Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.08.2009, Az. 4 ARs 6/09

4. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2002

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[X.] vom 25. August 2009 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes hier: [X.] des 5. Strafsenats vom 10. März 2009 - 5 [X.]/08 - - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat am 25. August 2009 beschlos-sen: Die beabsichtigte Entscheidung des 5. Strafsenats wider-spricht der Rechtsprechung des 4. Strafsenats, der an dieser festhält. Gründe: Der 5. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden: 1 Die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 [X.] während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet nicht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 [X.]. Er hat daher bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob diese an ent-gegenstehender Rechtsprechung festhalten. 2 Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtspre-chung des 4. Strafsenats entgegen (vgl. nur Senatsbeschlüsse NStZ 2007, 352; [X.], 440; [X.], 451). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. 3 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] gehört die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen nicht mehr zur Verneh-mung, sondern bildet einen selbstständigen Verfahrensabschnitt. Daher ist re-gelmäßig (zu einer Ausnahme vgl. Senatsbeschluss NStZ 2006, 713) der [X.] - 3 - lute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 [X.] gegeben, wenn der Angeklagte bei dieser Verhandlung als einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung nicht anwesend ist (vgl. nur [X.], 2541 m.w.N.). Nach Ansicht des Senats ist wegen der Bedeutung des Rechts des Angeklagten auf effektive Ausübung seines Fragerechts an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Er muss die Mög-lichkeit haben, Fragen an den Zeugen zu stellen oder stellen zu lassen, ehe dieser entlassen wird und ist nicht darauf angewiesen, zum Zwecke der [X.] einen besonderen Anforderungen genügenden Beweisantrag zu stellen (vgl. [X.] aaO). a) Der Senat hat in seiner Stellungnahme zu dem [X.] des 5. Strafsenats im Verfahren 5 [X.]/08 darauf hingewiesen, dass er grund-sätzliche Bedenken dagegen hat, den Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 [X.] der Rechtsprechung des [X.] zu § 338 Nr. 6 [X.] anzugleichen. Diese Bedenken bestehen auch im Fall der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen in Abwesenheit des Angeklagten. Ungeachtet des Umstandes, dass der Wortlaut des § 247 [X.] der vom 5. Strafsenat beabsich-tigten weiten Auslegung des Vernehmungsbegriffs nicht entgegensteht, spre-chen jedenfalls der unterschiedliche Sinn und Zweck der Vorschriften über das Anwesenheitsrecht des Angeklagten einerseits und das Anwesenheitsrecht der Öffentlichkeit andererseits gegen eine identische Auslegung. Anders als der Angeklagte ist die Öffentlichkeit am Verfahren nicht beteiligt. Einschränkungen ihres grundsätzlich bestehenden Anwesenheitsrechts sind daher eher hinzu-nehmen als Einschränkungen der Rechte des Angeklagten. So verneint der [X.] in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch der Sitzungs-öffentlichkeit darauf, sämtliche Vorgänge während der Hauptverhandlung im Sitzungssaal erkennen und verstehen zu können (vgl. nur [X.] NStZ 1991, 122 für die Inaugenscheinnahme einer Urkunde). Auch besteht bei Ausschluss der 5 - 4 - Öffentlichkeit keine Unterrichtungspflicht, wie sie § 247 Satz 4 [X.] für den Angeklagten vorsieht. b) Zudem spricht auch § 248 [X.] nach seinem Wortlaut ("die vernom-menen Zeugen") dafür, die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen nicht mehr zur Vernehmung zu rechnen, sondern als selbstständigen [X.] anzusehen. Diese Vorschrift enthält eine spezielle Regelung über die Entlassung von Zeugen und Sachverständigen. § 248 Satz 2 [X.], wonach vor deren Entlassung die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte zu hören sind, ist die gesetzgeberische Intention zu entnehmen, eine vorzeitige Entlassung des Zeugen zu verhindern und damit das Recht zu dessen Befragung abzusi-chern (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 248 Rn. 6; [X.] in KK, [X.], 6. Aufl. § 248 Rn. 4). 6 2. In den Fällen, in denen die vorschriftswidrige Verhandlung über die Entlassung des Zeugen (und dessen daraufhin erfolgte Entfernung) in Abwe-senheit des Angeklagten vor Beendigung der Hauptverhandlung offenbar wird, ist der Tatrichter nach Auffassung des Senats allerdings nicht gehindert, den Verfahrensfehler zu heilen. Dies kann dadurch erfolgen, dass der Angeklagte auf ausdrückliches Befragen mitteilt, keine Fragen mehr an den bereits entlas-senen Zeugen stellen zu wollen. Gibt der Angeklagte im [X.] an seine Unterrichtung durch den Vorsitzenden hingegen zu erkennen, er habe noch Fragen an den bereits entlassenen Zeugen, wird dieser erneut herbeizuschaf-fen sein, um die Befragung durch den Angeklagten zu ermöglichen. Insoweit gilt weder der einschränkende Maßstab des § 244 Abs. 2 [X.] noch ist dem [X.] eine Bindung an die besonderen Anforderungen eines Beweisantrags auferlegt (vgl. [X.], 2541). Wird dem Angeklagten die Möglichkeit das Fragerecht auszuüben nach der Entlassung des Zeugen nicht eingeräumt, 7 - 5 - sei es, weil der Fehler im Verlauf der Hauptverhandlung nicht bemerkt wird, sei es, weil der Zeuge nicht mehr herbeigeschafft werden kann, obwohl der Ange-klagte dies verlangt hat, muss es bei dem absoluten Revisionsgrund verbleiben. Die "Herabstufung" zu einem relativen Revisionsgrund mit der Möglichkeit, über die Annahme fehlenden Beruhens des Urteils auf dem Verfahrensfehler eine Aufhebung des Urteils zu vermeiden, würde nach Auffassung des Senats dem fundamentalen Recht des Angeklagten nicht gerecht, nicht ohne übergeordnete Gründe von der Verhandlung über seine Strafsache ausgeschlossen zu wer-den. Tepperwien Maatz Athing Franke Mutzbauer

Meta

4 ARs 6/09

25.08.2009

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.08.2009, Az. 4 ARs 6/09 (REWIS RS 2009, 2002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2002

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