Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.03.2021, Az. 1 StR 499/20

1. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8023

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Gegenstand

Bestimmung des Vermögensschadens eines Betrugs und des Umfangs einer Steuerhinterziehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2020 aufgehoben

a) hinsichtlich der Einzelstrafe im Fall [X.] ([X.] bezüglich des Veranlagungszeitraums 2013) der Urteilsgründe,

b) mit den zugehörigen Feststellungen

aa) im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe,

bb) hinsichtlich der Einzelstrafen in den [X.] und 4. bis 6. der Urteilsgründe ([X.] bezüglich der Veranlagungszeiträume 2011 und 2014 bis 2016),

cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und

dd) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit er einen Betrag von 1.118.569,90 € übersteigt.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen, wegen Betrugs in drei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der ersparten Einkommensteuern nebst [X.] und der in den ersten beiden Betrugsfällen vereinnahmten Gelder mit einem Betrag von 1.767.695,99 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

Das [X.] hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Folgendes festgestellt und gewertet:

3

1. Der Angeklagte, ein Augenarzt, hinterzog für die Veranlagungszeiträume 2011 sowie 2013 bis 2016 Einkommensteuer und [X.] in Höhe von rund 800.000 €. Die von ihm für die [X.], 2013 und 2015 eingereichten Einkommensteuererklärungen waren unrichtig, da er in den zugrundeliegenden Jahresabschlüssen u.a. Rückstellungen, Entgelte für angebliche Beratungsleistungen und einen Investitionsabzugsbetrag fingierte, Bareinnahmen aus ärztlichen Leistungen verschwieg sowie private Kosten als Betriebsausgaben in Abzug brachte (Fälle [X.], 3. und 5. der Urteilsgründe). Die Buchhaltung für die Jahresabschlüsse 2014 und 2016 manipulierte der Angeklagte in gleicher Weise; Einkommensteuererklärungen für diese beiden Zeiträume gab er erst nach Abschluss der Veranlagungsarbeiten bzw. überhaupt nicht ab (Fälle [X.] 4. und 6. der Urteilsgründe).

4

a) Für den Veranlagungszeitraum 2011 setzte das Finanzamt auf die unrichtige Erklärung des Angeklagten mit Bescheid vom 28. Februar 2014 Einkommensteuer in Höhe von 40.544 € und [X.] in Höhe von 2.229,92 € fest.

5

b) Bei der Bestimmung des Umfangs der hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 verkürzten [X.] hat das [X.] fingierte Aufwendungen in Höhe von fast 500.000 € bzw. rund 404.000 € für den vorgetäuschten Erwerb von 745 Packungen der hochpreisigen Medikamente [X.] und [X.] nicht als abzugsfähig angesehen. Die entsprechenden, dem Steuerberater überlassenen Einkaufsrechnungen hatte der Angeklagte selbst erstellt; ihnen lagen keine entgegengenommenen Sachleistungen zugrunde.

6

c) In der Bilanz für das [X.], für das der Angeklagte keine Einkommensteuererklärung abgab, war eine angebliche Forderung des Angeklagten gegen seinen Bruder wegen Uneinbringlichkeit vollständig wertberichtigt; dies minderte den ausgewiesenen Gewinn um fast 135.000 €. Tatsächlich bestand ein solcher Anspruch des Angeklagten nicht.

7

2. Im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe bot der Angeklagte der [X.], einem Factoringunternehmen, am 7. Oktober 2016 eine fingierte Zahlungsforderung aus einer angeblichen ärztlichen Heilbehandlung gegenüber seiner Ehefrau in Höhe von rund 18.730 € zum Kauf an. Zur Verschleierung des Umstands, dass [X.] der Forderung die Ehefrau des Angeklagten war, war diese mit ihrem Geburtsnamen benannt. Tatsächlich hatte der Angeklagte seine Ehefrau nicht medizinisch behandelt. Die [X.] schrieb dem Angeklagten den Nominalwert der Forderung auf dessen [X.] gut. Am 13. Oktober 2016 überprüfte der Risikomanager der [X.], der Zeuge [X.], den Forderungserwerb aufgrund der ungewöhnlich hohen Rechnungssumme. In einem Telefonat mit dem Angeklagten gewann [X.]die Erkenntnis, dass die Forderung fingiert sei; er ließ daraufhin den Forderungsgegenwert wieder ʺzum Soll stellenʺ.

II.

8

1. Die Revision ist teilweise begründet.

9

a) In den Fällen der Einkommensteuerhinterziehung hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2011 sowie 2014 bis 2016 hat das [X.] den [X.] rechtsfehlerhaft bestimmt. Dies nötigt zur Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen mitsamt den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).

aa) Im Fall der Einkommensteuerhinterziehung bezüglich des Jahres 2011 ([X.] der Urteilsgründe) hätte das [X.] bei der Bestimmung des Verkürzungsumfangs die mit Bescheid vom 28. Februar 2014 vom Finanzamt festgesetzten Beträge abziehen müssen. Denn das [X.] hat die Verurteilung insoweit auf die Abgabe einer unrichtigen Erklärung am 23. Dezember 2013 gestützt, auf die hin ein unrichtiger Steuerbescheid ergangen ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]). In einem solchen Fall besteht der Hinterziehungsumfang in der Differenz zwischen der geschuldeten und der festgesetzten Steuer. Lediglich hinsichtlich der Steuerstraftaten bezüglich der [X.] und 2016 ist das [X.] von einer Tatbegehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) ausgegangen (UA S. 179).

bb) Da der Angeklagte seinen zu versteuernden Gewinn mittels Betriebsvermögensvergleichs ermittelte (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG), ist hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 ([X.] 4. und 5. der Urteilsgründe) eine gewinnmindernde Aufwandsbuchung allein durch das Erfassen von fingierten Kaufpreisen für den Erwerb von Medikamenten nicht belegt. Das [X.] hat nicht bedacht, dass bei ordnungsmäßiger Buchung die hochpreisigen und an die Patienten weiter zu veräußernden Waren des Umlaufvermögens im Jahresabschluss auf einem Bestandskonto auf der Aktivseite zu bilanzieren waren. Dies gilt unabhängig von einer vom Angeklagten zusätzlich wahrheitswidrig behaupteten teilweisen Stundung der Kaufpreise (gewinnneutraler [X.] bei fingierter [X.]; [X.] bei fingierter Kaufpreisverbindlichkeit). Eine Gewinnminderung über die Gewinn- und Verlustrechnung - etwa durch Unterlassen von Bestandsbuchungen - ist dem Urteil auch seinem Gesamtzusammenhang nach - anders als beim ebenfalls vorgetäuschten Erwerb von zum Verbrauch bestimmter Klingen zur Gewinnminderung in den Jahren 2015 und 2016 - nicht zu entnehmen. Im Gegenteil fehlen Feststellungen dazu, wie der beauftragte Steuerberater die überlassenen Scheinrechnungen buchhalterisch behandelte (vgl. insbesondere [X.], 90 f.).

cc) Im Fall der Einkommensteuerhinterziehung bezüglich des Veranlagungszeitraums 2016 ([X.] 6. der Urteilsgründe) ist nicht festgestellt, dass der Tatvorsatz des Angeklagten sich auf die unberechtigte Gewinnminderung durch Teilwertabschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) einer nicht existenten Forderung erstreckte (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2019 - 1 StR 265/18 Rn. 30 mwN). Es fehlt insoweit zudem an einer Beweiswürdigung (vgl. [X.]). Diese Lücke lässt sich nicht über den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere mit den vielfältigen buchhalterischen Manipulationen durch den Angeklagten, schließen. Vielmehr hätte sich das [X.] damit auseinandersetzen müssen, dass es sich schon für die [X.] und 2015 nicht von einem vorsätzlichen Verschweigen von Zinseinkünften aus dem in Rede stehenden Darlehen überzeugen konnte. Es hat hierzu ausgeführt, die Einlassung des Angeklagten sei nicht zu widerlegen, der Steuerberater sei irrtümlich von einer Darlehensrückzahlungsforderung gegenüber dem Bruder ausgegangen; diesen Fehler in der Buchhaltung habe er nicht erkannt ([X.]-111).

b) Die Verurteilung wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) zum Nachteil der [X.] hält ebenfalls mitsamt den Feststellungen der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Jedenfalls ein Vermögensschaden ist nicht festgestellt.

aa) Die [X.] zahlte den dem in ihrer Buchhaltung geführten Kundenkonto gutgeschriebenen Kaufpreisbetrag in Höhe von rund 18.730 € nicht aus (vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2016 - 4 [X.] Rn. 8). Auf dieses interne [X.] konnte der Angeklagte nicht zugreifen. Das [X.] hat demnach offensichtlich bereits im Eingehen der Zahlungsverbindlichkeit (§ 433 Abs. 2 BGB) einen Betrugsschaden als bewirkt angesehen; indes ist damit ein Vermögensschaden weder konkret beschrieben noch beziffert (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, [X.]E 130, 1 Rn. 178; [X.], Urteil vom 17. Dezember 2019 - 1 StR 171/19 Rn. 32; vgl. auch [X.], Beschluss vom 26. Juni 2019 - 1 StR 551/18 Rn. 19). Hierfür hätte der Vergleich der Vermögenslagen der [X.] unmittelbar vor und nach dem Kaufvertragsabschluss eine messbare negative Vermögensbilanz ergeben müssen ([X.], Urteile vom 17. Dezember 2019 - 1 StR 171/19 Rn. 31 f. mwN und vom 16. Juni 2016 - 1 StR 20/16 Rn. 33 f.). Solches ist hier nicht belegt:

Zwar war die vom Factoringunternehmen erworbene Geldforderung (§ 398 BGB) fingiert und damit wertlos; das [X.] war nachhaltig gestört. Jedoch bleibt offen, mit welchem bezifferbaren Wert das Drohen der Auszahlung des Kaufpreises, mit anderen Worten: die Gefährdungslage anzusetzen war. Die für die Bewertung dieses Risikos erforderlichen Einzelheiten fehlen, insbesondere wann die [X.] ohne die Tatentdeckung den Kaufpreis nach den Vertragsbedingungen vom Kundenkonto ausgezahlt hätte oder ob sie für den Fall des Nichtbestehens von abgetretenen Forderungen durch werthaltige, ohne Weiteres zu realisierende Sicherungsinstrumente von vornherein abgesichert war (vgl. dazu [X.], Urteile vom 10. August 2017 - 3 StR 549/16 Rn. 42, 45 f. und vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98 Rn. 25 ff., 49 ff., [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54; Beschluss vom 23. Januar 2014 - 3 [X.] Rn. 4 f.).

bb) Sollten der Angeklagte und die [X.] gar eine Kontokorrentabrede (vgl. § 355 HGB) getroffen haben, wäre die fingierte Geldforderung aufgrund des [X.] in das Kontokorrent ein unselbständiger Verrechnungsposten geworden. Dann hätte das Factoringunternehmen auf sein eigenes Vermögen allenfalls erst durch Abgabe eines Saldoanerkenntnisses (§§ 781, 780 BGB) vermögensmindernd eingewirkt; ein Vermögensschaden wäre damit durch den Ankauf der Forderung erst recht nicht begründet.

c) Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine neue in sich stimmige Strafzumessung bezüglich der Steuerstraftaten zu ermöglichen, hebt der Senat auch die Strafe für die zweite Steuerstraftat ([X.] 3. der Urteilsgründe) auf. Die Aufhebung der genannten sechs Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Da das [X.] den [X.] rechtsfehlerhaft bestimmt hat, unterliegt auch die [X.] teilweise der Aufhebung. In Höhe von 1.118.569,90 € (Erlöse aus den beiden ersten Betrugstaten in Höhe von 972.451,17 € sowie ersparte [X.] in Höhe von 82.961 € [Einkommensteuer 2011], 4.562,85 € [[X.] 2011], 92.675 € [Einkommensteuer 2013] und 5.097,12 € [[X.] 2013] abzüglich der nachträglich vom Fiskus erlangten Beträge in Höhe von 39.177,24 €) hat die Einziehung hingegen Bestand.

2. Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos. Ergänzend zur Antragsschrift des [X.] bemerkt der Senat:

a) Die Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch.

aa) Die [X.], das [X.] habe dadurch gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten aus § 273 Abs. 1a Satz 2, § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verstoßen, dass es den Inhalt der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft vom 2. März 2020 und des Gerichts vom 9. März 2020 ([X.] der Revisionsbegründung) nicht protokolliert habe, bleibt aus mehreren Gründen erfolglos.

(a) Diese Beanstandung ist vor allem deswegen unvollständig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision bereits nicht behauptet, das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft habe an diesen beiden Hauptverhandlungstagen ein verständigungsbezogenes Gespräch geführt. Somit bleibt nach dem [X.] offen, ob und wodurch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft Fragen des prozessualen Verhaltens in einen Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht haben soll. Nur dann konnte aber die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung im Raum stehen und das am 5. Februar 2020 vor der Hauptverhandlung ergebnislos geführte [X.] wieder aufgegriffen worden sein. Solch konkreter Tatsachenvortrag ist unabdingbar, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob infolge der Möglichkeit der Verständigung die Mitteilungspflicht der Vorsitzenden aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO überhaupt ausgelöst worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. März 2017 - 5 [X.] und vom 29. September 2016 - 3 [X.]/15 Rn. 14 mN). Nur wenn eine auf eine Verständigung abzielende Erörterung erwiesen wäre, könnte daran eine Beanstandung anknüpfen, der Vorsitzende habe den Inhalt oder die Umstände dieser Verständigungsbemühungen unzureichend dokumentiert (vgl. zu Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung: [X.], Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 [X.] Rn. 8 ff., [X.]St 58, 310, 312 f. und vom 18. November 2020 - 2 StR 317/19 Rn. 39, 41, 43, 45; Beschlüsse vom 16. September 2020 - 2 StR 459/19 Rn. 3, 7 ff.; vom 15. Juli 2020 - 2 StR 526/19 Rn. 10; vom 30. Juli 2019 - 5 [X.] Rn. 7, [X.]St 64, 168, 169; vom 12. Oktober 2016 - 2 StR 367/16 Rn. 11; vom 18. Juli 2016 - 1 [X.] Rn. 8, 15 und vom 5. August 2015 - 5 [X.] Rn. 11, [X.]R StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 5).

(b) Ausgehend von den dienstlichen Stellungnahmen der Vorsitzenden vom 28. Oktober 2020 sowie der [X.] der Staatsanwaltschaft vom 4. und 5. November 2020 ist auszuschließen, dass die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung an das Vorgespräch vom 5. Februar 2020 anknüpften; sie äußerten sich nur dazu, ob das Geständnis Grundlage einer Verurteilung sein konnte und in welchem Umfang Verfahrenseinstellungen und -beschränkungen in Betracht kamen. Dies waren nur verfahrensfördernde Gespräche, die nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung abzielten.

(c) Die [X.] wäre auch unbegründet; denn eine gesonderte Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO besteht nicht, wenn die [X.]e in der Hauptverhandlung geführt werden ([X.], Beschlüsse vom 19. Juli 2017 - 4 StR 536/16; vom 24. Januar 2017 - 5 [X.] und vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 352/14).

bb) Auch die Inbegriffsrügen (§ 261 StPO), mit denen der Beschwerdeführer den nicht ordnungsgemäßen Abschluss des [X.] (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO) und damit die Verwertung von nicht eingeführten Urkunden im Urteil beanstandet, bleiben erfolglos.

Zwar hat die Vorsitzende das erfolgreiche Durchführen des [X.] nicht anhand des Wortlauts des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO festgestellt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, der Wortlaut der Urkunden sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Denn die Protokollierung der Fragen der Vorsitzenden sowie der Antworten der Berufsrichter, der Schöffen und der übrigen Verfahrensbeteiligten vom 22. Mai 2020 ist der Auslegung zugänglich: Sie kann zusammen mit der in den [X.] Anordnungen zur Einleitung des [X.] (vgl. § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO) bekundeten Absicht, nach Ablauf der gesetzten Frist die Durchführung des [X.] gemäß den Äußerungen der Verfahrensbeteiligten zu protokollieren, und mit der ‚Erörterung der Durchführung des [X.]‘ nicht anders verstanden werden, als dass die Vorsitzende damit die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO getroffen hat (vgl. auch [X.], Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03; vgl. auch [X.], Urteil vom 28. November 2012 - 5 [X.] Rn. 9, [X.]St 58, 59, 61: ʺfestzustellende Erklärungʺ).

b) Das Urteil weist auch in sachlichrechtlicher Hinsicht keine weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Im Fall [X.] 1. der Urteilsgründe belegen die Feststellungen bereits deswegen einen Abrechnungsbetrug, weil der Angeklagte den Privatpatienten entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] Kosten für Medikamente in Rechnung stellte, die ihn tatsächlich nicht mehr belasteten. Denn diese Kosten hatte er bereits zuvor gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet; er durfte sie daher nicht [X.] in Rechnung stellen. Die Zahlung auf eine Nichtschuld bewirkt einen Vermögensschaden in entsprechender Höhe (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19 Rn. 46 ff.; vom 4. September 2019 - 1 StR 579/18 Rn. 41 und vom 18. Dezember 2018 - 3 StR 270/18 Rn. 10, [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 96; Urteil vom 16. Januar 2020 - 1 [X.] Rn. 34, [X.]R § 263 Abs. 1 Täuschung 42; je mwN). Den Umstand, dass der Angeklagte die Privatpatienten mit einer Restmenge aus den Durchstechflaschen behandelte, hat das [X.] in der Strafzumessung berücksichtigt ([X.]). Die für diesen Fall verhängte [X.] bleibt ebenso wie die Strafe für die zweite Betrugstat und die Strafen für die Körperverletzungen von der [X.] in den Steuerhinterziehungsfällen und dem dritten Betrugsfall unbeeinflusst.

Jäger     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Hohoff      

        

Leplow      

        

Meta

1 StR 499/20

10.03.2021

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 27. Mai 2020, Az: 119 KLs 7/19

§ 263 Abs 1 StGB, § 4 Abs 1 S 1 EStG, § 5 Abs 1 S 1 EStG, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 370 Abs 4 S 1 Alt 1 AO, § 243 Abs 4 S 2 StPO, § 249 Abs 2 S 3 StPO, § 261 StPO, § 273 Abs 1a S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.03.2021, Az. 1 StR 499/20 (REWIS RS 2021, 8023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8023

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