Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2011, Az. 3 StR 17/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9712

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[X.] vom 8. Februar 2011 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Oktober 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwen-digen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision erhebt der Angeklagte die allgemeine Sachrüge. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg. 1 1. Nach den Feststellungen sagte der Nebenkläger, der sich über das Verhalten des Angeklagten - seines [X.] - geärgert hatte, "[X.] bescheuerte Mutter kannst du gleich mitnehmen." Der alkoholisierte Angeklagte ([X.]) war sehr wütend und empört über dieses Verhal-ten des [X.]s, das er nicht länger ertragen konnte und hinnehmen wollte. Er lief mit den Worten "[X.] reicht es jetzt, jetzt bringe ich ihn um und danach [X.]" in die Küche, entnahm einem Messerblock ein Fleischermesser mit einer Klingenlänge von 20,5 cm, drehte sich um und stach mit dem Messer in Tö-tungsabsicht wuchtig in den Unterbauch des auf ihn zugehenden [X.]s, der dadurch eine akut lebensgefährliche Verletzung erlitt. Der Angeklagte zog das Messer heraus und hob den Arm mit dem Messer, um nochmals in Tö-tungsabsicht zuzustechen. Dem Geschädigten gelang es, das Handgelenk des Angeklagten festzuhalten und zu schütteln, sodass dieser das Messer fallen ließ, das neben dem Messerblock auf der Arbeitsplatte zum Liegen kam. Er schubste den Angeklagten auf den Fußboden, stürzte sich auf ihn, setzte sich auf dessen Unterleib und schlug ihn. Als er alsbald bemerkte, dass aus der Stichverletzung Darmgewebe austrat, ließ er sich vom Körper des Angeklagten auf den Boden fallen. Der Angeklagte, der nunmehr ebenfalls die Stichverlet-zung wahrnahm, drückte zunächst auf Anweisung seiner Mutter ein Küchen-handtuch auf die Wunde. Er befürchtete nun, sein immer schwächer werdendes Opfer könne versterben, bekam deshalb erhebliche Angst und lief davon. Das [X.] hat einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Totschlag mit der Begründung verneint, es handele sich um einen fehlgeschla-genen, einen strafbefreienden Rücktritt ausschließenden Versuch, weil der An-geklagte nicht in der Lage gewesen sei, auf den Nebenkläger nochmals mit dem [X.] einzustechen und damit seinen ursprünglichen Tötungsplan mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verwirklichen. Einen minder schweren Fall nach § 213 1. Alt. StGB hat es verneint, weil der Angeklagte nicht 3 - 4 - durch eine Provokation zum Zorne gereizt und hierdurch "auf der Stelle" zur Tat hingerissen worden sei. Auch ist es davon ausgegangen, dass kein minder schwerer Fall des § 213 2. Alt. StGB vorliegt, und hat die Strafe dem wegen des Versuchs gemilderten Strafrahmens des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. 2. Der Schuldspruch kann bestehen bleiben. Zwar ist die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte zu dem Zeit-punkt, als der [X.] alsbald nach dem Messerstich von ihm abließ, das in der Nähe liegende [X.] nochmals hätte ergreifen und mit diesem ohne wesentliche zeitliche Zäsur die Tat hätte vollenden können (vgl. [X.], StGB, 58. Aufl., § 24 Rn. 11). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist jedoch, unabhängig vom Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach dem Messerstich, von einem beendeten Versuch auszugehen, von dem der Angeklagte nicht wirksam zurücktreten konnte, weil er die Tatvollendung nicht durch eine eigene Tätigkeit verhinderte. Der Angeklagte erkannte im engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem lebensgefährlichen [X.], dass der Nebenkläger an der zugefügten Verletzung versterben könne, und entfernte sich in diesem Wissen, ohne sich weiter um den schwer verletz-ten [X.] zu kümmern. Ein Versuch ist auch dann beendet, wenn der Täter bei unverändert fortbestehender Handlungsmöglichkeit mit einem tödlichen Ausgang zunächst nicht rechnet, unmittelbar darauf aber erkennt, dass er sich insoweit irrte ("korrigierter Rücktrittshorizont", vgl. [X.], Beschluss vom 6. [X.] 2008 - 5 [X.], [X.], 212 f.; [X.], aaO, Rn. 15a [X.]). 4 3. Die Begründung, mit der die Strafkammer einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 1. Alt. StGB abgelehnt hat, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Urteil war daher im Strafausspruch aufzuheben. 5 - 5 - Nach den Feststellungen war Auslöser der Tat die Wut des Angeklagten über das Verhalten des [X.]s, das er nicht mehr ertragen konnte, nach-dem er und seine Mutter von ihm beleidigt worden waren. Unmittelbar nach den Beleidigungen lief er in die Küche, ergriff das [X.] und stach es wuchtig in den Bauch des [X.]. Unter diesen Umständen kommt in Betracht, dass er durch eine ihm und seiner Mutter zugefügte schwere Beleidigung zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist. 6 Soweit das [X.] zur Begründung seiner Wertung, der Angeklagte sei durch die Beleidigungen nicht "auf der Stelle" zur Tat hingerissen worden, auf die vorangegangen Ausführungen verweist, mit denen es eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit aufgrund eines Affektes verneint hat, hat es einen falschen Maßstab für die Prüfung des Merkmals "auf der Stelle zur Tat hingerissen" angelegt. Denn entscheidend kommt es darauf an, ob der Täter die Tat unter dem beherrschenden Einfluss einer anhaltenden Erregung über die Provokation beging, die nicht die Erheblichkeit des § 21 StGB erreichen muss (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 1990 - 5 [X.], [X.]R StGB § 213 1. Alt. [X.] 1; [X.], aaO, § 213 Rn. 9a). Dazu verhalten sich die Urteilsgründe nicht. 7 - 6 - Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. 8 [X.] von [X.] [X.][X.]

Meta

3 StR 17/11

08.02.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2011, Az. 3 StR 17/11 (REWIS RS 2011, 9712)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9712

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