Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2017, Az. III ZR 296/15

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7655

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:200717UIIIZR296.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 296/15

Verkündet am:

20. Juli 2017

K
i
e
f
e
r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
Ob grob fahrlässige Unkenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegt, wenn ein Kapitalanleger eine Risikohinweise enthaltende Beratungsdokumentation "blind" unterzeichnet, muss der Tatrichter aufgrund einer umfassenden tatrich-terlichen Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls feststellen (Fort-führung von Senat, Versäumnisurteil vom 23. März 2017 -
III
ZR 93/16, BeckRS 2017, 107457).
[X.], Urteil vom 20. Juli 2017 -
III ZR 296/15 -
OLG [X.]

LG [X.] I
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch [X.] [X.], den Richter Reiter und die Richterinnen Dr. [X.], [X.] und Dr. Arend

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] und der [X.] wird der Beschluss
des [X.]s [X.] -
8. Zivilsenat -
vom 19. August 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den [X.]n aus eigenem und abgetretenem Recht seiner drittwiderbeklagten Ehefrau Schadensersatz wegen
einer seinen Angaben zufolge
fehlerhaften
Anlageberatung.
Der [X.] zu 2 begehrt die Feststellung, dass der [X.]
insoweit keine Schadensersatzan-sprüche
gegen ihn
zustehen.

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-

3

-

Der als Finanzberater tätige [X.] zu 2 ist der Schwiegersohn des [X.] und der [X.]. Am 16. September 2007 schlug er
seinen Schwiegereltern
eine "Optimierung"
ihrer
aus Sparbüchern, einer Lebens-
und einer Rentenversicherung sowie einem Bausparvertrag mit Guthaben von ins-gesamt

bestehenden Vermögensanlagen durch zwei Beteiligun-gen
an der
F.

Premium Select GmbH & Co. KG (nachfolgend umfirmiert in
A.

Premium Select GmbH & Co. KG)
vor, deren Anlagekonzept auf die Realisierung kurzfristiger Kursgewinne
aus dem Handel mit Wertpapieren und Finanzinstrumenten aller Art
abzielte. Am selben Tag unterzeichneten der Klä-ger und seine Ehefrau
Beitrittserklärungen, mit denen sie sich mittelbar über die [X.] zu 1 als Gründungs-
und Treuhandkommanditistin an der [X.] beteiligten.

Der Kläger und seine Ehefrau lösten ihre bisherigen Vermögensanlagen auf und erbrachten die aufgrund der Beteiligungen geschuldeten Einlagen.

Der Kläger macht geltend, der [X.] zu 2 habe ihn und die [X.] in dem [X.] über eine Vielzahl von Eigenschaften der empfohlenen Kapitalanlagen falsch beraten beziehungsweise im Unklaren ge-lassen. Er verlangt Ersatz des [X.] und vorgerichtlicher [X.]. Das [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die hiergegen eingelegten Berufungen
des [X.] und der [X.] sind erfolglos geblieben. Mit ihrer
vom Senat zugelassenen Re-vision verfolgen
der Kläger sein Klagebegehren und die [X.] ihr
Ziel der
Abweisung der Widerklage weiter.

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4

-

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] und der [X.] führt zur Aufhe-bung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt,
der Kläger sei hinsichtlich der be-haupteten Beratungsfehler
beweisfällig geblieben.

Eine
[X.]vernehmung nach § 448 ZPO zum Inhalt des [X.] vom 16. September 2007 sei weder auf der Grundlage der
nicht zum erforderlichen "[X.]"
führenden erstinstanzlichen Anhörung des [X.] und der [X.]
noch nach den [X.] zum "Vier-Augen-Gespräch"
in Betracht gekommen. Einer [X.]vernehmung nach §
447 ZPO habe die [X.] zu 1 nicht zugestimmt. Die unterbliebene [X.] der Zeugin H.

D.

(der bei dem Gespräch nicht anwesenden Tochter des [X.] und der [X.] und Ehefrau des [X.]n zu
2) sei zum einen mangels genauer
Angaben zum
Beweisangebot mit der Berufung nur unwirksam gerügt worden. Zum anderen sei es
unerheblich, da die Zeugin nicht zur entscheidenden Frage des konkreten Gesprächsverlaufs zwischen den [X.]en benannt worden sei.

Danach
komme es auf ohnehin nicht geltend gemachte und nach dem
Vorbringen des [X.] für die Anlageentscheidung nicht ursächliche Prospekt-fehler, auf den vom [X.] angenommenen und durch das Berufungsvor-5
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-

bringen nicht entkräfteten kenntnisabhängigen Verjährungseintritt sowie
auf die nach den Äußerungen des [X.] und der [X.] bei ihrer erstin-stanzlichen Anhörung nach Auffassung des [X.]s fehlende Kausalität einzelner
Beratungsfehler des [X.]n zu 2 nicht entscheidend an.

II.

Die Revision ist begründet.
Die
getroffene Beweislastentscheidung hält
der Nachprüfung nicht stand.
Nach dem bisherigen Sach-
und Streitstand und den dazu getroffenen Feststellungen kommt
vielmehr ein Schadensersatzan-spruch des [X.] gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Schlechterfüllung eines Anlageberatungs-
oder Anlagevermittlungsvertrags in Betracht.

1.
Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass sich die [X.] zu 1 als Grün-dungsgesellschafterin für die vertraglichen Verhandlungen über
den Beitritt von Anlegern zu der Fondsgesellschaft eines Vertriebs bediente sowie
diesem und den von diesem eingeschalteten [X.] -
hier dem [X.]n zu 2
-
die geschuldete Aufklärung der [X.] überließ und deshalb für deren unrichtige oder unzureichende Angaben haftet (vgl. nur [X.], Urteile vom 14. Mai 2012 -
II ZR 69/12, NJW-RR 2012, 1316, 1317 Rn. 11; vom 1. März 2011 -
II ZR 16/10, NJW 2011, 1666 Rn. 7 und vom 14. Juli 2003 -
II ZR 202/02, NJW-RR 2003, 1393, 1394). Die persönliche Haftung des [X.]n zu 2 kommt wegen einer aufgrund der familiären Beziehung zu dem Kläger und der [X.] naheliegenden Inanspruchnahme besonderen persönli-chen Vertrauens in Betracht (§ 311 Abs. 3 BGB).

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-

2.
a)
Das Berufungsgericht
ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Haftung der [X.]n voraussetzt, dass
der [X.] zu 2 den Kläger und die [X.] mündlich unrichtig oder unvollständig beraten hat. Denn von einer
Aufklärung des [X.] und der [X.]
allein mit-tels eines rechtzeitig
vor Zeichnung übergebenen fehlerfreien Prospekts
ist
nach dem beiderseitigen [X.]envorbringen nicht auszugehen. Der Kläger und die [X.] haben in Abrede gestellt, dass ihnen überhaupt ein
Pros-pekt ausgehändigt
worden ist. Nach dem Vortrag der [X.]n
soll der
Emissi-onsprospekt -
in Übereinstimmung mit der datierten
und unterschriebenen Emp-fangsbestätigung auf dem Zeichnungsschein -
(erst) beim Gespräch am [X.], dem
16.
September 2007, bei
dem er dem [X.]n zu 2 als [X.] gedient habe, übergeben
worden sein. Auch mit der
nachfol-genden
Behauptung
des [X.]n zu 2, den Prospekt
schon
zuvor bei einem ersten -
zeitlich nicht näher benannten -
Gesprächstermin
überreicht
zu haben, ist dessen rechtzeitige
Überlassung
nicht hinreichend dargetan.

b) Zu Recht hat die Vorinstanz
auch
angenommen, dass der Kläger für die von ihm behaupteten Aufklärungs-
und Beratungsmängel darlegungs-
und beweisbelastet ist -
mit der Einschränkung,
dass die mit dem Nachweis negati-ver Tatsachen verbundenen Schwierigkeiten dadurch ausgeglichen werden, dass die andere [X.] im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast die be-hauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Ein-zelnen beraten beziehungsweise
aufgeklärt worden sein soll,
und dem An-spruchsteller sodann der Nachweis obliegt, dass diese Darstellung nicht zutrifft (st. Rspr. z.B. Senat, Urteil vom 5. Mai 2011 -
III ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871 Rn. 17 und [X.], Urteil vom 24. Januar 2006 -
XI ZR 320/04, [X.]Z 166, 56, 60 Rn.
15 jeweils
mwN).

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c)
Soweit der Kläger
sich auf eine
unzutreffende mündliche Beratung durch den [X.]n zu 2 berufen hat, hat er
konkrete Beratungsfehler -
man-gelnde Aufklärung über fehlende Eignung zur Altersvorsorge, über den unter-nehmerischen Charakter der Beteiligung, über die Risiken des Totalverlusts und eines Renditeausfalls, über die fehlende Fungibilität der Anlage, über die
Ver-pflichtung zur Weiterzahlung der Raten bei Insolvenz
der Fondsgesellschaft und über die fehlende Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Beteiligung und eines Zugriffs auf das eingezahlte Kapital u.a. -
behauptet und insoweit
seine nachfolgend [X.] als Zeugin
angeboten
(Klageschrift S.
6). Zum
Beweis der fehlerhaften
Beratung hat er außerdem die [X.]ver-nehmung des [X.]n zu 2 (Klageschrift S. 9) beantragt sowie
die Verneh-mung der
Zeugin H.

D.

und
weiterer
Zeugen zu der Behauptung, der [X.] zu 2 habe auch gegenüber anderen
Anlegern, darunter mehreren Fa-milienangehörigen, die Risiken der Anlage verschwiegen beziehungsweise
ver-harmlost
(Schriftsätze vom 22. Mai 2013, [X.] und vom 25. Oktober 2013, [X.]). Gegenüber der Zeugin H.

D.

habe der [X.] zu 2 sogar
ausdrück-lich geäußert,
dass die ihren Eltern vermittelte Anlage sicher und zur Altersvor-sorge geeignet sei
(Schriftsatz vom 25. Oktober 2013, [X.]). Nach Hinweis des [X.]s, dass die [X.] nicht mehr als Zeugin zur Verfügung stehe, haben sie
und
der Kläger ihre
eigene [X.]vernehmung zu den behaup-teten Aufklärungsfehlern beantragt
(Schriftsatz vom 14. Januar 2015, S. 4).
Das Berufungsgericht
ist
keinem dieser Beweisantritte nachgegangen
und hat auch von Amts wegen keine [X.]vernehmung
nach
§
448 ZPO
durchgeführt. Dies
ist nicht frei von Rechtsfehlern.

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8

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d)
[X.] hat das Berufungsgericht von einer [X.]ver-nehmung abgesehen. Auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines nur zwi-schen den [X.]en selbst ohne Zeugen geführten Gesprächs
finden
die Vor-schriften der §§
445 ff ZPO über die [X.]vernehmung Anwendung, die [X.] gegenüber der vorrangigen Ausschöpfung anderweitiger -
hier nicht zur Verfügung stehender -
Beweismittel ist. Danach kann
die beweispflichtige [X.]
nach §
445 ZPO die Vernehmung des Gegners
oder nach § 447 ZPO ihre
eige-ne
beantragen, deren Durchführung jeweils von der Mitwirkung (§ 446 ZPO) beziehungsweise
Zustimmung der Gegenpartei
abhängig ist. Eine
außerdem mögliche
[X.]vernehmung
von Amts wegen nach § 448 ZPO hat
grundsätz-lich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Be-hauptungen der beweisbelasteten [X.]
aufgrund des bisherigen [X.] bei einer non-liquet-Situation im Übrigen zur Voraussetzung. Dieser sogenannte
"[X.]"
kann sich aus einer schon durchgeführten Be-weisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungsinhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach §
141 ZPO oder aus Ausführungen der [X.]
nach § 137 Abs. 4 ZPO ergeben
(st. Rspr., z.B.
Senat, Urteil vom 8. Juli 2010 -
III ZR 24/09, [X.]Z 186, 152, 155 Rn.
15; [X.], Urteile vom 19. Dezember 2012
-
VII
ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002, 1003; vom 19. April 2002 -
V [X.], [X.]Z 150, 334, 342 und vom
16. Juli 1998 -
I [X.], NJW 1999, 363, 364 mwN; [X.], ZPO, 31. Aufl. 2016, § 448 Rn. 4).

aa)
Ob das -
von der Vorinstanz nicht begründete -
Unterlassen der
zum Beweis einer unzutreffenden
Beratung nach
§ 445 ZPO beantragten
[X.]ver-nehmung des Gegners verfahrensfehlerhaft ist, kann
dahin
stehen. Hierfür spricht, dass weder festgestellt
noch erkennbar
ist, dass der [X.] zu 2, der selbst gegenbeweislich seine eigene [X.]vernehmung angeboten hat (Schrift-satz vom 17. April 2013, [X.]), sich seiner Vernehmung verweigert oder hierzu
14
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-

auf Verlangen des Gerichts keine Erklärung abgegeben hätte

446 ZPO). Dies wird mit der Revision indes
nicht gerügt
und ist deshalb vom Senat nicht
zu prüfen, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

bb)
Zu Recht beanstandet aber die Revision, dass das Berufungsgericht den Kläger und die [X.] nicht nach
§ 448 ZPO als [X.]en ver-nommen hat.
Die Entscheidung über die Vernehmung einer [X.] nach § 448 ZPO liegt zwar im Ermessen des Tatrichters und ist im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob
die
rechtlichen
Voraussetzungen verkannt sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist ([X.], Urteil vom 19. [X.] -
VII ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002, 1003).

Ein solcher Ermessensfehlgebrauch liegt jedoch in Bezug auf die [X.] vor, dass der für eine [X.]vernehmung von Amts wegen erforderli-che "[X.]", also das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit
für die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens
nicht erbracht sei. Insoweit hat sich das Berufungsgericht auf die erstinstanzliche Anhörung des [X.] und der [X.] sowie auf die von ihnen unterschriebenen [X.] in den dreiseitigen Beitrittserklärungen
berufen, auf die
sich auch das [X.] zur Begründung des von ihm angenommenen Verjährungsein-tritts gestützt
hat.

Dabei hat es den [X.] nicht ausgeschöpft und unberücksichtigt
gelassen, dass der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung in der erstin-stanzlichen Verhandlung nach § 141 ZPO unter anderem ausdrücklich [X.] hat, ihm und der [X.] sei bei dem [X.] am 16. September 2007 erklärt worden, dass sie "Zinsen bekommen und eine [X.] haben"
und außerdem "immer an das Geld herankommen"
würden (Sitzungsprotokoll [X.]). Die Geeignetheit der empfohlenen Kapitalanlagen als 16
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-

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-

Altersvorsorge und die jederzeitige Verfügbarkeit der angelegten Gelder haben beide Eheleute dabei übereinstimmend als ursächlich für ihre Anlageentschei-dung bezeichnet. Diese Angaben erscheinen
plausibel. Für ihre Richtigkeit spricht insbesondere die unstreitig
gebliebene, aber vorinstanzlich ebenfalls außer [X.] gelassene Tatsache, dass die als Arbeiter und Altenpflegerin tätigen und zum [X.] noch ungefähr
zehn
Jahre vor Rentenbeginn
stehenden Eheleute ihr ganzes, nicht übermäßig großes Vermögen bis zu
des-sen "Optimierung"
durch den [X.]n zu 2 nur in sehr sicheren
und als klas-sische Altersvorsorgeanlagen zu bezeichnenden Kapitalanlagen wie [X.], Lebens-
und Rentenversicherungen sowie
Bausparverträgen angelegt hatten. Das Berufungsgericht
hat
in diesem Zusammenhang auch nicht in [X.] gezogen, dass die streitigen
unternehmerischen
Beteiligungen
an einem spekulativen Handel mit Wertpapieren und Finanzinstrumenten unzweifelhaft demgegenüber keine sichere und zur Altersvorsorge geeignete Anlage sind. Soweit es die erwähnten, mit grafisch unauffälligen Risikohinweisen versehe-nen [X.] auf den [X.] betrifft, hat es die naheliegende Möglichkeit, dass der Kläger und die [X.] diese am Schluss
des [X.]s in familiärem Vertrauen auf ihren Schwieger-sohn "blind"
unterschrieben haben, nicht bedacht.

Nach alldem
ist nicht auszuschließen, dass die Vorinstanz bei Berück-sichtigung (auch) der vorgenannten Umstände zu der Beurteilung gelangt wäre, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine unzutreffende

Beratung spricht
und auf dieser Grundlage eine [X.]vernehmung des [X.] und der [X.] und gegebenenfalls
auch des [X.]n zu
2 nach § 448 ZPO durchgeführt hätte. Schon
deshalb
ist der angefochtene Beschluss
aufzuheben
und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen.
19
-

11

-

Danach kommt
es für die Entscheidung nicht mehr darauf
an, ob
die Vor-instanz im Rahmen ihrer Prüfung einer [X.]vernehmung nach § 448 ZPO er-messensfehlerfrei davon absehen durfte, den
Kläger und die
Drittwiderbeklag-ten erneut nach § 141 ZPO anzuhören oder ihnen Gelegenheit zur Äußerung nach § 137 Abs. 4 ZPO zu geben.

[X.])
Zutreffend hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, nicht nach den [X.] zum "Vier-Augen-Gespräch"
zu einer [X.]vernehmung ohne zuvor gelungenen
(vgl. dazu: Senat, Urteile vom 8. Juli 2010 -
III ZR 249/09, [X.]Z 186, 152, 155 f Rn. 16 und vom 12. Juli 2007 -
III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 10; Beschlüsse vom 30.
September 2004 -
III ZR 369/03, BeckRS 2004, 09779 und vom 25. Sep-tember 2003 -
III ZR 384/02, NJW 2003, 3636; [X.], Urteile vom 24. Januar 2006 -
XI ZR 320/04, [X.]Z 166, 56, 64 f Rn. 28 f; vom 27. September 2005
-
XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61, 63 und vom 16. Juli 1998 -
I [X.], NJW 1999, 363, 364; [X.], NJW 2001, 2531 f; EGMR, NJW 1995, 1413, 1414)
verpflichtet
zu sein, weil das zwischen den [X.]en geführte [X.] vom 16. September 2007 kein "Vier-Augen-

ist, das eine [X.] ohne "[X.]"
zur Wahrung der Waffengleichheit erforderte. Denn der den [X.] schuldige und nicht über einen Zeugen verfügende Kläger befindet sich zwar in Beweisnot, ist aber gegenüber den [X.]n, die für den Gegenbeweis ebenfalls keinen Zeugen haben, nicht in seiner prozessu-alen Waffengleichheit beeinträchtigt. Dass eine beweispflichtige [X.] nicht oder nicht mehr auf
einen Zeugen zurückgreifen kann, ist nicht
selten und stellt ein allgemeines Prozessrisiko
dar. Diesem wird durch die Regelungen der §§ 445 ff ZPO
bereits
hinreichend Rechnung getragen, ohne dass dabei auf das Erfordernis eines "[X.]es"
zum Ausgleich einer -
hier
nicht vorhandenen -
prozessualen Ungleichheit verzichtet werden müsste.
20
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-

12

-

3.
Soweit dem Kläger und der [X.] der Nachweis von Bera-tungsfehlern gelingt, besteht für deren Ursächlichkeit für den Anlageentschluss eine auf Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung (vgl. st. Rspr.,
z.B. Senat, Urteil von 16. März 2017 -
III ZR 489/16, [X.], 708 Rn. 32 mwN). Dass der [X.] zu 2 die Beratungsfehler zu vertreten hat, wird [X.] vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

4.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aufgrund der
vom Berufungsgericht nicht beanstandeten Ausführungen des [X.]s zur [X.] als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Annahme des [X.] infol-ge grob fahrlässiger Unkenntnis
einzelner
Anlagerisiken im Sinne des
§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird durch die Erwägungen im
erstinstanzlichen Urteil nicht getragen. Das [X.] hat sich allein darauf gestützt, dass der Kläger und die [X.] die Risikohinweise in dem von ihnen unterschriebenen Beratungsprotokoll auf der letzten Seite des dreiseitigen Zeichnungsscheins nicht gelesen haben. Mit der mangelnden optischen Auffälligkeit
dieser [X.] hat es sich lediglich insoweit auseinandergesetzt, als es eine deutlichere grafische Gestaltung nur für Widerrufsbelehrungen für erforderlich und im Übri-gen eine "Sensibilisierung des Anlegers"
durch unterschriftliche Bestätigung der Hinweise für ausreichend gehalten hat. Diese vom Berufungsgericht von sei-nem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht korrigierte
(Hinweisbeschluss vom 17. Juli 2015, S. 4)
Würdigung ist rechtsfehlerhaft.

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-

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-

a)
[X.] fahrlässige Unkenntnis im Sinne des
§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahelie-gende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gege-benen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt ha-ben. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in [X.] eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst"
vorgeworfen werden können. Sein Verhalten muss schlechthin unverständlich"
beziehungsweise "unentschuldbar"
sein. Hierbei unterliegt die Feststellung, ob die Unkenntnis des Gläubigers von ver-jährungsauslösenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruht, als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung einer Überprüfung durch das Revisionsgericht dahin-gehend, ob der Streitstoff
umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß ge-gen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässig-keit verkannt oder bei der Beurteilung des Grads des Verschuldens wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat (siehe nur Senat, Versäumnisurteil vom 23.
März 2017 -
III ZR 93/16, BeckRS 2017, 107457 Rn. 8; Urteile vom 17.
März 2016 -
III ZR 47/15, BeckRS 2016, 06152 Rn. 10 f
und
vom 7. Juli 2011 -
III ZR 90/10, juris Rn. 17).

b)
Die Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der [X.] einen ihm überlassenen Emissionsprospekt (vgl. nur Senat, Urteil vom 17. März 2016, aaO
Rn. 13; Urteile vom 7.
Juli 2011, aaO Rn. 19 und vom 5. Mai 2011
-
III ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871 Rn. 19; [X.], Urteil vom 14. Mai 2012
-
II ZR 69/12, NJW-RR 2012, 1316, 1318 Rn. 19) oder den Text eines ihm nach Abschluss der Anlageberatung zur Unterschrift vorgelegten Zeichnungsscheins 24
25
-

14

-

nicht gelesen hat
(vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 23. März 2017, aaO, Rn.
10). Desgleichen
lässt sich weder allgemeingültig sagen, dass das ungele-sene Unterzeichnen einer Beratungsdokumentation stets den Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von hieraus ersichtlichen Pflichtverletzungen begrün-det, noch ist es zutreffend, allgemein grobe Fahrlässigkeit abzulehnen, wenn ein Anleger eine Beratungsdokumentation ungelesen unterschreibt. Vielmehr ist
eine umfassende Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls
erforder-lich, wie beispielsweise der
inhaltlichen
Erfassbarkeit und grafischen
Auffällig-keit
der Hinweise, des
Ablaufs
und Inhalts
des [X.]s
und des
Zeitpunkts
der Unterzeichnung der Beratungsdokumentation, der
im Zusam-menhang damit getätigten Aussagen, des
Bildungs-
und Erfahrungsstands
des Anlegers oder
des Bestehens eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum Berater.
Der Kontext, in dem es zu der Unterzeichnung der [X.] gekommen ist, darf also nicht ausgeblendet werden (vgl. Senat, [X.] vom 23. März 2017,
aaO).
Dementsprechend sind
gegebenenfalls Feststellungen hierzu nachzuholen.

5.
Der angefochtene Beschluss war danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird in dem neuen Verfahren unter anderem
auch Gelegenheit haben, das
von der

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-

15

-

Revision gerügte Unterlassen einer Vernehmung der
Zeugin H.

D.

zu überprüfen, auf das einzugehen der Senat keine Veranlassung hat.

[X.]
Reiter

[X.]

[X.]
Arend

Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 27.02.2015 -
29 O 24891/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.08.2015 -
8 U 1117/15 -

Meta

III ZR 296/15

20.07.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2017, Az. III ZR 296/15 (REWIS RS 2017, 7655)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7655

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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