Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2001, Az. AnwSt (R) 15/00

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2001, 3575

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESU[X.]TEIL[X.]([X.]) 15/00vom12. Februar 2001in dem anwaltsgerichtlichen Verfahrengegen - 2 -Der [X.], [X.], hat in der Sitzung vom12. Februar 2001, an der teilgenommen haben:Präsident des [X.]esProf. Dr. Hirsch als Vorsitzender,die [X.] am [X.]Dr. [X.],[X.],die [X.]in am [X.]Dr. [X.] [X.]. [X.],[X.]echtsanwältinDr. Christianund [X.]echtsanwaltDr. [X.]als beisitzende [X.],[X.] als Vertreter der [X.]schaft,[X.]echtsanwalt als Verteidiger,[X.]als Urkundsbeamter der Geschäftsstellefür [X.]echt erkannt:- 3 -Auf die [X.]evision des [X.]echtsanwalts wird das Urteil des Sächsi-schen [X.] vom 30. Juni 2000 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]echtsmittels, aneinen anderen Senat des [X.] zurückverwiesen.Die weitergehende [X.]evision wird verworfen.Von [X.]echts wegenGründe:Das Anwaltsgericht hat den [X.]echtsanwalt mit Urteil vom 26. Juni 1998und mit Urteil vom 30. Juni 1999 jeweils eines Verstoßes gegen die [X.] für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldbußevon 50.000,-- DM bzw. ein Vertretungsverbot für das Gebiet des Strafrechtsfür drei Jahre verhängt. Gegen diese Urteile hat die Staatsanwaltschaft Be-rufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung auf [X.] beschränkt. Der [X.] hat die [X.] verbunden und den [X.]echtsanwalt aus der [X.]. Dagegen wendet sich die [X.]evision des [X.]echtsanwalts [X.] und der [X.] 4 -Das [X.]echtsmittel erweist sich zum Schuldspruch als unbegründet [X.] von § 349 Abs. 2 StPO, hat aber zum [X.]echtsfolgenausspruch Erfolg.1. Nach den Urteilsfeststellungen hat sich der [X.] trotzder [X.]echtsmittelbeschränkung auf den [X.]echtsfolgenausspruch für befugt ge-halten, den Schuldspruch der anwaltsgerichtlichen Urteile nachzuprüfen. [X.] hat seiner Entscheidung nicht die anwaltsgerichtlichen Feststellungen [X.] vom 26. Juni 1998 und 30. Juni 1999 als bindend gemäß § 327 StPO,sondern die nach § 118 Abs. 3 [X.] als bindend erachteten Schuldfeststel-lungen der in den Strafverfahren gegen den [X.]echtsanwalt ergangenen [X.] [X.] vom 9. Dezember 1993, 12. Juli 1996 und16. Oktober 1998 zugrundegelegt ([X.]). Diese Auffassung, die der [X.] Amts wegen nachzuprüfen hat, ist zutreffend ([X.], Beschluß vom3. Oktober 1983 - [X.]([X.]) 3/83 = B[X.]AK-Mitt. 1984, 37).Auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren kann zwar eine Berufung aufden [X.]echtsfolgenausspruch beschränkt werden mit der Folge, daß die Fest-stellungen des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch, auch wenn sie gegen§ 118 Abs. 3 [X.] verstoßen, für das [X.]echtsmittelgericht bindend sind. [X.] ist aber unwirksam, wenn die Feststellungen des er-stinstanzlichen Urteils zum Schuldspruch so lückenhaft sind, daß sie keinetaugliche Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts bilden. [X.] zur Folge, daß das Berufungsgericht eigene Schuldfeststellungen zu [X.]. So lag der Fall hier. Die Feststellungen des anwaltsgerichtlichen Urteilsvom 26. Juni 1998 lassen schon die dem [X.]echtsanwalt vorgeworfenen Straf-taten nicht ausreichend [X.] 5 -2. Der [X.] hat danach, wie ausgeführt, zulässig eigeneFeststellungen getroffen. Es kann dahinstehen, ob ein Hinweis auf die [X.] der Berufungsbeschränkung erteilt worden ist. Eine entsprechende[X.]üge ist nicht erhoben worden. Im übrigen kann ausgeschlossen werden, daßder [X.]echtsanwalt sich bei Erteilung eines solchen Hinweises anders als [X.] gegen den Schuldspruch hätte verteidigen können.Auf die Verfahrensrügen kommt es, soweit sie Widersprüche und Abwei-chungen zwischen den anwaltsgerichtlichen Urteilen und den [X.] [X.] rügen, deshalb nicht an. Soweit die [X.]evision mit [X.] einen Verstoß gegen die Bindungswirkung des § 118 Abs. 3[X.] rügt, weil der [X.] bei der Wiedergabe des als bindenderachteten Strafurteils - insoweit abweichend vom Strafurteil - davon [X.] sei, daß die Zeugin B. in A n w e s e n h e i t des [X.]echtsan-walts ihre Falschaussage abgegeben habe, kann dahinstehen, ob die [X.]üge,die den nur zeitweiligen, nach § 247 StPO erfolgten Ausschluß des [X.]echtsan-walts von der Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht vorträgt, zulässig [X.] ist. Jedenfalls kann ausgeschlossen werden, daß der [X.]echtsfolgenaus-spruch von dieser Abweichung von den bindenden Feststellungen beeinflußtist. Der [X.] hat lediglich die dem [X.]echtsanwalt "im [X.]ahmen"der fortgesetzten Hauptverhandlung vermittelte Kenntnis von der vorangegan-genen Verhaftung der Zeugin berücksichtigt. Schließlich greift auch die von der[X.]evision erhobene [X.] nicht durch. Der [X.] hatsich zur Motivation der Falschaussage des [X.]echtsanwalts auf dessen eigeneAngaben in der Hauptverhandlung vor dem [X.] gestützt. [X.] der Strafakten im Verfahren gegen den Angeklagten [X.]. drängte sich danach nicht auf.- 6 -3. Demgegenüber ist der [X.]echtsfolgenausspruch auf die Sachrüge auf-zuheben.Die Ausschließung aus der Anwaltschaft ist die schwerste anwaltsge-richtliche Maßnahme. Sie kommt nach Art 12 Abs. 1 GG nur in Betracht, wennsie als Ahndung schwerer Pflichtverletzungen zum Schutze eines überragendwichtigen Gemeinschaftsguts, nämlich der Interessen der Allgemeinheit an [X.] funktionstüchtigen [X.]echtspflege und der Wahrung des Vertrauens der[X.]echtsuchenden in die Integrität des [X.] geeignet und erforderlichist und wenn eine Gesamtabwägung ergibt, daß mildere Maßnahmen nach §114 Abs. 1 Nr.1-4 [X.] nicht ausreichen. Zur Vermeidung unverhältnismäßi-ger Eingriffe in die Berufsfreiheit hat der Tatrichter eine Gesamtwürdigung vonTat, Persönlichkeit und Gesamtverhalten anzustellen. Sie muß zur [X.]echtferti-gung einer Ausschließung zu der Prognose führen, daß der Betroffene als[X.]echtsanwalt untragbar ist, weil von ihm eine Gefährdung der [X.]echtspflegeausgeht ([X.] vom 27. Mai 1991 [X.] [X.]([X.]) 3/91 = B[X.]AK-Mitt.1991, [X.] hat der [X.] nicht verkannt. Insbesondere hat ernicht unbeachtet gelassen, daß das Fehlverhalten des [X.]echtsanwalts [X.] dem beruflichen Bereich zuzuordnen ist. Ausgehend von den [X.], die der [X.]echtspflege aber gerade durch [X.]e drohen, hat erim [X.]ahmen der Gesamtwürdigung zu [X.]echt berücksichtigt, daß der [X.]echtsan-walt zweimal [X.] ohne äußeren Zusammenhang [X.] wegen eines [X.] worden ist und daß das zweite [X.] nur kurz nach der er-sten Verurteilung wegen Anstiftung zur Falschaussage begangen wurde. Er hatferner in die Abwägung einbezogen, daß es sich nicht um spontane Taten ge-- 7 -handelt habe, sondern der [X.]echtsanwalt im ersten Fall die Falschaussage dervon ihm angestifteten Zeugin bewußt in seine Verteidigungslinie eingebaut unddabei auf eine junge, unerfahrene und unsichere Frau unter Inkaufnahme ihrerstrafrechtlichen Verwicklung eingewirkt habe, obwohl er sogar von deren [X.] im [X.]ahmen der fortgesetzten Hauptverhandlung erfahren habe, unddaß er im zweiten Fall mit seiner Berufung als Nebenkläger und der dabei [X.] Falschaussage eine höhere Bestrafung und damit eine bessereAusgangsposition für einen Schmerzensgeldanspruch erreichen wollte.Auf diese [X.] gegen den [X.]echtsanwalt sprechenden [X.] Umstände hat der[X.] die von ihm verhängte Maßnahme jedoch nicht allein ge-stützt. Als m a ß g e b e n d für eine fehlende positive Zukunftsprognose hatder [X.] vielmehr darüber hinaus das Verhalten des [X.]echtsan-walts in der Hauptverhandlung angesehen, bei dem er keine Einsicht in dieVerwerflichkeit seines Tuns gezeigt habe. Diese Wertung begegnet durchgrei-fenden Bedenken.Nach ständiger [X.]echtsprechung des [X.]s darf einem [X.] im Strafverfahren nicht zum Nachteil gereichen, daß er die Tat be-streitet und infolgedessen auch keine Schuldeinsicht und [X.]eue zeigt. Dies giltauch für eine Prognoseentscheidung, wenn der Schuldspruch rechtskräftig ist.Die grundsätzlich folgenlose Hinnahme von wahrheitswidrigen [X.] Beschuldigten, wie sie im Strafverfahren anerkannt ist, ist allerdings [X.] disziplinargerichtliche Verfahren nicht unbestritten. So haben die Beam-tendisziplinarsenate (BVerwGE 46, 116) anders als die Wehrdienstsenate(BVerwGE 33, 170) des [X.] eine auch aus der [X.] -tenstellung folgende Wahrheitspflicht des Beamten angenommen, wenn [X.] nicht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht.Ob auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren generell keine negativenSchlüsse aus einem Prozeßverhalten des [X.]echtsanwalts gezogen werdendürfen, muß der Senat nicht entscheiden. Immerhin ist der [X.]echtsanwalt inAufsichts- und [X.] zur wahrheitsgemäßen Beantwortung [X.] des Vorstands verpflichtet, wenn er sich nicht auf sein Auskunftsver-weigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung beruft (§ 56 Abs. 1 [X.]).Jedenfalls dann, wenn sich die anwaltsgerichtliche Maßnahme als existenzbe-drohend für das berufliche Dasein des [X.]echtsanwalts auswirken kann - wasinsoweit oft weit gravierender ist als die strafrechtliche Ahndung -, muß derKonfliktlage des [X.]echtsanwalts [X.]echnung getragen werden und darf ihm einbloßes (wahrheitswidriges) Bestreiten nicht angelastet werden. Andernfalls wä-re der [X.]echtsanwalt einem indirekten Geständniszwang ausgesetzt, um nach-teilige Folgen aus seinem Verteidigungsverhalten zu vermeiden, wenn er [X.] überhaupt verteidigen will. Dem steht auch nicht entgegen, daß der[X.]echtsanwalt wegen Taten, die ihm als standesrechtliche Pflichtverletzungen- 9 -angelastet werden, bereits rechtskräftig im Strafverfahren verurteilt ist und [X.] des Strafurteils für das anwaltsgerichtliche Verfahren bindendsind. Dies allein rechtfertigt es nicht, sein Bestreiten als Ausdruck von [X.]echts-feindschaft und Gefährlichkeit zu deuten.[X.] Ganter Otten Salditt Christian Wosgien

Meta

AnwSt (R) 15/00

12.02.2001

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2001, Az. AnwSt (R) 15/00 (REWIS RS 2001, 3575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3575

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.