Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2006, Az. IX ZR 247/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3581

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 11. Mai 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja [X.] § 91 Abs. 1, § 114; [X.] § 85 Hat der Schuldner Forderungen auf Vergütung gegen die kassenärztliche Vereini-gung abgetreten oder verpfändet, so ist eine solche Verfügung unwirksam, soweit sie sich auf Ansprüche bezieht, die auf nach Eröffnung des [X.] ärztlichen Leistungen beruhen. [X.], [X.]eil vom 11. Mai 2006 - [X.] - [X.][X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006 durch [X.] [X.], die Richter [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 31. Oktober 2003 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung [X.] auch über die Kosten des Revisionsverfahrens [X.] an das [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des in eigener Praxis tätigen Zahnarztes [X.]

(fortan: Schuldner). Dieser hatte der beklagten Bank am 29. September 1975 und am [X.] 1994 alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die für ihn zu-ständige kassenzahnärztliche Vereinigung (fortan: [X.]) sicherheitshalber [X.]. Das Insolvenzverfahren wurde am 23. Januar 2002 eröffnet. In der [X.] vom 24. Januar 2002 bis zum 20. März 2002 überwies die [X.] insgesamt 30.102,26 Euro auf das Konto des Schuldners bei der [X.]. Der Kläger 1 - 3 - verlangt Auskehrung dieses Betrages nebst Zinsen; die Beklagte meint, auf-grund der Abtretung in Verbindung mit der Vorschrift des § 114 [X.] stehe ihr dieser Betrag zu. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zuge-lassen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen [X.]eils. Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 2 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt ([X.] 2004, 32): Die Ansprüche des Schuldners gegen die [X.] seien vor Insolvenzeröffnung wirksam an die [X.] abgetreten worden. Dies folge aus §§ 50, 51 Nr. 1 [X.]. Die Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.], die der Erweiterung der Insolvenzmasse diene, sei weit auszulegen und erfasse auch die hier fraglichen Ansprüche; denn es handele sich um Vergütungen für Dienstleistungen, welche die Existenzgrundlage des Schuldners bildeten. 3 II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Hinsichtlich derjenigen Forderungen des Schuldners gegen die [X.], die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, war die Abtretung gemäß 4 - 4 - § 91 Abs. 1 [X.] unwirksam; die Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.] ändert daran nichts. 5 1. Einem [X.] der Vergütungsansprüche des Schuldners auf die [X.] nach allgemeinen Regeln steht § 91 Abs. 1 [X.] insoweit entge-gen, als die zu vergütende ärztliche Leistung bei Eröffnung des [X.] noch nicht erbracht war. a) Nach § 91 Abs. 1 [X.] können nach der Eröffnung des [X.] Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam er-worben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit [X.] des [X.] beendet. Der [X.] erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung ([X.] 32, 367, 369; 88, 205, 206 f; [X.], [X.]. [X.]. v. 30. Januar 1997 [X.] [X.] ZR 89/96, [X.], 513, 514). [X.] die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des [X.], kann der Gläubiger gemäß § 91 Abs. 1 [X.] kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben ([X.] 135, 140, 145 zu § 15 KO; 162, 187, 190; [X.], [X.]. v. 5. Januar 1955 [X.] IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; v. 20. März 2003 [X.] [X.] ZR 166/02, [X.], 808, 809; MünchKomm-[X.]/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23; [X.]/[X.], [X.]. § 15 Rn. 44). Nur wenn der [X.] bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechts-position hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung [X.]. Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es deshalb darauf an, ob sie bereits mit Abschluss des zugrunde [X.] "betagt", also nur in ihrer Durchsetzbarkeit vom Beginn oder vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig sind, oder ob sie gemäß §§ 163, 158 6 - 5 - Abs. 1 BGB erst mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung ent-stehen. Im letztgenannten Fall hat der Abtretungsempfänger keine gesicherte Rechtsposition ([X.], [X.]. v. 30. Januar 1997, aaO). 7 b) Der Kassenarzt erbringt ärztliche Leistungen aufgrund eines Behand-lungsvertrages dienstvertraglichen Charakters mit dem jeweiligen Patienten ([X.] 76, 259, 261; 97, 273, 276; [X.]/[X.], BGB Vor § 611 Rn. 13; [X.], [X.] 2002, 49, 51; [X.], Z[X.] 2003, 1079, 1081). Sein Vergütungsanspruch richtet sich zunächst gegen die Krankenkasse, welche gemäß § 85 Abs. 1 [X.] nach Maßgabe des Gesamtvertrages für die [X.] vertragsärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die [X.] entrichtet (vgl. [X.], 284, 285 f). Der einzelne Kassenarzt hat keinen betragsmäßig im Voraus definierten [X.] für seine Leistungen, sondern lediglich Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung durch die [X.] (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB IV; vgl. [X.]/Zuck, Medizinrecht § 20 Rn. 39; [X.], in [X.]/[X.], Handbuch des Vertragsarztrechts § 15 Rn. 63). Entgegen [X.] ([X.] 2002, 49, 52) handelt es sich insoweit nicht um einen "Arztlohn", der allein aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kassenarzt und der [X.] stammt. Die Zulassung zur Teilnahme an der vertrags-ärztlichen Versorgung (§ 95 Abs. 1 [X.]) begründet für sich genommen kei-nen Anspruch auf angemessene Entlohnung. Voraussetzung jeglicher Vergü-tungsansprüche ist vielmehr, dass der Kassenarzt vergütungsfähige ärztliche Leistungen erbringt. Diese sind Grundlage des endgültigen Honorarbescheides der [X.]. Abschlagszahlungen, die der Kassenarzt aufgrund satzungsmäßiger Bestimmungen erhalten mag, ändern daran nichts. Der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht ([X.], 291, 295; [X.], [X.]. v. - 6 - 30. Januar 1997, aaO unter [X.]; [X.] NJW 1993, 2699, 2700; aA HambK-[X.]/[X.], § 114 Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 136, 142), gilt damit auch für den Vergütungsanspruch des [X.] gegen die kassenärztliche [X.]. Das vertragsärztliche Vergütungssystem der §§ 82 ff [X.] betrifft die Abrechnung, damit die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs, hat auf dessen Entstehen jedoch keinen Einfluss.
2. Der vom Berufungsgericht als Begründung für seine gegenteilige An-nahme herangezogene § 114 Abs. 1 [X.] gilt nicht für die Vergütungsansprü-che eines [X.] gegen die für ihn zuständige kassenärztliche Vereini-gung. 8 a) Im Rahmen ihres Anwendungsbereichs verdrängt die Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.] diejenige des § 91 Abs. 1 [X.]. 9 aa) Nach der Begründung des [X.] zu § 132 [X.]-E, dem jetzigen § 114 [X.], sollten Vorausabtretungen, Verpfändungen und Pfän-dungen (fortan nur: Abtretungen) eingeschränkt werden, um zu gewährleisten, dass die pfändbaren laufenden Bezüge eines Arbeitnehmers während eines längeren [X.]raums nach der Beendigung des Verfahrens für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen. Blieben Abtretungen wirksam, könnte der Schuldner außerdem im Verhältnis zum derart gesicherten Gläubi-ger keine Restschuldbefreiung erreichen, sondern müsste sich auch nach Ende der Wohlverhaltensperiode und Erteilung der Restschuldbefreiung mit dem pfändungsfreien Betrag seines Einkommens begnügen (BT-Drucks. 12/2443, [X.] f). Beide Argumente setzen die Wirksamkeit der Abtretungen voraus. Dass diese schon nach § 91 Abs. 1 [X.] unwirksam sein könnten, soweit der abgetretene Anspruch erst nach der Eröffnung des Verfahrens entsteht, wird in 10 - 7 - der amtlichen Begründung nicht angesprochen. Im [X.] daran wird die Vorschrift des § 114 [X.] überwiegend als Wirksamkeitsbeschränkung aufge-fasst (Dobmeier, [X.], 144, 148; [X.]/[X.], [X.], 136, 142; [X.], Z[X.] 2004, 1185, 1187; [X.], EWiR 2004, 121, 122; ebenso [X.] ohne Erörterung des § 91 Abs. 1 [X.] [X.] die einhellige Kommentarliteratur, vgl. z.B. HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 114 Rn. 1; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.]s, § 114 Rn. 1 ff; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 114 Rn. 3), zumal auch der Wortlaut der Vorschrift in diese Richtung deutet (".. so ist diese Verfügung nur wirksam, soweit –"). [X.]) Diese auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ge-stützte Auslegung des § 114 Abs. 1 [X.] ist jedoch weder zwingend noch im Ergebnis befriedigend. Der amtlichen Begründung nach wollte der Gesetzgeber keine praktisch nicht anwendbare Vorschrift schaffen. Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 [X.] dürfte in diesem Zusammenhang vielmehr nicht bedacht worden sein. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht die Begründung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 ([X.]), durch das die "Wohlverhaltensperiode" auf sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Frist des § 114 Abs. 1 [X.] von drei auf zwei Jahre verkürzt worden ist (BT-Drucks. 14/5680, S. 17): 11 "Eng mit der Dauer der Wohlverhaltensperiode hängt die Frage zusam-men, ob und gegebenenfalls für welchen [X.]raum Lohnvorausabtretun-gen eine Sonderbehandlung erfahren sollen. Nach § 114 Abs. 1 [X.] sind derzeit Lohnvorausabtretungen für einen [X.]raum von 3 Jahren ab Verfahrenseröffnung wirksam. Begründet wird diese Privilegierung mit dem Hinweis, zahlreiche Verbraucher könnten außer einer Lohnzession keine weiteren Sicherheiten anbieten und müssten bei einer Einschrän-kung dieses Kreditsicherungsmittels Nachteile bei der Kreditversorgung in Kauf nehmen. Die Dauer der Wohlverhaltensperiode und die Privile-gierung von [X.] werden als weitgehend interdependent angesehen. Würde man etwa die Wohlverhaltensperiode auf 5 Jahre - 8 - verkürzen, ohne den [X.]raum der Wirksamkeit von [X.] zu reduzieren, so würde der pfändbare Teil des Einkommens des Schuldners den ungesicherten Gläubigern nur 2 Jahre zur Verfügung stehen –". 12 Der Gesetzgeber des [X.] hat damit klar-gestellt, dass nach seiner Auffassung Vorausabtretungen der Bezüge aus ei-nem Dienstverhältnis für die [X.] nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ge-mäß § 91 Abs. 1 [X.] generell unwirksam wären, wenn es die Vorschrift des § 114 Abs. 1 [X.] nicht gäbe. Die dort getroffene Regelung soll es auch dem Personenkreis ermöglichen, sich einen Kredit zu beschaffen, der in der Regel als Sicherheit nur die Abtretung von Bezügen aus abhängiger Tätigkeit anbieten kann. § 114 Abs. 1 [X.] enthält danach eine Ausnahmevorschrift zu § 91 Abs. 1 [X.], die jeweils gesondert zu prüfen ist (vgl. [X.], Z[X.] 2003, 1129, 1131 f; [X.]/Köke, [X.] 2003, 382, 385 f; für § 110 [X.] ebenso HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 110 Rn. 4).
b) Die Vergütungsansprüche eines [X.] gegen die für ihn zu-ständige [X.] stellen keine Forderungen auf "Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge" im Sinne des § 114 Abs. 1 [X.] dar. 13 aa) Ob Vergütungsansprüche aus selbstständiger Tätigkeit von § 114 Abs. 1 [X.] erfasst werden, ist umstritten (bejahend MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.]s, § 114 Rn. 4; HambK-[X.]/[X.], § 114 Rn. 3; vernei-nend [X.]/[X.], aaO § 114 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], [X.] § 114 Rn. 54; [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 114 Rn. 2; [X.], Z[X.] 2005, 393, 400 f; [X.], Z[X.] 2003, 1129, 1132; [X.], [X.] 2003, 1079, 1083; [X.] Z[X.] 2004, 756). Der [X.] sieht Ansprüche aus privatärzt-lichen Behandlungsverträgen nicht als "fortlaufende Bezüge aus einem Dienst-14 - 9 - verhältnis" im Sinne von § 114 Abs. 1 [X.] an ([X.] 162, 187, 190). Er hat allerdings die Ansprüche eines [X.] gegen die für ihn zuständige kas-senärztliche Vereinigung als "Arbeitseinkommen" im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO eingeordnet ([X.] 96, 324, 326; [X.], [X.]. v. 28. September 1989 [X.] III ZR 280/88, n.v.; ebenso z.B. [X.] InVo 2003, 78 f). Nach nahezu einhelliger Ansicht sollen die Anwendungsbereiche der Vorschriften des § 114 Abs. 1 [X.] einerseits, des § 850 Abs. 2 ZPO andererseits übereinstimmen (FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 114 Rn. 5; [X.]/[X.], aaO Rn. 9; [X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 17; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 5 f; HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 1; HambK-[X.]/[X.], aaO Rn. 3; [X.], [X.] 2002, 49, 51).
[X.]) Beide Auslegungen sind vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Auch Forderungen aus selbstständiger Tätigkeit könnten danach als "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" aufgefasst werden, wenn auch der Gesetzgeber, wie sich aus der Begründung zu § 132 des [X.] ergibt, in erster [X.] an Bezüge von Arbeitnehmern, also Ansprüche aus unselbstständiger Tä-tigkeit gedacht haben mag. Die systematischen Bedenken, die gegen die Ein-beziehung von Ansprüchen aus selbstständiger Tätigkeit geäußert worden sind (vgl. [X.]/Köke, [X.] 2003, 382, 384 f), sind ebenfalls nicht zwingend; denn die einander ergänzenden Vorschriften des § 114 Abs. 1, des § 287 Abs. 2 und des § 295 Abs. 2 [X.] könnten korrespondierend ausgelegt werden (vgl. etwa MünchKomm-[X.]/[X.], § 287 Rn. 38; FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 287 Rn. 50 f; MünchKomm-[X.]/Ehricke, § 295 Rn. 103). 15 cc) Darauf, ob eine Tätigkeit als "selbstständig" oder "unselbstständig" einzuordnen ist, kommt es für die Anwendbarkeit des § 114 Abs. 1 [X.] aber letztlich nicht an. Entscheidend ist vielmehr ein anderer Gesichtspunkt. Die [X.] - 10 - schrift des § 114 Abs. 1 [X.] privilegiert für die Dauer von zwei Jahren Voraus-abtretungen, welche der Masse den Ertrag der Arbeitskraft des Schuldners [X.]. Die Arbeitskraft des Schuldners gehört nicht zur Masse (§ 36 Abs. 1 [X.]); der Schuldner kann zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gezwun-gen werden. § 114 Abs. 1 [X.] verzichtet also auf mögliche, jedoch nicht er-zwingbare [X.] durch dienstleistende Tätigkeiten. Der in eigener Praxis tätige Kassenarzt erzielt sein Einkommen demgegenüber nicht allein aus der Verwertung seiner Arbeitskraft, sondern aus dem Betrieb der Praxis. Damit sind notwendig Ausgaben verbunden, die vom [X.]punkt der Eröffnung des [X.] an von der Masse getragen werden müssen. Nur so können Vergütungsansprüche gegen die [X.] erwirtschaftet werden. Ansprüche, welche die Begründung von Masseverbindlichkeiten vor-aussetzen, werden von § 114 Abs. 1 [X.] jedoch nicht erfasst. (1) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Verwalter nach Maßgabe der §§ 103 ff [X.] über die Erfüllung der noch vom Schuldner ge-schlossenen, nunmehr die Masse berechtigenden und verpflichtenden [X.] zu entscheiden. Er kann zum Beispiel Erfüllung eines von beiden [X.] nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrages verlangen oder aber des-sen Erfüllung ablehnen (§ 103 Abs. 1 [X.]), die gemäß § 108 Abs. 1 [X.] [X.] fortbestehenden Miet- oder [X.] über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, die der Schuldner als Mieter oder Pächter [X.] war, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 109 Abs. 1 [X.]) beenden sowie Dienstverhältnisse, bei denen der Schuldner der [X.] ist, binnen einer Frist von längstens drei Monaten kündigen (§ 113 [X.]). In der Insolvenz eines [X.] können diese Befugnisse insbeson-dere hinsichtlich der Praxisräume und des angestellten Personals von Bedeu-tung sein. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Verwalters, über Fortbestand oder 17 - 11 - Beendigung der in §§ 103 ff [X.] genannten Verträge zu entscheiden. Maßstab der zu treffenden Entscheidung ist die bestmögliche Verwertung des [X.] zum Zwecke der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubi-ger (§ 1 Satz 1 [X.]). 18 (2) Wäre § 114 Abs. 1 [X.] auch auf die Vergütungsansprüche eines [X.] gegen die [X.] anwendbar, hätte der Verwalter bei seiner Entscheidung darüber, ob Verträge fortgesetzt oder been-det werden sollen, die Abtretung der aus der kassenärztlichen Tätigkeit stam-menden Vergütungsansprüche für einen [X.]raum von zwei Jahren ab Eröff-nung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Um [X.] zu vermeiden, müsste er sämtliche Verträge beenden, was notwendig auch zu [X.] führen würde. Mit diesem Ergebnis wäre auch dem [X.] nicht gedient, dessen Sicherheit nicht durch die Insolvenz-eröffnung, aber durch das Ende der ärztlichen Tätigkeit des Schuldners wertlos würde. (3) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäu-ßerten Ansicht der [X.] enthält § 114 Abs. 1 [X.] keine Verpflichtung des Verwalters, für die Dauer von zwei Jahren von der Beendigung der zum Betrieb der Praxis erforderlichen Dauerschuldverhältnisse abzusehen, um die durch die Abtretung der Vergütungsansprüche begründete Sicherheit nicht zu entwerten. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und auch Sinn und Zweck der Vorschrift [X.] keinerlei Anhalt für diese Annahme. Verschiedene Vorschriften des [X.] des [X.] (§§ 103 ff), zu dem auch § 114 [X.] gehört, dienen dazu sicherzustellen, dass Wertschöpfungen aus Mitteln der Masse der Gemeinschaft der Gläubiger zugute kommen, nicht nur einzelnen bevorrechtigten Gläubigern (vgl. zu §§ 17 KO, 103 [X.] etwa [X.] 19 - 12 - 106, 236, 244; 116, 156, 159 f; 129, 336, 339; 150, 353, 359 f; Münch-Komm/[X.], § 103 Rn. 2). So ordnet § 105 [X.] für teilbare Leistungen an, dass der Anspruch auf die Gegenleistung für vor Insolvenzeröffnung an den Schuldner erbrachte Teilleistungen nur eine Insolvenzforderung darstellt, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung noch ausstehender Leistungen verlangt. Gemäß § 108 Abs. 2 [X.] kann der Vertragsgegner Ansprüche aus einem [X.] Dauerschuldverhältnis für die [X.] vor Eröffnung des [X.] ebenfalls nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. § 114 Abs. 1 [X.] enthält insoweit eine Ausnahme von diesem Grundsatz, als der Ertrag der Arbeitskraft des Schuldners nach Insolvenzeröffnung in einem [X.]raum von zwei Jahren nur dem [X.] zugute kommt. Diese Ausnahme [X.] ihre Rechtfertigung darin, dass die Arbeitskraft des Schuldners als solche nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 36 Abs. 1 [X.]). Eine Erweiterung auf Mas-sebestandteile, deren Ertrag der Gesamtheit der Gläubiger gebührt, kommt [X.] nicht in Betracht. [X.]) Entgegen der Annahme von [X.] ([X.] 2002, 49, 53) kann der notwendige Schutz der Masse nicht im Wege der Festsetzung eines die Kosten der Fortführung der Praxis deckenden Freibetrages gemäß § 36 Abs. 4 [X.], § 850f ZPO bewirkt werden (vgl. zur Möglichkeit, Werbungskosten bei der Be-rechnung des unpfändbaren Betrages bei sonstigen Vergütungen im Sinne von § 850i ZPO zu berücksichtigen, [X.], [X.]. v. 20. März 2003 [X.] [X.] ZB 388/02, [X.], 980, 983 f). Die Festsetzung des [X.] nach den genannten Vorschriften käme allein dem Schuldner zugute, ohne jedoch die Masse zu entlasten. Nach § 36 [X.] wird das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners bestimmt, das nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters (§ 80 Abs. 1 [X.]) unterliegt. Der Verwalter hat keinen Einfluss auf die Verwendung der pfändungsfreien Beträge. An der grundsätzlichen Haftung 20 - 13 - der Masse für die noch vom Schuldner begründeten und vom Verwalter nicht beendeten Verträge würde sich durch einen Freibetrag ebenfalls nichts ändern. 21 ee) Die vom Senat gewählte Lösung steht nicht in Widerspruch zur Ent-scheidung [X.] 96, 324 ff., welche die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 850 ff ZPO auf die Ansprüche eines [X.] gegen die [X.] bejaht hat. (1) Die Vorschrift des § 850 ZPO verfolgt andere Ziele als diejenige des § 114 Abs. 1 [X.]. § 850 ZPO sichert dem Schuldner einen der Pfändung ent-zogenen Anteil an Vergütungen für Dienstleistungen, die seine Existenzgrund-lage bilden, weil sie seine Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen ([X.] 96, 324, 327). § 114 Abs. 1 [X.] betrifft [X.] nur pfändbares Vermögen des Schuldners. Es geht hier um die [X.], ob und in welchem Umfang Vergütungsansprüche des Schuldners dem Ab-tretungsempfänger oder aber der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommen. Schon deshalb müssen die beiden auch ihrem Wortlaut nach verschiedenen Vorschriften nicht notwendig gleich ausgelegt werden. 22 (2) In der praktischen Handhabung beider Vorschriften sind widersprüch-liche Ergebnisse nicht zu befürchten. Der Schuldner könnte zwar gemäß § 36 Abs. 4 [X.] eine Entscheidung des Insolvenzgerichts dahingehend beantragen, dass der unpfändbare Teil der kassenärztlichen Vergütung an ihn auszukehren sei. Die Möglichkeit eines Antrags auf Unterhalt aus der Insolvenzmasse hat der Schuldner in jedem Fall (§ 100 [X.]); etwa vorab an ihn auszukehrende Anteile an dem Vergütungsanspruch würden dann auf seinen [X.] angerechnet werden. Werbungskosten könnten bei der Berechnung des Freibetrages schon deshalb nicht zugunsten des Schuldners berücksichtigt 23 - 14 - werden, weil während der Dauer des Insolvenzverfahrens die Masse für den Betrieb der Praxis aufzukommen hat. III. 24 Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 ZPO). Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, wann die Forderungen des Schuldners gegen die [X.] entstanden sind, die Grundlage der Überweisungen waren. Die Sache muss deshalb zur [X.] und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dazu weist der Senat auf folgenden rechtlichen Gesichtspunkt hin: Trotz § 91 Abs. 1 [X.] ist eine Abtretung wirksam, wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte [X.] erworben hatte, die der Zedent durch einseitiges Verhalten nicht mehr zu zerstören vermag ([X.], [X.]. v. 5. Januar 1955, aaO; v. 30. Januar 1997, aaO; v. 17. November 2005 [X.] [X.] ZR 162/04, [X.], 144, 145; MünchKomm-[X.]/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23; vgl. auch [X.] 155, 87, 93 f). Der [X.] des [X.] entsteht dem Grunde nach, sobald der Arzt vergütungsfähige Leistungen erbracht hat. Fällig werden mag der Anspruch erst mit dem endgültigen Honorarbescheid der [X.], der aufgrund der in den [X.] (§ 83 [X.]) ausgehandelten Gesamt-vergütung (§ 85 Abs. 1 [X.]) und des von der [X.] festgesetzten Verteilungs-maßstabes (§ 85 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.]) ergeht (vgl. [X.], 284, 285). 25 - 15 - Auf die Fälligkeit des abgetretenen Anspruchs kommt es im Rahmen des § 91 Abs. 1 [X.] jedoch nicht an. Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.02.2003 - 10 [X.]/02 - O[X.], Entscheidung vom 31.10.2003 - I-4 U 110/03 -

Meta

IX ZR 247/03

11.05.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2006, Az. IX ZR 247/03 (REWIS RS 2006, 3581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3581

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I-4 U 110/03 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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