Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.08.2013, Az. 28 W (pat) 61/12

28. Senat | REWIS RS 2013, 3602

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "VOICE SCARF" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2010 042 985.2

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2013 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] und Paetzold

beschlossen:

Die Beschlüsse des [X.], Markenstelle für Klasse 12, vom 16. März 2011 und 12. April 2012 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 vom 16. März 2011 durch ein Mitglied des gehobenen Dienstes die für die Waren

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3

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angemeldete Bezeichnung

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[X.] [X.]

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nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die aus den zum [X.] Grundwortschatz gehörenden Begriffen „[X.]“ für „Stimme“ und „[X.]“ für „Schal, Halstuch“ zusammengesetzte angemeldete Marke wiesen in einer für den angesprochenen Verkehr verständlichen Art nur darauf hin, dass die so gekennzeichneten beanspruchten Waren der Klasse 9 technische Geräte mit stimm- bzw. sprachunterstützenden Funktionen seien, die in einen Schal eingebettet seien oder die sich in einem Halstuch befänden; für die in Klasse 12 beanspruchten Kraftfahrzeuge wiederum gebe die Marke nur an, dass sie im Rahmen einer (sprach-) behindertengerechten Ausstattung über entsprechende [X.] verfügten, die mittels solcher in einem Schal oder Halstuch befindlichen Geräte bedient werden könnten. Für ein solches Verständnis spreche vor allem, dass es solche Geräte bereits gebe, wie die (dem Beschluss als Anlage beigefügte) Beschreibung eines Anwendungsprogramms („App“) für Smartphones mit dem Namen „[X.]“ zeige, der zu Folge das Smartphone in einer eigens hierfür vorgesehenen Stelle in einem Schal eingehängt werde und die in ihm gestartete [X.] beim Sprechen unterstütze.

9

Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das [X.] mit Beschluss vom 12. April 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, die vom [X.] dargelegte Bedeutung der angemeldeten Marke ergebe sich, auch wenn die Verwendung des entsprechenden Begriffs bislang nicht nachweisbar sei, ohne Weiteres daraus, dass die Marke [X.] gebildet sei und sich in vergleichbare Begriffsbildungen mit dem Wort „Voice“ wie „[X.]“, „[X.]“, „[X.]“, „[X.]“ u.Ä. einreihe. In der genannten Bedeutung sei das Anmeldezeichen auch entgegen der Ansicht der Anmelderin für sämtliche beanspruchten Waren unmittelbar beschreibend, denn wenn bei einem entsprechenden Schal solche technischen Vorrichtungen eingebettet seien oder sonst dabei zur Anwendung kämen, könne es sich um beliebige der beanspruchten Waren in Form eines Schals oder in Gestaltung eines Schals mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten im Hinblick auf Sprache handeln. Diese technischen Geräte könnten auch Bestandteile von Fahrzeugen sein; so liege es z. B. nahe, mit entsprechenden Voice Scarfs wesentliche Funktionen des Fahrzeugs lediglich durch die Stimme und nicht durch händische Eingriffe zu steuern o. ä.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Anmelderin weiterhin die Eintragung ihrer Marke für die angemeldeten Waren. Hierzu macht sie im Wesentlichen geltend, auch wenn die angemeldete Bezeichnung mit „[X.]“ übersetzt werde, könne der Verkehr ihm nicht unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken ein beschreibendes Merkmal der beanspruchten Waren entnehmen. Mit den anderen „[X.] sei die [X.] nicht vergleichbar, da sie anders als diese mit dem zweiten Bestandteil nicht unmittelbar die Waren oder ihre Funktionen benenne. „[X.]“ weise aber nicht hinreichend unmittelbar und sofort ersichtlich auf ein mögliches Merkmal der beanspruchten Waren hin; solche Merkmale könnten sich dem Verkehr vielmehr allenfalls erst nach weiteren gedanklichen Schlussfolgerungen erschließen.

Die Anmelderin hat schriftlich sinngemäß beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 12 vom 16. März 2011 und vom 12. April 2012 aufzuheben.

An der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin entsprechend vorheriger Ankündigung nicht teilgenommen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Marke kann die Eintragung nach § 37 Abs. 1 [X.] nicht versagt werden, da es sich bei ihr weder um eine freihaltungsbedürftige Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] handelt noch ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist.

Entgegen der Ansicht des Patentamtes steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung nicht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Dies wäre nur der Fall, wenn die [X.] zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. [X.], [X.] 2004, 450, 453 [Rz 32] – [X.]; [X.] 2008, 160, 162 [Rz. 35] - [X.]) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestünde, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu [X.], 1093, 1094 – [X.]; [X.], 211, 232 – [X.]), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. [X.], 417, 419 – [X.]); denn in einem solchen Fall stünde der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – [X.]; [X.], 680, 681 Rn. 35, 36 – [X.]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Allerdings hat die Markenstelle, was auch die Anmelderin im Beschwerdeverfahren nicht beanstandet, im Ausgangspunkt zutreffend festgestellt, dass die [X.] aus zwei zum [X.] Grundwortschatz gehörenden Begriffen besteht und mit „Stimm(en)-Schal“ oder „Stimm(en)-Halstuch“ übersetzt werden kann. Mit dieser Bedeutung werden aber keine möglichen Merkmale der beanspruchten Waren beschrieben. Denn sprachlich weist die angemeldete Kennzeichnung allein auf einen - mit dem weiteren Bestandteil „[X.]“ (Stimme) näher eingegrenzten – Schal bzw. auf ein Halstuch hin. Die technischen Geräte, die mit der angemeldeten Marke gekennzeichnet werden sollen, sind aber weder ein Schal oder ein Halstuch noch sind sie unmittelbar dazu geeignet oder bestimmt, mit einem Schal oder einem Halstuch verwendet zu werden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der vom [X.] zitierten Fundstelle über ein Anwendungsprogramm für Smartphones, das der Sprachunterstützung von [X.] dient. Selbst wenn man diese technische Lösung nicht nur auf ein Softwareprogramm, sondern auf alle – unter Klasse 9 im Warenverzeichnis der angemeldeten Marke fallende – technische Geräte bezieht, die eine Hilfsfunktion für Stimmbehinderungen ausüben, bezeichnet die angemeldete Kennzeichnung nicht Merkmale dieser Geräte, die mit ihnen hinreichend eng in Bezug stehen (vgl. [X.], 417, 419 – [X.]). Denn der Ort, wo diese Geräte am menschlichen Körper getragen werden können, hängt nicht von (besonderen) Ausstattungsmerkmalen dieser Geräte ab, sondern umgekehrt von den Merkmalen des Aufbewahrungs- oder Tragegegenstandes. Soweit sie wie in dem von der Markenstelle genannten Beispiel in einem Schal getragen werden, richtet sich die technische Durchführung einer solchen Befestigung des technischen Geräts (im genannten Beispiel also des Smartphones) am oder im Schal nach dessen Machart (die im genannten Beispiel in der Anbringung einer das Smartphone aufnehmenden Einstecktasche zu sehen ist), nicht aber an technischen Merkmalen des verwendeten Geräts, das grundsätzlich an jedem an seine Form angepassten Ort aufbewahrt werden kann. Insofern vermag das von der Markenstelle genannte Beispiel keinen Hinweis darauf zu geben, dass die [X.] als Angabe möglicher Merkmale der vorliegend beanspruchten Waren ernsthaft in Betracht käme.

In ihrer Gesamtheit beschreibt die angemeldete Bezeichnung auch nicht wegen des zweiten Bestandteils „[X.]“ mögliche Merkmale der beanspruchten Waren. Allerdings könnte eine solche beschreibende Bedeutung diesem Bestandteil für sich genommen entnommen werden, weil es, wie auch das von der Markenstelle genannte Beispiel belegt, bekanntlich Hard- und Software gibt, die sprach- und stimmunterstützende Funktionen haben. Eine beschreibende Bedeutung könnte der [X.] hieraus aber nur dann entnommen werden, wenn dieser Bestandteil vom weiteren Bestandteil „[X.]“ sprachlich getrennt werden könnte und damit als eigenständiger Hinweis auf mögliche Sacheigenschaften der gekennzeichneten Waren anzusehen wäre; handelt es sich demgegenüber bei der [X.] um einen [X.], dessen (sprachliche) Bedeutung über die bloße Zusammenfügung ihrer Einzelbestandteile hinausgeht, scheidet ein solcher isolierter (Sach-)Bezug dieses einzelnen Bestandteils auf die gekennzeichneten Waren aus (vgl. [X.] [X.], 680, 681 Rn. 35, 36 – [X.]). Letzteres ist hier aber der Fall, weil der Bestandteil „[X.]“ sprachlich eine Einheit mit dem nachfolgenden Begriff „[X.]“ bildet und dabei in [X.]er Form einer Nominalkonstruktion den nachgestellten Begriff adjektivisch eingrenzt. Um den Bestandteil „[X.]“, der sprachlich sich allein auf den nachfolgenden, mögliche Eigenschaften der gekennzeichneten Waren nicht bezeichnenden Begriff „[X.]“ bezieht, stattdessen eine Information über diese Waren entnehmen zu können, müsste also zunächst der [X.] aufgelöst und in seine einzelnen Bestandteile isoliert werden. Da der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Bezeichnung aber nur zugrunde gelegt werden darf, in welcher Form sie dem Verkehr entgegentritt, verbietet sich eine solche sprachliche Analyse der einzelnen Bestandteile der angemeldeten Gesamtbezeichnung als Grundlage für die Annahme, ein Bestandteil beschreibe isoliert vom anderen mögliche Merkmale der beanspruchten Waren. Da die hier zu beurteilende angemeldete Bezeichnung aber sprachlich einen Schal mit Stimmenfunktion (gleich welcher Art) benennt, die beanspruchten Waren aber, wie bereits oben dargelegt wurde, weder unter den Oberbegriff Schal fallen noch aufgrund ihrer technischen Gegebenheiten dazu geeignet und bestimmt sind, zusammen mit Schals verwendet zu werden, beschreibt auch der Bestandteil „[X.]“ keine möglichen Eigenschaften der mit der Marke in ihrer Gesamtheit gekennzeichneten Waren.

Mangels eines beschreibenden Inhalts ist die angemeldete Bezeichnung für die angemeldeten Waren auch nicht nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen. Denn die Unterscheidungskraft fehlt einer Kennzeichnung nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - SAT.2), nicht geeignet ist, diese Waren in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] – [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – [X.]/Remington; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] - [X.]; [X.] 2003, 450, 453 [Rz. 32] - [X.]; [X.] 2004, 99, 109 [Rz. 97] - [X.]; [X.] 2004, 111, 115 [Rz. 38] – [X.]; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit; [X.], 1151, 1153 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – [X.]; [X.], [X.], 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).; [X.] 2004, 111, 115 [Rz. 39 f.] – [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 28] - SAT.2; [X.], 229, 230 [Rz. 29] - BioID; [X.] 2007, 204, 209 [Rz. 77 f.] - [X.]). Einen solchen Eignungsmangel lässt sich aber aus den oben zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dargelegten Gründen vorliegend gerade nicht feststellen, so dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann.

Da der [X.] somit im Ergebnis die Eintragung nach § 37 Abs. 1 [X.] nicht wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] versagt werden kann, waren die anderslautenden Beschlüsse auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.

Meta

28 W (pat) 61/12

07.08.2013

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.08.2013, Az. 28 W (pat) 61/12 (REWIS RS 2013, 3602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3602

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