Dezember 2004 hat das [X.] beendet. Aus § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] ergibt sich keine Verpflichtung des Vermieters, den Mieter
vor Ausspruch der Kündigung auf Zahlung der [X.] nach § 560 Abs. 4 [X.] zu verklagen.
1. Gemäß § 543 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] kann jede Vertragspartei das Miet-verhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger 7
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Grund liegt nach § 543 Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 3 Buchst. [X.] insbesondere vor, wenn der Mieter in einem [X.]raum,
der sich über mehr als zwei Termine er-streckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Berufungsgericht hat die Klägerin rechtskräftig zur

[X.]raum von November 2003 bis einschließlich Dezember 2004 verurteilt. Die-ser Betrag übersteigt die Miete für zwei Monate.
Die Klägerin war zum [X.]punkt der Kündigung vom 15. Dezember 2004 mit der Entrichtung dieser Miete in Verzug. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ein [X.] nach § 273 [X.] geltend gemacht habe, da die Beklagten ihr eine zumutbare Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen verweigert hätten.
Denn aus
den von der Revision in Bezug genommenen [X.]chriftsätzen
ergibt sich
nicht, dass die Klägerin diese Einrede

wie erforderlich (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 2005
[X.], NJW-RR 2005, 1041 unter II 1 b; [X.]enatsurteil vom 15. April 1987

[X.], NJW-RR 1987, 903 unter [X.])

vor dem Ausspruch der Kündigung erhoben hat. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht nicht darauf eingegangen.

2. Der fristlosen Kündigung der Beklagten steht entgegen der Auffassung der Revision § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] nicht entgegen.
a) Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 [X.] verurteilt worden, so kann der Vermieter nach § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon 11
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wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind. Letzteres ist hier
nicht der Fall. In den [X.] sind nach den Feststellungen des Berufungsge-richts die gemäß § 560 Abs. 4 [X.] erhöhten [X.] enthalten

. Der Kündi-gungsgrund des §
543 Abs. 2
[X.]atz 1 Nr. 3 Buchst. [X.] liegt hier nur vor, wenn man die
[X.] nach § 560 Abs. 4 [X.] berücksichtigt. [X.] man diese aus den vom Berufungsgericht als noch geschuldet angesehe-lediglich ein Betrag, der nicht einmal die zweifache Grundmiete erreicht.
b) Der Regelungsgehalt
des § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] ist allerdings um-stritten
(ausführlich [X.], [X.], 57, 65 ff.).
[X.]) Nach einer Ansicht besagt die Vorschrift, dass der Vermieter wegen der erhöhungsbedingten Rückstände erst kündigen kann, wenn der Mieter rechtskräftig zur Zahlung der erhöhten Betriebskosten oder -vorauszahlungen verurteilt ist ([X.]chmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Aufl., § 569 [X.] Rn. 70; [X.], [X.]O [X.]. 67; [X.]oergel/[X.], [X.], 13. Aufl., §
569 Rn. 28). Der [X.] wäre somit gezwungen, vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung Zah-lungsklage zu erheben, und könnte
erst nach Ablauf der
Kündigungssperrfrist die Kündigung wegen Zahlungsverzugs aussprechen ([X.], Urteil vom 30. August 2007

307 [X.] 43/07, juris Rn. 3; [X.], [X.] 1989, 675 ff.; [X.], [X.], 25 [zu § 9 Abs. 2 [X.]]; [X.], [X.] 1979, 16 f.).
[X.]) Eine andere Ansicht orientiert sich streng am Wortlaut der Vorschrift und sieht die rechtskräftige Verurteilung des Mieters nur als Voraussetzung für die [X.]perrfrist an und nicht als Voraussetzung für die Kündigung wegen [X.]s ([X.] in [X.]/[X.]onnenschein, Miete, 10. Aufl., § 569 Rn. 33; [X.]ternel, [X.] 2009, 699, 704). § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] besagt nach 15
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dieser Meinung lediglich, dass dem Mieter, gegen den der Vermieter wegen nicht entrichteter [X.] nach §§
559 und 560 [X.] Klage erhoben
hat, nach rechtskräftiger Verurteilung eine Kündigungssperrfrist von zwei Mona-ten zusteht. Die Vorschrift sei bei Kündigungen ohne vorangegangene Zah-lungsklage daher gar nicht einschlägig (vgl. die Darstellung bei
[X.], [X.]O [X.]. 65 mwN).
[X.]) Der [X.]enat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Für diese spricht neben dem engen Wortlaut auch die Entstehungsge-schichte der Vorschrift. Zunächst gab es eine entsprechende Regelung nur für das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters (§ 3 Abs. 5 WK[X.]chG). [X.]ie
sollte sicherstellen, dass nicht wegen der während des Klageverfahrens eventuell aufgelaufenen [X.] alsbald nach der Rechtskraft des Urteils eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs erfolgen kann (BT-Drucks. VI/2421, [X.]. 4). Einen Kündigungsschutz des Mieters musste man dabei nur für die während des Klageverfahrens aufgelaufenen [X.] regeln. Denn in der [X.] davor ist der Mieter durch andere gesetzliche Bestimmungen ausreichend ge-schützt. [X.]timmt er einer Erhöhung nicht zu und erhebt der Vermieter nicht in-nerhalb einer Frist von drei Monaten Klage auf Zustimmung, gilt das [X.] als nicht gestellt (BT-Drucks. VI/2421, [X.]. 4). Klagt der [X.] und wird der Mieter zur Zustimmung verurteilt, schuldet der Mieter zwar die erhöhte
Miete
für die [X.] ab dem dritten auf das Erhöhungsverlangen des [X.]s folgenden Kalendermonat. Diese [X.]chuld wird aber erst mit Rechtskraft des [X.] fällig ([X.]enatsurteil vom 4. Mai 2005

[X.], [X.] 2005, 396 unter [X.] b [X.] und [X.]); der Mieter kann also davor nicht in [X.] geraten, so dass der Vermieter ihm auch nicht kündigen kann.
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Der Gesetzgeber hat die auf die vorgenannte Fallkonstellation zuge-schnittene Regelung
dann durch § 9 Abs. 2 [X.] auch auf Mieterhöhungen nach den §§ 2 bis 7 [X.]
(und damit auch auf Erhöhungen der Betriebskosten-vorauszahlungen gemäß § 4 Abs. 2 [X.]) ausgedehnt, weil er dem Mieter auch in diesen Fällen den [X.]chutz der Vorschrift zukommen lassen wollte, "zumal in diesen Fällen die Mieterhöhung durch die Erklärung des Vermieters automa-tisch wirksam wird"
(BT-Drucks. 7/2011, [X.].
13). Dieser [X.]chutz
umfasst
aber

wie oben dargestellt

nur die während des Klageverfahrens aufgelaufenen [X.] und erstreckt
sich nicht auf die [X.] vor Erhebung der Klage.
§
569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] ändert
daran nichts, da er nach der [X.] nur den Regelungsgehalt von §
9 Abs. 2 [X.] übernehmen sollte
([X.]. 439/00, [X.]. 163).

Die Interessen des Mieters gebieten es nicht, den [X.]chutzbereich des §
569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] dahingehend
auszuweiten, dass der Vermieter vor Er-hebung einer Zahlungsklage nicht kündigen kann
([X.]ternel, [X.]O). Dem steht schon der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift im Gesamtzusammenhang der Kündigungsbestimmungen entgegen, der für eine restriktive Handhabung spricht (vgl. [X.]enatsurteil vom 9. Mai 2012

VIII ZR 327/11, [X.], 753 Rn.
16). Im Übrigen ist der Mieter
dadurch geschützt, dass
im Rahmen des Kündigungsprozesses
geprüft werden muss, ob der Vermieter gemäß § 560 Abs. 4 [X.] bei den Vorauszahlungen eine Anpassung auf die verlangte Höhe vornehmen durfte. Der [X.]enat hat mit zwei Urteilen
vom 15. Mai 2012 ([X.] und [X.], jeweils juris Rn. 16) entschieden, dass
eine Anpas-sung der Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 [X.] nur insoweit begründet ist, als sie auf einer auch inhaltlich korrekten Abrechnung beruht.
Der Mieter kann durch Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nachprüfen, ob die Anpas-20
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sung gemäß § 560 Abs. 4 [X.] gerechtfertigt ist oder nicht und welches Pro-zessrisiko er eingeht, wenn er nicht zahlt. [X.]ollte ihm der Vermieter die Einsicht nicht ermöglichen, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.
In diesem Fall ist eine auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung ausgeschlos-sen.

Ball [X.] [X.]

Dr. [X.] Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.10.2009 -
9 C 588/04 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.12.2010 -
11 [X.] 136/09 -

Meta

VIII ZR 1/11

18.07.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2012, Az. VIII ZR 1/11 (REWIS RS 2012, 4566)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4566

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 1/11

VIII ZR 327/11

VIII ZR 245/11

VIII ZR 246/11

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