Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.02.2010, Az. 6 A 5/08

6. Senat | REWIS RS 2010, 9057

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Gegenstand

Vereinsverbot; Teilorganisation; Widerruf der Erledigungserklärung


Leitsatz

1. Eine Erledigungserklärung kann solange widerrufen werden, wie die Erledigungserklärung der Gegenseite dem Gericht noch nicht zugegangen ist.

2. Eine in ein Vereinsverbot als Teilorganisation einbezogene Vereinigung ist klagebefugt, soweit sie bestreitet, Teilorganisation des verbotenen Vereins zu sein (stRspr).

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wendet sich gegen ein Vereinsverbot, mit dem das [X.] sie als Teilorganisation des Fernsehsenders [X.] (im Folgenden: [X.]) - der Klägerin in dem Verfahren zum Aktenzeichen [X.] 7.08 des Senats - belegt hat.

2

Die Klägerin wurde im Januar 1997 gegründet und war zunächst in [X.] ansässig. Anfang des Jahres 2003 verlegte sie ihren Unternehmenssitz nach [X.] und wurde am 31. März 2003 in das Handelsregister des dortigen Amtsgerichts eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 Nr. 1 des zuletzt durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17. Januar 2003 geänderten Gesellschaftsvertrages vom 20. Januar 1997 insbesondere der Betrieb eines Film-, Fernseh- und Fotostudios sowie die Produktion und Verwertung entsprechender Medien.

3

Die Klägerin produziert [X.] für [X.]. Dieser in [X.] ansässige Fernsehsender hat die Rechtsform einer Aktiengesellschaft [X.] Rechts. Er gehört der [X.] Holdinggesellschaft [X.] (im Folgenden: M.), der Klägerin in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen [X.] 6.08 des Senats, an und sendet seit dem 1. März 2004 auf der Grundlage einer an M. erteilten [X.] Lizenz ein vorwiegend in [X.] produziertes Programm, das von [X.] aus über Satellit europaweit und bis in die nahöstlichen Siedlungsgebiete der [X.] ausgestrahlt wird.

4

Mit Verfügung vom 13. Juni 2008, die an M., [X.] und die Klägerin gerichtet war, stellte das [X.] fest, dass der Betrieb von [X.] durch M. sowie die Tätigkeit von [X.] den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richteten. M. wurde verboten, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes durch [X.] zu betätigen. [X.] wurde ebenfalls mit einem Betätigungsverbot belegt und darüber hinaus im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes für verboten erklärt. Die Klägerin wurde als Teilorganisation von [X.] aufgelöst. Die Bildung von Ersatzorganisationen oder die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen für sie wurden untersagt. Ferner wurden für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots die Verwendung von Kennzeichen der verbotenen Organisationen untersagt und ihr im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandenes Vermögen sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der [X.] wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

5

Zur Begründung des die Klägerin betreffenden Teils der Verfügung führte das [X.] aus: Die Klägerin sei [X.] als eine Teilorganisation im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG eingegliedert. Sie finanziere sich ausschließlich aus Geldmitteln, die ihr von [X.] und M. fortlaufend zugewandt würden, ohne dass sie dafür auch nur annähernd gleichwertige Gegenleistungen erbringe. Der Zweck der Klägerin bestehe allein in der Produktion von Fernsehsendungen für [X.]. Diese Sendungen seien - wie das Programm von [X.] insgesamt - darauf ausgerichtet, die mit bestandskräftiger Verfügung des [X.] vom 22. November 1993 verbotene [X.] ([X.]) zu unterstützen. Die Klägerin verfolge damit dasselbe Ziel wie [X.]. Die Klägerin werde von außen als Bestandteil von [X.] wahrgenommen und auch von ihren eigenen Mitarbeitern entsprechend eingeschätzt.

6

Am 8. Juli 2008 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Unter dem 2. Juni 2009 hat das [X.] die die Klägerin betreffende Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung aufgehoben.

7

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie sei keine Teilorganisation von [X.]. Es sei im [X.] nicht außergewöhnlich, dass ein Unternehmen auf einen bestimmten Kunden in besonderer Weise angewiesen sei. Von ihrer Subventionierung durch [X.] oder M. könne keine Rede sein. Sie widme sich der kurdischen Kultur und Sprache und unterstütze nicht die PK[X.]

8

Nach ihrer am 24. November 2009 in das Handelsregister des Amtsgerichts [X.] eingetragenen Auflösung hat die seither in Liquidation befindliche Klägerin den Rechtsstreit zunächst mit [X.] vom 29. Januar 2010 für erledigt erklärt, diese Erklärung jedoch mit [X.] vom 8. Februar 2010 widerrufen, nachdem die Beklagte ihr widersprochen hatte.

9

Die Klägerin beantragt,

die Verbotsverfügung des [X.] vom 13. Juni 2008 aufzuheben, soweit sie sich gegen sie richtet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klägerin erstrebt in zulässiger Weise die Aufhebung des sie betreffenden Teils der Verbotsverfügung des [X.] vom 13. Juni 2008.

a) Die Anfechtungsklage ist nicht wegen einer der Klägerin gegenüber eingetretenen Bestandskraft der Verbotsverfügung unzulässig geworden. Diese Rechtsfolge war mit der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung der Klägerin nicht verbunden, weil sie die Erklärung wirksam widerrufen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 15. November 1991 - BVerwG 4 C 27.90 - [X.] 310 § 161 VwGO Nr. 92 S. 31 und vom 22. Januar 1998 - BVerwG 2 C 4.97 - [X.] 310 § 161 VwGO Nr. 113 S. 15) kann eine Erledigungserklärung solange widerrufen werden, wie die Erledigungserklärung der Gegenseite dem Gericht noch nicht zugegangen ist. Die [X.] ist bis zu diesem [X.]punkt noch nicht abschließend gestaltet, da erst die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zur Beendigung des Streitverfahrens führen. Erklärt wie im vorliegenden Fall die Beklagtenseite nicht ihrerseits den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ist die Klägerseite deshalb verfahrensrechtlich nicht gehindert, zu ihrem Sachantrag zurückzukehren.

b) Für den Anfechtungsantrag fehlt es der Klägerin nicht an dem erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Ihre Auflösung und deren Eintragung in das Handelsregister gemäß § 65 Abs. 1 GmbHG haben nicht zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache geführt. Eine aufgelöste Gesellschaft mit beschränkter Haftung besteht für die [X.], die der Auflösung folgt, fort. Sie kann grundsätzlich auch durch einen Fortsetzungsbeschluss in eine werbende Gesellschaft zurückverwandelt werden. Beendet ist die Gesellschaft erst mit dem Abschluss der Liquidation und ihrer Löschung im Handelsregister nach § 74 Abs. 1 GmbHG (vgl. etwa: [X.]/[X.], in: [X.]/[X.], GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 60 Rn. 2 f., 9, 52 f.).

c) Schließlich fehlt es der Klägerin, die als Teilorganisation von [X.] in die ergangene Verbotsverfügung einbezogen worden ist, nicht an der Klagebefugnis für die Klage, soweit sie mit ihr geltend macht, keine solche Teilorganisation zu sein (vgl. Urteil vom 11. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 14.83 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 12 S. 10; Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - BVerwG 1 VR 20.93 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 18 S. 14 und vom 19. August 1994 - BVerwG 1 VR 9.93 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 19 S. 31; Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 26 S. 96).

2. In der Sache bleibt der Klage der Erfolg versagt. Die Erstreckung des gegenüber [X.] ergangenen Vereinsverbotes auf die Klägerin und die in der Verfügung des [X.] vom 13. Juni 2008 enthaltenen weiteren Entscheidungen, die die Klägerin betreffen, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist, soweit sie die Klägerin betrifft, § 3 Abs. 3 des [X.] (Vereinsgesetz - [X.]) vom 5. August 1964 ([X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 ([X.]). Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nach § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Stellt demnach eine Vereinigung eine Teilorganisation dar, wird sie auf Grund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne Weiteres von dessen Verbot erfasst. Nicht erforderlich ist, dass sie selbst einen Verbotsgrund erfüllt (vgl. nur: Urteil vom 28. Januar 1997 a.a.[X.] f.; Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - [X.] 5.02 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 39 S. 68).

b) Durch ihre Rechtsform als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Klägerin nach den Umständen des konkreten Falles nicht von der Anwendung der Bestimmungen des Vereinsgesetzes ausgenommen. Die für Wirtschaftsvereinigungen geltende Vorschrift des § 17 [X.], die den Anwendungsbereich dieses Regelwerkes insbesondere hinsichtlich der Verbotsvorschriften einschränkt, greift hier unabhängig von den Fragestellungen, ob sie [X.] und ausländische Vereine im Sinne des § 14 und des § 15 [X.] überhaupt erfasst (dies offen lassend: Urteil vom 28. Januar 1997 a.a.[X.]) und ob die Klägerin die Voraussetzungen eines Ausländervereins gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfüllt, nicht ein. Denn nach § 17 Nr. 3 [X.] i.V.m. § 17 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] sind die vereinsrechtlichen Vorschriften unter anderem auf Wirtschaftsvereinigungen anwendbar, die als Teilorganisationen von einem Vereinsverbot erfasst werden, das auf der Grundlage des Verbotsgrundes der Völkerverständigungswidrigkeit oder desjenigen des Zuwiderlaufens gegen die in § 74a Abs. 1 GVG genannten Strafnormen, zu denen § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] gehört, erlassen wurde. Auf diese Tatbestände hat das [X.] das Verbot von [X.] gestützt.

c) Die Verbotsverfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln.

aa) Die alleinige Zuständigkeit des [X.] für den [X.] ergibt sich im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Klägerin als Teilorganisation, ohne dass es einer Bezugnahme auf die Zuständigkeit zum Verbot von [X.] als Gesamtverein bedürfte, aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] jedenfalls deshalb, weil sich die Tätigkeit der Klägerin auch für sich genommen nicht auf das Bundesland [X.], in dem sie ihren Sitz hat, beschränkt. Sie wirkt mit einem überregionalen Bezug in der Weise, dass sie Beiträge für [X.] produziert und dadurch dessen spätere auf [X.], [X.] und die nahöstlichen Siedlungsgebiete der [X.] gerichtete Sendetätigkeit vorbereitet.

bb) Einer Anhörung der Klägerin vor Erlass der Verfügung bedurfte es nicht. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] zum Vereinsrecht (vgl. etwa: Urteile vom 13. April 1999 - BVerwG 1 [X.] - [X.] 402.45 [X.] Nr. 30 S. 3, vom 3. Dezember 2004 - [X.] 10.02 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - [X.] 3.08 - juris Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Dies gilt auch im Hinblick auf die Einbeziehung von Teilorganisationen in eine Verbotsverfügung (Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 38 S. 61; Urteil vom 5. August 2009 - [X.] 2.08 - juris Rn. 14).

Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das [X.] hat nach den Ausführungen in der Verbotsverfügung von einer Anhörung der Klägerin abgesehen, weil es befürchtete, diese werde die Anhörung zum Anlass nehmen, ihr in [X.] noch vorhandenes Vereinsvermögen und etwaige Beweismittel dem staatlichen Zugriff zu entziehen oder zu vernichten. Denn die Klägerin habe bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Durchsuchungsmaßnahmen im Rahmen der vorangegangenen vereinsrechtlichen Ermittlung begonnen, Teile ihrer Produktion und ihrer Arbeitsmittel nach [X.] zu verlagern. Gegen dieses nachvollziehbare Bestreben des [X.], der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ist nichts zu erinnern.

d) Das gegen die Klägerin gerichtete Verbot steht im Einklang mit materiellem Recht.

aa) Das gegenüber [X.] ausgesprochene Vereinsverbot ist als Anknüpfung für eine Erstreckung auf die Klägerin im Sinne des § 3 Abs. 3 [X.] auch in der Gestalt des auf § 18 Satz 2 [X.] gestützten Betätigungsverbotes geeignet (vgl. dazu allgemein: Urteil vom 28. Januar 1997 a.a.[X.]); des gegenüber dem Sender zusätzlich erlassenen [X.] nach § 18 Satz 1 [X.] bedurfte es insoweit nicht.

bb) Die Klägerin stellt eine - nichtgebietliche und rechtsfähige - Teilorganisation von [X.] im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] dar. Das [X.] hat sie zu Recht als solche nach § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] benannt.

(1) Die Voraussetzungen einer Teilorganisation nach § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind in der Rechtsprechung des [X.] geklärt (Urteil vom 11. Oktober 1988 a.a.[X.] f.; Beschlüsse vom 6. Juli 1994 a.a.[X.] f. und vom 19. August 1994 a.a.[X.]; Urteile vom 28. Januar 1997 a.a.[X.], 105 und vom 27. November 2002 - [X.] 1.02 - [X.] 402.45 [X.] Nr. 36 S. 48 f.; Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.[X.] f., 65; Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 a.a.[X.] f.; Urteil vom 5. August 2009 - [X.] 2.08 - a.a.[X.] Rn. 17). Danach muss eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung bestehen. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden. Eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, ist allerdings nicht notwendig. Anhaltspunkte für eine organisatorische Eingliederung können, müssen aber nicht in den Satzungen der betroffenen Organisationen enthalten sein. [X.] Indizien können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Dabei können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen.

(2) Nach dem Gesamtbild, das sich aus den dem Senat vorliegenden Hinweistatsachen ergibt, hat die Klägerin, ungeachtet des Umstandes, dass sie mehrere Jahre vor [X.] gegründet wurde, den Charakter einer Teilorganisation des verbotenen Gesamtvereins [X.] gewonnen. Als Indizien kann der Senat auch die Aufzeichnungen berücksichtigen, die das [X.] im Rahmen der Überwachung des Telefonverkehrs der Klägerin angefertigt und dem [X.] für die Durchführung des Vereinsverbotsverfahrens übermittelt hat. Die für die Herstellung, Weitergabe und Verwertung dieser Gesprächsprotokolle erforderliche gesetzliche Grundlage (vgl. dazu: [X.], Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 1430/88 - [X.]E 85, 386 <395 f., 399>) findet sich in § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 G 10 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.] und § 4 Abs. 4 Nr. 3 G 10. Die Klägerin hat ihre in der Klagebegründung erhobenen Bedenken gegen die Verwendung der Aufzeichnungen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten.

(3) Die Einbindung der Klägerin in die Organisationsstruktur und die Zwecke von [X.] kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass Bezugspunkt ihres unternehmerischen Handelns allein dieser Sender ist. Es steht außer Streit, dass in einer Vielzahl von Beiträgen, die [X.] in den Jahren 2007 und 2008 ausgestrahlt hat, insbesondere auch in Seriensendungen wie [X.], [X.], Portre und [X.] auf die Klägerin als Produzentin hingewiesen wurde. Diese behauptet selbst nicht, dass sie auch für andere Unternehmen tätig geworden sei.

Der ausschließlichen Ausrichtung der Tätigkeit der Klägerin auf [X.] entspricht ihre finanzielle Abhängigkeit von dieser Organisation. Der größte Teil der Zahlungseingänge, die die Klägerin im [X.]raum von Juli 2005 bis zum Frühsommer 2007 auf ihrem [X.] verzeichnen konnte (1.538.516 € von 1.590.936 €), stammten ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Nachweise von [X.] oder - dieser Vereinigung zuzurechnen - von deren Holdinggesellschaft M. Die von dritter Seite vorgenommenen Zahlungen in Höhe von 52.420 € hatten ihren Grund zum größten Teil nicht in von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen. Allein die von ihr in dem in Rede stehenden [X.]raum vereinnahmten Steuererstattungen beliefen sich auf gut 32.500 €.

Entgegen dem Einwand der Klägerin lässt sich ihr Verhältnis zu [X.] nicht mit einer auch sonst im [X.] anzutreffenden einseitigen Ausrichtung eines Unternehmens auf einen einzelnen Geschäftspartner vergleichen. So ist die Tätigkeit der Klägerin für [X.] nicht durch die Inanspruchnahme einer anderen Produktionsfirma, sondern nur durch eigene Produktionen substituierbar; das ergibt sich aus dem Umstand, dass die Sendereihe [X.], nachdem sie seit August 2007 nicht mehr durch die Klägerin produziert wird, in unveränderter Form in den eigenen Studios von [X.] in [X.] hergestellt wird. Auch sieht sich [X.], anders als dies von einem der Klägerin nur durch eine geschäftliche Beziehung verbundenen Partner zu erwarten wäre, in einer besonderen Verantwortung für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin. Diese Finanzierungsverantwortung nimmt der Sender unabhängig von konkreten Rechnungstellungen der Klägerin wahr, und die Klägerin fordert sie in entsprechender Weise ein. In diesem Sinne bat der Geschäftsführer der Klägerin in Telefongesprächen, die das [X.] in der [X.] von August 2007 bis Januar 2008 aufzeichnete, den Vorstandsvorsitzenden von [X.] und M. wiederholt um erhebliche Geldbeträge. Dabei verlieh einerseits der Geschäftsführer der Klägerin seinen Zahlungsgesuchen regelmäßig nicht den Charakter von Mahnungen wegen offenstehender Rechnungen, sondern begründete diese allein mit der Finanznot der Klägerin, insbesondere ihrer Unfähigkeit, fällige Gehaltsansprüche ihrer Mitarbeiter zu erfüllen. Andererseits stellte der Vorstandsvorsitzende von [X.] den von der Klägerin erhobenen Förderungsanspruch der Sache nach nicht in Frage. [X.] er allerdings die erbetenen Zahlungen im Einzelfall ab, fügte der Geschäftsführer der Klägerin sich dieser Entscheidung, ohne seinerseits mit Konsequenzen - etwa der Einstellung der Tätigkeit für den Sender - zu drohen.

Darüber hinaus ergeben sich aus mehreren aufgezeichneten Telefongesprächen Verknüpfungen zwischen der Klägerin und [X.] auch in personeller Hinsicht und im Rahmen der praktischen Arbeit, die eine sinnvolle Erklärung nur in der wechselseitigen Annahme der Identität dieser Organisationen finden. So belegen zwei aufgezeichnete Telefongespräche aus [X.] 2007, dass nach Art einer formlosen Umsetzung ein Mitarbeiter von [X.] zu der Klägerin und eine Mitarbeiterin von der Klägerin zu [X.] wechselten. Weiter nutzte die Klägerin bis Mai 2008 unentgeltlich eine große Anzahl fernsehtechnischer Geräte, die im Eigentum der [X.] Niederlassung von [X.] standen. Im Zuge einer im September 2007 durchgeführten Verlagerung von Produktionen nach [X.] übergab sie nicht mehr benötigte Dekorationen dorthin und informierte einen anrufenden Künstler über die Umstrukturierung mit dem Hinweis, man werde seinen Namen und seine Kontaktdaten weiterleiten. Ende Oktober 2007 wandte sich die Niederlassung von [X.] in [X.] mit der Bitte um Einholung einer Drehgenehmigung für eine in [X.] geplante Außenübertragung an den Geschäftsführer der Klägerin. Diesen tatsächlichen Verhältnissen entsprechend ließen in mehreren Telefongesprächen von Ende 2007 und Anfang 2008 Verantwortliche und Mitarbeiter der Klägerin ihre organisatorische Verbundenheit mit [X.] erkennen.

Nach alledem erweist sich bei zusammenfassender Bewertung die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei eine Teilorganisation von [X.], sowohl auf Grund der Eigenart als auch der Vielzahl der sie stützenden Indizien als berechtigt.

cc) Die in der Verbotsverfügung mit Bezug auf die Klägerin getroffenen weiteren Entscheidungen (Kennzeichenverbot, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2, § 8 Abs. 1 sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen knüpfen an das Vereinsverbot an.

Meta

6 A 5/08

24.02.2010

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

§ 28 Abs 1 VwVfG, § 28 Abs 2 Nr 1 VwVfG, § 161 Abs 2 VwGO, § 3 Abs 3 S 1 VereinsG, § 3 Abs 3 S 2 VereinsG, § 17 Nr 1 VereinsG, § 17 Nr 2 VereinsG, § 17 Nr 3 VereinsG, § 18 S 2 VereinsG, § 20 Abs 1 VereinsG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.02.2010, Az. 6 A 5/08 (REWIS RS 2010, 9057)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9057

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