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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Voraussetzungen der Verwertung einer während der richterlichen Vernehmung getätigten Zeugenaussage bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung
Auf den [X.]des [X.]vom 4. Juni 2014 - 2 StR 656/13 - erklärt der Senat, dass er an seiner entgegenstehenden Rechtsprechung festhält.
Der Senat sieht keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Urteile vom 14. März 1967 - 5 StR 540/66, BGHSt 21, 218 f., vom 8. Dezember 1999 - 5 StR 32/99, BGHSt 45, 342, 345, und Beschluss vom 4. April 2001 - 5 StR 604/00, StV 2001, 386) abzuweichen und eine Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson, die als Ausnahme von dem aus § 252 StPO abgeleiteten Verwertungsverbot durch den anfragenden Senat nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden ist (vgl. kritisch zu dieser Ausnahme Sander/Cirener in LR-StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 10; [X.]in Radtke/Hohmann, 2011, [X.]§ 252 Rn. 52; [X.]in SK-StPO, 4. Aufl. Rn. 4), nur noch dann zuzulassen, wenn der Zeuge vor seiner richterlichen Vernehmung auch „qualifiziert" über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt worden ist.
1. Die Ausnahme vom Verwertungsverbot wird von der Rechtsprechung damit begründet, dass die Belehrung durch den [X.]die Gewähr dafür bietet, dem Zeugen Kenntnis von seinem Weigerungsrecht zu verschaffen, ihm die Bedeutung dieses Rechts bewusst zu machen und ihm die Tragweite seines Handelns vor Augen zu führen; der Zeuge, der sich auf solcher Grundlage freiwillig zu einer Aussage entschlossen hat, erleidet keinerlei Einbuße in seinen Rechten, wenn diese Aussage zu Beweiszwecken verwertet wird, mag er auch bei einer späteren Vernehmung von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83, BGHSt 32, 25; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51 aaO, [X.]f.).
Zur ordnungsgemäßen Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO gehört es nicht, den Zeugen auch darüber zu unterrichten, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn er zunächst aussagt, später jedoch von seinem Weigerungsrecht Gebrauch macht; das Gesetz erfordert lediglich, dass die Belehrung dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungsrechts vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 - 2 StR 150/83 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 4 ARs 21/14 Rn. 7 f.). Schon die Belehrung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO weist den Zeugen auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation hin, über die er freiwillig nach eigenem Ermessen zu entscheiden hat. Um dem Zeugen die Tragweite und Endgültigkeit seiner Angaben vor einem [X.]zu verdeutlichen, bedarf es angesichts der zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen bestehenden Unterschiede keines weitergehenden Hinweises zur Verwertbarkeit seiner Aussage. Diese Unterschiede sind auch dem Zeugen gewahr. So sind gerade im Hinblick auf die Möglichkeit der Verlesung einer richterlichen Vernehmungsniederschrift nach § 251 Abs. 2 StPO (vgl. Regierungsentwurf zu § 168c StPO, BT-Drucks. 7/551, S. 76) der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger bei einer richterlichen Vernehmung gemäß § 168c Abs. 2 StPO [X.]und daraus resultierende Fragerechte eingeräumt. Zudem kann nur ein [X.]nach § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO eine eidliche Vernehmung vornehmen, weshalb eine unrichtige oder unvollständige Aussage vor einem [X.]nach §§ 153, 154 StGB strafbar sein kann, worauf der Zeuge hinzuweisen ist. Für einen Zeugen ist deshalb auch wegen der einem Ermittlungsrichter eingeräumten Stellung (vgl. [X.]- Kammer - , Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2491/07) erkennbar, dass einer richterlichen Vernehmung eine erhöhte Bedeutung zukommt; nach der Belehrung durch einen [X.]steht ihm deutlicher vor Augen, dass er im Falle seiner Aussage seine Angaben nicht ohne weiteres wieder beseitigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - 3 StR 185/03, BGHSt 49, 72, 77), deren Folgen er aber durch freiwillige Entschließung im Bewusstsein ihrer Bedeutung auf sich nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1952 - 1 StR 561/51, aaO, S. 106). Dieses Bewusstsein genügt für die Wahrung seiner grundrechtlich abgesicherten Rechtsposition.
Der Senat kann nach alledem dahinstehen lassen, ob die durch den anfragenden Senat aufgestellte These, die Mehrheit der Zeugen sei sich der Konsequenz weiterhin bestehender Verwertbarkeit ihrer vor dem [X.]erfolgten Bekundungen nicht bewusst ([X.]11), [X.]hinreichend abgesichert ist. Er hält es jedoch entgegen der These für eher naheliegend, dass zahlreiche Zeugen im Blick auf den Gang zum [X.]nach erfolgter Aussage vor der Polizei in Verbindung mit den prozessualen Regularien der richterlichen Vernehmung den Grund für deren Durchführung kennen oder, etwa nach Fragen zur Notwendigkeit einer weiteren Aussage, im Zuge des Verfahrens in Erfahrung bringen.
2. Der Senat könnte schließlich der Einschätzung des anfragenden Senats nicht uneingeschränkt folgen, dass die von diesem befürwortete [X.]die Effektivität der Strafverfolgung nicht in nennenswertem Umfang in Frage stellen würde ([X.]13 f.). Diese Einschätzung mag unter Umständen für „Neufälle" zutreffen. Hingegen wäre zu besorgen, dass in einer nicht bezifferbaren Menge von "Altfällen" gerade auch wegen schwerwiegender Straftaten, zu denen womöglich der vom anfragenden Senat zu entscheidende Ausgangsfall zu rechnen ist ([X.]3), ein [X.]nicht mehr geführt werden könnte, weil der vernehmende [X.]die nach herkömmlicher Rechtsprechung entbehrliche Belehrung nicht erteilt hat und deswegen ein Verwertungsverbot angenommen werden müsste. Vor diesem Hintergrund könnte ein Rechtsprechungswandel nur dann verantwortet werden, wenn der bisherigen ständigen Rechtsprechung des [X.]ein gravierendes rechtsstaatliches Defizit anhaften würde. Davon kann aus den oben genannten Gründen indessen keine Rede sein.
Sander Dölp König
Berger Bellay
Meta
27.01.2015
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: ARs
vorgehend BGH, 4. Juni 2014, Az: 2 StR 656/13, Beschluss
§ 52 StPO, § 57 StPO, § 252 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2015, Az. 5 ARs 64/14 (REWIS RS 2015, 16515)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 16515
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.12.2014, Az. 4 ARs 21/14 (REWIS RS 2014, 306)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2015, Az. 1 ARs 21/14 (REWIS RS 2015, 17186)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2015, Az. 5 ARs 64/14 (REWIS RS 2015, 16515)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2016, Az. GSSt 1/16 (REWIS RS 2016, 8078)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2015, Az. 3 ARs 20/14 (REWIS RS 2015, 17446)
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13 (REWIS RS 2017, 13644)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2016, Az. 2 StR 656/13 (REWIS RS 2016, 18137)
Bundesgerichtshof, Vorlagebeschluss vom 24.02.2016, Az. 2 StR 656/13 (REWIS RS 2016, 18138)
Bundesgerichtshof, Vorlagebeschluss vom 18.03.2015, Az. 2 StR 656/13 (REWIS RS 2015, 13852)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2014, Az. 2 StR 656/13 (REWIS RS 2014, 5081)
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
5 ARs 64/14 (Bundesgerichtshof)
4 ARs 21/14 (Bundesgerichtshof)
Voraussetzungen der Verwertung einer während der richterlichen Vernehmung getätigten Zeugenaussage bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung
4 ARs 21/14 (Bundesgerichtshof)
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1 StR 691/08 (Bundesgerichtshof)