Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.09.2011, Az. 27 W (pat) 534/10

27. Senat | REWIS RS 2011, 3277

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ICK BIN 'NE JUTE (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung  30 2009 006 917.4

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 19. September 2011 durch [X.] [X.], [X.] und Richterin Werner

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 10. Februar 2010 wird aufgehoben, soweit damit die Anmeldung für die Waren der

 Klasse 18: Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Leder, Regenschirme, Sonnenschirme

 zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle für Klasse 18 des [X.] hat mit Beschluss vom 10. Februar 2010 die Wort- /Bildmarke 30 2009 006 917.4

Abbildung

2

für die Waren

3

Klasse 18: Taschen, nämlich Aktentaschen, Badetaschen, Campingtaschen, Einkaufstaschen, Handtaschen, Jagdtaschen, Kindertragetaschen, Schultaschen, Sporttaschen, auch Handkoffer, Reisekoffer, Einkaufsnetze, Rucksäcke, Kleidersäcke, Schulranzen; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Leder; Regenschirme, Sonnenschirme;

4

Klasse 22: Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus textilem Material, auch [X.]; [X.]fasern für textile Zwecke; Hängematten; Netzstoffe; Verpackungen aus Stroh, [X.], Flachs, Sisal, Hanf, Rosshaar und/oder Kokosfasern;

5

Klasse 25: Bekleidung, Kopfbedeckungen, Schuhe, auch aus Papier, Lederimitat, [X.] und anderen Naturprodukten, auch Stirnbänder, Schürzen, Gürtel

6

nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 [X.] als nicht unterscheidungskräftige sowie beschreibende Angabe zurückgewiesen.

7

Zur Begründung ist ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handle es sich um eine spruchartige Wortfolge. Diese nehme das Publikum nicht in gleicher Weise wahr wie andere Markenkategorien. Bei Wortfolgen, welche entweder vordergründig eine Werbefunktion hätten oder sich in gesellschaftspolitischen oder in Aufmerksamkeit erregenden bzw. persönliche Gefühle und Empfindungen ausdrückenden Aussagen erschöpften, schließe das angesprochene Publikum gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren.

8

Die vermittelte [X.] sei hier ohne weiteres erkennbar. Sie enthalte die Information, dass die Trägerin derartig beschrifteter Waren eine Gute bzw. die Ware gut bzw. aus dem Material [X.] sei. Die spruchartige Wortfolge beinhalte zwar nicht für alle Waren einen beschreibenden Sachhinweis, es handle sich jedoch um einen Sinnspruch, eine Botschaft an die Umwelt, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation ohne weiteres als Ausdruck persönlicher Gefühle gebräuchlich sei. Derartige Redewendungen fänden in vielfältiger Weise als Aufmerksamkeit erregende Botschaft oder als Beschriftung von Geschenk- und Souvenirartikeln Verwendung. Der vorliegende Ausspruch sei lediglich geeignet, die Gefühle der Käuferschaft anzusprechen oder zum Ausdruck zu bringen, aber nicht, eine Vorstellung über die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen zu vermitteln.

9

Dass es sich bei der angemeldeten Marke um einen mundartlichen Ausdruck handle, führe zu keinem anderen Ergebnis.

Auch durch die graphische Gestaltung (mehrzeilige Schreibweise, unterschiedliche Schriftstärken, bündige Ausrichtung) erhalte das angemeldete Zeichen keine Unterscheidungskraft. Die Graphik weise keine charakteristischen Merkmale auf, aus denen der Verbraucher einen Herkunftshinweis ableite. Sie bewege sich im Rahmen des zur Ausschmückung und Hervorhebung Üblichen.

Gegen den ihr am 12. Februar 2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 11. März 2010.

Darin macht sie im Wesentlichen geltend, bei dem angemeldeten Zeichen stehe weder ein beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund noch handle es sich um eine gebräuchliche Wortfolge oder ein branchenübliches Werbemittel.

Die Wortfolge sei interpretationsbedürftig dahingehend, dass die Trägerin derart beschrifteter Waren selbst, aber auch die Ware gut sein könne, oder dass es sich um das verarbeitete Material handle. Dabei seien die beanspruchten Waren wie z. B. Taschen als Träger von derartigen Sinnsprüchen eher unüblich und würden nicht genutzt, um persönliche Botschaften zu übermitteln. Insbesondere Taschen seien heute zu Statussymbolen geworden, die zwar ideologisch aber dabei nur hinsichtlich des Markennamens zur Schau getragen würden. Für Verpackungsbeutel oder gar Hängematten sei es untypisch und fern ab, diese mit emotionalen Botschaften zu versehen, und der Verbraucher würde diese auch nicht als solche erkennen. Bei den beanspruchten Waren sei jedenfalls eine herkunftshinweisende Verwendung der Wortfolge, etwa als eingenähtes Etikett, möglich.

„[X.]“ sei zumindest wegen der graphischen Elemente eintragbar.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des [X.] vom 10. Februar 2010 aufzuheben und das angemeldete Zeichen wie beantragt einzutragen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Da die Anmelderin keinen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem die Anmelderin ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Beschwerde zu begründen, und zu den Hinweisen der Gerichts Stellung genommen hat (§ 69 [X.]).

2. Der Registrierung des angemeldeten Zeichens als Marke für die streitgegenständlichen Waren mit Ausnahme der im Tenor Genannten steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

a) Für die Beurteilung, ob einer Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, ist auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen, derzufolge diese den Abnehmern die Ursprungsidentität von Waren (und Dienstleistungen) garantieren soll, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren (oder Dienstleistungen) anderer Herkunft zu unterscheiden, auch wenn eine Marke zusätzlich weitere Funktionen, etwa Werbefunktion, haben kann (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027, 1029 - Das Prinzip der Bequemlichkeit; [X.], 949, Rn. 28 - My World).

Kann einer Wortfolge ein für die fraglichen Waren beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um einen Begriff, den die Verbraucher  - auch bei graphischer Gestaltung - nicht als Unterscheidungsmittel auffassen, fehlt jegliche Unterscheidungskraft (vgl. [X.], 1050, 1051 - Cityservice).

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verbraucher zu beurteilen, wobei - wie auch hier - auf die mutmaßliche Wahrnehmung durch einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] GRUR 2004, 943 - SAT.2).

Schlagwortartige Wortkombinationen, wie die hier vorliegende Markenanmeldung "[X.]", unterliegen weder strengeren noch geringeren, sondern den gleichen Schutzvoraussetzungen wie andere Marken. Allein die Tatsache, dass ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, reicht - für sich gesehen - nicht aus, um die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen (vgl. [X.] [X.], 228, [X.]. 44 - Vorsprung durch Technik). Es ist auch nicht erforderlich, dass schlagwortartige Wortfolgen einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. [X.], 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Auch bei schlagwortartigen Wortfolgen ist die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen, wenn - wie bei anderen Markenkategorien auch - ein zumindest enger beschreibender Bezug im eingangs dargelegten Sinn zu den jeweils konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vorliegt und die graphische Gestaltung dies nicht überwindet. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Publikum in Slogans oder schlagwortartigen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn diese eine bloße Werbefunktion ausüben - diese kann z. B. darin bestehen, die Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen anzupreisen - es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zur Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027, 1029 [X.]. 35 - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Wortfolge „[X.]“ für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren mit Ausnahme von Verpackungsbeuteln, -hüllen und -taschen aus Leder, Regenschirmen und Sonnenschirmen jegliche Unterscheidungskraft. Bezüglich der versagten Waren weist das Zeichen einen ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Begriffsinhalt hinsichtlich des verwendeten Materials auf, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird.

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei „[X.] ´NE [X.]“ um eine schlagwortartig gebildete und auch in Anbetracht des Dialekts allgemein verständliche Wortfolge, wobei auch der [X.] keine schutzbegründenden Besonderheiten enthält. Die vermittelte [X.] ist ohne weiteres klar erkennbar. Sie enthält lediglich eine allgemeine, den Leser direkt ansprechende Information dahingehend, dass das Produkt ganz oder teilweise aus [X.] ist.

Dass diese Aussage hier im Dialekt vermittelt wird und in einer Aussageform, in der die Ware in der [X.] „sich spricht“, führt nicht zur Kennzeichnungskraft. Aussagen in Dialektform sind ebenso gebräuchlich wie personifizierte Aussagen „von“ Waren, wie die folgenden Beispiele zeigen: „Ich bin zwei Öltanks“, „Ich war eine Dose“, „Ich war ein Pulli“ u. a.

Soweit die beanspruchten Waren aus [X.] hergestellt sein können, handelt es sich daher bei der Wortfolge „[X.]“ um eine weithin verständliche „Aussage“ der Ware über sich selbst. Handelt es sich dabei - wie hier - um eine sachliche Aussage, so fehlt Unterscheidungskraft.

Insoweit kann auch nicht darauf verwiesen werden, es bestünden Verwendungsmöglichkeiten, bei denen das Zeichen einen Herkunftshinweis vermittelt. Angaben zum Material wirken in jeder Verwendungsform beschreibend und zwar in einem Maße, dass die [X.]“ und „’ne“, die unterschiedlichen Schriftstärken und auch die einfache und werbeübliche graphische Gestaltung mit der vierzeiligen Anordnung und den unterschiedlichen Schriftgrößen und -stärken nicht geeignet sind, Unterscheidungskraft zu erzeugen.

Eine Aussage über die Trägerin der Ware kommt nur bei einer plakativen - ohnehin nicht markenmäßigen - Benutzungsform zum Tragen. Bei anderen Verwendungsformen, die nach der Rechtsprechung (vgl. [X.], 240, 242 - [X.]; [X.], 1100 - Tooor!; [X.], 825 - [X.]; [X.], Beschluss vom 15.01.2010, Az: 27 W (pat) 250/09, BeckRS 2010, 06996 - In [X.]) nicht vernachlässigt werden dürfen, ist eine solche Interpretation nicht in dem Umfang zu erwarten, dass Unterscheidungskraft gegeben wäre.

Anders ist dies bei Verpackungen aus Leder. Hier kann die Wortfolge „[X.]“ nicht als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren verstanden werden. Auch bei Schirmen ist dies nicht zu erwarten, da [X.] nicht als wasserdichtes oder -abweisendes Material bekannt ist und in Verbindung mit Sonnenschirmen nicht üblich ist.

Dass die Wortfolge „[X.]“ blickfangmäßig und dekorativ auf einzelnen Waren angebracht werden könnte - wie die Anmelderin nun auch mit ihrer Stellungnahme vom 10. August 2011 einräumt - und bei einer bestimmten Anbringung dann keinen Herkunftshinweis darstellt, sondern als Statement in Erscheinung tritt, beseitigt die Schutzfähigkeit nicht. Auf eine solche plakative Art der Anbringung ihrer Marke ist die Anmelderin im vorliegenden Fall nämlich nicht beschränkt. Es ist nicht ausgeschlossen, das Zeichen in einer Form an Waren anzubringen, bei der das Publikum darin einen Herkunftshinweis sehen wird. Statements und „Bekenntnisse“ erfolgen in der Regel nicht auf Einnähetiketten oder sonstigen Stellen, an denen sich üblicherweise (auch) Marken befinden. Ist aber eine Art der [X.] nicht ausgeschlossen, bei welcher das Publikum das fragliche Zeichen als Herkunftshinweis nimmt, kann der Kennzeichnung das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden (vgl. [X.], 240, 242 - [X.]; [X.], 1100 - Tooor!; [X.], 825 - [X.]; [X.], Beschluss vom 15.01.2010, Az: 27 W (pat) 250/09, BeckRS 2010, 06996 - In [X.]).

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in Rede stehende Wortfolge - etwa und insbesondere für aus [X.] stammende oder mit dieser Stadt in Zusammenhang stehende Waren - nur als allgemeine Werbeaussage angesehen wird ohne Bezug zu einer bestimmten Ware und zu deren Herkunft aus einem individuellen Unternehmen. Mit einer allgemeinen Werbeaussage, wie etwa „super“ oder „erstklassig“, ist die angemeldete Marke nicht vergleichbar.

3. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 [X.] besteht keine Veranlassung, zumal die Beschwerde nur teilweise Erfolg hat.

4. Der Senat sieht keinen Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 83 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 574 ZPO), weil dies weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, noch Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen, noch der Senat mit dieser Entscheidung von anderen gerichtlichen Entscheidungen abweicht.

Meta

27 W (pat) 534/10

19.09.2011

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.09.2011, Az. 27 W (pat) 534/10 (REWIS RS 2011, 3277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3277

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

28 W (pat) 3/12

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27 W (pat) 250/09

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