Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.02.2010, Az. V ZR 98/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8887

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruchsverjährung: Hemmung der Verjährung durch die unwirksame Zustellung eines Mahnbescheids


Leitsatz

Die unwirksame Zustellung des Mahnbescheids hindert den Eintritt der Verjährungshemmung nicht, wenn der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 8. April 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. Juli 2002 erwarb die Beklagte von der Klägerin ein Hausgrundstück für 173.840 €. Sie zahlte den Kaufpreis nicht. Am 27. Mai 2003 gab sie das Grundstück zurück und teilte der Klägerin mit, dass sie keine Einwände gegen die Rückabwicklung des Vertrags erhebe.

2

Die Klägerin verlangt nunmehr noch 24.783,57 € Schadensersatz (anteilige Kosten für Grundsteuer, Haftpflicht- und Gebäudeversicherung für die Jahre 2003 bis 2006 sowie den ihr in der [X.] vom 11. April 2003 bis zum 26. September 2006 entstandenen [X.]) mit der Begründung, sie habe das Grundstück erst im [X.] 2006 für 175.000 € an Dritte verkaufen können.

3

Die Klägerin hat ihre Ansprüche im Mahnverfahren geltend gemacht. Am 18. April 2006 wurde der Mahnbescheid durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt, allerdings unter einer nicht mehr zutreffenden Anschrift. Die Beklagte war Ende November 2005 umgezogen; sie hatte sich zwar ordnungsgemäß umgemeldet, aber die Namensschilder an Tür und Türklingel nicht entfernt. Der [X.] wurde am 9. Mai 2006 in gleicher Weise zugestellt.

4

Am 25. Juli 2006 wurde die Beklagte von dem Gerichtsvollzieher übereine bevorstehende Zwangsvollstreckungsmaßnahme unterrichtet. Auf Nachfrage erhielt sie am 27. Juli 2006 von dem Mahngericht die Mitteilung über die Zustellung des [X.]s am 9. Mai 2006.

5

Mit Schriftsatz vom 2. August 2006 hat die Beklagte Einspruch gegen den [X.] eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Das [X.] hat mit Urteil vom 6. Oktober 2006 den Antrag zurückgewiesen und den Einspruch als unzulässig verworfen. Das [X.] hat mit Urteil vom 11. Juli 2007 die Wiedereinsetzung gewährt, das Urteil des [X.]s aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das [X.] zurückverwiesen. Daraufhin hat das [X.] die auf Aufrechterhaltung des [X.]s gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin die Klage weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht hält das Rechtsmittel für zulässig, obwohl die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ausschließlich die Erwägungen des [X.] zur Verjährung des Anspruchs angegriffen hat. Es sei unklar, ob die Klageabweisung auf zwei selbständige rechtliche Gesichtpunkte, das Fehlen einer Rücktrittserklärung der Klägerin und die Verjährung, oder nur auf die Verjährung gestützt worden sei. Letzteres liege näher; deshalb habe die Klägerin ihre [X.] auf die Frage der Verjährung beschränken dürfen.

7

In der Sache sieht das Berufungsgericht den [X.] als verjährt an. Die dreijährige Verjährungsfrist sei am 31. Dezember 2006 abgelaufen und nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gehemmt worden, weil der [X.] der [X.]n nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Anspruchsbegründung der Klägerin sei der [X.]n erst am 15. Oktober 2007 und damit nach dem Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt worden. Diese Zustellung habe keine Rückwirkung entfaltet (§ 167 ZPO), weil die Verzögerung darauf beruhe, dass die Klägerin in dem [X.]santrag eine Anschrift der [X.]n angegeben habe, deren Unrichtigkeit ihr in unverjährter [X.] bekannt geworden sei. Die Verjährung sei auch nicht nach § 206 [X.] gehemmt worden, weil die Klägerin von dem Zustellungsmangel ebenfalls in unverjährter [X.] Kenntnis erlangt habe. Schließlich komme die Heilung des [X.] nach § 189 ZPO nicht in Betracht, weil die [X.] die zuzustellenden Dokumente nicht in anderer Weise tatsächlich "in die Hand bekommen" und sie sich auch nicht [X.] eingelassen habe.

II.

8

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ein eventueller Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht verjährt.

9

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Rechtsmittels bejaht. Das erstinstanzliche Urteil ist hinsichtlich der Begründung für die Klageabweisung nicht unklar, sondern eindeutig. Das [X.] hat es ausdrücklich dahingestellt gelassen, ob die Klägerin wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten ist, und die Abweisung der Klage ausschließlich auf die angenommene Verjährung des eventuellen Anspruchs gestützt.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch diese Ansicht des [X.] bestätigt.

a) Zutreffend ist allerdings sein Ausgangspunkt. Der geltend gemachte Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 [X.]). Nach der Vorschrift des § 199 Abs. 1 [X.] begann sie mit dem Schluss des Jahres 2003 zu laufen; sie endete somit am 31. Dezember 2006.

b) Im Ergebnis mit Erfolg macht die Revision indes geltend, dass die Verjährung durch die innerhalb der Verjährungsfrist von der Klägerin betriebene Rechtsverfolgung gehemmt ist.

aa) In § 204 Abs. 1 [X.] sind diejenigen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung aufgeführt, die der Anspruchsinhaber ergreifen muss, um den Eintritt der Verjährung des Anspruchs durch ihre Hemmung zu verhindern. Sie sind, soweit hier von Interesse, auf die Einleitung eines förmlichen gerichtlichen Verfahrens mit dem Ziel der Anspruchsdurchsetzung gerichtet. Allerdings tritt die [X.] nicht schon mit dem Tätigwerden des Anspruchsinhabers, sondern erst dann ein, wenn der Anspruchsgegner davon durch die Zustellung der Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) bzw. des [X.]s (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.]), eines sonstigen verfahrenseinleitenden Antrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 2, 7 und 9 [X.]) oder durch die Veranlassung der Bekanntgabe des bei der zuständigen Stelle eingereichten Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) oder des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 [X.]) Kenntnis erlangt.

bb) Ob das Berufungsgericht, wie die Revision unter Berufung auf das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2001 ([X.], NJW 2002, 827, 831), auf die Regelung in § 167 ZPO und auf die Vorschrift des § 206 [X.] meint, zu Unrecht angenommen hat, dass der von der Klägerin am 10. April 2006 beantragte [X.] der [X.]n nicht wirksam zugestellt worden ist, kann offenbleiben. Denn es hat dem Umstand, dass die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid und damit auch die Wirksamkeit der Zustellung in dem ersten erstinstanzlichen Verfahren vor dem Ablauf der Verjährungsfrist geprüft worden ist, nicht die zutreffende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb fehlerhaft die [X.] wegen unwirksamer Zustellung des [X.]s verneint.

(1) Zwar setzt der Eintritt der [X.], wenn sich der Anspruchsinhaber - wie hier - für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs im Wege des Mahnverfahrens (§§ 688 ff. ZPO) entscheidet, nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die wirksame Zustellung des [X.]s an den Anspruchsgegner innerhalb der Verjährungsfrist voraus. Ausnahmen hiervon ergeben sich aus dem Prozessrecht. Nach § 167 ZPO tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des [X.]s bei dem zuständigen Amtsgericht (§ 689 ZPO) ein, wenn die Zustellung des [X.]s demnächst erfolgt. Nach § 189 ZPO gilt der [X.], dessen formgerechte Zustellung nicht nachzuweisen ist oder der unter Verletzung zwingender [X.] zugegangen ist, in dem [X.]punkt als zugestellt, in welchem er dem Zustellungsadressaten tatsächlich zugegangen ist.

(2) Aber das bedeutet nicht, die Hemmung der Verjährung im Fall der unwirksamen Zustellung ausnahmslos nicht eintreten zu lassen. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall Sinn und Zweck der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gewahrt sind. Sie bestehen zum einen darin, sicherzustellen, dass ein Anspruch nicht verjährt, wenn der Anspruchsinhaber angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen (Begr. [X.]. 14/6040 [X.]), hier also den Erlass des [X.]s beantragt hat. Zum anderen soll der Anspruchsgegner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm in unverjährter Frist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt wird (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2009], § 204 Rdn. 33). Beides wird nicht nur durch die wirksame Zustellung des [X.]s, sondern auch dadurch erreicht, dass der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner trotz unwirksamer Zustellung in unverjährter [X.] von dem Erlass des [X.]s und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter [X.] in einem Rechtsstreit geprüft wird. In einem solchen Fall befinden sich beide Parteien im Hinblick auf den Eintritt der [X.] in derselben Lage, in der sie sich bei einer wirksamen Zustellung befänden. Gleichwohl die nochmalige Zustellung des [X.]s zu verlangen, bedeutet ein unnötiges Beharren auf der Einhaltung einer Förmlichkeit, die nicht einmal das Gesetz für den Eintritt der [X.] in jedem Fall verlangt.

(3) Danach hat das Berufungsgericht der Klägerin zu Unrecht angelastet, dass sie die Zustellung des [X.]s unter der ihr in dem ersten erstinstanzlichen Verfahren bekannt gewordenen neuen Anschrift der [X.]n nicht bis zum Ablauf der Verjährungsfrist veranlasst hat. Wie sich aus der Einspruchsbegründung der [X.]n vom 2. August 2006 ergibt, war ihr nicht nur der Umstand der Zustellung bekannt, sondern auch der Inhalt des Vollstreckungsbescheids, der am 5. Mai 2006 aufgrund des [X.]s erlassen worden ist. Der Einspruch war Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Bei dieser Sachlage ist nichts ersichtlich, das dem Eintritt der [X.] entgegensteht.

III.

Somit hat das Berufungsurteil keinen Bestand. Es ist aufzuheben (§ 562 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die notwendigen Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspruchs treffen kann.

[X.]                              [X.]                        Schmidt-Räntsch

                Stresemann                          Czub

Meta

V ZR 98/09

26.02.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 8. April 2009, Az: 12 U 23/08, Urteil

§ 204 Abs 1 Nr 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.02.2010, Az. V ZR 98/09 (REWIS RS 2010, 8887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8887

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 98/09 (Bundesgerichtshof)


III ZR 238/14 (Bundesgerichtshof)

Hemmung der Verjährung durch Zustellung eines Mahnbescheids: Hemmungswirkung hinsichtlich aller materiell-rechtlichen Ansprüche bei Beratungsfehlern im …


III ZR 238/14 (Bundesgerichtshof)


III ZR 239/14 (Bundesgerichtshof)

Hemmung der Verjährung durch Zustellung eines Mahnbescheids: Hemmungswirkung hinsichtlich aller materiell-rechtlichen Ansprüche bei Beratungsfehlern im …


III ZR 240/14 (Bundesgerichtshof)

Hemmung der Verjährung durch Zustellung eines Mahnbescheids: Hemmungswirkung hinsichtlich aller materiell-rechtlichen Ansprüche bei Beratungsfehlern im …


Referenzen
Wird zitiert von

V ZR 98/09

III ZR 56/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.