Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.03.2023, Az. B 1 SF 1/22 R

1. Senat | REWIS RS 2023, 1206

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Datenschutzrecht - Schadenersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung - datenschutzrechtliche Verstöße im Rahmen eines der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsverhältnisses - Eröffnung des Sozialrechtswegs


Leitsatz

Für Schadenersatzansprüche nach der Datenschutz-Grundverordnung wegen datenschutzrechtlicher Verstöße im Rahmen eines der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsverhältnisses ist der Sozialrechtsweg eröffnet.

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Klägers werden der Beschluss des [X.] vom 26. Januar 2022 und der Verweisungsbeschluss des [X.] vom 9. November 2021 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.

2

Der Kläger beantragte im Juni 2019 die Auskunft von der beklagten Krankenkasse ([X.]), welche seiner personenbezogenen Daten bei dieser gespeichert und verarbeitet wurden bzw werden und erhob im August 2019 Klage zu dem für seinen damaligen Wohnsitz örtlich zuständigen [X.]. Der Rechtsstreit wurde nach Erteilung der Auskunft, es seien nur Daten zu Beschäftigungsverhältnissen des [X.] in den Jahren 2001 und 2002 vorhanden, durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet. Der Kläger forderte daraufhin von der Beklagten immateriellen Schadenersatz iHv 2000 Euro auf der Grundlage von Art 82 Abs 1 der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung <[X.]> 2016/679 des [X.] und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/[X.] <[X.]>) wegen eines durch die verspätete Auskunft begründeten Verstoßes gegen Art 2 Abs 3 [X.] und hat deswegen am 23.6.2021 Klage zum [X.] erhoben. Die Zuständigkeit der Sozialgerichte ergebe sich aus § 81b [X.]. Art 34 Satz 3 GG stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte hat den beschrittenen Rechtsweg zu den Sozialgerichten gerügt, die örtliche Zuständigkeit des [X.] - am Sitz ihrer Verwaltung - geltend gemacht und ist dem Anspruch in der Sache entgegengetreten.

3

Das [X.] hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen (Beschluss vom 9.11.2021). Das [X.] hat die dagegen erhobene Beschwerde des [X.] zurückgewiesen. Der auf Art 82 Abs 1 [X.] gestützte Anspruch sei ein Amtshaftungsanspruch iS des Art 34 Satz 3 GG. Die Vorschrift umfasse auch die auf einen schadensrechtlichen Ausgleich für bereits eingetretene datenschutzrechtliche Verstöße zielenden Haftungsregelungen der [X.], wenn der Verstoß gegen deren Vorgaben im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit geschehen sei. Dieses weite Verständnis sei auf Grund des historischen Zusammenhangs geboten und finde einfachgesetzlich Ausdruck in § 17 Abs 2 Satz 2 [X.]. Da Art 34 Satz 3 GG die verfassungsrechtliche Zuweisung allgemein ausspreche, erfasse sie auch neu eingeführte Ansprüche wie den aus Art 82 Abs 1 [X.], wenn diese sich der Sache nach als Schadenersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung darstellten. Etwas anderes folge auch nicht aus Art 82 Abs 6 [X.]. Dieser beinhalte eine Regelung der internationalen Zuständigkeit. § 81b [X.] erfasse schon von seinem Wortlaut her die Ansprüche aus Art 82 [X.] nicht (Beschluss vom 26.1.2022).

4

Dagegen richtet sich die vom [X.] zugelassene weitere Beschwerde des [X.]. Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig sei.

5

II. Die weitere Beschwerde, über die der Senat ohne Zuziehung [X.] entscheiden konnte (§ 12 Abs 1 Satz 2, § 153 Abs 1, § 165 SGG), ist nach § 177 und § 202 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 4 [X.] statthaft, weil das [X.] den Rechtsbehelf zugelassen hat und diese Zulassung für das BSG bindend ist (§ 202 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 6 [X.]). Der Kläger hat die Beschwerde auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172, 173 SGG).

6

Die weitere Beschwerde ist begründet. Für Schadenersatzansprüche nach der [X.] wegen datenschutzrechtlicher Verstöße im Rahmen eines der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsverhältnisses ist der Sozialrechtsweg eröffnet.

7

Hält das Gericht des ersten Rechtszuges den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig, hat es dies gemäß § 202 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 Satz 1 [X.] nach Anhörung der Parteien von Amts wegen auszusprechen und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist jedoch nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, dh für den [X.] mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist (vgl BSG vom 4.4.2012 - B 12 SF 1/10 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.]; BSG vom 10.2.2015 - B 12 SF 1/14 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.] Rd[X.] 9; [X.] vom 15.12.1992 - 5 B 144.91 - [X.] 300 § 17a [X.] [X.] 5 = NVwZ 1993, 358 mwN). Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs 2 Satz 1 [X.] unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

8

Der Kläger verfolgt vorliegend einen Schadenersatzanspruch nach Art 82 Abs 1 [X.]. Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die [X.] ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Für die klageweise Geltendmachung dieses Schadenersatzanspruchs des [X.] gegen die Beklagte ist gemäß § 81b Abs 1 Satz 1 [X.] (idF des Art 24 [X.] des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017, [X.] 2541) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet; eine Verweisung an das [X.] hat nicht zu erfolgen. Entgegen der Auffassung des [X.] erfasst die [X.] in § 81b Abs 1 Satz 1 [X.] auch den in Art 82 Abs 1 [X.] geregelten Schadenersatzanspruch (dazu 1.). Die [X.] an die Sozialgerichte wird nicht durch Art 34 Satz 3 GG verdrängt, der für die dort erfassten Ansprüche zwingend den ordentlichen Rechtsweg vorsieht (dazu 2.). Die einfachgesetzliche [X.] des § 40 Abs 2 Satz 1 VwGO ist nicht anwendbar (dazu 3.).

9

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für den Schadenersatzanspruch aus Art 82 [X.] gemäß § 51 Abs 1 [X.] SGG iVm § 81b Abs 1 [X.] eröffnet.

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 Abs 1 [X.] SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (dazu a), die durch Gesetz diesem Rechtsweg zugewiesen sind. Die Zuweisung erfolgt hier durch § 81b Abs 1 [X.] (dazu b). Danach ist für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der [X.] oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von [X.] im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs 1 und 2 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

a) Bei dem hier streitigen Schadenersatz nach Art 82 Abs 1 [X.] handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit iS des § 51 Abs 1 SGG. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn der vorgetragene Lebenssachverhalt nach Normen des öffentlichen Rechts zu beurteilen ist ([X.] in [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl 2018, § 40 Rd[X.]66). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist die Natur des im Sachvortrag dargestellten Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird (vgl [X.] vom [X.] - GmS-OGB 2/73 - [X.], 292 = [X.] 1500 § 51 [X.] S 2). Entscheidend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm abgeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägt ist (vgl BSG vom [X.] - B 3 SF 1/07 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.]). Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsgrundlage des Art 82 Abs 1 [X.] als deliktisch ausgestalteter, zivilrechtlicher Anspruch anzusehen ist (so [X.], [X.], 498, 499), sondern darauf, ob die Umstände der Datenverarbeitung bei der Beklagten öffentlich-rechtlich geprägt sind. Danach ist es vorliegend unerheblich, dass der Schadenersatzanspruch nach Art 82 Abs 1 [X.] sich gegen den "Verantwortlichen" richtet, dieser aber grundsätzlich auch eine Privatperson sein kann (vgl Art 4 [X.] 7 Halbsatz 1 [X.]). Die Datenverarbeitung selbst wird jedenfalls durch die einschlägigen Regelungen des [X.] spezifisch öffentlich-rechtlich eingebunden. Die Beklagte hat nach ihrer Auskunft im vorangegangenen Klageverfahren Daten über den Kläger und dessen Beschäftigungsverhältnisse in den Jahren 2001 und 2002 gespeichert. Die Erhebung und Speicherung dieser Daten erfolgte erkennbar im Zusammenhang mit dem Melde- und Beitragsverfahren der Sozialversicherung nach §§ 28a ff [X.], dessen Durchführung den [X.]n als Einzugsstellen (§ 28a Abs 1, § 28h Abs 1 Satz 1 [X.]) zugewiesen ist. Bei diesen Normen handelt es sich um Rechtsnormen des öffentlichen Rechts, zu denen alle Rechtssätze gehören, nach denen ausschließlich Träger hoheitlicher Gewalt als Zuordnungssubjekte berechtigt oder verpflichtet werden (vgl BSG vom 13.6.1989 - 2 RU 32/88 - [X.], 133, 135 = [X.] 2100 § 76 [X.] S 7; BSG vom [X.] - B 14 SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 6 Rd[X.] 11).

b) Weiter sind auch die Voraussetzungen des § 81b Abs 1 [X.] erfüllt.

Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung ([X.]) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von [X.] im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs 1 und 2 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Die Gesetzgebungsmaterialien gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass sich die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für die von § 81b Abs 1 [X.] erfassten Materien bereits kraft [X.] ergibt, die Regelung also nur deklaratorische Bedeutung hat (vgl BT-Drucks 18/12611, 117). Ob dies zutrifft, kann hier aber dahinstehen.

Der Kläger klagt als betroffene Person (Art 4 [X.] 1 [X.]) gegen die Beklagte als Verantwortliche (Art 4 [X.] 7 Halbsatz 2 [X.] iVm § 67 Abs 4 Satz 1 [X.]). Gegenstand der Klage ist ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der [X.] oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person (dazu aa) bei der Verarbeitung von [X.] (dazu [X.]) im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs 1 SGG (dazu cc).

aa) Der Anspruch auf Schadenersatz nach Art 82 [X.] ist ein Recht der betroffenen Person aus den datenschutzrechtlichen Bestimmungen der [X.].

Der Anspruch auf Schadenersatz nach Art 82 Abs 1 [X.] steht den Rechten der betroffenen Person aus Kapitel III [X.] (ua auf Auskunft nach Art 15 [X.], Berichtigung nach Art 16 [X.] oder Löschung nach Art 17 [X.]) gleich. Das ergibt sich bereits daraus, dass jeder Verstoß gegen die [X.] erfasst ist, wenn und soweit sich daraus ein materieller oder immaterieller Schaden ergibt. Die Wendungen in Art 82 Abs 1 [X.] einerseits ("Verstoß gegen diese Verordnung") und in § 81b Abs 1 [X.] andererseits ("Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der <[X.]>") sind gleichbedeutend, denn die [X.] enthält nur datenschutzrechtliche Bestimmungen. Damit ist eine Klage auf Schadenersatz nach Art 82 Abs 1 [X.] bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Klage iS des § 81b Abs 1 [X.] wegen der in der [X.] enthaltenen Rechte der betroffenen Person (so auch zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des § 32i Abs 2 Satz 2 AO [X.] vom 28.6.2022 - II B 92/21 - [X.], 571 = BStBl II 2022, 535, Rd[X.] ff).

[X.]) [X.] sind nach § 67 Abs 2 Satz 1 [X.] personenbezogene Daten (Art 4 [X.] 1 [X.]), die von einer in § 35 [X.] genannten Stelle - hier der beklagten [X.] als einem Leistungsträger (§§ 12, 21 Abs 2 [X.]) - im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Solche Aufgaben sind die Entgegennahme der Meldungen zur Sozialversicherung und die Verarbeitung von Daten über Beschäftigungsverhältnisse als Anknüpfungsmerkmal für das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht, die den [X.]n als Einzugsstellen nach § 28a Abs 1, § 28h Abs 1 Satz 1 [X.] zugewiesen sind.

cc) Die Verarbeitung der [X.] des [X.] erfolgte zur Durchführung des in den §§ 28a ff [X.] geregelten Melde- und Beitragsverfahrens in der Sozialversicherung und damit im Zusammenhang mit einer sonstigen Angelegenheit der Sozialversicherung nach § 51 Abs 1 [X.] 5 SGG.

2. Die [X.] des § 81b Abs 2 [X.] wird nicht durch Art 34 Satz 3 GG verdrängt. Dabei kann offenbleiben, inwieweit Art 34 Satz 3 GG seinerseits hinter Art 82 Abs 6 iVm 79 Abs 2 [X.] zurücktritt (dazu a). Jedenfalls ist der Schadenersatzanspruch nach Art 82 Abs 1 [X.] kein Amtshaftungsanspruch, für den Art 34 Satz 3 GG den ordentlichen Rechtsweg garantiert. Es fehlt an der persönlichen Verantwortlichkeit eines [X.]s als Anspruchsvoraussetzung, wie sie Voraussetzung für die Anwendung des Art 34 Satz 3 GG ist (dazu b). Es bedarf daher entgegen der Auffassung des [X.] keiner verfassungskonformen einschränkenden Auslegung der [X.] in § 81b Abs 1 [X.], um einen Konflikt mit Art 34 Satz 3 GG zu vermeiden. Auch auf die vom [X.] aufgeworfene Frage der historischen Auslegung des Art 34 Satz 3 GG kommt es nicht an.

a) Nach Art 82 Abs 6 [X.] sind mit Gerichtsverfahren zur Inanspruchnahme des Rechts auf Schadensersatz die Gerichte zu befassen, die nach den in Art 79 Abs 2 [X.] genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zuständig sind. Es kann dahinstehen, ob Art 79 Abs 2 [X.] auch den innerstaatlichen Rechtsweg dahingehend determiniert, dass eine Rechtswegspaltung verhindert werden soll (so [X.] in [X.]/[X.], DS-GVO/[X.], 3. Aufl 2021, Art 82 Rd[X.] 18) oder es sich lediglich um eine Regelung der internationalen Zuständigkeit handelt (so [X.]/[X.] in [X.]/Heckmann, DS-GVO/[X.], 3. Aufl 2022, Art 82 DS-GVO Rd[X.] 44; [X.] in [X.] , Art 82 [X.] Rd[X.] 46.1; vgl auch BT-Drucks 18/12611, 117; für eine Rechtswegspaltung ausdrücklich aber auch Freund/Shagdar, [X.] 2018, 267, 276; [X.], [X.] 2018, 609, 613). Denn Art 34 Satz 3 GG ist vorliegend von vornherein nicht einschlägig (dazu sogleich). Nach der erstgenannten Auffassung träte Art 34 Satz 3 GG sogar im Wege des Anwendungsvorrangs hinter Art 82 Abs 6 [X.] zurück.

b) Art 34 Satz 3 GG schreibt vor, dass ua für den Anspruch auf Schadenersatz und für den Rückgriff der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden darf. Gemeint sind die Ansprüche aus Art 34 Satz 1 und 2 GG. Wenn jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, haftet für den entstandenen Schaden der Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der [X.] steht (Art 34 Satz 1 GG). § 839 Abs 1 Satz 1 BGB ist die haftungsbegründende Vorschrift, während Art 34 Satz 1 GG eine haftungsverlagernde Norm darstellt, ohne dass der Staat oder die [X.] durch diese Haftungsverlagerung zum Zurechnungssubjekt würde ([X.] vom 19.10.1982 - 2 [X.] - [X.]E 61, 149, 198).

aa) Der Amtshaftungsanspruch iS des § 839 Abs 1 BGB ist von dem Schadenersatzanspruch aus Art 82 Abs 1 [X.] zu unterscheiden. Dabei kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zugleich auch eine Amtspflichtverletzung darstellt (vgl dazu Papier/Shirvani in [X.]/[X.]/[X.], GG , Art 34 Rd[X.] 168). Jedenfalls tritt der Anspruch aus Art 82 Abs 1 [X.] als eigenständiger Anspruch zu einem etwaigen Amtshaftungsanspruch hinzu und wird nicht durch diesen verdrängt (zum Verhältnis des allgemeinen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zu § 839 BGB vgl [X.] vom 11.09.2008 - [X.]/07 - juris Rd[X.] 7; ähnlich auch [X.] vom 9.10.2003 - [X.]/02 - juris Rd[X.] 12). Die Garantie des ordentlichen Rechtsweges aus Art 34 Satz 3 GG (zur Historie Papier/Shirvani aaO, Art 34 GG Rd[X.] 1-10) erfasst aber nur die in Art 34 Satz 1 GG genannte Amtshaftung und nicht jeglichen staatshaftungsrechtlichen Anspruch ([X.] in v Mangoldt[X.]/[X.], 7. Aufl 2018, Art 34 GG Rd[X.] 1; zur Unterscheidung zwischen Amtshaftung und Staatshaftung Papier/Shirvani aaO, Rd[X.] 17 ff). Dem Gesetzgeber steht es frei, für von der Amtshaftung nach § 839 BGB iVm Art 34 GG zu unterscheidende staatshaftungsrechtliche Ansprüche den Rechtsweg einfachgesetzlich zu regeln und Streitigkeiten hierüber anderen als den ordentlichen Gerichten zuzuweisen. So unterliegt etwa der Anspruch auf Entschädigung für überlange Verfahrensdauer als staatshaftungsrechtlicher, verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch sui generis auf Ausgleich für Nachteile infolge rechtswidrigen hoheitlichen Handelns nicht der zwingenden Zuweisung an die ordentlichen Gerichte nach Art 34 Satz 3 GG ([X.] in BeckOGK, § 839 BGB, Rd[X.] 1247; zum Anspruch sui generis [X.] vom 7.11.2019 - [X.] - [X.]Z 224, 20 Rd[X.]1).

[X.]) Der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs 1 BGB iVm Art 34 Satz 1 GG und der Schadenersatzanspruch nach Art 82 Abs 1 [X.] können danach zwar in Anspruchskonkurrenz nebeneinandertreten, an der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für den Streit um Ansprüche aus Art 82 Abs 1 [X.] ändert dies aber nichts (dazu auch [X.] vom 28.6.2022 - II B 92/21 - [X.], 571 = BStBl II 2022, 535, Rd[X.] 19 f mwN). Inwieweit die Sozialgerichte gemäß Art 34 Satz 3 GG an einer Entscheidung über Amtshaftungsansprüche gehindert sind, die zeitgleich mit einem in ihre Zuständigkeit fallenden Anspruch geltend gemacht werden (vgl BSG vom 20.10.2010 - [X.] R 63/10 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] 11 Rd[X.]3 f), ist ohne Belang.

cc) Der Schadenersatzanspruch aus Art 82 Abs 1 [X.] ist schon deshalb kein Amtshaftungsanspruch iS des Art 34 Satz 1 und 3 GG, weil er sich nicht gegen einen [X.] richtet und sodann auf den Staat übergeleitet wird, sondern unmittelbar gegen den Verantwortlichen (ausführlich dazu auch [X.] vom 28.6.2022 - II B 92/21 - [X.], 571 = BStBl II 2022, 535, Rd[X.] 18, 21). Dies ist hier die beklagte [X.]. Auf ein etwaiges Fehlverhalten der [X.], die im Dienst des Verantwortlichen stehen, kommt es nicht an. Diese sind prinzipiell keine Verantwortlichen im Sinne der [X.] ([X.], [X.]/SGB 2020, 436, 438; [X.] in BeckOGK, § 67 [X.] Rd[X.] 54, Stand: 1.8.2022; [X.] in [X.]/Heckmann, DS-GVO/[X.], 3. Aufl 2022, Art 4 DS-GVO Rd[X.] 63).

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der abdrängenden Sonderzuweisung des § 40 Abs 2 Satz 1 VwGO. Diese einfachgesetzliche Vorschrift tritt hinter § 81b Abs 1 [X.] als lex specialis zurück, wenn für bestimmte Ersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten spezialgesetzlich ein anderer Rechtsweg zugewiesen ist ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], VwGO, 43. EL August 2022, § 40 Rd[X.] 540; ebenso [X.] vom 28.6.2022 - II B 92/21 - [X.], 571 = BStBl II 2022, 535, Rd[X.] 13).

4. Die - in Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde grundsätzlich erforderliche (vgl BSG vom [X.] - B 14 SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 6 Rd[X.] 19, 20) - Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Schlegel

Estelmann

Geiger

Meta

B 1 SF 1/22 R

06.03.2023

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Frankfurt, 9. November 2021, Az: S 25 KR 490/21, Beschluss

§ 51 Abs 1 Nr 10 SGG, § 202 S 1 Halbs 1 SGG, § 67 Abs 2 S 1 SGB 10, § 81b Abs 1 SGB 10, § 17 Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs 2 S 1 GVG, Art 34 S 1 GG, Art 34 S 2 GG, Art 34 S 3 GG, § 839 Abs 1 S 1 BGB, Art 79 Abs 2 EUV 2016/679, Art 82 Abs 1 EUV 2016/679, Art 82 Abs 6 EUV 2016/679

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.03.2023, Az. B 1 SF 1/22 R (REWIS RS 2023, 1206)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1206

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III ZR 17/19

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