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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer; Soldat im freiwilligen Sanitätsdienst der Bundeswehr
Der Kläger ist Stabsarzt und Soldat auf Zeit. Er begehrt seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.
Der Kläger trat nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife in den [X.]ein. Er wurde am 6. Juli 2000 als Sanitätssoldat und [X.]in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf [X.]berufen und mit Wirkung zum 1. Februar 2001 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes übernommen. Die Dienstzeit des [X.]soll am 30. Juni 2018 enden. Ab dem Wintersemester 2001/2002 wurde der Kläger zum Studium der Humanmedizin vom Dienst freigestellt. Nach erfolgreichem Studienabschluss erhielt er am 3. Juli 2008 die [X.]als Arzt. Mit Wirkung zum 14. Juli 2008 wurde er zum Stabsarzt ernannt und ab September 2008 in dem [X.]in [X.]verwandt. Seit März 2010 ist der Kläger als Truppenarzt in das [X.]abkommandiert.
Unter dem 18. Januar 2010 stellte der Kläger gegenüber dem Kreiswehrersatzamt [X.]einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einen Tag später beantragte er bei dem Personalamt der Bundeswehr, ihn nach § 55 Abs. 3 SG aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf [X.]zu entlassen.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2010 lehnte das [X.](nunmehr: [X.]und zivilgesellschaftliche Aufgaben) den Anerkennungsantrag des [X.]mit der Begründung als unzulässig ab, dass Sanitätsoffizieren, die sich freiwillig zum Dienst in der [X.]verpflichtet hätten, nach der Rechtsprechung des [X.]das für die Durchführung eines [X.]erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Den Widerspruch des [X.]wies das [X.]mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2010 zurück. Mit seinem Entlassungsbegehren ist der Kläger im Verwaltungsverfahren vor dem [X.]und im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht [X.]erfolglos geblieben.
Der Kläger hat gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Klage erhoben und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darauf angetragen, im Einzelnen bezeichnete Zeugen aus dem [X.]sowie aus dem [X.]zum Beweis der von ihm behaupteten infanteristischen Ausbildung, Bewaffnung und Verwendung von [X.]- insbesondere im Hinblick auf die Auslandseinsätze der [X.]- zu vernehmen. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, es komme auf die Beweiserhebung aus Rechtsgründen nicht an.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, weil es dem Kläger an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Nach der Rechtsprechung des [X.]sei für die aktiven Berufs- und Zeitsoldaten, die sich in dem waffenlosen Sanitätsdienst befänden, ein Anspruch auf Durchführung des [X.]erst dann gegeben, wenn nach einer vorrangig zu betreibenden Entlassung aus dem Dienst die gesetzliche Wehrpflicht wieder aktuell werde. Auf die von dem Kläger behaupteten Veränderungen der Einsatzbedingungen von [X.]komme es insoweit nicht an. Er sei auf absehbare [X.]in dem Kernbereich des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung geschützt, da er im Rahmen seiner Verwendung als Truppenarzt in dem [X.]nicht Gefahr laufe, Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden.
Der Kläger begehrt mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zu seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu verpflichten. Er sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des [X.]für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer auf die von ihm konkret wahrgenommene dienstliche Funktion abgestellt und zudem in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.]angenommen habe, dass die freiwillige Verpflichtung zur Dienstleistung als Sanitätssoldat die direkte Inanspruchnahme des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung ausschließe. Er erhebt ferner die Gehörs- und die Aufklärungsrüge.
Die Beklagte tritt der Revision mit Ausführungen zu Ausbildung und Bewaffnung des [X.]sowie zu seiner Verwendung im Auslandseinsatz entgegen. Sie sieht keinen Anlass, die Qualifikation des Sanitätsdienstes als waffenlos aufzugeben.
Die zulässige Revision des [X.]ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil es auf der unzutreffenden Annahme beruht, Berufssoldaten und Soldaten auf [X.]im [X.]fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Auf das weitere Revisionsvorbringen des [X.]kommt es nicht an. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, da es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger eine Gewissensentscheidung gegen den [X.]mit der Waffe getroffen hat. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil es das Rechtsschutzbedürfnis des [X.]für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer maßgeblich unter Verweis auf die freiwillige Verpflichtung des [X.]für den [X.]verneint hat.
Aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.]ergibt sich, dass nicht nur gediente und ungediente Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten und Soldaten auf [X.]ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen können. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest, derzufolge Berufs- und Zeitsoldaten im [X.]aus Rechtsgründen gleichwohl kein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtetes Verfahren zuzubilligen ist (1.). Auch für die freiwillig dienenden Angehörigen eines waffenlosen Sanitätsdienstes ist die Rechtsposition nicht nutzlos, die sie durch einen Antrag auf Anerkennung der Berechtigung, den [X.]mit der Waffe zu verweigern, zu gewinnen trachten. Sie müssen sie deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie alle anderen Wehrpflichtigen und Soldaten der [X.]erreichen können (2.). Eine Rechtfertigung dafür, die im [X.]tätigen Berufs- und Zeitsoldaten von der Möglichkeit auszunehmen, jederzeit ein Anerkennungsverfahren durchlaufen zu können, kann nicht in deren freiwilliger Dienstverpflichtung gefunden werden (3.). Ebenso wenig können die Betroffenen auf ein vorrangig zu betreibendes Dienstentlassungsverfahren verwiesen werden (4.).
1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats haben Berufs- und Zeitsoldaten, die sich auf Grund freiwilliger Verpflichtung im aktiven [X.]befinden, bis zur Beendigung ihres Dienstverhältnisses kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Soldaten, die auf Grund ihrer Wehrpflicht als Sanitäter Dienst leisten müssen, unterliegen dagegen im Hinblick auf die Geltendmachung einer Gewissensentscheidung gegen den [X.]mit der Waffe keinen Einschränkungen.
Der Senat hat mit dieser Rechtsprechung an die in dem Urteil des [X.]vom 24. April 1985 - 2 [X.]u.a. - ([X.]69, 1 <24 f., 54 ff.>) angelegte Unterscheidung zwischen dem erst geltend gemachten und dem bereits förmlich festgestellten Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG angeknüpft. Während der volle Schutz des förmlich festgestellten Grundrechts unter Berücksichtigung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht zur Verweigerung auch des waffenlosen Dienstes in der [X.]umfasse, lasse sich aus dem lediglich geltend gemachten Grundrecht nur eine vorläufige Sicherung seines Kernbereichs in dem Sinne ableiten, dass zwar eine Heranziehung zum [X.]mit der Waffe, nicht aber zum waffenlosen Dienst ausgeschlossen sei.
Ein den Kernbereich der grundrechtlichen Gewährleistung nicht berührender waffenloser Dienst sei ein solcher, der objektiv keine Tätigkeiten umfasse, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden. Dies gelte insbesondere für den Sanitätsdienst. Auch wenn Sanitätssoldaten an Handfeuerwaffen wie Pistolen und Gewehren ausgebildet würden, werde ihr Dienst wegen der besonderen völkerrechtlichen Stellung des Sanitätsdienstes nicht zum [X.]mit der Waffe.
Da das nach Durchführung des [X.]förmlich zuerkannte Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG gemäß Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht einschließe, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes, zu verweigern, hätten Wehrpflichtige, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG beriefen, einen Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens, wenn und solange sie auf Grund ihrer Wehrpflicht zu irgendeinem Dienst in der [X.]einschließlich des Sanitätsdienstes herangezogen werden könnten. Dagegen sei ein Anspruch auf Durchführung des [X.]zu verneinen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht nicht in Betracht komme, die betroffenen Wehrpflichtigen den Schutz des Grundrechts also nicht benötigten. Dies sei auch dann der Fall, wenn und solange sie nicht auf Grund ihrer Wehrpflicht, sondern als Folge eigener freiwilliger Verpflichtung waffenlosen Dienst - insbesondere [X.]- leisteten, ihre gesetzliche Wehrpflicht also von der selbst eingegangenen Verpflichtung zu einem Dienst überlagert werde, der als waffenloser Dienst vor Tätigkeiten schütze, die den Kernbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG berührten. Die Betroffenen, die sich der für anerkannte Kriegsdienstverweigerer durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Möglichkeit, einen Ersatzdienst außerhalb der [X.]zu wählen, durch ihre freiwillige Verpflichtung zum [X.]in der [X.]begeben hätten, hätten es - wenn ihnen ihr Gewissen auch die Leistung dieses Dienstes verbiete - selbst in der Hand, ihr freiwillig eingegangenes Dienstverhältnis mit einem [X.]nach dem [X.]vorzeitig zu beenden. Werde nach der Entlassung aus dem [X.]die gesetzliche Wehrpflicht der Betroffenen wieder aktuell, hätten sie ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einem auf § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 [X.]gestützten Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis werde stattzugeben sein, wenn dadurch die Möglichkeit geschaffen werden solle, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beantragen zu können. Denn der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der [X.]stehe, sei im Licht des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nach den genannten soldatenrechtlichen Entlassungsvorschriften als eine schwerwiegende persönliche Härte anzusehen, die ein weiteres Verbleiben im Soldatendienstverhältnis unzumutbar mache (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. November 1985 - BVerwG 6 [X.]5.85 - BVerwGE 72, 241 <242 ff.> = [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 3 S. 7 ff., vom 22. August 1994 - BVerwG 6 [X.]14.93 - [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 17 S. 2 ff. und vom 28. August 1996 - BVerwG 6 [X.]2.95 - [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 19 S. 7 ff. sowie - im Wesentlichen auf formelle Erwägungen gestützt - Beschluss vom 20. November 2009 - BVerwG 6 [X.]- [X.]448.6 § 1 [X.]Nr. 58 Rn. 4 f. - für im [X.]befindliche Zeit- und Berufssoldaten; Urteile vom 17. August 1988 - BVerwG 6 [X.]36.86 - BVerwGE 80, 62 <63 ff.> = [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 9 S. 5 ff. und - BVerwG 6 [X.]27.86 - [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 10, vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 6 [X.]38.87 - [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 11 S. 17 f., vom 10. Februar 1989 - BVerwG 6 [X.]9.86 - [X.]448.6 § 14 [X.]Nr. 21 S. 12, vom 26. März 1990 - BVerwG 6 [X.]24.88 - juris Rn. 7, vom 28. März 1990 - BVerwG 6 [X.]45.88 - [X.]448.6 § 13 [X.]Nr. 16 S. 28 ff. und vom 3. April 1990 - BVerwG 6 [X.]30.88 - juris Rn. 8 - für wehrpflichtige Sanitätssoldaten).
Soweit nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen freiwillig dienenden Sanitätssoldaten der [X.]ein Rechtsschutzbedürfnis für das jederzeitige und unmittelbare Durchlaufen eines auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichteten Verfahrens abzusprechen ist, hält der Senat an ihnen nicht fest. Die den Grundsätzen insoweit zu Grunde liegenden Annahmen haben sich als nicht tragfähig erwiesen.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess - und in Entsprechung dazu das Sachbescheidungsinteresse im Verwaltungsverfahren - ist im Regelfall zu bejahen und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung (Urteile vom 17. Januar 1989 - BVerwG 9 [X.]44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.> = [X.]402.25 § 2 AsylVfG Nr. 9 S. 19 f. und vom 29. April 2004 - BVerwG 3 [X.]25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> = [X.]451.74 § 9 [X.]Nr. 9 S. 5). Von den Fallgruppen, in denen diese Voraussetzung für eine Sachentscheidung fehlen kann (vgl. dazu: Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand: September 2011, Vorbemerkung § 40 Rn. 81 ff.), kommt hier nur diejenige der Nutzlosigkeit der begehrten Entscheidung in Betracht. Nutzlos ist eine Entscheidung indes nur dann, wenn sie demjenigen, der sie erstrebt, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 a.a.[X.]bzw. S. 5).
Die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, die am Ende eines erfolgreich durchlaufenen [X.]steht, ist für die Berufs- und Zeitsoldaten im aktiven [X.]nicht in dem beschriebenen Sinne offensichtlich ohne jeglichen Nutzen. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die betroffenen Soldaten in Gestalt des Sanitätsdienstes einen waffenlosen Dienst versehen und deshalb dauerhaft in dem Kernbereich ihres Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sind, weil sie vor dem Zwang bewahrt werden, entgegen den Geboten ihres Gewissens in einer Kriegshandlung einen anderen töten bzw. Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen (vgl. dazu: BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 83/69 u.a. - [X.]28, 243 <262> und vom 12. Oktober 1971 - 2 BvR 65/71 - [X.]32, 40 <46>, Urteile vom 13. April 1978 - 2 [X.]u.a. - [X.]48, 127 <163 f.> und vom 24. April 1985 a.a.[X.]S. 54, 56, Beschluss vom 11. Juli 1989 - 2 BvL 11/88 - [X.]80, 354 <358>). Denn mit einer Sicherung des bloßen Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG müssen sich anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht begnügen.
Auf den Kernbereich des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung hat das [X.]nur im Zusammenhang mit der Frage abgestellt, welche Dienstpflichten Soldaten in der Übergangszeit zwischen der Einreichung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und dem Abschluss des [X.]erfüllen müssen. Da einerseits der Kernbereich des Grundrechts durch den Waffendienst im [X.]nicht berührt wird und andererseits auch der Einrichtung und der Funktionsfähigkeit der [X.]Verfassungsrang zukommt, ist es den Betroffenen in Friedenszeiten zumutbar, den bisher geleisteten Dienst für die Dauer des mit möglichster Beschleunigung zu führenden [X.]fortzusetzen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 a.a.[X.]und vom 12. Oktober 1971 a.a.[X.]ff.). Im Spannungs- und Verteidigungsfall bleibt jedenfalls die Heranziehung zu einem waffenlosen Dienst zulässig, bis endgültig feststeht, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu Recht in Anspruch genommen wird (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 a.a.[X.]f.).
Jenseits der durch das Anerkennungsverfahren bedingten zeitlichen Übergangsphase geht bei einem für den jeweiligen Antragsteller erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens der Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung indes über den beschriebenen Kernbereich hinaus. Dies gibt das Grundgesetz durch die in Art. 12a Abs. 2 GG erteilte Ermächtigung, auf gesetzlichem Wege eine Ersatzdienstpflicht einzuführen, allgemein zu erkennen (vgl. im Hinblick auf das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bereits im Frieden: BVerfG, Urteil vom 13. April 1978 a.a.[X.]S. 164, Beschluss vom 11. Juli 1989 a.a.O.). Speziell der Regelung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG kann - hieran hält der Senat fest - entnommen werden, dass ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer das Recht hat, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes zu verweigern. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund bestimmt das einfache Recht in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, dass Berufs- und Zeitsoldaten im Falle ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu entlassen sind. Dies entspricht der Regelung, die § 29 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 [X.]für als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Wehrpflichtige trifft.
Sind mit der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer derartige, über die bloße Sicherung des Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG hinausgehende Gewährleistungen verbunden, muss den Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes wie allen Wehrpflichtigen und Soldaten der [X.]grundsätzlich die Möglichkeit zugestanden werden, diese Rechtsposition jederzeit und unmittelbar durch das Durchlaufen des für die Anerkennung erforderlichen Verfahrens zu erreichen.
3. Dem [X.]im Status von Berufs- und Zeitsoldaten ein beachtliches Bedürfnis hierfür abzusprechen, kann entgegen der bisherigen Einschätzung des Senats nicht durch die Erwägung gerechtfertigt werden, dass die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.]eingegangene freiwillige Dienstverpflichtung der Betroffenen deren Wehrpflicht überlagere und diese sich hierdurch des durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Rechts zur Ableistung eines Ersatzdienstes außerhalb der [X.]begeben hätten.
Denn zum einen ist das Recht der Kriegsdienstverweigerung ausweislich der einfachgesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.]nicht an die gesetzliche Wehrpflicht gekoppelt. Zum anderen ist mit den Begriffen des Überlagerns und des [X.]im Ergebnis die Annahme verbunden, die Betroffenen verzichteten bei Abgabe ihrer Dienstverpflichtung mit Wirkung für die gesamte Dauer ihres jahrelangen Dienstes unwiderruflich darauf, das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in seinem vollen Gewährleistungsgehalt wahrzunehmen. Ein derartiger Verzicht erfasste mithin nicht nur bereits getroffene, sondern auch erst im Laufe der Jahre entstehende Gewissensentscheidungen. Ein solcher Gehalt kann der von den Betroffenen abgegebenen Dienstverpflichtung rechtlich und tatsächlich keinesfalls zukommen.
4. Entgegen der bisherigen Annahme des Senats stellt für die Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes auch die Möglichkeit, unter Verweis auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ihre vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis auf der Grundlage der Härtefallklauseln der § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 [X.]zu betreiben und im Erfolgsfall gegebenenfalls in das Anerkennungsverfahren überzuwechseln, keine Alternative dar, die das unmittelbare Durchlaufen eines [X.]als überflüssig erscheinen lassen könnte.
Hierfür spricht bereits, dass der [X.]der persönlichen Härte eines Verbleibens im Dienst einer Inanspruchnahme durch sämtliche Berufs- und Zeitsoldaten der [X.]und nicht nur durch diejenigen des Sanitätsdienstes offen steht, ohne dass indes allgemein das Dienstentlassungsverfahren als vorrangig gegenüber einem Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begriffen und die damit verbundene zusätzliche Verfahrenslast als hinnehmbar erachtet würde.
Hinzu kommt, dass das von dem Senat bisher befürwortete Verhältnis von Anerkennungsverfahren und Dienstentlassungsverfahren in den einschlägigen Verfahrensvorschriften nicht angelegt ist. Vielmehr hat das [X.]in allen seinen bisherigen Fassungen die Entscheidung über Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Stellen außerhalb der Wehrverwaltung bzw. ihrer Weisungsbefugnis überantwortet. Zudem hat bei einer Kriegsdienstverweigerung von Berufs- oder Zeitsoldaten das von diesen Stellen durchzuführende Anerkennungsverfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers einem Dienstentlassungsverfahren voranzugehen. Dies ergibt sich aus den bereits genannten Vorschriften der § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, die die Entlassung aus dem Dienst als Rechtsfolge einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ausgestalten.
Diese im Sinne des Gesetzes liegende Zuständigkeitsverteilung und [X.]ist durch die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Kriegsdienstverweigerung, derzufolge zunächst die Wehrverwaltung über einen Antrag von freiwillig dienenden Sanitätssoldaten auf Dienstentlassung wegen besonderer Härte zu entscheiden hat, bevor diese gegebenenfalls ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreiben können, praktisch abgeändert bzw. umgekehrt worden. Hierdurch wird in jedem Fall die Beschleunigungsmaxime, der das Anerkennungsverfahren unterliegt, in vermeidbarer Weise eingeschränkt. Es kann darüber hinaus zu einer nicht hinnehmbaren Komplizierung der Verfahrensabläufe kommen. Denn es ist einerseits grundsätzlich möglich, dass ein Betroffener im Hinblick auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Dienst entlassen, später jedoch nicht anerkannt wird. Dann stellt sich die Frage einer Aufhebung der Entlassungsverfügung nach §§ 48, 49 [X.]Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sanitätssoldat, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG getroffen hat, in dem für die Feststellung dieser Entscheidung nicht geschaffenen Dienstentlassungsverfahren scheitert und mit ihr dann über eine lange [X.]kein Gehör mehr findet.
Meta
22.02.2012
Bundesverwaltungsgericht 6. Senat
Urteil
Sachgebiet: C
vorgehend VG Koblenz, 25. Januar 2011, Az: 7 K 468/10.KO, Urteil
Art 4 Abs 2 S 3 GG, Art 12a Abs 2 S 3 GG, § 2 Abs 6 S 3 KDVG 2003, § 46 Abs 2 S 1 Nr 7 SG, § 46 Abs 6 SG, § 55 Abs 1 S 1 SG, § 55 Abs 3 SG
Zitiervorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.02.2012, Az. 6 C 31/11 (REWIS RS 2012, 8918)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 8918
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
6 C 11/11 (Bundesverwaltungsgericht)
Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer; Zeitsoldat im Sanitätsdienst der Bundeswehr; Rechtsschutzbedürfnis
6 B 17/14 (Bundesverwaltungsgericht)
Kriegsdienstverweigerung; Anforderungen an den Nachweis einer Gewissensentscheidung; Vorteilsausgleich von Ausbildungskosten
2 BvR 862/10 (Bundesverfassungsgericht)
Nichtannahmebeschluss: Mangelnde Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG) bei unterlassener Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde …
Keine Anerkennung eines Zeitsoldaten als Kriegsdienstverweigerer
1 WB 61/12 (Bundesverwaltungsgericht)
Widerruf der Beurlaubung zum Studium; Sanitätsoffizier-Anwärter; Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer