Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2012, Az. IV ZR 207/12

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 137

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Gegenstand

Erbvertrag mit Pflegeverpflichtung: Rücktritt bei nachträglicher Unmöglichkeit der Betreuungsleistung


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 29. Mai 2012 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen

vier Wochen.

Gründe

1

I. Die Klägerin nimmt den [X.]n auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrages in Anspruch. Mit notariellem Vertrag vom 15. April 1981 setzte die Klägerin den [X.]n zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des [X.]n weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der [X.] berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung des Grundstücks zu verlangen. Der [X.] seinerseits verpflichtete sich, "die Erschienene zu 1. in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne daß dafür geldwerte Mittel von [X.] oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind".

2

Der [X.] wohnte seit 1980 zunächst in einer eigenen Wohnung im Haus der Klägerin, bis er Anfang 1993 nach Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auszog. Am 19. April 1999 forderte die Klägerin den [X.]n schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag und seine Pflegeverpflichtung auf, bis zum 1. Mai 1999 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen erbrachte der [X.] in der Folgezeit nicht. Am 20. Juni 2007 zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch gegenwärtig noch aufhält. Am 18. Januar 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit Frühjahr 1999 geringfügig und seit Anfang des Jahres 2005 in größerem Umfang auf Pflege angewiesen gewesen sei. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr mit Urteil vom 12. Januar 2010 stattgegeben. Der [X.] hat dieses Urteil mit Beschluss vom 5. Oktober 2010 ([X.], [X.] 2011, 254) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage nach ergänzender Beweisaufnahme erneut stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]n.

3

II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

4

1. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.

5

a) Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Nähere Ausführungen dazu, worauf sich der [X.] im Einzelnen beziehen soll, enthält das Urteil nicht. Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher Anlass besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt ([X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 292). Eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kommt neben den Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG insbesondere in Fällen der Divergenz in Betracht, wenn also die anzufechtende Entscheidung von derjenigen eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.] aaO 292 f.). Ferner kann die Zulassung der Revision wegen Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr bei Zugrundelegung eines falschen rechtlichen Obersatzes in Frage kommen.

6

b) Diese Zulassungsgründe liegen hier nicht vor. Vielmehr hat der [X.] bereits mit seinem Beschluss vom 5. Oktober 2010 ([X.], [X.] 2011, 254) die für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen rechtlichen Grundsätze im Einzelnen dargelegt. Hiernach werden von dem [X.] Klägerin im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten geschuldet (aaO Rn. 12). Eine gesonderte Geldzahlungsverpflichtung zum Ausgleich des sich für die Klägerin infolge ihres Umzugs in das Alten- und Pflegeheim ergebenden Aufwandes trifft den [X.]n nicht (aaO Rn. 10). Der [X.] hat ferner klargestellt, dass für die Klägerin ein Rücktritt vom Erbvertrag gemäß § 2295 [X.] auch im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung gemäß § 275 Abs. 1 [X.] in Betracht kommt (aaO Rn. 12). Voraussetzung hierfür ist, dass der [X.] selbst ohne zusätzlich von ihm zu erbringenden finanziellen Aufwand nicht mehr in der Lage ist, für die Pflege der Klägerin zu sorgen. Das ist dann der Fall, wenn eine Pflege der Klägerin durch den [X.]n im häuslichen Bereich nicht mehr möglich ist, weil nur noch in einem Alten- und Pflegeheim eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung geleistet werden kann. Diesen Inhalt der Leistungsverpflichtung des [X.]n und den Begriff der Unmöglichkeit hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt. Dabei geht es entgegen der Auffassung der Revision nicht darum, dass der [X.] verpflichtet gewesen wäre, selbst eine professionelle Pflege zu erbringen, wie sie geschultes Personal in einem Alten- und Pflegeheim zu leisten imstande ist. Maßgebend ist, dass die vom [X.]n zu leistende persönliche Pflege dann nicht mehr möglich ist, wenn der bezweckte Erfolg dieser häuslichen Pflege deshalb nicht mehr erreicht werden kann, weil bei der Klägerin ein Pflegebedarf besteht, der eine sachgerechte Betreuung nur noch durch professionelle Fachkräfte in einem Alten- und Pflegeheim erlaubt.

7

Ein so verstandener Begriff der Leistungsverpflichtung des [X.]n und der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 [X.] führt nicht zu einer einseitigen Risikoübernahme seitens des vertraglich Bedachten (so [X.], [X.] 2012, 89, 95 f.). Vielmehr wird ein angemessener Risikoausgleich zwischen den Vertragsparteien erzielt. Der [X.] ist persönlich lediglich zu Pflegeleistungen im Rahmen seiner Möglichkeiten im häuslichen Umfeld der Klägerin verpflichtet. Er muss sich ferner nicht an den finanziellen Lasten beteiligen, die mit dem Umzug der Klägerin in das Alten- und Pflegeheim und dem damit verbundenen Wegfall seiner Pflegeverpflichtung verbunden sind. Umgekehrt hat der [X.] keinen Anspruch darauf, dass seine vertragliche Einsetzung als Erbe erhalten bleibt, wenn er selbst die von den Vertragsparteien vorgesehene Verpflichtung zur Pflege bisher tatsächlich nicht erbracht hat und auch in Zukunft nicht wird erbringen können.

8

2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht - wie dargelegt - die Leistungspflicht des [X.]n rechtsfehlerfrei bestimmt. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass es in Übereinstimmung mit dem [X.]sbeschluss vom 5. Oktober 2010 eine nachträgliche Unmöglichkeit i.S. von §§ 2295, 275 Abs. 1 [X.] für den Fall angenommen hat, dass eine adäquate medizinische und pflegerische Versorgung der Klägerin durch den [X.]n im häuslichen Bereit Mitte des Jahres 2007 nicht mehr möglich war. Das Berufungsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme schließlich auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dies der Fall war. Hierbei hat es sich auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. B.     sowie die Aussagen der Zeugen S.     und [X.]gestützt. Die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme obliegt dem Tatrichter. Sie ist im Revisionsverfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob dieser sich mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist sowie nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungsgesetze verstößt (vgl. [X.]/[X.], ZPO 29. Aufl. § 546 Rn. 13; [X.]/[X.] ebenda § 286 Rn. 23). Derartige Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der [X.] hat die Einwendungen der Revision geprüft und erachtet sie für nicht durchgreifend.

9

[X.] gegen seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Die Sachverständige hat die für sie maßgebenden Umstände in dem schriftlichen Gutachten vom 5. Januar 2012 sowie in ihrer Anhörung vom 9. Mai 2012 im Einzelnen dargelegt. Wenn der [X.] meint, dass er selbst oder ihn unterstützende Familienangehörige gleichwohl in der Lage seien, den von der Sachverständigen umschriebenen Pflegebedarf zu erfüllen, so hätte er dies bereits im Berufungsverfahren vortragen können und müssen. Eines gesonderten Hinweises des Berufungsgerichts hierzu bedurfte es nicht.

[X.]                          [X.]                                     Dr. Karczewski

               [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 207/12

19.12.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 29. Mai 2012, Az: 12 U 67/09, Urteil

§ 275 Abs 1 BGB, § 323 Abs 1 BGB, § 2295 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2012, Az. IV ZR 207/12 (REWIS RS 2012, 137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 137


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 207/12

Bundesgerichtshof, IV ZR 207/12, 26.02.2013.

Bundesgerichtshof, IV ZR 207/12, 19.12.2012.


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