Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2016, Az. V ZB 138/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4048

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:131016BVZB138.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

13. Oktober 2016

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 765a
Eine bei der Abwägung nach § 765a ZPO zu berücksichtigende mit den guten Sitten unvereinbare Härte liegt auch vor, wenn der Schuldner an [X.] Erkrankung leidet und die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsver-fahrens eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands und als deren Folge eine Gefahr für sein Leben oder schwerwiegende gesundheitliche Risiken
erwarten lässt. Dass eine solche Verschlechterung des [X.] auch durch andere Umstände ausgelöst werden könnte, [X.] daran nichts.
[X.], Beschluss vom 13. Oktober 2016 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 13. Oktober 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter [X.], [X.] und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 27.
August 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Die Vollziehung des [X.] vom 10. Februar 2014 (14 K 44/12) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldnerin ausgesetzt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt wegen dinglicher Ansprüche die Zwangsverwal-tung und seit Juli 2012 auch die Zwangsversteigerung des eingangs dieses [X.]
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schlusses bezeichneten Grundbesitzes der im Jahr 1929 geborenen [X.]. Nach einem ersten Versteigerungstermin, in dem keine Gebote abgegeben wurden, führte das Vollstreckungsgericht am 3. Februar 2014 einen zweiten Versteigerungstermin durch, in dem die Ersteher mit einem Gebot von 229.000

zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag auf den 10.
Februar
2014. In diesem Zeitraum beantragte die Schuldnerin mehrmals unter Berufung auf [X.] Härten, ihr hohes Alter und von der Erteilung des Zuschlags ausgehende Gefahren für Leib und Leben Vollstreckungsschutz.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 hat das Vollstreckungsgericht unter Zurückweisung der [X.] den Erstehern den Zuschlag erteilt. Die Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbe-schwerde möchte die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Zuschlags und die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung erreichen.

II.

Nach Ansicht des [X.] ist der Zuschlag nicht nach §
83 Nr. 6 [X.] zu versagen. Die Voraussetzungen des §
765a Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine einstweilige Einstellung des [X.] lägen nicht vor. Der gerichtliche Sachverständige habe bei der Schuldnerin keine Sui-zidgefahr festgestellt. Diese leide nach dessen Gutachten an leichten bis [X.] kognitiven Beeinträchtigungen und an einer mittelgradigen Depressi-on. Auf Grund dieser Gesundheitsstörungen seien bei der Schuldnerin die Be-lastbarkeit, die Umstellungsfähigkeit und die Verarbeitungsfähigkeit von Konflik-2
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ten und Belastungen derart beeinträchtigt, dass immer wieder und in wechseln-der Frequenz unvorhersehbar dissoziative Zustände bis hin zum dissoziativen [X.] auftreten könnten. In solchen Phasen verliere die Schuldnerin ganz oder teilweise die Kontrolle über ihre Körperbewegungen; es bestehe dann die Ge-fahr von Stürzen und Selbstverletzungen. Dieses Risiko sei unabhängig von dem Rechtskräftigwerden des [X.] gegeben. Der Eintritt von dessen Rechtskraft führe nicht zu einer Verstärkung der Erkrankung, sondern wäre nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ein weiterer Auslöser für das auch sonst jederzeit mögliche Auftreten eines dissoziativen Zustandes. Dementsprechend könne durch eine Aufhebung des [X.] nur das Risiko verrin-gert werden, dass es zu einem dissoziativen Zustand komme. An der [X.] Erkrankung ändere sich dagegen nichts. Auch wenn man von einer [X.] Gesundheitsgefahr für die Schuldnerin ausgehe, sei das Zwangsver-steigerungsverfahren nicht nach § 765a ZPO einzustellen, weil die Belange der Schuldnerin das [X.] der Gläubigerin nicht deutlich überwö-gen. Da sich die Störungen nicht behandeln ließen, komme eine einstweilige Einstellung nicht in Betracht. Die Gläubigerin habe keine Aussicht, durch Ein-nahmen aus der Vermietung des Objekts innerhalb eines zumutbaren [X.] Erfüllung ihrer Forderung zu erlangen. Ein [X.] ergebe sich auch nicht aus der Erklärung eines Nachbarn, er wolle das Anwesen zu einem anbieten. Unklar sei schon, ob er nur den versteigerten Grundbesitz oder noch andere Grundstücke erwerben wolle. Jedenfalls habe er nicht mitgeboten.

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III.

Die nach § 96 [X.] i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags
auf einstweilige Ein-stellung des [X.] und gegen den erteilten [X.] ist begründet. Der Schuldnerin kann der beantragte [X.] nach § 765a ZPO nicht mit der von dem Beschwerdegericht gegebenen Begründung versagt werden.

1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.]. Die Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Rechts des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch die Versteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens ist ein im [X.] nach § 100 Abs. 1 u. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 [X.] von Amts we-gen zu berücksichtigender Umstand (Senat, Beschlüsse vom 24.
November
2005 -
V
ZB
99/05, [X.], 505, 507, vom 9. Juni 2011
-
V
ZB
319/10, [X.]
2011, 727
Rn. 8 und vom 28. Januar 2016 -
V [X.], NJW-RR 2016, 336 Rn. 5). Das bedeutet zwar nicht, dass die Zwangsversteige-rung ohne Weiteres einstweilen einzustellen oder aufzuheben wäre, wenn die Fortführung des Verfahrens mit einer konkreten Gefahr für Leben und Gesund-heit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist (Senat,
Beschluss vom 15. Juli 2010 -
V [X.], NJW-RR 2010, 1649 Rn.
11 f.; [X.], Beschluss vom 4. Mai 2005 -
I [X.], [X.]Z 163, 66, 73). Vielmehr ist zur Wahrung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des [X.] und des [X.] (Senat, Beschluss vom 28.
Januar 2016
-
V [X.], NJW-RR 2016, 336 Rn. 6) zu prüfen, ob der Lebens-
oder Ge-sundheitsgefährdung auch anders als durch eine Einstellung oder Aufhebung 4
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der Zwangsversteigerung wirksam begegnet werden kann (Senat, Beschlüsse vom 7. Oktober 2010 -
V [X.], NJW-RR 2011, 421 Rn.
29 und vom
9.
Juni 2011 -
V [X.], [X.]O). Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verpflichtet die Vollstreckungsgerichte aber dazu, das Verfahren so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird. Kann das Leben des Schuldners durch eine Vollstreckungsmaß-nahme in Gefahr geraten, weil dieser unfähig ist, aus [X.] oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation situationsangemessen zu [X.], muss das Vollstreckungsgericht diesen Umstand beachten und ihm bei der Durchführung des Verfahrens Rechnung tragen (Senat, Beschlüsse
vom 7.
Oktober
2010 -
V [X.], NJW-RR 2011, 421 Rn. 26 und vom
21.
Juli 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 886 Rn. 7).

2. Nicht beigetreten
werden kann dem Beschwerdegericht indessen in seiner Annahme, die festgestellte Erkrankung der Schuldnerin sei kein [X.], dem im [X.] zu tragen sei.

a) Das Beschwerdegericht gelangt auf Grund des Sachverständigengut-achtens zu der Feststellung, die Mitteilung über die Rechtskraft des Zuschlags-beschlusses würde bei der Schuldnerin nicht zu einer Verstärkung der Erkran-kung führen, sondern wäre nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ein weiterer Auslö-ser für das auch sonst jederzeit mögliche Auftreten eines dissoziativen Zustan-des. Demgemäß könnte durch die Aufhebung des [X.] nur das Risiko verringert werden, dass es bei der Schuldnerin zu einem dissoziati-ven Zustand komme. Daraus zieht das Beschwerdegericht den Schluss, der Möglichkeit des Eintritts solcher Zustände müsse im Zwangsversteigerungsver-fahren nicht Rechnung getragen
werden. Es hat offenbar die Vorstellung, im Zwangsversteigerungsverfahren sei nur die durch das Verfahren ausgelöste
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Gefahr eines Suizids oder ähnlicher extremer Reaktionen des Schuldners oder eine besonders außergewöhnliche Zuspitzung einer vorhandenen Erkrankung zu berücksichtigen, nicht aber die Verschlechterung des durch eine vorhandene Erkrankung angegriffenen Gesundheitszustands, die schwerwiegende gesund-heitliche Risiken erwarten lässt. Diese Vorstellung trifft nicht zu.

b) Die Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Rechts des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist im [X.] nach § 100 Abs. 1 u. 3 i.V.m. § 83 Nr.
6 [X.] nicht nur bei der konkreten Gefahr eines Suizids zu berücksichtigen, son-dern auch, wenn die Fortsetzung des [X.] aus anderen Gründen eine konkrete Gefahr für das Leben des Schuldners begrün-det (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 886 Rn. 7) oder wegen schwerwiegender gesundheitlicher Risiken eine mit den guten Sit-ten unvereinbare Härte im Sinne von §
765a ZPO darstellt ([X.], [X.], 565 Rn. 13; [X.], Beschluss vom 13. August 2009 -
I [X.], [X.], 2228 Rn. 12). Diese Voraussetzungen können einerseits nicht schon ange-nommen werden, wenn die Fortsetzung des Verfahrens zu physischen oder psychischen Belastungen des Schuldners oder einer seiner Angehörigen führt. Auch das Bestehen einer lebensbedrohlichen Erkrankung wie einer Krebser-krankung würde, für sich genommen, nicht genügen (Senat, Beschluss vom 2.
Dezember 2010 -
V [X.], NJW-RR 2011, 419 Rn. 7). Eine mit den [X.] im Sinne von § 765a ZPO liegt andererseits aber etwa vor, wenn die Fortsetzung des [X.]
den Er-folg der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Schuldners [X.] (Senat, Beschluss vom 21.
Juli 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 886 Rn. 7 [X.]). Nichts Anderes gilt, wenn der Schuldner an einer Erkrankung leidet und die Fortsetzung des [X.] eine Verschlechterung sei-8
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nes Gesundheitszustands und als deren Folge eine Gefahr für das Leben des Schuldners oder schwerwiegende gesundheitliche Risiken erwarten lässt ([X.], [X.], 1725, 1726; [X.], Beschluss vom 13. August 2009
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I [X.], [X.], 2228 Rn. 12). Dass eine solche Verschlechterung des Gesundheitszustands auch durch andere Umstände ausgelöst werden könnte, ändert daran nichts und ist deshalb ohne Bedeutung.

c) Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands, der danach im Zwangsversteigerungsverfahren Rechnung zu tragen ist, liegt hier nach den Feststellungen des [X.] vor. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtskraft des [X.] bei der Schuldnerin mit hoher Wahrscheinlichkeit dissoziative Zustände auslöst. Dissoziative Zustände [X.] nach den Feststellungen des [X.] bei der Schuldnerin bis hin zu einem dissoziativen [X.] führen. Der Sachverständige hat bei der Un-tersuchung der Schuldnerin allein durch die Erwähnung des Themas Zwangsversteigerung einen spontanen, nach seiner Einschätzung nicht simu-lierten [X.] ausgelöst. Bei einem [X.] verliert die Schuldnerin ganz oder teilweise die Kontrolle ihrer Körperbewegungen; es besteht dann die Gefahr von unkontrollierten Stürzen und schweren Selbstverletzungen. Damit steht fest, dass die Fortsetzung des [X.] durch die [X.] der Zurückweisung der Zuschlagsbeschwerde der Schuldnerin mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Schäden be-gründet. Dass sich diese Gefahr auch aus anderem Anlass ergeben kann, [X.] daran, wie ausgeführt, nichts.

3. Das Beschwerdegericht ist ferner den Anforderungen an die bei [X.] einer solchen Gefahr von schweren
Gesundheitsgefährdungen anzustel-lende Abwägung nicht hinreichend gerecht geworden. Es durfte diese Gefahr 9
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nicht unterstellen und ohne nähere Aufklärung die Gefahren für die Gesundheit der Schuldnerin gegen die Interessen der Gläubigerin abwägen. Seine [X.] bieten weder für die Abwägung als solche noch für die Auswahl der [X.] zu ergreifenden begleitenden Maßnahmen eine ausreichende Tatsachengrundlage.

a) Wenn eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist, ist der Zuschlag weder ohne [X.] zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen noch ohne weiteres unter Ablehnung des beantragten [X.] nach §
765a ZPO zu erteilen. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebens-
bzw. hier: Gesundheitsschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das [X.] (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Risiken auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mit Blick auf die Interessen des [X.] gilt nichts anderes (zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 12. November 2014 -
V [X.], NJW-RR 2015, 393 Rn. 7).

b) Das Beschwerdegericht durfte deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Gläubigerin ihre Forderung auf unbestimmte Zeit nicht wür-de durchsetzen können. Es hätte vielmehr feststellen müssen, ob und gegebe-nenfalls durch welche Maßnahmen sich die der Schuldnerin durch die Fortset-zung des Verfahrens drohenden erheblichen Gesundheitsgefährdungen [X.] oder auf ein zumutbares Maß reduzieren lassen und ob dem [X.] der Gläubigerin in anderer Weise befriedigend Rechnung ge-11
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tragen werden kann. Beides ist nicht, jedenfalls nicht in dem gebotenen Umfang geschehen.

c) Das Beschwerdegericht hätte Art und Umfang der der Schuldnerin bei Eintritt der Rechtskraft des [X.] drohenden erheblichen Ge-sundheitsgefährdung näher aufklären müssen.

[X.]) Es nimmt an, der Zustand der Schuldnerin werde sich nicht verbes-sern, sondern eher verschlechtern. Dafür bietet das Gutachten des Sachver-ständigen zwar Anhaltspunkte. Ohne ergänzende Befragung oder [X.] konnte das Beschwerdegericht aber nicht [X.], ob die Schuldnerin durch therapeutische Maßnahmen so stabilisiert werden kann, dass etwa auftretende dissoziative Zustände keine [X.] Gesundheitsgefährdungen mehr befürchten lassen.

[X.]) Den Feststellungen des [X.] ist zu entnehmen, dass bei der Schuldnerin im Falle eines [X.] die Gefahr von unkontrollierten Stür-zen und -
dadurch ausgelöst -
von unter Umständen erheblichen Gesundheits-beschädigungen besteht. Das Gutachten des Gerichtssachverständigen bietet jedoch Anhaltspunkte dafür, dass dieses Risiko schon jetzt oder in absehbarer Zeit beherrschbar ist. Der Sachverständige hat nämlich nicht nur von dem auf-getretenen spontanen [X.], sondern auch davon berichtet, dass die Schuld-nerin aus dem [X.] gewissermaßen hat zurückgerufen werden können. Das gab Veranlassung zur Prüfung, ob den von einem etwa durch die Mitteilung des [X.] ausgelösten [X.] ausgehenden Gefahren durch die Anwesenheit von Fachpersonal wirksam begegnet werden kann, das sofort eingreifen und sonst vielleicht zu befürchtenden Gesundheitsbeeinträchtigun-gen vorbeugen kann. Für diese Prüfung kann bedeutsam sein, ob es sich bei 13
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einem durch den [X.] ausgelösten [X.] um eine einmalige, im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der Rechtskraft des Zuschlagsbe-schlusses auftretende oder um eine Erscheinung handelt, die sich auch später noch wiederholen kann.

(1) Sollte es sich bei dem [X.] um eine einmalige Erscheinung han-deln, wäre zu prüfen (gewesen), ob sich die Gefahr unkontrollierter Stürze im Sinne einer begleiteten Vollstreckung (dazu allgemein: Zschieschack/Brücher, [X.], 745, 748 f. für die Räumungsvollstreckung) durch Maßnahmen bei der Bekanntgabe der Entscheidung des [X.] beherrschen lässt. Zu denken wäre etwa daran, diese Entscheidung, statt auf dem üblichen Post-weg oder einen Gerichtsvollzieher in Begleitung von ärztlichen oder pflegerischen Fachkräften.

(2) Sollte mit einem (wiederholten)
[X.] dagegen auch nach der Be-kanntgabe der Entscheidung des [X.] zu rechnen sein, wäre zu prüfen (gewesen), ob der Schutz der Schuldnerin durch eine -
von den primär zuständigen Stellen oder etwaigen Vorsorgebevollmächtigten geplante oder auf Nachfrage in Betracht gezogene und von dem Beschwerdegericht abzufragen-de (zu diesem Aspekt: Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 727 Rn. 14 f.; [X.], [X.] 2011, 849, 855 mwN) -
Verände-rung ihrer Betreuungssituation gewährleistet werden kann. Zu erwägen wären dabei eine entsprechende Anleitung von Personen, die etwa im Rahmen einer häuslichen Pflege eingesetzt sind oder bei einer Intensivierung einer solchen Pflege eingesetzt werden sollen, zu Maßnahmen, die bei einem [X.] zu [X.] sind, ein in absehbarer Zeit anstehender Wechsel etwa in eine Pflege-16
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einrichtung oder in betreutes Wohnen, in der ein Schutz der Schuldnerin ge-währleistet ist, oder vergleichbare Maßnahmen.

c) Bei der Abwägung wäre hier schließlich auch zu berücksichtigen, ob dem [X.] der Gläubigerin durch einen freihändigen Verkauf angemessen Rechnung getragen werden könnte. Mit dem hier vorgelegten Kaufangebot eines Nachbarn hat sich das Beschwerdegericht zwar befasst. Es durfte seine Prüfung aber nicht schon mit der Erwägung a[X.]rechen, der [X.] wolle außer den versteigerten noch andere Teile des Anwesens erwerben und habe nicht mitgeboten. Daraus allein folgt nicht, dass dieses Angebot keine den Interessen nicht nur der Schuldnerin, sondern auch der Gläubigerin gerecht werdende Lösung verspricht. Denn dieser Nachbar hat angeboten, mit der Schuldnerin einen Mietvertrag abzuschließen und ihr zu ermöglichen, weiterhin auf dem Anwesen zu wohnen. Vielmehr war zu prüfen, ob das Angebot eine Befriedigung der Gläubigerin erwarten lässt
und der Gläubigerin eine Prüfung und Nutzung dieser Befriedigungsmöglichkeit auch unter Berücksichtigung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Schuldnerin zugemutet werden kann.

IV.

1. Die Beschwerdeentscheidung kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der [X.] vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Be-schwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, 18
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ist die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bis zur erneuten Entschei-dung des [X.] gemäß § 575 Abs. 5, §
570 Abs. 3 ZPO auszu-setzen (vgl. Senat, Beschluss vom 28.
Januar
2016 -
V [X.], NJW-RR 2016, 336 Rn. 20).

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Vertretung der Schuldnerin beruht auf § 26 Nr. 2 RVG, wonach der Wert des Gegenstands der Versteigerung, mithin der festgestellte Verkehrswert, maßgeblich ist. [X.] sind in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angefallen.

[X.] Schmidt-Räntsch Kazele

Göbel Hamdorf

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.02.2014 -
14 K 44/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 27.08.2015 -
9 [X.] -

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Meta

V ZB 138/15

13.10.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2016, Az. V ZB 138/15 (REWIS RS 2016, 4048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4048

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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