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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Kontopfändung, Pfändungsschutzkonto, Pfändungsfreigrenze, Arbeitseinkommen, Blankettbeschluss
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung, mit der die Beklagte wegen einer Überzahlung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) Kontoguthaben des Klägers bei der Sparkasse ... als Drittschuldnerin gepfändet und die Einziehung der gepfändeten Forderung angeordnet hat.
Mit Schreiben vom ... März 2012 hörte die Beklagte den Kläger gem. § 24 SGB X dazu an, dass dieser Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom ... Januar 2010 bis ... April 2010 zu Unrecht bezogen hat. Gegen diese Anhörung legte der Kläger mit Schreiben vom ... März 2012 „Widerspruch“ ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom ... März 2012 als unzulässig verworfen hat.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom ... März 2012, dem Kläger am 30. März 2012 zugestellt, hob die Beklagte früher ergangene Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ganz bzw. teilweise auf und verlangte Erstattung der überzahlten Beträge nach § 50 SGB X in Höhe von 2.480,58 €. Der Kläger legte hiergegen keinen Rechtsbehelf ein.
Mit Schreiben vom ... Juni 2013 mahnte die Beklagte die rückständige Forderung an. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beklagte wies darauf hin, dass dieser unzulässig sei.
Am ... August 2013 erstellte die Beklagte ein Ausstandsverzeichnis mit einem Gesamtbetrag der offenen Forderung gegen den Kläger in Höhe von 2.492,58 €, das für vollstreckbar erklärt worden ist.
Die Beklagte erließ am ... Oktober 2013 für öffentlich-rechtliche Forderungen in Höhe von insgesamt 2.517,22 € eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung an die Drittschuldnerin (Sparkasse ...) betreffend das Konto-Nr. ... des Klägers, mit der die gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Klägers gegen die Bank gepfändet wurden. Diese Verfügung wurde der Drittschuldnerin am ... Oktober 2013 zugestellt und dem Kläger mit Schreiben vom ... November 2013 zur Kenntnisnahme übersandt. Ausdrücklich erklärte die Beklagte hierin nur, dass Kindergeld gem. § 76 Einkommenssteuergesetz unpfändbar sei und deshalb von Seiten des Gläubigers gem. § 850k ZPO freigegeben werde.
Mit Schreiben vom ... November 2013 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München, in der er sinngemäß beantragte, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Beklagten vom ... Oktober 2013 aufzuheben, soweit mit diesem Einkommen unterhalb der gesetzlichen Pfändungsgrenze in Höhe von 1.045.- € gepfändet wird. Er werde die angebliche Schuldsumme in Höhe von 2.517,22 € nicht zahlen, da er „unschuldig vom Amtsgericht des Betruges von Sozialleistungen beschuldigt“ worden sei und kein pfändbares Einkommen unterhalb der gesetzlichen Pfändungsgrenze von 1.045.- € habe. Er verdiene monatlich 404.- € und erhalte von der Beklagten monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 100.- € für seinen Lebensunterhalt sowie 395.- € für die Miete. Da er kein pfändbares Einkommen habe, sei die Pfändung rechtswidrig.
Mit nahezu gleichlautendem Schreiben legte der Kläger auch beim Sozialgericht ... gegen die „vorsätzliche und wissentliche Pfändung“ der Beklagten „weit unterhalb der gesetzlichen Pfändungsgrenze von 1045.- €“ verschiedene Rechtsbehelfe ein (§§ 739, 766, 707, 767, 765a, 719 ZPO) und erhob Feststellungsklage. Mit Beschluss vom ... Dezember 2013 verwies das Sozialgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München (M 15 K 14.1374). Dieses Verfahren nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16. April 2015 zurück.
Der Kläger beantragte zuletzt,
die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom ... Oktober 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Da es sich bei dem gepfändeten Konto um ein Pfändungsschutzkonto handle, würden die Rechte des Klägers auf Schutz des Existenzminimums durch § 850k ZPO gewahrt. Guthaben unterhalb der Pfändungsgrenze nach § 850c ff. ZPO würden von der Pfändung nicht erfasst. Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung werde auch künftig nur wirksam, wenn sich auf dem Konto ein die Pfändungsfreigrenzen überschreitendes Guthaben befinden sollte. Dies sei der Bank nach der Drittschuldnererklärung vom ... November 2013 bekannt. Gegen den Anspruch selbst habe der Kläger keine Einwände erhoben. Die Gründe für die Erstattungsverpflichtung seien im Bescheid vom ... März 2012 ausführlich dargestellt.
Das Gericht hat am 16. April 2015 mündlich in der Sache verhandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten dieses Verfahrens sowie der Verfahren M 15 K 14.1374 und M 15 E 14.32 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach Art. 26 Abs. 7 Satz 3 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG) eröffnet.
Die Zulässigkeit der Klage kann vorliegend dahingestellt bleiben. Vorliegend ist bereits fraglich, ob dem Kläger für sein Klagebegehren, eine Pfändung seines Kontos unterhalb der Pfändungsfreigrenze nach § 850c Abs. 1 ZPO durch die Beklagte zu verhindern, ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht. Die Rechtsprechung lehnt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage dann ab, wenn der Erfolg der Klage die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde (BVerwG, B. v. 28.8.1987 - 4 N 3/86 - BVerwGE 78, 85 ff.). Hier ist der Beklagten eine Pfändung des Girokontos unterhalb des monatlichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Satz 1 i. V. m. mit Abs. 2a ZPO bereits deshalb nicht möglich, da das gepfändete Girokonto ein Pfändungsschutzkonto des Klägers nach § 850k ZPO ist. Nach § 850k Abs. 1 ZPO kann ein Schuldner über Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto jeweils bis zum Ende des Kalendermonats in Höhe des monatlichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 2a ZPO frei verfügen; dieses Guthaben wird nicht von der Pfändung erfasst.
Die Klage ist aber jedenfalls unbegründet, da die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom ... Oktober 2013 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte ist als Gemeinde berechtigt, eine Geldforderung bei dem Kläger zu pfänden und einzuziehen (Art. 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 BayVwZVG). Die Pfändung einer Geldforderung ist nach Art. 26 Abs. 7 Satz 1 BayVwZVG i. V. m. §§ 829, 835 ZPO mittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zulässig.
Es liegen auch die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Vollstreckung nach Art. 19 ff. und Art. 23 ff. BayVwZVG vor. Der der Vollstreckung zugrunde liegende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom ... März 2012 ist bestandskräftig (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG). Der Kläger hat nur Widerspruch gegen die dem Bescheid vorhergehende Anhörung und gegen die darauf folgende Mahnung eingelegt, nicht jedoch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom ... März 2012 selbst, obwohl diesem eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gefordert wird, ist dem Kläger am 30. März 2012 zugestellt worden (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG), die Forderung ist fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) und der Kläger ist erfolglos von der Beklagten mit Schreiben vom ... Juni 2013 aufgefordert worden, innerhalb von 14 Tagen die rückständigen Forderungen zu überweisen (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG). Die Beklagte hat zudem nach Art. 24 BayVwZVG ein Ausstandsverzeichnis erstellt, das für sofort vollstreckbar erklärt worden ist.
Auch sind nach § 54 Abs. 4 SGB I laufende Geldleistungen des Lebensunterhalts nach dem SGB II ebenso wie das auf das Konto des Klägers überwiesene Arbeitseinkommen aus geringfügiger Beschäftigung nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 850c ff. ZPO grundsätzlich pfändbar (BGH, B. v. 25.10.2012 - VII ZB 31/12 - juris).
Die Pfändung durfte auch durch einen so genannten „Blankettbeschluss“ erfolgen, der keine näheren Angaben über den genauen pfändbaren Betrag enthält, sondern die betragsmäßige Feststellung des aus den Kontoeingängen pfändbaren Einkommens dem Drittschuldner (Sparkasse ...) unter Berücksichtigung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen (für Arbeitseinkommen nach § 850 ff. ZPO) überlässt. Bei Vorliegen eines „Blankettbeschlusses“ (zur Zulässigkeit eines sogenannten „Blankettbeschlusses“ gemäß § 850c Abs. 3 S. 2 ZPO vgl. BGH, B. v. 24.1.2006 - VII ZB 93/05 - BGHZ 166,48) ist es grundsätzlich Sache des Drittschuldners, den pfändungsfreien Guthabenbetrag zu ermitteln und an den Gläubiger auszuzahlen (BGH, B. v. 21.2.2013 - VII ZB 59710 - FamRZ 2013, 877 f.). Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 21. Februar 2013 (a. a. O.) einen „Blankettbeschluss“ auch beim Vorliegen eines Pfändungsschutzkontos für zulässig gehalten.
Die Beachtung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO ist vorliegend durch die Einrichtung des Pfändungsschutzkontos nach § 850k ZPO sichergestellt. Mit Einrichtung dieses Pfändungsschutzkontos besteht für den Schuldner ein Basispfändungsschutz in der Form eines Sockelfreibetrages bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenze gem. § 850c Abs. 1, 2a ZPO in Höhe von derzeit 1.045,04 €. Damit kann der Kläger bis zum Ende eines jeden Kalendermonats jeweils über den Sockelfreibetrag verfügen, der ihm jeden Monat zusteht. Der Basispfändungsschutz nach § 850 k Abs. 1 ZPO entspricht damit der Pfändungsfreigrenze des § 850 c Abs. 1 ZPO. Wie sich aus dem Schreiben der Sparkasse ... vom ... November 2013 ergibt, ist dieser als Drittschuldnerin auch bewusst, dass es sich bei dem Girokonto des Klägers um ein Pfändungsschutzkonto i. S. d. § 850k Abs. 7 ZPO handelt. Dass hier wegen den in § 850k Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Unterhaltspflichten und Sonderbezügen des Schuldners eine Erhöhung der maßgeblichen Pfändungsfreibeträge zu berücksichtigen wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen. Vorliegend kann der Kläger demnach jedenfalls über einen Betrag in Höhe 1.045,04 € monatlich verfügen.
Aus alledem ergibt sich, dass die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom ... Oktober 2013 rechtmäßig ist.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs.1 VwGO abzuweisen.
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, da die Vollstreckung einer Forderung nach dem SGB II als Annex zur gerichtskostenfreien Hauptforderung anzusehen ist.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
16.04.2015
Urteil
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG München, Urteil vom 16.04.2015, Az. M 15 K 13.5528 (REWIS RS 2015, 12511)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 12511
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 BvR 2243/14 (Bundesverfassungsgericht)
Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung: Eilrechtsschutz nicht geboten, wenn Vollstreckungsschutz durch Umwandlung eines Girokontos …
VII ZB 21/17 (Bundesgerichtshof)
Zwangsvollstreckung: Bemessung des pfändungsfreien Betrages bei Nachzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf das …
Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung eines Haftungsbescheides
2 Sa 474/12 (Landesarbeitsgericht Hamm)
VII ZB 74/10 (Bundesgerichtshof)
Kontenpfändung: Bestimmung des monatlichen Pfändungsfreibetrages nach dem eingehenden wechselnden Arbeitseinkommen im Rahmen der Pfändung eines …