Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2005, Az. 5 StR 342/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 2822

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5 StR 342/04
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 30. Juni 2005 in der Strafsache gegen

wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 30. Juni 2005 beschlossen:
Dem [X.] werden nach Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] i.V.m. § 1 Abs. 2 des [X.] EuGH-Gesetzes folgende Fragen in bezug auf die Auslegung des Art. 54 des am 19. Juni 1990 in [X.] unterzeichneten Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von [X.] vom 14. Juni 1985 zwi-schen den Regierungen der [X.] der [X.], der [X.] und der [X.] betreffend den schrittweisen A[X.]au
der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen ([X.] 2000,

L 239, [X.]) [X.] nachfolgend: [X.] [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Bezieht sich die strafrechtliche Verfolgung auf —dieselbe Tatfi im Sinne von Art. 54 [X.], wenn ein Angeklagter wegen der Einfuhr geschmuggelten ausländischen Ta-baks nach [X.] und des dortigen Besitzes sowie wegen des Unterlassens der Zahlung der Grenzabgabe für den Tabak bei der Einfuhr durch ein [X.] Gericht ver-urteilt worden ist und danach durch ein [X.] Gericht im Hinblick auf die zeitlich zuvor erfolgte Übernahme der nämlichen Ware in [X.] wegen Hehlerei an den (formal) [X.] Einfuhrabgaben, welche bei der zu-vor von Dritten bewirkten Einfuhr entstanden sind, verur-teilt wird, sofern der Angeklagte von Anfang an vorhatte, die Ware nach Übernahme in [X.] über [X.] nach [X.] zu transportieren? - 3 - 2. Ist eine Sanktion im Sinne von Art. 54 [X.] —bereits voll-strecktfi oder wird eine Sanktion —gerade [X.], a) wenn der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe verur-teilt wurde, deren Vollstreckung nach dem Recht des [X.] zur Bewährung ausgesetzt worden ist;
b) wenn der Angeklagte kurzfristig in Polizei- und/oder
Untersuchungshaft genommen worden ist und dieser Freiheitsentzug nach dem Recht des [X.] auf eine spätere Vollstreckung der Haftstrafe [X.] wäre?

3. Beeinflußt es die Auslegung des Begriffs der Vollstre-ckung im Sinne des Art. 54 [X.], a) daß es der (Erst-)Urteilsst[X.]t mit der innerst[X.]tlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den [X.] Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedst[X.]ten ([X.] [X.] v. 18. Juli 2002) in der Hand hat, sein nach innerst[X.]tlichem Recht rechtskräftiges Urteil je-derzeit einer Vollstreckung zuzuführen; b) daß einem Rechtshilfeersuchen des [X.] zur Auslieferung des Verurteilten oder zur Vollstreckung des Urteils im Inland deshalb nicht ohne weiteres Fol-ge zu leisten wäre, weil das Urteil in Abwesenheit er-ging?

- 4 - G r ü n d e
I. Das [X.] hatte den Angeklagten [X.]

wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Fah-ren ohne Fahrerlaubnis, davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Steu-erhinterziehung und in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit [X.] und [X.] tatmehrheitlich [X.] wegen Hehlerei, Steuerhinterziehung und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 99 Fällen unter Einbeziehung der Ein-zelstrafen aus dem Urteil des [X.] vom 26. Janu-ar 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
1. Nach den Feststellungen des [X.] beförderte der Angeklagte [X.] im Auftrag anderweitig verfolgter Hinterleute [X.] von Dritten nach [X.] eingeschmuggelte Zigaretten per Lkw von [X.] über [X.] mit Ziel [X.]. Die Zigaretten waren dabei unter Tarn-ladungen verborgen, ohne daß die Ware zuvor, zu diesem Zeitpunkt oder später einer zollrechtlichen Behandlung zugeführt wurde. Das [X.] hat seinen Schuldfeststellungen jeweils die Hehlerei an den bei der illegalen Einfuhr nach [X.] dort entstandenen Einfuhrabgaben (strafbar nach § 374 der [X.] Abgabenordnung [[X.]]) sowie [X.] in den Fällen, in denen es zu einer späteren Einfuhr nach [X.] kam [X.] die Steuerhinterzie-hung (strafbar nach § 370 Abs. 1 [X.]) bezüglich der bei der illegalen Einfuhr nach [X.] entstandenen [X.] Tabaksteuer zugrunde gelegt. Daneben verdieselte der Angeklagte 17.000 l Heizöl, erwarb eine gestohlene Lkw-Zugmaschine und fuhr in 99 Fällen mit seinem Lkw Touren durch [X.], ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.

2. Aus dem [X.] hat der Senat mit Beschluß vom 22. Ju-li 2004 (5 [X.]) das vorliegende Verfahren abgetrennt und gemäß § 154a Abs. 1 und Abs. 2 der [X.] Strafprozeßordnung (StPO) auf die - 5 - zwei Vorwürfe der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in Tateinheit mit Kenn-zeichenmißbrauch beschränkt. Das übrige von der Abtrennung nicht betrof-fene Verfahren ist nach einer Umstellung und Beschränkung des Schuld-spruchs und einer Aufhebung im Gesamtstrafausspruch durch den Senat mit Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten durch das [X.] nunmehr durch Beschluß des Senats vom 16. Juni 2005 (5 [X.]) rechtskräftig abgeschlossen.
a) Dem vorliegenden Verfahren liegt nach den Feststellungen des [X.] und der vom Senat im Wege der Rechtshilfe, na-mentlich über [X.], weiter eingeholten Erkenntnisse folgender Sachver-halt zugrunde:
[X.]) Einige Tage vor dem 3. Mai 1999 übernahm der Angeklagte in [X.], [X.], 34.500 Stangen geschmuggelte Zigaretten der [X.], welche er auf einem Lkw mit Anhänger mit den nicht für diese Fahrzeuge ausgegebenen Kennzeichen MN [X.] ET 979 und R [X.] M 3547 transportierte. Als Tarnladung wurden Kirschen verwendet. Dieser Transport wurde am 3. Mai 1999 von Beamten der [X.] [X.] in der Nähe von [X.] aufgegriffen. Der Angeklagte befand sich kurze Zeit in [X.] Polizei- und/oder Untersuchungshaft.
Dieses Geschehen zog eine Anklage vor dem Tribunale di [X.] nach sich, welches den Angeklagten [X.] in Abwesenheit [X.] mit Ur-teil vom 22. März 2000 aber aus subjektiven Gründen [X.]. Auf die Be-rufung der St[X.]tsanwaltschaft hob die [X.] mit Urteil vom 22. Februar 2001 den Freispruch auf und verurteilte den Angeklagten [X.] wiederum in Abwesenheit [X.] —wegen der beiden ihm angelasteten Straftaten ... zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten bei doppeltem gesetzlichen Vorteil ...fi. Aus einem Vermerk der [X.] vom 18. Juni 2002 ergibt sich, daß die [X.] dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde (—... [X.] - 6 - [X.] non menzionefi). Den dortigen Schuldfeststellungen liegen eine Straftat der Einfuhr und des Besitzes von 6.900 kg geschmuggelten ausländischen Ta-baks nach dem Gesetz vom 18. Januar 1994, Nr. 50, und eine Straftat der Unterlassung der Zahlung der Grenzabgabe für denselben Tabak nach der Verordnung des Präsidenten der [X.] vom 23. Januar 1973, Nr. 43, zugrunde. Welche Einfuhrabgaben genau von dem Urteil erfaßt sind, insbe-sondere ob etwa auch eine Zollhinterziehung ausgeurteilt wurde, hat der [X.] trotz mehrfacher Klärungsversuche nicht sicher ermitteln können. Das Urteil ist nach [X.] Recht spätestens seit dem 8. März 2001 rechts-kräftig.
In Kenntnis dieser [X.] Entscheidung verurteilte das [X.] den Angeklagten zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Seinen Schuldfeststellungen hat das [X.] dabei die Hehlerei an den bei der illegalen Einfuhr nach [X.] dort entstan-denen Einfuhrabgaben (Zoll-Euro, [X.] [X.] und grie-chische Tabaksteuer) in Höhe von rund • 680.000,00 zugrunde gelegt. [X.]) Einige Tage vor dem 12. April 2000 übernahm der Angeklagte in [X.], [X.], 14.927 Stangen geschmuggelte Zigaretten der Marke [X.], welche er auf einem Lkw mit Anhänger mit den nicht für diese Fahrzeuge ausgegebenen Kennzeichen [X.] [X.] und DAL [X.] KM 41 transportierte. Als Tarnladung wurden Kartoffelchips verwendet. Bei diesem Transport wurde der Angeklagte am 13. April 2000 von der [X.] in [X.] festgenommen. Wiederum befand sich der Angeklagte kurze Zeit in [X.] Polizei- und/oder Untersuchungshaft.
Wegen dieses Geschehens verurteilte der Tribunale di [X.] den Angeklagten mit Urteil vom 25. Januar 2001 [X.] erneut in Abwesenheit und unter Bezugnahme auf dieselben Rechtsvorschriften des [X.] Rechts [X.] zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (ohne Strafaussetzung zur Bewährung). Welche Einfuhrabgaben genau von diesem Urteil erfaßt sind, - 7 - insbesondere ob etwa auch eine Zollhinterziehung ausgeurteilt wurde, hat der Senat trotz mehrfacher Klärungsversuche auch hier nicht sicher ermitteln können. Dieses Urteil ist nach [X.] Recht seit dem 16. Oktober 2001 rechtskräftig.
Ebenfalls in Kenntnis dieser [X.] Entscheidung verurteilte das [X.] den Angeklagten zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr. Seinen Schuldfeststellungen hat das [X.] dabei die [X.] an den bei der illegalen Einfuhr nach [X.] dort entstandenen Einfuhrabgaben (Zoll-Euro, [X.] [X.] und [X.] Tabaksteuer) in Höhe von rund • 295.000,00 zugrunde gelegt.

b) Das [X.] hat ein Verfahrenshindernis nach Art. 54 [X.] mit Blick auf die beiden Verurteilungen in [X.] trotz der Tatsache, daß es sich jeweils um denselben Zigarettentransport gehandelt hat, abgelehnt und dazu ausgeführt, daß die in [X.] verhängten Strafen noch nicht voll-streckt seien.
II. Im Rahmen des noch anhängigen Revisionsverfahrens ist zu prüfen, ob sich [X.] entgegen der Auffassung des [X.] [X.] aus den Verurteilungen in [X.] Verfahrenshindernisse, namentlich ein Strafklage-verbrauch gemäß Art. 54 [X.], im Hinblick auf das [X.] Strafverfahren ergeben könnten, die hier eine Einstellung des Verfahrens gebieten würden.
Dazu hält der Senat, der nach § 1 Abs. 2 des [X.] EuGH-Gesetzes als letztinstanzliches Gericht in Zweifelsfragen zur Vorlage nach Art. 35 [X.] verpflichtet ist, die Beantwortung der Vorlagefragen für [X.]. Er legt diese deshalb dem [X.] der [X.] Gemeinschaf-ten (nachfolgend: [X.]) vor. - 8 - Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Der [X.] hat sich in seinem Urteil vom 11. Februar 2003 in den verbundenen Rechtssachen [X.]/01 ([X.]) und [X.]/01 ([X.]) zwar zum Begriff der —strafrechtlichen Aburteilungfi in Art. 54 [X.] geäußert, eine ausdrückliche Entscheidung des [X.]s zum Begriff —derselben Tatfi im Sinne von Art. 54 [X.] liegt [X.] soweit für den Senat ersichtlich [X.] je-doch noch nicht vor.
Allerdings ergibt sich aus den [X.]n des Generalanwalts [X.] in jener Rechtssache, daß er für einen Strafklage-verbrauch im Sinne von Art. 54 [X.] eine Identität in drei Punkten für erforderlich hält. Hiernach müßten derselbe Sachverhalt, ein einziger Täter und ein einziges geschütztes Rechtsgut vorliegen. Damit orientiert sich der Generalanwalt ersichtlich an der Rechtsprechung des [X.]s und des Gerichts Erster Instanz zur Gemeinsamen Agrarpolitik (vgl. z.B. nur Urteil des [X.]s vom 18. November 1987 in der Rechtssache 137/85 [[X.]/[X.]]) und zum Kartellrecht (vgl. z.B. nur Urteil des Gerichts Erster Instanz vom 29. April 2004 in der Rechtssache [X.]/01 [[X.]/Kommission]).
Zwingend erscheint diese Auslegung indes nicht. Die [X.] Fassung (—les mêmes faitsfi), die [X.] Fassung (—dieselbe Tatfi) und die [X.] Fassung (—same actsfi) des Art. 54 [X.] scheinen auf eine Interpre-tation im Sinne eines historischen Vorgangs (—idem factumfi) hinzudeuten. Denkbar erscheint freilich auch eine am strafrechtlichen Tatbestand orientier-te Auslegung (im Sinne eines —idem crimenfi). Ein solch streng formeller [X.] dürfte indes, namentlich mit Blick auf die sehr unterschiedliche Aus-gestaltung der Straftatbestände in den Mitgliedst[X.]ten, zu einer zu engen Interpretation führen, welche in ihrer Konsequenz mit der von Art. 54 [X.] geschützten Freizügigkeit kaum zu vereinbaren wäre (vgl. insoweit auch die - 9 - [X.] des Generalanwalts [X.] in den verbunde-nen Rechtssachen [X.]/01 [[X.]] und [X.]/01 [[X.]], Rdn. 44 ff.).
Auch bei einer materiellen Interpretation des Tatbegriffs in Art. 54 [X.] eröffnen sich indes Auslegungsunklarheiten, die der dem [X.] zugrundeliegende Sachverhalt anschaulich verdeutlicht: Das [X.] hat seinen Schuldfeststellungen die Übernahme der geschmuggel-ten Zigaretten in [X.] [X.] und damit die Hehlerei an den bei der [X.] nach [X.] entstandenen Einfuhrabgaben [X.] zugrundegelegt, während die Gerichte in [X.] und [X.] auf den [X.] nach [X.] abgestellt haben. Bei natürlicher Betrachtungsweise könnte eine durchgehende [X.] von [X.] über [X.] einen historischen Vorgang darstellen, der für eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 [X.] spricht. Dem [X.] Strafvorwurf liegt indes die körperliche Übernahme geschmuggelter, mit hohen Abgaben belasteter Zigaretten zugrunde, wäh-rend der [X.] Schuldvorwurf die Nichtgestellung oder Nichtanmeldung der verborgenen Zigaretten und/oder die Nichtbezahlung der bei der Einfuhr nach [X.] entstandenen Einfuhrabgaben zum Gegenstand hat.
Danach betreffen die jeweiligen Strafverfahren wohl unterschiedliche geschützte Rechtsgüter, nämlich einerseits die Verhinderung der Vertiefung des durch die Zigarettenschmuggler entweder nach Art. 202 Abs. 1 oder Art. 203 Abs. 1 Zollkodex verursachten (formell [X.]) Steuerscha-dens durch den Hehler und andererseits die Einhaltung der steuerrechtlichen Erklärungs- und Gestellungspflichten bei der Einfuhr nach [X.]. Indes ist zu bedenken, daß hinsichtlich des Zolls in [X.] stets dieselbe und der Höhe nach identische Abgabenart und hinsichtlich der [X.] und der nationalen Verbrauchsteuer jedenfalls teilharmonisierte Abgaben betrof-fen sind, die letztlich zum Teil (Zoll und [X.]anteil) dem [X.] zufließen. Darüber hinaus können jedenfalls der Zoll und die [X.] auch nur bei der erstmaligen Einfuhr in das Zollgebiet entstehen, weil für eine erneute Zollschuldentstehung nach - 10 - Art. 202 Abs. 1 oder Art. 203 Abs. 1 Zollkodex nach der erstmaligen Entste-hung bei der Einfuhr nach [X.] grundsätzlich kein Raum mehr ist (vgl. Urteil des [X.]s vom 20. September 1988 in der Rechtssache 252/87 [Kiwall] und Urteil des [X.]s vom 11. Juli 2002 in der [X.] [[X.]]).
Letztlich schützen sowohl die Normen des [X.] Steuerstraf-rechts als auch die angewendeten Normen des [X.] Rechts bei wei-tergehender Betrachtungsweise das Steueraufkommen der Mitgliedst[X.]ten und das der [X.]. Dies wiederum könnte für eine extensive Auslegung des Tatbegriffs sprechen und zeigt zugleich auf, welche Interdependenzen zwi-schen den [X.] —derselbe Sachverhaltfi und —ein einziges geschütztes Rechtsgutfi bestehen. Letztlich stellt sich die Frage, ob ein Schmuggler auf seiner Fahrt von [X.] nach Nordeuropa in jedem passierten Mitgliedst[X.]t wegen der bei jedem Grenzübertritt jeweils verwirk-lichten Steuerstraftat in unterschiedlichen Strafverfahren bestraft werden kann und die jeweils verhängten Strafen gegebenenfalls kumulativ zu [X.] hat oder ob die Aburteilung (nur) eines Teils dieser einheitlichen Schmuggelfahrt in einem Mitgliedst[X.]t zu einem gesamteuropäischen Straf-klageverbrauch führen kann. Die Frage spitzt sich zu, wenn es etwa in meh-reren Mitgliedst[X.]ten zu einer Verurteilung wegen vollendeter Zollhinterzie-hung kommen könnte, obwohl der [X.] grund-sätzlich [X.] erfüllt sein kann.
2. Für den Fall, daß der [X.] im letzteren Sinne erkennt, stellen sich sodann weitere Fragen, welche die Auslegung des Begriffs der —[X.]fi im Sinne des Art. 54 [X.] betreffen.
a) Im Hinblick auf die Verurteilung in [X.] ist zu fragen, ob die nach [X.] Recht zur Bewährung ausgesetzte Vollstreckung der ge-gen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe bereits einen Strafklage-verbrauch auslöst. - 11 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat mit Urteil vom 3. No-vember 2000 (BGHSt 46, 187) bezüglich einer Vorverurteilung aus den [X.] entschieden, daß auch eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, Strafklageverbrauch auslöse. Dies hat der [X.] vor allem damit begründet, daß bei einer Bewährungsstrafe bis zum Erlaß der Strafe ein Widerruf der [X.] und damit eine tatsächliche Vollstreckung der Strafe in Betracht komme. Deshalb liege in der Bewährungsaufsicht durch das zuständige Gericht zugleich eine —[X.] im Sinne von Art. 54 [X.]. Der Senat teilt grundsätzlich die Auffassung des 2. Strafsenats, hält die Beantwortung der Frage indes nicht für so zweifelsfrei, daß sie unter dem Gesichtspunkt der —acte [X.] bei der nunmehr gegebenen Möglichkeit der Vorlage nach Art. 35 [X.] dem [X.] nicht unterbreitet werden sollte.
b) Hinsichtlich beider Verurteilungen in [X.] stellt sich im [X.] mit dem Begriff der —[X.] im Sinne von Art. 54 [X.] fer-ner folgende Frage: Nach den über [X.] vermittelten Erkenntnissen des Senats ist eine von dem Angeklagten bei seiner Ergreifung oder später erlit-tene [X.] Polizei- und/oder Untersuchungshaft auf die Vollstreckung einer später in [X.] verhängten Freiheitsstrafe anzurechnen. Eine korres-pondierende Vorschrift hierzu findet sich in § 51 Abs. 1 des [X.] Straf-gesetzbuchs (StGB). Nach § 51 Abs. 3 StGB ist auch eine im Ausland [X.] Freiheitsentziehung auf die Vollstreckung der [X.] Strafe anzurech-nen.
Diese Anrechnungsvorschriften führen im Ergebnis zu einer vorweg-genommenen —Teilvollstreckungfi der später verhängten Freiheitsstrafe. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob der Begriff der —[X.] in Art. 54 [X.] auch eine durch eine Anrechnungsvorschrift bewirkte Teilvollstreckung mitumfaßt, ob bereits eine ganz kurzfristige Teilvollstreckung genügt oder wieweit eine solche Teilvollstreckung gegebenenfalls erfolgt sein muß, um dieses Tatbestandselement des Art. 54 [X.] zu erfüllen. - 12 - Daß jedenfalls eine vollständige Verbüßung der verhängten [X.] nicht erforderlich sein kann, ist offenkundig. So wie das [X.] Straf-recht in § 57 StGB eine Aussetzung der Reststrafenvollstreckung als Regel-fall kennt, existieren auch in anderen Mitgliedst[X.]ten Rechtsvorschriften, welche zu einer Beendigung der Vollstreckung vor Ablauf der vollständigen Verbüßungsdauer führen (vgl. beispielhaft nur § 46 des [X.] Strafgesetzbuchs). Es erscheint dem Senat zwingend, daß eine solche —Teil-vollstreckungfi im Regelfall und unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 54 [X.] zum gesamteuropäischen Strafklageverbrauch führen müßte. Soweit es nach einer Teilvollstreckung zum Erlaß der Reststrafe kommt, greift allerdings bereits Art. 54 [X.], 3. Variante ein, da die Strafe dann nach dem Recht des [X.] nicht mehr vollstreckt werden kann.
3. Schließlich stellt sich bei der Prüfung eines etwaigen Strafklage-verbrauchs durch die Verurteilungen in [X.] die Frage, ob und [X.] welche Auswirkungen die Normen des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den [X.] Haftbefehl und die Übergabever-fahren zwischen den Mitgliedst[X.]ten (nachfolgend: [X.]) auf die Ausle-gung des Art. 54 [X.] haben.
a) Mit der Umsetzung des [X.] in das nationale Recht der Mit-gliedst[X.]ten hat die innergemeinschaftliche Rechtshilfe eine neue, deutlich vereinfachte Grundlage erhalten. Grundsätzlich ist die Vollstreckung eines ausländischen Strafurteils für den ersuchten St[X.]t nunmehr verpflichtend ausgestaltet, wobei die Rechtshilfe entweder durch Vollstreckung im ersuch-ten St[X.]t oder durch Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung im Urteils-st[X.]t zu gewähren ist. Dem ersuchten St[X.]t sind im Regelfall keine [X.] eröffnet, die Rechtshilfe zu versagen. Dementsprechend hat es der ersuchende Urteilsst[X.]t weitestgehend allein in der Hand, die Durchsetzung seines Vollstreckungstitels zu bewirken. Dies läßt es als nicht völlig ausge-schlossen erscheinen, daß bereits die Existenz eines rechtskräftigen Strafur-teils wegen der nunmehr latenten Gefahr einer jederzeitigen Vollstreckung in - 13 - jedem Mitgliedst[X.]t zu einem gesamteuropäischen Strafklageverbrauch über den strengen Wortlaut des Art. 54 [X.] hinaus führen könnte. Ob es von [X.] ist, daß es vorliegend [X.] soweit für den Senat erkennbar [X.] nicht zu Be-mühungen des [X.] zur Vollstreckung der Entscheidung des [X.] in [X.] gekommen ist, erscheint höchst zweifelhaft.

b) In diesem Zusammenhang könnte indes die Tatsache, daß beide [X.] Verurteilungen in Abwesenheit des Angeklagten ergingen, von Bedeutung sein.
Nach Art. 5 Nr. 1 des [X.] (umgesetzt durch § 83 Nr. 3 des deut-schen IRG) kann für den Fall, daß der Verurteilte nicht persönlich vorgeladen oder nicht auf andere Weise vom Termin und vom Ort der Verhandlung, die zum Abwesenheitsurteil geführt hat, unterrichtet worden war, die Stattgabe eines Auslieferungsersuchens zum Zwecke der Vollstreckung eines in Abwe-senheit ergangenen Urteils vom ersuchten St[X.]t davon abhängig gemacht werden, daß dem Verurteilten im ersuchenden St[X.]t ein —neuesfi Gerichtsver-fahren garantiert wird. Diese über die bloße Wiederaufnahme eines rechts-kräftig abgeschlossenen Strafverfahrens wohl hinausgehende Möglichkeit könnte bereits die Qualifizierung der [X.] Verurteilungen als —rechts-kräftige Aburteilungfi im Sinne von Art. 54 [X.] in Frage stellen, wenn für den Begriff der Rechtskraft nicht allein auf die innerst[X.]tlichen Bestimmungen abzustellen wäre. Ansonsten bestünde die Gefahr, daß Taten, die mehrere Mitgliedst[X.]ten betreffen und die auch gegen die finanziellen Interessen der [X.] gerichtet sind (vgl. Art. 280 Abs. 1 [X.]), faktisch ungesühnt bleiben könnten, wenn einem mitgliedst[X.]tlichen Abwesenheitsurteil eine den Straf-klageverbrauch auslösende Wirkung zukäme, dieses Abwesenheitsurteil aber [X.] wie vorliegend jedenfalls im Fall der Verurteilung in [X.] [X.] dauer-haft nicht vollstreckt wird und der Urteilsst[X.]t keine für den Senat erkennba-- 14 - ren Bemühungen unternimmt, eine ohnehin nur unter erschwerten Bedin-gungen mögliche Vollstreckung seines Urteils herbeizuführen.

[X.] Basdorf Raum Brause Sch[X.]l

Meta

5 StR 342/04

30.06.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2005, Az. 5 StR 342/04 (REWIS RS 2005, 2822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2822

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